DORO: Interview mit Doro Pesch
01.01.1970 | 01:00Schon so manche Band ist bei der Zusammenarbeit mit einem Orchester ganz fies aufs Gesicht gefallen. Namen spare ich mir, denn Eingeweihte wissen, um wen es sich hier handelt. Da überrascht es schon, dass gerade DORO mit ihrem Projekt mitten ins Schwarze trifft und den ganz großen Acts einmal zeigt, wie es richtig angepackt wird, zumal die hübsche Sängerin aus Düsseldorf ja in der Vergangenheit auch ab und zu neben der Spur lag, was ihre Releases betrifft. Leider hatte ich bei DORO's Anruf noch keine Note ihres neuen Albums "Classic Diamonds" gehört, fand aber nichtsdestotrotz prima in das Gespräch mit Frau Pesch hinein, welches sich im Laufe der Zeit immer mehr zu einem lockeren Dialog zwischen zwei Freunden entwickelte:
Björn:
Hi Doro! Alles klar so weit?
Doro:
Ja, danke, ich fühle mich supergut.
Björn:
Okay, dann können wir ja direkt mal loslegen. Als erstes möchte ich dir zum Charteinstieg deiner neuen Single gratulieren. Hattest du so etwas etwa erwartet?
Doro:
Oh, vielen Dank. Nun, ich hatte erst eine Single in den Charts, das war `Bad Blood´ 1993, aber auch nur für eine Woche und das war es. Singles sind eigentlich bei uns nie so in die Charts gekommen, weshalb wir alle jetzt sehr überrascht, aber auch ziemlich happy darüber sind.
Björn:
Was ist denn das für ein Gefühl? Ich meine, ihr habt ja mit der Band DORO auch einige magere Jahre gehabt, doch jetzt seid ihr plötzlich wieder im Rampenlicht. Wie fühlt sich das für dich persönlich an?
Doro:
Eigentlich super. Ich habe schon 1999 gemerkt, dass da wieder richtig etwas gebacken war, und da haben wir auch wieder die ersten richtig großen Touren gemacht, so in Amerika und überhaupt weltweit. Man merkt also schon, dass Rock und Metal wieder zurückgekommen sind, und dann auch noch in richtig großem Stile. Das sieht man auch an den ganzen Festivals, die sind alle super besucht, die Tourneen sind gut gewesen, und irgendwie merkt man, es geht wieder aufwärts.
Björn:
Die Single war ja nur eine Vorabveröffentlichung für das Orchesterprojekt, was ja nun ansteht. Am 20. September kam die Scheibe ja dann raus, was erwartet uns da?
Doro:
Das ist eine Platte, auf der alle Klassiker drauf sind, alles mit Symphonieorchester, so richtig cool, geht auch wirklich ab, rockt und bei den Balladen, da war uns eh klar, dass das alles viel schöner klingen wird mit echten Geigen, Celli usw. Aber die heavy Songs, bei denen war das schon eine Überraschung, dass die so megageil rausgekommen sind. So wie zum Beispiel `All We Are´ und `Breaking The Law´, welches übrigens die einzige Coverversion sein wird. Auf der Single gibt es den Song übrigens schon als Appetithäppchen, und da singe ich den alleine und auf der Platte dann im Duett mit Udo Dirkschneider. Dann haben wir natürlich die ganzen Klassiker wie `Metal Tango´, `Für immer´, `I Rule The Ruins´ und eben `All We Are´, dann noch zwei Songs, die den Fans sehr am Herzen lagen, das hat mir der Fanclub eigentlich dann auch ausgesucht, nämlich `1000x gelebt´ und `Love Me In Black´. Dann gibt es noch vier Songs, von denen einer die neue Einmarschhymne von Regina Halmich, der Boxerin, ist. Die kämpfte am 11. September, da waren wir dann auch dabei und haben es auch zum ersten Mal gehört.
Björn:
Ja, du hast es schon angesprochen, ihr habt vier neue Nummern geschrieben. Sind die denn jetzt nur für das Orchester geschrieben worden, oder wird es bei zukünftigen Rockkonzerten dann auch wieder so sein, dass ihr die Songs live spielt?
