DRY KILL LOGIC: Interview mit Jason Bozzi

19.11.2006 | 13:20

DRY KILL LOGIC spielen in Frankfurt quasi vor meiner Haustür. Da lag es nah, den Jungs einen Besuch abzustatten und sich von den Livequalitäten des Quartetts zu überzeugen. Nach dem zwar guten, aber im Nachhinein etwas unausgegorenen Zweitling "The Dead And The Dreaming" knallt das neue Werk "Of Vengeance And Violence" amtlich. Mit Jason Bozzi, der auf dem neuen Album ein Riff- und Solifeuerwerk sonders gleichen abfeuert, hab ich mich vor der Show unterhalten. Dabei ging es, neben dem neuen Album, auch um die "Gigantour", die letztes Jahr mit Bands wie MEGADETH, DREAM THEATER und NEVERMORE amerikanische Hallen zum Glühen brachte. Des Weiteren hatte ich meine Müh und Not dem lieben Mann zu folgen, der im Stakkatotempo und ohne Luft zu holen seine Statements in mein Diktiergerät sprach.

Tolga:
Vorgestern hattet ihr in Köln das erste Konzert eurer Deutschlandtour. Wie war's?

Jason:
Es war großartig! Die Kölner sind ein cooles Publikum und die Show verlief echt gut. Ideale Bedingungen für einen Tourbeginn.

Tolga:
Welche Erwartungen habt ihr an diese Tour? Ist es mehr eine Promotour, da ihr ja schon sehr kleinen Clubs spielt?

Jason:
Nein nein, so ist es nicht. Es ist nur so, dass wir diese kleinen Clubs besonders gut füllen. Das neue Album ist ja gerade erst erschienen und wir wollen die neuen Songs live vorstellen. Wir versuchen so oft wie es geht nach Europa zu kommen. Die Shows in Europa sind immer großartig.

Tolga:
Du hast gerade das neue Album angesprochen. Wie sind bisher die Reaktionen darauf ausgefallen?

Jason:
Sehr gut! Vor allem in Deutschland und in Europa wird es sehr gut aufgenommen. Wir hoffen, dass diese Euphorie anhält.

Tolga:
Kommt es in den restlichen Ländern nicht so gut an, da du jetzt nur Europa erwähnt hast?

Jason:
Nein, nein. Es läuft eigentlich überall gut. Das Album verkauft sich gut, doch speziell in Europa läuft es einen Tick besser.

Tolga:
Um ehrlich zu sein: Ich mag das aktuelle Album ("Of Vengeance And Violence" - d. Verf.) mehr als den Vorgänger "The Dead And The Dreaming", was zwar auch gut ist, aber nicht ganz so gut wie das neue Album.

Jason:
(Verzieht leicht das Gesicht angesichts meiner Kritik und haucht ein leises "Danke" ins Aufnahmegerät)

Tolga:
Kannst du mir erklären, was der Unterschied zwischen SPV, bei denen das Vorgängeralbum "The Dead And The Dreaming" erschienen ist, und Repossession Records ist. Vor zwei Jahren hattet ihr nämlich nicht die Möglichkeit zu touren.

Jason:
Das ist schon Mal der Hauptunterschied: der Toursupport. "The Dead And The Dreaming" ist ursprünglich auf Repossession Records in den Staaten erschienen. SPV haben es jedoch "nur" hier in Europa vertrieben. Leider haben SPV das Album nicht promotet und auch sonst jeglichen Support vermissen lassen. Als das neue Album rauskam hatten sie (SPV - d. Verf.) kein Interesse daran es zu vertreiben. Daraufhin kam Repossession ins Spiel. Wir haben es bei dem letzten Album schon genossen mit ihnen zusammen zu arbeiten, weshalb sie dann meinten, dass sie das Album weltweit veröffentlichen wollen. Da konnten wir natürlich nicht widersprechen. Und was soll ich sagen: Das ist jetzt die zweite Tour innerhalb von zwölf Monaten. Die Zusammenarbeit klappt zur Zeit wunderbar.

