Drei Dekaden "Flight 666" - IRON MAIDEN

19.06.2009 | 10:53

IRON MAIDEN: ein Name, ein Monument in Metall! Geboren von genialen Geistern, die jeder für sich seit nunmehr 30 Jahren beständig wie ein Uhrwerk famose Jobs abliefern. Sei es der Schöpfer Eddies, Derek Riggs, der unzählige Meisterwerke malerischer Kunst für MAIDEN entwarf und der Band ein Gesicht und Markenzeichen schenkte, sei es die Band selber unter der Führung des Visionärs Steve Harris, der versteckt unter einer bürgerlichen und ruhigen Fassade die Geschicke MAIDENs stoisch von einem Höhepunkt zum nächsten treibt, oder Manager Rod, der aus MAIDEN eine Geldmaschine gemacht hat, die seit Anbeginn der Bandhistorie ganze Familien ernährt. MAIDEN sind nicht einfach nur eine Ansammlung von Musikern. MAIDEN sind eine riesige Familie, zu der auch letzten Endes Millionen von Fans weltweit gehören. Und wenn man sich zuhause fühlt, ist man im Stande auch über einen langen Zeitraum unglaubliche Energieleistungen abzurufen. Das schaffen IRON MAIDEN seit nunmehr drei Dekaden...

Auf dem europäischen Kontinent gibt es keine andere Metalband, die auch nur annähernd erreicht hat, was die eisernen Jungfrauen auf die Beine gestellt haben. MAIDEN ist ein Markenzeichen, ein Phänomen, eine scheinbar niemals versiegende Quelle aus Musik für die Ewigkeit zum einen und Fanliebe, die über alle Maßen heraus zu gehen scheint, zum anderen. Nicht anders ist zu erklären, dass die Jungfrauen in nur zwei Jahren, in der Blütezeit der NWoBHM, mit "Iron Maiden"(1980) und "Killers" (1981) zum Titelaspiranten reifen und mit dem anschließenden Überalbum "The Number Of The Beast" (1982) bereits ihre Meisterprüfung ablegen. Bis heute gilt "TNOTB" als Referenzwerk in Sachen Heavy Metal. Gestopft mit treibenden und pumpenden Basssalven, flankiert, mit in Sachen Melodie nicht zu toppenden Twingitarren, und einem Gesang, der dem schwermetallischen Reigen nochmals an Melodie, Kraft, Ausdruck und Stärke zusetzt. Eines ist klar: Es gibt wenige Metalscheiben, die für die Entwicklung der heutigen Szene extrem wichtig sind. Neben "Kill 'Em All" (METALLICA) für den Thrash oder "Black Sabbath" (BLACK SABBATH) für die Hartwurzelszene überhaupt, sind es MAIDEN, die die ausgewogene Wagschale zwischen Härte und Melodie im Schwermetallzirkus definieren...

Doch drei Jahre voll intensiver Studio- und Tourarbeit forderten ihren Tribut, der sich nach dem Ende der Touraktivitäten zu "TNOTB" im Ausstieg von Drummer Cliff Burr vollzieht. Manchmal jedoch wirkt das Schicksal in jeder Hinsicht wohlwollend und MAIDEN finden nicht nur einen Ersatz sondern ein neues Herzstück. Sie finden den passenden Counterpart für die unbarmherzig treibenden Basslinien eines Steve Harris, der sich seit dem Einstieg zur vierten Scheibe in Mr. Nicko McBrain manifestiert. Seine unbekümmerte, teilweise lockere, shuffelige Spielweise drückt MAIDEN seit 1983, der Veröffentlichung meines persönlichen MAIDEN-Higlights "Piece Of Mind" seinen Stempel auf. Haben MAIDEN auf "Number Of The Beast" unsterbliche Evergreens wie dem Titelsong, dem Epic 'Hallowed Be Thy Name', 'The Prisoner' oder 'Children Of The Damned' über den Jordan geschickt, sind es jetzt Melodic-Metal-Eruptuionen wie 'Where Eagles Dare', 'Revelations', 'Flight Of Icarus' oder 'The Trooper'. Kurz: Die Platte ist hymnisch bis zum Anschlag. Ein Umstand, der sich auch mit der Folgeveröffentlichung "Powerslave" (1984) nicht ändern will, stehen dort solche Granten wie 'Aces High', 'Two Minutes To Midnight' oder 'Rime Of The Ancient Mariner' zu Buche. Man kann und konnte unken wie man will, das schier unendlich anmaßende Songwritinggeschick der englischen Hitfirma wollte nicht versiegen. Allerdings zwingen die heftigen Touraktivitäten und die Veröffentlichungspolitik von einer Scheibe pro Jahr die Band während der "World Slavery"-Tour in die Knie und man befindet sich kurz vor dem Split. Doch was tut man am besten wenn man sich in eine Ecke gedrängt fühlt, depressiv und unzufrieden aufgrund der Kraftlosigkeit, die aus permanenten Höchsleitungen resultiert? Man ändert den Kurs!