Doro:
Ja, die sind eigentlich mehr oder weniger nur fürs Orchester geschrieben. Ich weiß es nicht genau, es sind ja auch viele Balladen, und wir müssen halt mal sehen. Bei Konzerten ist es ja so, dass jede Show einmalig ist, und ich schaue dann mal, wie das Publikum so drauf ist, ob die mehr die älteren Sachen hören wollen oder doch lieber was Neues, oder mehr die Balladen, oder mehr die heavy Sachen. Jedes Konzert ist halt anders, also auch die Songauswahl. Wir werden die neuen Sachen halt einproben, aber dann ist da noch die Frage, ob sich das ohne Orchester auch gut anhört. Wenn wir die ganzen Violinen durch Keyboards ersetzen, ja, dann glaube ich, ist das nicht ganz so schön für den jeweiligen Song.
Björn:
In welche Richtung gehen die neuen Stücke denn?
Doro:
Die Songs sind gar nicht miteinander vergleichbar. Der eine ist eine ganz intensive Ballade, das ist `I'm In Love With You´ mit viel Klavier und ganz einfühlsamem Text und einem ganz dezenten Orchesterarrangement. Der Song für die Regina hat ganz viel Power und Energie und heißt `She's Like Thunder´. Wenn die Regina einzieht, dann haben wir da so eine Zwei-Minuten-Version, und das geht dann so richtig ab mit Blitz und Donner. Ja, und die anderen zwei sind dann eher so gefühlvoll und dramatisch, aber das muss man halt hören. Ich denke, dass jeder, der es sich anhört, andere Favoriten hat, kann ich mir jedenfalls vorstellen.
Björn:
Bei den klassischen Stücken handelt es sich – dem Auftritt in Wacken nach zu urteilen – ja eigentlich wiederum um diese offensichtlichen DORO-Stücke, die ja eigentlich in jedem Liveset enthalten sind. Gibt es denn auch so einige Kompositionen, wo du so denkst: "Damit überrasche ich die Leute jetzt"?
Doro:
Ich glaube schon, ganz bestimmt mit der Coverversion von `Breaking The Law´, die hat eigentlich jedem gut gefallen. Sie ist auch sehr anders als das Original, sie fängt halt so ganz schüchtern und langsam an und baut sich dann so richtig dramatisch auf, das hat ja auch den Fans gut gefallen.
Björn:
Das war also diese Version, die ihr in Wacken gespielt habt?
Doro:
Ja, genau, so ähnlich klingt sie auf dem Orchester-Album, aber eben im Duett mit Udo. Das ist dann noch so eine Facette, die ist echt interessant, es ergänzt sich ganz gut. Auf der Single singe ich den Song ja auch alleine, aber ich denke, das ist mit Sicherheit ein Highlight der Platte. Dann ist da ein Song namens `Undying´, der war auf der letzten "Fight"-Platte drauf, und den haben wir jetzt mit vielen spanischen Gitarren eingespielt, was ich halt bei einem normalen Album so hätte gar nicht einspielen können. Der Song hat halt einen spanischen Touch und ist im Endeffekt sehr groß rausgekommen. Bei manchen Songs wollte ich, dass es so bleibt, wie es ist, aber bei manchen haben wir auch ein kleines bisschen verändert, um noch etwas mehr herauszuholen, so dass einige vielleicht noch bombastischer klingen als die Studioversion. Aber das kam halt jedes Mal auf den einzelnen Song an.
Björn:
Wie ist denn die Auswahl der Stücke generell zustande gekommen? Was genau war dir wichtig?
Doro:
Ja also, die Idee zu der Scheibe ist eigentlich entstanden, weil wir das ein paar Mal live gemacht haben. Das war das allererste Mal 2001 in Düsseldorf, und vor zwei Jahren haben mich zwei Leute gefragt, ob ich an so einer Benefizveranstaltung teilnehmen möchte. Das war auch mit dem Metal Classic Night Orchestra, wir wollten die ganzen Klassiker spielen und es war für einen guten Zweck, nämlich für eine kleine Organisation namens "Tiere in Not", und da habe ich mir gedacht, da mache ich gerne mit. Dann haben wir das live gemacht, und es war super. `Für immer´ und `I Rule The Ruins´ waren auch schon da, fertig arrangiert und besonders `I Rule The Ruins´ hat mir zu diesem Zeitpunkt schon super gefallen, also wusste ich, die Songs nehmen wir auf jeden Fall. Später kamen dann noch die neuen Sachen dabei, und daraufhin habe ich die Fans gefragt, welche Songs sie sich noch wünschen, was noch einmal schön wäre, anders zu arrangieren. Ja, und da kam dann der Wunsch nach `1000x gelebt´ und `Love Me In Black´ auf. Die "Love Me In Black"-Platte hatte damals ja einen unheimlich modernen Touch, manchmal sogar ein wenig Industrial, und viele Fans haben gesagt: "Ach, das hat uns nicht ganz so gut gefallen" und deshalb haben wir dann gesagt, wir nehmen die mit den ganzen Instrumenten noch einmal neu auf. Die beiden sind ja dann auch echt stark geworden, besonders `1000x gelebt´ mit den ganzen Celli, das ist schließlich sehr traurig und gefühlvoll geworden, ja, und schließlich war das Ganze dann so eine gemeinsame Sache zwischen den Fans und mir.
