DOKKEN: Wir blicken auf "The Elektra Albums"

06.02.2023 | 21:53

DOKKEN war schon immer eine Band, die ich auf meinem musikalischen Radar hatte. Wahrscheinlich lag es einmal mehr an meiner vorbildhaften Erziehung, weshalb Alben wie "Tooth And Nail" oder "Under Lock And Key" schon in meinem Kindersalter im Auto abgespielt wurden. Wie dem auch sei, DOKKEN ist mit Aushängeschild Don Dokken am charismatischen Gesang und George Lynch in der begnadeten Klampfenabteilung speziell in den 1980er Jahren eine absolute Bank gewesen, dennoch dürfen Mick Brown, die an der Schießbude sitzende Kraft und Jeff Pilson, der von 1984 bis 2001 den Tieftöner der L.A.-Hardrocker bediente, nicht vergessen werden. Wer weiß, ob der ständig anhaltende Zwist zwischen Don und George nicht schon viel früher das Aus für DOKKEN bedeutet hätte, wenn mit Jeff und Mick nicht diese beiden die Streithähne etwas im Zaun gehalten hätten. Fragen über Fragen, die eigentlich nur die Musik beantworten kann. Und diese wird in einer sehr illustren Box wiederveröffentlicht.

Richtig, unter dem Banner "The Elektra Albums – 1983 – 1987" werden die ersten vier DOKKEN-Alben in einer stabilen, lilafarbenen Box erneut auf die Menschheit losgelassen.

Diese – "Breaking The Chains" von 1983, der Nachfolger "Tooth And Nail", das 1985er "Under Lock And Key" sowie "Back For The Attack" von 1987 – kommen in mehr als schicken Digipacks daher, die wiederum alle im Posterformat das damalige Booklet mit "Special Thanks"-Erwähnungen, den Lyrics zu den einzelnen Songs und einigen Fotos innehaben.

Eine durchaus geschmackvolle und gelungene Aufbereitung einiger Klassikeralben des US-amerikanischen Hard Rocks. Und weil ich mindestens genauso viel Freude mit Zeitreisen musikalischer Art habe wie ihr, liebe Leser, reisen wir einmal zurück in die 1980er Jahre und schauen uns die vier Alben im Detail an:

Aller Anfang ist schwer, doch damals schien der Zwist zwischen Don Dokken und George Lynch noch nicht derart auf dem Vormarsch zu sein, wie in den darauffolgenden Jahren, als es quasi stündlich hätte eskalieren können. Dass sich Antipathie auch positiv auf das künstlerische Schaffen auswirken kann, sollte DOKKEN in den nächsten Jahren erfahren. Im September 1983 erschien aber erst einmal das "Breaking The Chains"-Debüt, für das sich die Musiker aus L.A. der deutschen Hilfe bedienten. Zunächst ging es für die Aufnahmen in die Dierks Studios nach Köln, wo DOKKEN mit Michael Wagener auch einen deutschen Produzenten, der der Band vor allem auf dem dritten Album einen fetten Sound verpassen sollte, in Anspruch nahmen. Dieser ist auf dem Debüt noch etwas dünn – der Sound, nicht Wagener – wodurch auch die Songs, so gut 'Paris Is Burning', der Titeltrack, und das knackigere 'Live To Rock (Rock To Live)' auch in Sachen Songwriting seien mögen, nicht so passend in Szene gesetzt werden konnten. Dennoch zeigten vor allem Lynchs Gitarrenarbeit, Dons ausdrucksstarker Gesang und mit 'Nightrider' und 'Seven Thunders' noch weitere Dosenöffner schon damals, zu welchen Großtaten DOKKEN in Zukunft imstande sein würde. Und zumindest auf diesem Album durfte auch ein gewisser Peter Baltes – ehemals ACCEPT – die Bassspuren einspielen, was man auch heraushört, wenn man sich mit der Geschichte des deutschen Schwermetallflaggschiffs ausgiebig auseinandergesetzt hat. Doch zurück zu den Herren von DOKKEN, die nicht unzufrieden mit dem Debüt gewesen sein dürften. Obwohl also "Breaking The Chains" im direkten Vergleich auch heute noch ein wenig unter dem Radar fliegt, haben die knapp 37 Minuten Spielzeit grundsoliden Hard Rock zu bieten, der manchmal das Besondere aufblitzen lässt, das die Tore zu den darauffolgenden Großtaten sperrangelweit öffnen sollte. Diese sollten nur zwölf Monate auf sich warten lassen, doch trotz der kurzen Zeit, ist der künstlerische und musikalische Quantensprung enorm.