Tolga:
Was mir an eurem Sound gefällt, ist, dass er auf der einen Seite brutal ist, auf der anderen Seite jedoch sehr eingängige Refrains zu finden sind. Ist das für dich der typische DRY KILL LOGIC-Sound?

Jason:
Ich denke, er ist noch am Entstehen. Wir bedienen uns unterschiedlicher Einflüsse, wenn wir die Songs schreiben. Zum großen Teil hören wir viele extreme Sachen, aber auch viel melodische Musik. Wenn es dann an die Albumaufnahmen geht, ist es eine ganz natürliche Sache, dass wir versuchen einen homogenen Song schreiben.

Tolga:
Welche Art von melodischer Musik bzw. welche Bands hört ihr in erster Linie?

Jason:
Was melodische Musik angeht, so hören wir viele Künstler die nicht im Metalbereich angesiedelt sind, wie JEFF BUCKLEY, TOM WAITS, BILLY JOEL, CULT OF LUNA, RED SPARROWS. Unser Bassist z.B. steht auf ISIS. Da gibt's jede Menge Einflüsse von allen möglichen Richtungen. Für manche Sachen gibt es im Songwritingprozess einfach keinen Platz.

Tolga:
"The Dead And The Dreaming" war zwar ein ganz gutes Album, aber es waren meiner Ansicht nach auch ein paar schwächere Songs drauf. Euer neues Album hingegen klingt um einiges homogener, da eigentlich alle Stücke auf einem sehr hohen Niveau angesiedelt sind. Siehst du das ähnlich?

Jason:
Wir haben bei "The Dead And The Dreaming" versucht das beste Album zu machen, zu dem wir zur damaligen Zeit imstande waren. Das Problem war nur, dass wir unter Zeitdruck standen, weshalb wir versucht haben dem Studio zu entfliehen und uns um andere Dinge zu kümmern. Auf dem neuen Album wollten wir sicher gehen, dass jedes Bandmitglied hinter allen Songs zu hundert Prozent stehen kann. Wir ließen uns bei den Aufnahmen von niemandem hetzen. Dieses Mal hatten wir den Luxus, das Album erst dann rauszubringen, wenn wir zu hundert Prozent mit dem Material zufrieden sind. Das war eine sehr gute Erfahrung für uns, was sich hoffentlich auch in einem besseren Resultat niedergeschlagen hat. Auf jeden Fall haben wir uns diesmal dabei besser gefühlt.

Tolga:
Was kannst du mir den Albumtitel "Of Vengeance And Violence" verraten? Ist es ein generelles Thema auf der CD oder eher an jemand persönlich gerichtet?

Jason:
Nein. Nichts von beidem! Cliff (Rigano - d. Verf.) hat es aus einem Buch von Hunter S. Thompson entliehen, wo es heisst, dass "Amerika ein Bullenmarkt aus Rache und Gewalt" ist. Wir dachten zuerst, dass es ein bisschen zu lang und abgefahren ist, um es als Albumtitel zu nehmen. Die Essenz "Of Vengeance And Violence" hat sich besser angehört, weshalb wir es letzten Endes als Titel genommen haben.

Tolga:
"The Dead And Dreaming" hat ebenfalls ein "and" im Titel. War es ein "Unfall", dass ihr zweimal hintereinander ein "and" im Albumtitel hattet?

Jason:
Die Strophe stammt von einem COUNTING CROWS-Song ('Angels Of Silence' vom '96er "Recovering The Satellites"-Album - d. Verf.) und bedeutet, dass viele Leute das selbe durchleben: Sie stehen morgens auf, stempeln ihre Karte ab und haben die selben Emotionen. Sie alle träumen von besseren Tagen, doch niemand macht das Beste aus dem Alltag. Doch alles in allem ist der Titel nicht so ernst gemeint.