Björn:
In letzter Zeit ist es ja so gewesen, dass ganz viele größere Bands in der Rock- und Metalszene mit einem Orchester zusammengearbeitet haben, und wenn ich dann zum Beispiel mal an so Bands wie die SCORPIONS und METALLICA denke, die sind ja ganz böse auf die Nase gefallen. Man hat ja immer zu Recht gesagt, die Band spielt am Orchester vorbei. Besteht da keine Angst, dass du mit deinem Projekt eine ähnliche, zumindest kommerzielle Bruchlandung hinlegst wie diese beiden Bands?
Doro:
Nee, eigentlich nicht, wir haben ja auch geschaut, dass jeder Song so richtig geil rüberkommt und dass halt nicht nur die Band zum Orchester spielt. Ich glaube, man muss es einfach hören. Ich kann ja auch verstehen, dass man skeptisch ist, wenn man noch nix gehört hat, aber dann, wenn man es hört, sagt man "oh yeah, ist ja geil". Ich bin sehr froh, dass ich zumindest einmal im Leben zusammen mit dem Orchester arbeiten konnte, und was mich persönlich sehr angetörnt hat, war, dass es das Metal Classic Night Orchestra ist. Da brauchte ich denen nicht zu erklären, wo ich herkomme, wo ich hin will, das war schon alles klar. Außerdem sind das alles ganz junge Musiker aus der ganzen Welt, aus Russland, Korea, Deutschland, Türkei, also sehr international, und die haben alle ein richtiges Herz für Metal und Rock, und das war mir persönlich sehr wichtig. Da haben wir auch schnell entschieden, dass wir das zusammen machen werden, ich habe mich da auch total wohlgefühlt. Das war auch nicht irgendwie an unserer Musik vorbei, und manchmal fand ich, dass die neuen Versionen teilweise besser rüberkamen als die normalen Studioversionen. Mit diesen Leuten hatte ich jetzt einmal die Chance so etwas zu machen, und ich finde, es hat sehr gut geklappt. Manche Sachen, die brauchen sich echt nicht zu verstecken und gefallen mir sogar besser als die Originale.
Björn:
Wenn du jetzt dein Orchesterprojekt mal mit den anderen vergleichst – ich weiß nicht, welche du von denen jetzt kennst – was macht "Classic Diamonds" denn da zu etwas ganz Besonderem?
Doro:
Ja, sonst ist es halt so, dass vorne die Band und im Hintergrund das Orchester spielt, das war jedenfalls so bei den meisten Platten, die ich gehört habe. Aber bei uns ist es glaube ich eine ganz kompakte Sache. Manche Leute, denen ich das vorspiele, die merken gar nicht, dass hier zusätzlich ein Orchester mitarbeitet. Die Leute sagen dann immer, das ist bombastisch, aber hört sich natürlich an und ist dem Charakter des Songs entsprechend. Es klingt nicht so neben der Spur, sondern schon sehr auf den Punkt, würde ich mal sagen. Aber das muss man wahrscheinlich hören. Jeder Fan hat da sicherlich eine andere Meinung, aber bei vielen Sachen, zum Beispiel bei `Breaking The Law´, das haben wir oft live gemacht, das fanden die Fans auch supergeil, und mir persönlich gefällt es mit am besten. Aber das liegt an jedem individuellen Geschmack, METALLICA kann man ja auch nicht mit KISS oder den SCORPIONS vergleichen. Wir haben uns auf jeden Fall ganz viel Mühe gegeben, dass die heavy Songs gut rüberkommen, die Balladen natürlich auch, aber das Wichtigste waren echt die härteren Stücke – und das ist uns, glaube ich, ganz gut gelungen.
