DREAM THEATER: Interview mit Jordan Rudess und James LaBrie

24.01.2016 | 12:22

Anfang Dezember, Jordan Ruddess und James LaBrie sind auf Promo-Tour zum neuen Album "The Astonishing". Natürlich haben wir uns die Gelegenheit mit den beiden zu sprechen nicht entgehen lassen.

Wir treffen auf zwei offene, sympathische und vom Album überzeugte Musiker, die sichtlich stolz auf das sind, was sie geschaffen haben. Da zum Zeitpunkt des Interviews erst acht Songs - darunter das Intro und die Ouvertüre - zur Verfügung standen, bitten wir die Musiker erst einmal zu erklären, wie es denn zu "The Astonishing" kam. "Die Grundidee stammt von John Petrucci.", eröffnet Jordan. "Er hat das Konzept geschaffen und ist eines Tages damit zu uns gekommen und wir fanden es alle großartig. Wir hatten sowieso seit längerem die Idee im Hinterkopf ein Konzeptalbum zu machen, wenn die Zeit dafür reif wäre und wir die richtige Idee hätten und mit seiner Story war es dann offensichtlich der richtige Zeitpunkt." Natürlich ändert dieses Konzept auch die Herangehensweise an die Musik wie Jordan erläutert. "Natürlich, mit der Story gibt es natürlich schon einen gewissen Rahmen, aber vor allem wollten wir das Album so entwerfen, dass es nicht nur ein Rockalbum, sondern auch eine Musical, eine Oper oder ein Filmscore sein könnte."


Auf "The Astonishing" sind acht verschiedene Charaktere zu hören, die alle von James LaBrie gesungen werden. "Ja, so ist es und das war natürlich auch eine echte Herausforderung für mich.", steigt James in das Gespräch ein. "Ich habe versucht, erst einmal jeden Charakter kennenzulernen und ein Gefühl für ihn zu entwickeln und mich gefragt, wie er oder sie klingen würde, in den jeweiligen Situationen, in denen sich der Charakter befindet. Früher konnte ich bei einem aggressiven Song einfach aggressiv singen, wenn das jetzt aber ein weiblicher Charkter war, musste ich ganz anders mit der Sache umgehen. Das war der Part, der wirklich herausfordernd war." Gastsänger für die weiblichen Charaktere zu engagieren, kam dagegen nicht in Frage. "Darüber haben wir nie wirklich nachgedacht, weil das vieles verkompliziert hätte. Im Studio wäre es eventuell etwas einfacher gewesen, aber auf Tour hätten wir dann Probleme bekommen und das wollten wir nicht.", erläutert James und Jorden ergänzt: "Wir wollten auch, dass "The Astonishing" ein DREAM THEATER-Album wird. Ja, wir haben die Musical- und Oper-Idee im Hinterkopf, aber wir wollten vor allem, dass es unser Album ist." James sieht noch weitere Gründe, warum es schwierig gewesen wäre, Gastsänger zu integrieren: "Man muss ja auch bedenken, dass es für eine Sängerin, die jetzt neu dazu kommt, viel schwieriger ist als für mich. Ohne mir jetzt selbst auf die Schulter zu klopfen, ist es eben so, dass ich nach über 20 Jahren in der Band schon instinktiv weiß, was sich John und James vorstellen, wenn sie bestimmte Parts schreiben. Wir reden natürlich auch viel miteinander, aber diese Erfahrung kann man einfach nicht transportieren. Ich meine, die Musik, die John und Jordan geschrieben haben, ist einfach phänomenal. Sie haben unsere Musik noch einmal auf ein neues Level gehoben und da war mir natürlich sofort klar, dass auch ich mich noch einmal steigern muss und auch meine Vocals auf ein neues Level bringen muss, um da mitzuhalten. Und das einer neuen Person vorzugeben, ist natürlich für sie dann noch viel schwieriger." Dennoch waren die weiblichen Stimmen für James herausfordernder als die männlichen Stimmen. "Das Schwierige war vor allem die richtigen Emotionen zu transportieren. Das Weiche, Weibliche, dies glaubhaft zu vermitteln, dafür zu sorgen, dass der Hörer mir die weibliche Stimme abnimmt. Deshalb war ich auch sehr analytisch beim Studieren der weiblichen Charaktere.", erklärt James.