Tolga:
Es klingt aber schon wie ein Konzept. Was das neue Album angeht, so hast du auch ein paar Gitarrensoli in die Songs eingebaut. Wer ist denn auf die Idee gekommen, denn sie passen meiner Meinung nach sehr gut in die Songs?

Jason:
Danke! Ich habe nie großartig Gitarrensoli gespielt, habe sie aber immer gemocht und mir auch Musik angehört, in denen Gitarrensoli ein wichtiger Bestandteil der Songs sind. Dieses Mal haben wir Songs geschrieben, in denen meiner Meinung nach Soli einen Sinn ergeben. Wie du es schon gesagt hast: Sie passen! Wir haben sie nicht einfach reingehauen, nur damit sie mal drin sind. Wir haben melodische Sachen für das Album geschrieben, und da hat es Sinn gemacht sie als "Höhepunkt" in die Songs zu integrieren. Es ist eine sehr natürliche Entwicklung im Songwritingprozess und eine komplette andere Richtung, die wir im Vergleich zur Vergangenheit eingeschlagen haben. Alles in allem war es eine sehr organische Sache und nichts Erzwungenes.

Tolga:
Würdest du sagen, dass ihr Metalcore spielt und wenn dem nicht so ist, wie würdest du euren Stil umschreiben?

Jason:
Wir haben mit genrespezifischen Klassifizierungen nix am Hut. Es gibt Leute, die behaupten wir spielen Metal, andere meinen wir spielen Metalcore. Ich kann mit diesen Unterscheidungen nix anfangen. Für mich gibt es heavy und nicht-heavy, gute und schlechte Musik. Ich denke von uns nicht, dass wir eine Heavy-Metal-Band sind. Wir sind lediglich eine Heavy-Band.

Tolga:
Ist es für Cliff hart, die Songs live zu singen? Speziell die melodischen Parts dürften live für ihn schwer zu bewältigen sein...

Jason:
Nicht unbedingt. Das ist halt der Stil, wie er singt. An manchen Abenden ist er in der Kehle ein bisschen heiser, aber meistens ist er auf der Bühne gut drauf. Unsere Monitore sind sehr gut. Wenn die Monitore gut sind, haben wir keine Probleme.

Tolga:
Speziell die Balladen 'Kingdom Of The Blind' und 'In Memoria' sind sehr cool ausgefallen. Ich denke nicht, dass ihr die Songs live spielt, oder habt ihr's doch vor?

Jason:
Wir werden sie nicht live spielen. Es ist nicht unbedingt so, dass wir sie ungern spielen, aber wenn du zu einem Metalkonzert gehst, dann in erster Linie um deine Aggression rauszulassen. Wir lieben diese Songs und sind auch froh, das wir sie auf dem Album haben. Wenn du uns jedoch live zu Gesicht bekommst, dann willst du schon das heavy Zeug hören und keine Balladen.

Tolga:
Was kannst du mir über eure Texte erzählen? Sind sie eher persönlicher Natur oder behandeln sie allgemeine Themen?

Jason:
Sie sind persönlich, aber Cliff schreibt alle Texte. Sie bedeuten ihm eine Menge, weshalb ich nicht so sehr auf die Frage eingehen kann. Ich weiß, was sie mir bedeuten, aber was sie für Cliff bedeuteten als er sie geschrieben hat, das sind sind zwei Paar Schuhe.

Tolga:
Du willst damit sagen, dass es mehrere Möglichkeiten gibt sie zu interpretieren?

Jason:
Ja.

Tolga:
Du hast als Einflüsse Bands genannt, die nicht aus dem Metalbereich kommen. Gibt es andere Bands aus dem Metal- oder Hardcorebereich, die euch stark beeinflusst haben?

Jason:
Natürlich. Da gibt's eine Menge Bands mit denen wir aufgewachsen sind, wie ANTHRAX, TESTAMENT, DEATH ANGEL, EXODUS. Ich stehe ebenfalls total auf alten Hardcore wie BAD BRAINS, UNDERDOG, FUGAZI, INTO ANOTHER. Was die New-Metal-Bands angeht, so bin ich ein großer Fan von KILLSWITCH ENGAGE, HATEBREED, IN FLAMES, THE HAUNTED... Ich hab nie aufgehört Metal zu hören. Ich hör mir alles da draußen an, aber ich hab schon meine Lieblinge.