Björn:
Du hattest ja vor kurzem bereits die Möglichkeit, das neue Album vor großem Publikum zu präsentieren, nämlich in Wacken. Doch überraschenderweise hast du dabei nicht nur das eigene Material gespielt, sondern auch mit Blaze Bailey und Chris Caffery so ein paar Klassiker gespielt. Welche Idee steckte eigentlich dahinter?
Doro:
Wir machen auch die Tour zusammen, der Blaze Bailey und ich, und wir haben uns auch so richtig miteinander angefreundet auf den letzten Tourneen. Wir verstehen uns gut, und dann haben wir uns gesagt: "Komm, wir machen etwas zusammen." Also habe ich gefragt, ob er Lust hat. Die ganze Veranstaltung war so benefizmäßig, und da haben wir dann auch `Fear Of The Dark´ gesungen, weshalb wir gedacht haben, "komm, das machen wir auf jeden Fall weiter". Also auch auf der Tour im Oktober wird der Blaze dabei sein, und wir werden diverse Sachen machen.
Chris Caffery hat auf unserer letzten Platte "Fight" gespielt, und wir sind halt immer gut in Kontakt. Letztens in Belgien haben wir uns dann auf einem Festival wiedergesehen und so eine Autogrammstunde gemacht. Daraufhin haben wir uns unterhalten, und ich habe so zum Chris gesagt, dass wir bald in Wacken spielen würden, und er meinte nur, er würde auch gerne dabei sein. Daher habe ich ihm angeboten, einige Soli zu spielen bei `Für immer´ und `Let Love Rain On Me´, und er meinte nur "ja klar". Dann habe ich ihm die Platte gegeben, und in Wacken haben wir uns dann wiedergetroffen. Er hat ja auch gute Erfahrungen von seiner Arbeit mit dem TRANS-SIBERIAN ORCHESTRA, dem brauchte man da also nicht viel zu erklären, er war halt Experte darin, und es macht auch Spaß, mit den anderen Leuten zusammenzuarbeiten, das ist immer was Spezielles und eine große Ehre. Ich glaube, dass auch die Fans es immer interessant finden. Man muss ja auch immer schauen, dass es interessant bleibt, dass man die Fans überrascht und da waren ein paar Special Guests sicher gut.
Björn:
Tja, die Überraschung ist wohl gelungen. Manche von diesen Gästen sind ja auch auf deinem Album. Außerdem spielt bei "Classic Diamonds" ja auch noch Udo Dirkschneider. Was ist mit dem Part von Kai Hansen?
Doro:
Hm, ja, das mit dem Kai ist so eine Sache. Der hat auch gespielt für zwei Songs, aber die CD ist nie angekommen. Das ist jetzt im Presswerk, aber das hat jetzt der Nick gespielt, unser Basser. Es war eigentlich ein schönes Solo. Der Kai hat gesagt, er hat sich so eine Mühe gegeben, aber wie gesagt, es ist nicht angekommen und einen Tag später musste die CD dann auch ins Presswerk. Das ist auch so der einzige Wehrmutstropfen, aber wir hoffen, dass das dann bei der nächsten Platte noch einmal klappt. Wenn ich manchmal was geschickt bekomme, dann geht ja auch bei der Post schon mal schnell etwas verloren. Ja, und Kai ist dann auf Tour gegangen und ist jetzt nicht livehaftig zu hören, aber wir hoffen, das wir irgendwann in der Zukunft noch etwas Gemeinsames auf die Beine stellen. Dieses Mal hat das eben leider nicht geklappt.
Björn:
Aber der Kai war ja zumindest in Wacken vertreten, der hätte ja eigentlich auch mal kurz für einen Song auf die Bühne kommen können. Warum hat das denn nicht geklappt?
Doro:
Ja, ich glaube, Kai war erst einen Tag später da.
Björn:
Ach stimmt, er hat dann mit HELLOWEEN gespielt.
Doro:
Das war aber einen Tag später, und wir waren dann schon bei so einem Biker-Festival. Wir mussten sofort nach unserer Show in Wacken abrauschen, weil es eine zwölfstündige Fahrt war, und deswegen haben wir uns leider nicht gesehen.