Genau zwei Jahre nach "Powerslave" erscheint mit "Somewhere In Time" (1986) ein Jahrhundertwerk, das zunächst die Metalwelt schockiert, da MAIDEN heftigst Synthies einsetzen. Nachhaltig betrachtet sind es jedoch Scheiben wie MAIDENs "Somewhere In Time" oder PRIESTs "Turbo", die Sythies im Heavy Metal überhaupt erst salonfähig machten. Und so prägen Epen, wie das leider bislang live noch immer nicht zu Ehren gekommene 'Alexander The Great', 'Wasted Years' oder 'Stranger In A Strange Land' die Scheibe, deren Nachfolger "Seventh Son Of A Seventh Son" (1988) nicht mindern grandios ausfällt. Noch mehr Shynties heißt die Devise, ein weiterer monumentaler Epic (der Titeltrack), eine Nr. 1-Single ('Can I Play With Madness') und zahlreiche Abgänger ('Moonchild', 'The Evil That Men Do') sorgen für weitere, kaum zählbare Pole Positions rund um den Globus. Doch Erfolg ist manchmal vergänglich, und auch wenn das im Fall MAIDEN eigentlich niemals so richtig der Fall ist, beginnt der Hänger mit dem Ausstieg des songwriterischen Eckpfeilers und Ausnahmegitarristen Adrian Smith, der durch Tausendsassa Janick Gers (ex-GILLIAN) ersetzt wird. Eine spielerisch gute Wahl, die MAIDEN aber nicht den intelligenten Schreiberling wiederbringt, was man den Folgewerken deutlich anmerkt.

"No Prayer For The Dying" (1990) ist weiß Gott keine schlechte Scheibe, kann aber mit dem Standard des bis dahin aufgelaufenen Backkatalogs nicht im geringsten mithalten. Es finden sich zwar nach wie vor alle Trademarks MAIDENs wieder, doch es fehlen die schneidenden Twinleads und der Esprit der eisernen Jungfrau jüngeren Alters. Vielmehr ist sie scheinbar etwas schwachbrüstig geworden ... doch entsteigt sie mit "Fear Of The Dark" (1992) wie Phönix aus der Asche. Einer Scheibe, die in unzähligen Ländern auf Nummero Uno einschlägt, von der ich allerdings noch heutzutage geteilter Meinung bin. Die Platte hat eigentlich alles was MAIDEN ausmacht und dennoch stellt sie in meinem persönlichen MAIDEN-Kontext den eigentlichen Schwachpunkt der Dickinson-Ära dar. Aprospos Dickinson: der umtriebige Sänger fühlt sich nach der Veröffentlichung von "Fear Of The Dark" und der zugehörigen Welttournee nicht mehr als Teil der Jungfrauenwelt und widmet sich fortan Solopfaden, was MAIDEN in arge Bedrängnis bringt. Es soll geschlagene drei Jahre dauern, bis Harris und Co. 1995 den neuen Sänger Blaze Bailey vorstellen, der zunächst aufgrund seiner sehr dunklen Vibes nur zaghaft in die MAIDEN-Welt aufgenommen wird, der aber auf "The X-Factor" einen guten Job hinlegt. Eine Scheibe, die weniger an Blaze Stimme, als an der wahrlich dürren Produktion krankt, die zum ersten Mal Meister Harris himself verantwortet. Bislang saß bei allen MAIDEN-Veröffentlichungen (ausgenommen das Debüt "Iron Maiden") Hitproduzent und Meister seines Fachs Martin Birch (BLACK SABBATH) an den Reglern. Doch mit Dickinson geht auch Birch, das sechste Bandmitglied...