Tolga:
Du hast eben Bands wie ANTHRAX und DEATH ANGEL genannt, die sich wieder mit ihren alten Bandmitgliedern zusammengeschlossen haben. Gibt es irgendwelche Reunions, die du dir wünschen würdest?

Jason:
INTO ANOTHER, aber leider ist deren Bassist verstorben. Eine QUICKSAND-Reunion wäre auch sehr fein.

Tolga:
Als letztes möchte ich noch auf die "Gigantour" zu sprechen kommen, bei der Bands wie MEGADETH, DREAM THEATER, FEAR FACTORY und NEVERMORE mit von der Partie waren. Wie war es, mit all diesen großartigen Bands die Bühne zu teilen?

Jason:
Es war großartig! Alle Bandmitglieder in diesen Bands waren wirklich sehr gut zu uns. Wir verstanden uns sehr gut mit NEVERMORE. Das sind alles sehr coole Jungs. Mit FEAR FACTORY waren wir schon mal letzten Monat auf Australientour, und ich würde sie als gute Freunde von uns bezeichnen. Jeder war wirklich gut drauf und auch die Stimmung backstage war sehr gelassen. Dabei hat wirklich jeder mit jedem zusammen gesessen und Parties in den jeweiligen Bussen gefeiert. Es hat eine Menge Spaß gemacht und hatte schon was von einer großen Familie. Auf der anderen Seite war es aber auch sehr surreal, da wir z.B. mit MEGADETH aufgewachsen sind und sie geradezu vergöttert haben. Dave war sehr cool, da er sich für uns stark gemacht hat um uns mit auf die Tour zu nehmen. Es war auch klasse sie jeden Abend auf der Bühne zu sehen. Wir sind sehr dankbar dafür, dass wir ein Teil dieser großen Tour waren.

Tolga:
Hast du auf der "Gigantour" etwas gelernt, von dem du auf der jetzigen Tour profitieren kannst?

Jason:
Da wurde eine sehr große Professionalität seitens der Bands und der Crews an den Tag gelegt. Des Weiteren sympathisiere ich sehr mit den Bands, da ich mit denen ja aufgewachsen bin wie z.B. MEGADETH oder LIFE OF AGONY. Sie kamen in den Raum und du dachtest nur, dass es Arschlöcher sind, aber sie waren einfach nur cool. Angesichts der Tatsache, dass sie verdammt erfolgreich waren, sind sie doch sehr auf dem Boden geblieben. Es gibt, wie überall sonst, gute und schlechte Menschen. Vor allem NEVERMORE waren sehr nett. Sie haben mich in ihren Bus eingeladen und mir ein paar Licks an der Gitarre gezeigt. Jeder war sehr bodenständig und das war wirklich bisher die großartigste Sache, die wir bisher mitgemacht haben.

Tolga:
Warum finden solche genialen Touren meistens nur in Amerika statt? Die europäischen Fans würden diese bestimmt auch annehmen?

Jason:
Dave Mustaine verhandelt gerade darüber, das Ganze in Australien über die Bühne zu ziehen. Dabei steht auch zur Debatte, ob die Tour nach Europa kommt. Ich hoffe, dass ihr das bald auch in Europa erleben dürft.

Tolga:
Ich hab mir mal durchgelesen, wer auf der aktuellen Tour dabei ist. Neben MEGADETH sind das Acts wie ARCH ENEMY oder auch OPETH.

Jason:
Auf der anderen Seite habt ihr die großen Festivals, die wir in den Staaten nicht haben. Wir wünschen wiederrum, dass wir die großen Festivals hätten. Ich denke, in nächster Zeit werden diese Tourpackages auch nach Europa rüberschwappen – hoffentlich.

Redakteur:
Tolga Karabagli

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