Björn:
Ja, wenn man jetzt mal deinen Auftritt in Wacken Revue passieren lässt: Du hast da auch eine ganze Menge von deiner Zeit für andere Songs abgegeben, sprich diese ganzen Klassiker, über die wir eben geredet haben. Tut es denn da nicht weh, wenn man, ja ich will nicht sagen die Zeit verschenkt, aber du hattest halt die Gelegenheit, vor einem so großen Publikum zu spielen, und eigentlich hättest du ja auch viel mehr eigene Songs spielen können. Was hat dich denn schließlich dazu bewogen, doch mehr fremdes Material einzufügen?
Doro:
Eigentlich war das ja nur `Breaking The Law´, und das haben wir ja auch als Coverversion auf unserem Album. Und dann war da nur noch `Fear Of The Dark´, das wir zusammen gesungen haben. Aber ich habe mir gedacht, jetzt, wo der Blaze extra gekommen ist, gebe ich ihm auch Zeit, seine eigene Platte zu promoten oder eben Songs zu singen, allein mit dem Orchester. Ich fand, das war dann auch nicht so viel; es waren zwei Nummern, die der Blaze alleine gesungen hat, und das war schon völlig in Ordnung. Man muss sich ja auch gegenseitig unterstützen, und ich war ja schon froh, dass der gekommen ist, das war gar keine Frage. Ich dachte aber auch, dass die Fans sich freuen würden, denn der Blaze hat ja auch so einige alte MAIDEN-Klassiker gesungen, aus der Zeit, wo er eben mit MAIDEN zusammen war. Tja, und für die Fans war es halt auch etwas Spezielles, das fand ich jetzt also gar nicht schlimm, eher im Gegenteil.
Björn:
Okay, die Reaktionen haben ja auch wirklich für sich gesprochen.
Doro:
Genau, richtig. Ach ja, zwei Songs abzugeben, ich denke schon, das ist völlig im Rahmen.
Björn:
Wie hast du denn das Konzert als solches empfunden?
Doro:
Es war wahnsinnig aufregend. Es ist halt schon etwas ganz anderes, als wenn ich mit meiner Band spiele. Wir sind fünf Mann und kennen uns ja gegenseitig in- und auswendig, und wenn da mal etwas schief geht, können wir es gut kaschieren und sind entsprechend flexibel. Aber da sind dann halt vierzig Mann, wir waren 45 Personen auf der Bühne, und da muss man halt schon eine klare Linie fahren. Ich kann ja nicht sagen: Jetzt machen wir das so, und dann machen wir das anders. Das ist also schon vorher alles ziemlich festgelegt, und deswegen war ich auch supernervös, und dass ich mir das dann alles merken konnte, ja, das war eben für mich superviel. Bei manchem anderen Konzert wäre ich wahrscheinlich nicht so nervös gewesen, aber in Wacken ist das jedes Mal anders, immer wenn wir da gespielt haben, war ich total nervös. Das ist so ein geiles Festival, und es sind so viele Leute da, dass einem schon einmal die Knie wackeln, wenn man plötzlich vor 40.000 Leuten steht. Und dann diese Stimmung, da bin ich vorher immer so ein nervliches Wrack, aber wenn man dann auf die Bühne geht, ist nach dem ersten Song alles wieder verflogen. Aber vorher ist das immer fürchterlich. Manchmal denke ich auch: Ich kann nicht, ich will nicht, ich gehe jetzt nicht hoch; aber das geht natürlich auch nicht. Tja, dann muss man halt auf die Bühne und dann geht das schon wieder.
Björn:
Das gibt es nach so langer Zeit noch, dass man Lampenfieber hat?
Doro:
Doch, bei jedem Gig, ja wirklich, immer. Aber das ist auch ein Zeichen dafür, dass man es besonders gut machen will. Das ist in etwa so, als wenn man einem ein schönes Geschenk machen will, wenn man sich aber nicht sicher ist, ob der andere das mag. Aber wenn man es ihm dann gibt, und der andere freut sich, dann ist gut, dann kann man relaxen und es selber genießen. Aber trotzdem ist es immer wie Bungee-Jumping, also sehr heftig. Früher war das noch viel schlimmer bei mir, da musste ich mich vor jedem Konzert übergeben, damals in den Achtzigern. Das ging dann gemeinsam mit meinem Gitarristen zusammen, denn der war auch immer voll nervös. Aber ja, es hat sich schon gebessert, haha!