Der Nachfolger erschien schon am 13. September 1984 und bot exquisiten, melodischen Metal, bei dem vor allem die Gitarrenarbeit Lynchs Berge versetzte. Doch schauen wir zunächst auf die Hintergründe, ist "Tooth And Nail" doch das erste Album mit Bassist Jeff Pilson, nachdem sein Vorgänger lieber bei RATT seine Brötchen verdienen wollte. Für die Produktion angelten sich Don Dokken und Co. einen gewissen Tom Werman, der schon mit CHEAP TRICK und MÖTLEY CRÜE zusammenarbeiten und sich gemeinsam mit dem bereits bekannten Michael Wagener so für einen druckvollen, aber nicht allzu glattpolierten Sound verantwortlich machen konnte. Doch war es neben dem Klang und den famosen Riff- und Soloarbeiten Georges vor allem Dons charakteristischer Gesang, der den Songs das gewisse Extra verlieh. Richtig, damals schien zumindest die Welt zwischen Don und George noch halbwegs in Ordnung zu sein, denn das Songmaterial auf "Tooth And Nail" ist erstklassig: 'Into The Fire' bleibt nicht nur wegen des kurzen Gastspiels bei "Nightmare III – Freddy Krueger lebt" im Ohr hängen, 'When Heaven Comes Down' hat einen bockstarken Groove und lässt sich tadellos mitsingen, 'Just Got Lucky' und 'Heartless Heart' bieten schlichtweg grandiosen Hard Rock in der Blüte seiner Zeit und nachdem 'Without Warning' den Hörer in den Bann gezogen hat, könnte das Titelstück nicht lauter und energischer auf den Tisch hauen: Die Vocals, das wahnsinnig gute Riffing, das Solo und die Dynamik in 'Tooth And Nail' sind einfach großartig. Doch auch wesentlich melodischere Momente wie 'Bullets To Spare' oder die 'Alone Again'-Ballade sorgen für einen enormen Hörgenuss und die Gewissheit, dass sich authentisch und stilecht knüppelharter Rock, dezenter Glam Metal und die einen oder anderen ruhigeren Nuancen auf nur einem Album die Ehre geben können. Das Album sprudelt vor guten Ideen und noch besseren Umsetzungen, auch wenn es hinter den DOKKEN-Kulissen doch recht ungemütlich wurde. Anscheinend spornten sämtliche Reibereien die Protagonisten zu Höchstleistungen an, denn musikalisch betrachtet ist das DOKKEN-Zweitwerk einfach nur fantastisch.

Gerade im Flow angekommen, verschanzten sich die Musiker – aufgrund der Diskrepanzen wohl nicht alle zur selben Zeit – in den Amigo Studios in Hollywood und den All Access Studios in Redando Beach, um wieder mit ihrem Lieblingsproduzenten Wagener das dritte Album einzutüten. Am 22. November 1985 wurde schließlich "Under Lock And Key" veröffentlicht, ein Album, das für DOKKEN den kommerziellen Durchbruch bedeuten sollte. Wohlgemerkt waren Dokken selbst und der auch auf Album Nummer drei fabelhaft aufspielende George Lynch sich noch immer nicht ganz grün, doch professionell genug, um mit "Under Lock And Key" ein sehr gutes, bisweilen aber nicht überragendes Werk abzuliefern. Mir persönlich fehlt zu diesem letzten Schritt die gewisse Härte vom Vorgänger, das noch Unberechenbare, das mir auf "Tooth And Nail" so gut gefallen hat. Trotzdem sorgen die wie immer vorzügliche Produktion, Lynns Geriffe und Solieren, Dons charismatischer Gesang sowie mit dem völlig unterbewerteten 'Jaded Heart' und dem überragenden 'Unchain The Night'-Opener auch astreine Hits zumindest dafür, dass ich trotzdem gerne zu "Under Lock And Key" greife, wenn mir der Sinn nach mit allerlei Ohrwürmern besetztem US-Hard-Rock steht. Sowohl harte, dynamische Nummern wie 'Lightnin' Strikes Again' und 'The Hunter' als auch eher melodische Momente wie 'Will The Sun Rise' und 'Slippin' Away' laufen in einem durch, die balladesken 'It's Not Love' und 'In My Dreams' sorgen auch ohne Kitsch und künstliche Tränen für den gewissen Kuschelfaktor, doch ist es die zumindest auf Platte sehr gute Wirkung, die Dons Stimme und Georges Gitarrenarbeit in Kombination ergeben. 42 Minuten lang zeigt sich DOKKEN also von der Schokoladenseite, was am Ende auch – im wahrsten Sinne des Wortes – Gold wert war: Das Album bekam letztendlich nach der Goldenen Schallplatte sogar die Platinauszeichnung für eine Million verkaufte Exemplare. Das will schon etwas zu sagen haben.