Natürlich hat viele Fans zu Beginn die schiere Anzahl an Songs auf "The Astonishing" erstaunt. "Ja, es sind 34 Songs, aber sie fließen durchaus sehr ineinander. Ich würde nicht sagen, dass einzelne Teile einfach Parts von größeren Teilen sind, sondern eher, dass eigentlich alles eins ist und man dennoch auch immer noch Songs hört, die man auch aus dem Ganzen entfernen kann, wenn man nur diese Nummer hören möchte.", erklärt Jordan. Eine Einschätzung, die sich als absolut richtig herausstellt, wenn man endlich das komplette Werk gehört hat.

Auch für Jordan war es dieses Mal eine neue Erfahrung. "Ich wusste schon als John mit dem Konzept kam, dass wir anders arbeiten müssen. Normalerweise schreiben wir die Songs zusammen, die anderen Jungs sind auch dabei, bringen ihre Ideen ein und so ergibt sich mit der Zeit die Musik. Aber John und ich schreiben seit 16 Jahren den Großteil der Musik und so haben wir uns dieses Mal ganz zurückgezogen und an einem ruhigen Ort angefangen zu schreiben. Johns Story war so detailliert geschrieben, dass uns klar war, dass wir genauso detailliert komponieren müssen und das hat so im stillen Kämmerlein einfach besser funktioniert. Wie gesagt, wir sind es ja wie ein Musical oder eine Oper angegangen und da musst du dann beim Schreiben der Musik auch immer die Charaktere und die Story berücksichtigen. Es ist einfach ein großes Puzzle, dass viel Arbeit und Aufmerksamkeit erfordert, die wir ihm nur geben konnten, wenn wir voll fokussiert waren."


Jordan sieht auch bereits, welche Vorteile das für die Fans haben wird: "Ach, für unsere Fans wird das doch ein Fest. Es gibt so viele Motive, die in leicht veränderter Form wiederkehren, dass sie die ganze Zeit analysieren können, was wann wo wieder aufgegriffen wird, welche Zusammenhänge es gibt etc. Dazu gibt es Prog, Metal, Balladen, Orchester, Chöre, Gospelchöre, es ist einfach in jeder Hinsicht enorm geworden und ich weiß, dass viele unserer Fans so etwas lieben und die werden bei "The Astonishing" ihre wahre Freude daran haben.", lacht Jordan.

Doch nicht nur mit dem Album sollen die Fans ihre Freude haben, sondern auch mit der kommenden Tour, die DREAM THEATER in ungewohnte Hallen führt. "Ja, wir waren uns sehr bald sicher, dass wir "The Astonishing" komplett aufführen wollten und haben nach geeigneten Locations dafür gesucht und da waren Theater oder Opernhäuser schon die logische Wahl. Dort haben wir einen perfekten Sound und können das Album auch vom Production Design so darstellen, wie wir uns das vorstellen. Eben was es an Licht, Filmen etc. so geben wird. Ich glaube, das wird eine tolle Erfahrung für die Fans, so lange sie kommen, um "The Astonishing" zu sehen und nicht 'Pull Me Under' hören wollen, denn das wird es nicht geben.", erklärt James.

Die futuristische Geschichte, in der die NOMACS ("Noise Machines") die einzige Quelle für Musik sind und in der die Welt sich aus politischer Sicht ins Mittelalter zurückentwickelt hat, weist für Jordan durchaus auch Parallelen zur heutigen Zeit auf. "Es ist einfach so, dass schon heute die Technik unser Leben zu einem großen Teil bestimmt. Wenn man bei einem Kundensupport anruft, antwortet heutzutage häufig zuerst ein Computer und nur in manchen Fällen wird man noch zu einem Menschen durchgestellt. Mehr und mehr geht die menschliche Interaktion verloren, aber noch sind wir an einem Punkt, wo wir steuern, was Maschinen für uns tun. "The Astonishing" spielt in einer Welt, in der sich das geändert hat, in einer Welt, wo Künstliche Intelligenz die Kontrolle über die Menschen übernommen hat. Ich weiß nicht, ob diese Welt, die wir 300 Jahre in der Zukunft malen, wirklich so komplett unrealistisch ist."

Redakteur:
Peter Kubaschk

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