Björn:
Ja, früher – da haben wir ja direkt die Überleitung zu dieser speziellen WARLOCK-Reunion in Wacken. Auf deinem Jubiläumskonzert in Düsseldorf habt ihr ja schon einige Songs gespielt.
Doro:
Das war ja das erste Mal, dass wir uns alle wieder getroffen haben.
Björn:
Genau, und in Wacken hat es ja dann wieder die Vollbedienung gegeben. Wie hat sich das denn nach so langer Zeit angefühlt, wieder mit den alten Leuten auf einer Bühne zu stehen?
Doro:
Das hat sich sehr gut angefühlt. Im Vorfeld war es arg stressig, weil der Gig ja schon fast geplatzt wäre. Da kamen dann noch alle möglichen Sachen auf uns zu, die erst noch bewältigt werden mussten, so dass wir uns schließlich WARLOCK 1986 nennen mussten. Jetzt wäre der Gig irgendwie gar nicht zustande gekommen. Da waren dann wieder tausend Rechtsanwälte, und es war schon wieder fast wie damals. Ich bin froh, dass wir da überhaupt wieder spielen konnten, wir haben uns auch sehr gut verstanden. Es war zwar ein bisschen eigenartig, aber ich finde, es hat alles ganz gut geklappt.
Björn:
Tut es dir in solchen Momenten denn nicht leid, dass damals alles so unschön vorbeigegangen ist?
Doro:
Ja, das war ja gar nicht so unser Gedanke damals. Wir haben damals die Namensrechte abgenommen bekommen, das war von unserem damaligen Manager. Der hat uns die eigentlich geklaut, das war eine ganz heftige Zeit. Unter dem Namen WARLOCK auftreten, das ging nicht mehr. Dann fing auch der ganze Stress an, so von außen, der Druck wurde immer größer. Die Leute, die dann so kommerzielles Interesse hatten, bekamen immer mehr Macht. Man konnte überhaupt nicht mehr das machen, was man eigentlich wollte. Bei der "True As Steel" hat das dann überhand genommen, das war damals unsere dritte Platte, und es war auf jeden Fall heftig, selbst für damalige Zeiten. Aber es lag ja nie an der Band, wir haben uns immer gut verstanden, es waren eigentlich die Leute drum herum. Damals in den Achtzigern hatten zum Beispiel Manager und Produzenten viel mehr Macht über eine Band. Das ist heute ganz anders. Um mal ein Beispiel zu nennen: Der Udo Dirkschneider und ich wir wollten in den Achtzigern gerne etwas zusammen machen, also als ich noch bei WARLOCK und er noch bei ACCEPT war, und dann hat das dann immer jemand, ich weiß nicht genau wer, im Keim erstickt. Aber heutzutage kann man unter Musikern etwas zusammen machen, sich miteinander anfreunden, und einfach nur loslegen, was eben damals nicht der Fall war.
Björn:
Nun, nach dieser Show kommen natürlich auch wieder Gerüchte auf, von wegen WARLOCK-Reunion. Wie stehen denn da die Chancen, dass da vielleicht doch noch mal etwas kommt unter dem Namen WARLOCK?
Doro:
Das wissen wir im Moment nicht, weil das ja gerade alles im Argen ist. Da müssen wir erst mal schauen, wie das rechtlich aussieht. Vielleicht müssen wir ... nun, ich weiß auch nicht. Mit dem Namen gibt es halt wieder Stress, da sind gerade wieder etliche Anwälte dran. Das wird sich in Zukunft zeigen, wir müssen das erst einmal alles checken. Ja, ich weiß es noch nicht, wir haben zwar noch nix geplant, aber wir bleiben auf jeden Fall in Kontakt und sehen was rauskommt.
Björn:
Das hört sich ja schon mal vielversprechend an. Kommen wir noch einmal auf dein Jubiläumskonzert im letzten Jahr zu sprechen. Ich denke, das war ja schon ein ziemlicher Erfolg.
Doro:
Ach, warst du da?
Björn:
Ja, ich bin dabei gewesen, ich komme ja auch aus der Gegend, nämlich aus Heinsberg, vielleicht kennst du das ja?
Doro:
Ja klar, klar, da ist man ja so ...
Björn:
Genau. Ja, zu diesem Jubiläumskonzert, was fällt dir da noch so rückblickend zu ein?