Dennoch glänzt "The X-Factor" mit den MAIDEN-Trademarks ('Sign Of The Cross'), ein Umstand, der dem Nachfolger "Virtual XI" leider völlig abgeht! Hier geht leider nix, kein Epic, kein Abgänger, MAIDEN haben ihren Tiefpunkt erreicht ... und somit das Zwangsläufige auf den Weg gebracht: Die erneute Zusammenkunft mit Dickinson, sowohl als Sänger als auch als Songwriter für MAIDEN unersetzlich. Und es kommt noch besser, den Dickinson bringt zum Wiedereinstieg gleich noch Adrian Smith mit, den Garant für Twingitarren ohne Ende ... oder eher einem Axttripple, da neben ihm nun auch Dave Murray und Janick Gers solieren. Das Ergebnis in Form von "Brave New World" schlägt zum Jahrtausendwechsel wie eine Bombe ein. Weltweit ausverkaufte Konzerte, eine Megashow und ein mit 250.000 Besuchern bepacktes "Rock In Rio" sorgen für ein Comeback in Quasi-Orginalbesetzung, das sich wahrhaft gewaschen hat.

Darauf folgt "Dance Of Death", dessen Totentanz sich teils wieder detailverliebter in Richtung epischer Prägung ('Dance Of Death', 'Paschendale') bewegt. Zwar zieht "Dance Of Death" im Vergleich zur Comeback-Scheibe qualitativ den Kürzeren, doch ist sie der Brückenschlag zum vorweg genommenen Altersmeisterwerk der eisernen Jungfrauen. Denn reifer, sicherer, kompakterer klingen MAIDEN selten zuvor, als auf dem Nachfolger und momentan aktuellen Opus "A Matter Of Live And Death". Die Scheibe ist komplex, aber nicht schwierig, sie ist melodiös aber nicht nudelig. Sie ist in allen Belangen ein Reifezeugnis einer Band, die man schon unzählige Male abgeschrieben hat und die dennoch seit knapp dreißig Jahren die Sperrspitze des weltweiten Metal bildet.
 
Davon zeugt heuer die Dokumentation "Flight 666", die eine einmalige Karriere Revue passieren lässt und Einblick gewährt in das Tourleben einer der fanfreudigsten Bands einerseits. Andererseits in eine Band, die abseits aller Strömungen nie den Glauben an sich selbst verloren hat und die durch die Hartnäckigkeit in Sachen Songwriting, Beständigkeit (Producer Martin Birch/Kevin Shirley, Manager Rod Smallwood) und durch den Segen ihres weltweit berühmten Maskottchens Eddie in der Metalwelt unsterblich geworden ist. Dabei forciert die "Somewhere Back In Time"-Tour zu einem Event der Extraklasse, da nicht nur die monumentale Bühnenshow der "World Slavery"-Tour (1984) reaktiviert wird (inklusive Eddie als Riesenmumie), sondern was Lichteffekte und Pyros angeht nochmals kräftig aufgesattelt wird. Um das Ganze logistisch zu stemmen, schaffen sich MAIDEN mal eben für jene Tour eine eigene Boing an, die die Band, die Crew und sämtliches Equipment im First Leg der Tour insgesamt 70000 km über 5 Kontinente führt, in denen die Band 23 Konzerte in 45 Tagen abreißt. Gigantismus pur!

Die Geschichte MAIDENs ist eine Geschichte der Superlative, geprägt von ausladenden, permanent ausverkauften Tourneen, von denen Live-Alben wie das grandiose "Live After Death", "A Real Live/Dead One" oder "Flight 666" künden. Und fragt man heutzutage irgendeine Band nach ihren Wurzeln fällt höchst wahrscheinlich der Name IRON MADEN...

...und die Geschichte hat noch kein Ende, denn noch ist die eiserne Jungfrau nicht verrostet und auch Eddie scheint noch Biss und Hunger zu haben. Die Band selber ist auf dem technischen Höhepunkt angelangt und jeder einzelne Musiker besticht in der Form seines Lebens. Zudem sind MAIDEN nie kommerziell erfolgreicher gewesen wie heute. Seit der Reunion 1999 schwimmt die Band auf einer Welle der Euphorie und geizt nicht mit Qualitätsware, was Konserve wie auch Live betrifft. Dafür werden sie geliebt wie kaum eine zweite Metalband. Eine Liebe, die MAIDEN mit jeder Note zurückgibt. Die Bande zwischen Fans und der eisernen Jungfrau ist stärker als je zuvor, was den Weg frei macht für Zukünftiges. Und soviel sei seitens Mr. Harris versprochen: Da geht noch einiges...

Redakteur:
Alex Straka

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