Auf der Erfolgswelle schwamm auch "Back For The Attack", verzeichnete DOKKEN doch erstmals in Europa, genauer gesagt in der Schweiz und im Vereinten Königreich, die ersten Charterfolge. Auch in ihrer amerikanischen Heimat kletterte das Album bis auf Position 13 und konnte ebenso wie sein Vorgänger eine Platinauszeichnung einheimsen. DOKKENs viertes Studioalbum erschien im November 1987 und ist nicht nur die letzte Platte in diesem illustren Boxset, sondern auch die letzte gemeinsame Veröffentlichung vor der erstmaligen Trennung im Jahr 1989. Nachdem die ersten drei Alben in Jahresabständen an die Hard-Rock-Fans gebracht worden waren, ließen sich Dokken, Lynch und Co. für ihr neues Album wesentlich mehr Zeit, was den Songs und vielleicht auch der Band gut tat, um zum vorerst letzten Male die Kräfte zu bündeln und ein ähnliches Feuerwerk wie in den Jahren zuvor zu entfachen: Das abschließende 'Dream Warriors', ein weiterer Beitrag DOKKENs zu den Abenteuern eines Freddy Kruegers, ''Kiss Of Death' und 'Stop Fighting Love' sind bockstarke Rocker, beim Instrumental 'Mr. Scary' offenbart Lynch seine ganze Klasse, die Refrains von 'Burning Like A Flame' und 'Prisoners' versetzen noch heute Berge und mit dem stimmungsvollen 'Standing In The Shadows' stellt sich mir noch immer eine wohlige Gänsehaut auf. Vor allem der Klang verschaffte den Glanzpunkten auf dieser Platte einen angenehm metallischen Hauch, sie wirken härter, direkter und in Kombination mit dem ohnehin musikalischen Punch der Protagonisten macht "Back For The Attack" seinem Namen alle Ehre und entwickelt von Minute zu Minute eine deutlichere Eigendynamik. Das Album fließt aus einem Guss und macht vom ersten bis zum letzten Moment große Freude. Leider hielt diese bei den zeitgenössischen DOKKEN-Fans nur ein weiteres Jahr an, gab die Band doch nach der Veröffentlichung ihres Japan-Abenteuers "Beast From The East" ihre Auflösung bekannt, der Clinch zwischen Don Dokken und George Lynch war schlichtweg nicht mehr zu beheben.

Und seien wir einmal ehrlich: In welcher Besetzung DOKKEN in den darauffolgenden Jahren auch Musik machte, wie ordentlich "Shadowlife" oder das 2012er "Broken Bones" auch waren und die einen oder anderen Hits zu verzeichnen hatte, an die Magie und die Durchschlagskraft der ersten vier Alben – "Breaking The Chains" ob der herrlichen Naivität der ersten Gehversuche, "Tooth And Nail" ob seiner fantastischen Songs und Hitdichte, "Under Lock And Key" ob dieser Unantastbarkeit der Band und zu guter Letzt "Back For The Attack ob seiner "Jetzt erst recht"-Kampfansage – kam keine weitere DOKKEN-Veröffentlichung mehr heran. Natürlich stellt sich die Frage, wie es mit der Band hätte weitergehen können, wenn sich Don und George doch am Riemen gerissen hätten und es den erstmaligen Split nicht gegeben hätte. Doch anstatt im Konjunktiv zu leben, lasse ich lieber mit "The Elektra Albums 1983 – 1987" die Vergangenheit wieder aufleben und erfreue mich an all den Klassikern und Besonderheiten, die DOKKEN in dieser Besetzung veröffentlicht hat. Somit führt kein Weg an den vier Alben vorbei, die nicht nur als Digipack-Versionen liebevoll aufbereitet wurden, sondern die Hochzeit des mal melodischen, mal harten, aber stets besonderen Hard Rocks der 1980er Jahre perfekt in Szene setzen.

Redakteur:
Marcel Rapp

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