Doro:
Also auf jeden Fall waren wir voll überwältigt, dass so viele Leute gekommen sind. Wir hatten mit dreitausend gerechnet und plötzlich waren dann sechstausend da, und das war schon mal supergeil. Und dann kamen halt Fans aus aller Welt; aus Spanien kamen Busladungen an, aus Australien und Amerika sind welche eingeflogen. Dann natürlich die Gäste; der Lemmy und der Mikkey von MOTÖRHEAD waren da, und da habe ich auch gedacht: Das ist so geil, einen Song mit denen zusammen zu spielen. `Love Me Forever´ hatten wir auf der "Calling The Wild"-Platte zusammen gemacht und das hat mich wirklich gefreut.
Ja, die ganzen Gäste, der Blaze und der Claus von BONFIRE und der Jean Beavouir, SAXON haben gespielt, die waren früher in den Achtzigern meine großen Vorbilder. Es war wirklich einmalig. Ich glaube, so lange haben wir auch noch nie gespielt. Drei Stunden und fünf Minuten, das war der absolute Rekord. Und die Fans waren auch so gut drauf. Ich habe es noch mal gesehen, wir haben es aufnehmen lassen, und in manchen Augen sieht man da echt einige Gefühlsregungen. Ich glaube, das war echt eine gute Sache. Ich bin auch froh, dass alle gekommen sind, ist ja auch nicht selbstverständlich, dass man so weit reist, zum Beispiel extra aus Australien rüberkommt, das war schon stark.
Björn:
Ihr hattet auf den Plakaten für dieses Konzert auch Jon Oliva von SAVATAGE als speziellen Gast angekündigt, aber der war dann irgendwie doch nicht dabei. Was ist denn da passiert?
Doro:
Da ist jemand aus der Familie gestorben, ich glaube sogar der Vater, aber das kann ich jetzt nicht so genau sagen. Und dann war natürlich klar, dass das wichtiger ist.
Björn:
Oh ja, natürlich, das wusste ich jetzt nicht.
Doro:
Dafür haben wir dann noch den Jean Beauvoir angerufen, und der ist dann auch gekommen. Bei privaten Sachen, da weiß ich selber wie das ist, und da hat man dann andere Sachen zu tun.
Björn:
Ja, das stimmt wohl. Vor dem Konzert gingen im Internet Gerüchte um, dass METALLICA, die auch zu der Zeit in der Gegend waren, mal vorbeikommen würden, aber das war doch eigentlich nur ein Gerücht, oder?
Doro:
Das war wirklich nur ein Gerücht, ja, haha! Das wäre aber cool gewesen, wir haben ja damals im Ausland, vor allem in Belgien und den Beneluxländern oft zusammen gespielt, auch in so ganz kleinen Clubs. Das war zu der Zeit, als Heavy Metal gerade angefangen hatte. Nee, aber so selten wie die auf Tour sind, da war mir schon klar, dass die nicht auf einmal vorbeikommen würden.
Björn:
Wie stehen denn jetzt die Chancen, dass wir in zwanzig Jahren noch einmal so einen Event feiern können?
Doro:
Ja, wenn alle noch gut drauf bleiben, das wäre natürlich absolut geil. Wenn alle noch körperlich gut drauf sind und noch Bock auf die Musik haben - ja, ich würde mich freuen. Das wäre echt ein super Ziel!
Björn:
Du hast dir also gar keinen Plan aufgestellt, wie lange du jetzt noch aktiv Musik machen möchtest?
Doro:
So lange es mir und vor allem den Fans Spaß macht, das steht an allererster Stelle - ja, dann am liebsten bis zum letzten Abend! Das wäre schon cool. Aber wenn es nicht mehr gehen sollte, dann würde ich gerne Filmmusik machen, wenn man keine Tourneen mehr fahren könnte. Aber Tour, Konzerte und Bands live, das ist schon das Allerschönste! Es macht auch eine Menge Spaß, wenn man gutes Feedback von den Leuten kriegt, das ist schon toll!
Björn:
Du hast es ja eben schon mal gesagt, ihr plant eine Tour im Oktober. Geht ihr da tatsächlich mit dem ganzen Orchester auf Tour?
Doro:
Ja, mit dem ganzen Orchester und mit meiner Band. Wir haben in Wacken 40-45 Leute gehabt und auf der Tour sind es dann ca. dreißig. Und dann wollen wir auch noch Gäste einladen. Wir fangen im Oktober in der Balver Höhle an, da haben wir ja damals die "Für immer "-DVD aufgenommen, und das war auch echt schön da. Da wollen wir auf jeden Fall noch mal hin. Dann gehen wir aber auch mal in solche Hallen, in denen man sonst eigentlich nie spielt. Zum Beispiel spielen wir in einer Kirche in Berlin. Ach ja, wir haben auch gerade das Video zu `Let Love Rain On Me´ auf so einer Burg gemacht. Und vielleicht gehen wir auch dahin, wo man sonst eben nicht spielt, aber natürlich auch wieder in so Hallen wie die Große Freiheit in Hamburg, oder in München die Tonhalle, das ist glaube ich auch was Spezielles. Also auf jeden Fall machen wir was in Deutschland, und dann auch noch etwas in Italien und der Schweiz, und Spanien wird gerade dann noch so anberaumt. Tja, und am Ende kommt dann nächstes Jahr vielleicht noch einmal ein Riesenabschlusskonzert mit Orchester, aber da wissen wir dann noch nicht ganz genau, wo wir hingehen werden.
Björn:
Am besten wieder nach Düsseldorf.
Doro:
Ja ja, genau, haha!
Björn:
Spielt denn jetzt bei so einer großen Tour mit einem Orchester kein finanzielles Risiko mit?
Doro:
Doch, total. Aber ich finde, man muss das einmal im Leben gemacht haben. Jetzt haben wir die Chance, mit den ganzen Leuten. Finanziell muss man da Idealist sein, auch die Veranstalter, haha. Aber wir hoffen, dass es gut geht. Wir machen das schon irgendwie. Mit so vielen Leuten werden wir schon dran basteln, wie wir es dann machen. Aber das war ja auch bei jedem Album so, das musste dann jedes Mal auch klappen. Ich brauche ja nicht so viel, außer meine Wohnung und mein altes Auto, und der Rest wird dann wieder komplett in die Tour gesteckt. Ja, irgendwie machen wir das schon.
Björn:
Oh, das hört sich ja spannend an. Gut, ich bin mit meinen Fragen so weit durch. Aber vielleicht hast du ja noch ein paar Worte für die Leser unseres Magazins übrig?
Doro:
Ja, dass ich mich auf jeden Fall freuen würde, wenn ein paar Leute zur Tour kommen würden. Es ist auf jeden Fall etwas anderes und Spezielles, aber eben auch supergeil. Und dann vielen Dank für 20 years of great support. Ich liebe die Fans über alles, das wissen die Fans auch, und ich hoffe, dass wir noch sehr viele Jahre zusammen haben werden, zusammen rocken und eine tolle Zeit miteinander haben.
Björn:
Alles klar, dann bedanke ich mich ganz herzlich für dieses Interview, es hat mir auf jeden Fall eine Menge Spaß gemacht.
Doro:
Oh, mir auch!
Björn:
Ich freue mich auf jeden Fall auf die Tour.
Doro:
Ach, dann komm am besten nach Balve.
Björn:
Wo genau liegt das denn, das ist doch auch in Nordrhein-Westfalen, oder?
Doro:
Ja, das ist bei Iserlohn.
Björn:
Das ist aber dann ein ganzes Festival und nicht nur DORO, oder?
Doro:
Ja, genau, das geht über ein paar Tage und am nächsten Tag spielen dann SUBWAY TO SALLY.
Björn:
Und an welchem Tag genau ist das?
Doro:
Das ist am 15.Oktober, an einem Freitag, und die Location ist echt toll.
Björn:
Ja, das fand ich auf der DVD schon ziemlich beeindruckend.
Doro:
Genau, finde ich auch, aber wenn man da live ist, da bekommt man da noch viel mehr Feeling für das Ding. Als ich das schon zum ersten Mal gesehen habe, wusste ich, dass das genial wird. Es ist zwar etwas kalt und feucht, aber na ja, was soll's?
Björn:
Eben. Ich versuche mein Bestes, um dorthin zu kommen und bin mal gespannt. Dann können wir uns ja vor Ort noch einmal unterhalten.
Doro:
Klar, kein Problem, melde dich einfach, einverstanden?
Björn:
Werde ich tun. Vielen Dank für das Interview, wir sehen uns dann auf der Tour!
Doro:
Ja, auch vielen lieben Dank. Du, mach's gut Björn, alles Gute, tschüss!
- Redakteur:
- Björn Backes