EDGUY: Interview mit Jens Ludwig

03.10.2007 | 11:08

Lustige Hessen in der großen weiten Welt: EDGUY beackern gerade den amerikanischen Kontinent, um ihr immer noch aktuelles Album "Rocket Ride" zu bewerben. Da Sänger Tobias Sammet im Hotel Kräfte sammeln muss - seine Blinddarm-Notoperation im August hätte die Tour fast gefährdet - steht mir Gitarrist Jens Ludwig zum kurzen Plausch im Backstage-Bereich des B. B. King's Blues Club im Herzen von New York zur Verfügung. Wenig später feiert der sympathische Fünfer eine rauschende Party, die einmal mehr untermauert, dass EDGUY zu den derzeit besten Live-Acts aus deutschen Landen zählen.

Elke:
Was ist im EDGUY-Lager seit der Veröffentlichung von "Rocket Ride" Anfang des Jahres so passiert?

Jens:
Wir waren und sind viel auf Tour. Nach der USA-Reise kommen noch ein paar Einzelshows in Russland, eine in Deutschland, eine in Slowenien, also noch vier bis sechs Konzerte, und dann ist die "Rocket Ride"-Tour, denke ich, abgeschlossen. Anschließend werden wir wieder an neuem Material und an der DVD arbeiten, die wir letztes Jahr in Brasilien aufgenommen haben. Langweilig wird es nie, wir haben immer was zu tun.

Elke:
Wie viele Shows gab es insgesamt im Rahmen dieser Tour?

Jens:
Vielleicht hundert? Keine Ahnung, wir sind ja im Grunde seit 2006 unterwegs, aber hundert könnte schon hinkommen.

Elke:
Ist nach so vielen Gigs irgendwann die Luft raus, oder macht es euch weiterhin Spaß?

Jens:
Es macht nach wie vor Spaß, jedes einzelne Konzert. Gerade die USA-Tour ist etwas ganz anderes, als wenn wir in Europa unterwegs sind. Es ist natürlich eine große Herausforderung, in vielen kleinen Clubs zu spielen, aber auch das hat einen enormen Reiz, sich dieser Herausforderung zu stellen und jedes Mal das Beste daraus zu machen.

Elke:
Ihr wart bereits vor zwei Jahren auf einer ausgiebigen USA-Tour. Wie sind bisher eure Erfahrungen mit den Amis?

Jens:
Ziemlich gut. Die Fans sind alle sehr, sehr nett. Gut, das Treatment ist ein bisschen anders, als wir es in Europa gewohnt sind, aber mein Gott - so ist es halt, das weiß man schon vorher, und wenn man damit nicht klar kommt, braucht man auch nicht hierher fahren. Das erste Mal waren wir als Support von HAMMERFALL hier, und die Tour ist anscheinend so gut gelaufen, dass Nuclear Blast beschlossen haben, uns für die nächste Tour als Headliner zurückzuholen.

Elke:
Ich denke, deutscher Power Metal kommt hier auch grundsätzlich ganz gut an, oder?

Jens:
Verhältnismäßig. Ich kann es nicht so ganz beurteilen, weil ich in der amerikanischen Szene nicht wirklich zu Hause bin, aber für uns läuft es bisher ziemlich gut. Die ersten drei Shows waren sehr gut besucht, und ich denke, heute wird es auch recht voll. Insofern ist diese Tour ein sehr wichtiger Schritt für uns.

Elke:
Worin siehst du die größten Unterschiede zu einer Tour in Europa?

Jens:
Der Amerikaner an sich ist natürlich ein bisschen anders als der Europäer. Man braucht immer ein, zwei Tage, bis man sich halbwegs an die Mentalität gewöhnt hat, aber dann ist es okay. Es ist immer wieder lustig, und echte Rock'n'Roll-Shows erleben wir hier auch.

Elke:
Bereits auf der letzten Tour hattet ihr INTO ETERNITY im Vorprogramm. Wie passt diese doch sehr merkwürdige Kombination überhaupt zusammen?

Jens:
Ähm ... Nuclear Blast haben die Tour gebucht und wir haben ihnen die Auswahl der Vorbands überlassen. Dass INTO ETERNITY dabei sind, hat uns natürlich gefreut, weil wir sie bereits kennen und es sehr nette Zeitgenossen sind.

Elke:
Im Vergleich zu den von vielen Line-up-Wechseln geplagten Kanadiern seid ihr erstaunlich beständig und immer noch fast in der Original-Besetzung zusammen.

Jens:
Das stimmt. Unser erster Drummer ist vor über zehn Jahren ausgestiegen, aber seitdem ist unser Line-up sehr stabil. Wir sind auch sehr, sehr glücklich darüber, denn wir verstehen uns wunderbar. So macht das Tourleben auch am meisten Spaß, wenn man weiß, dass man mit den besten Freunden unterwegs ist. Es erleichtert manche Sachen schon sehr.

Elke:
Auch euren Plattenlabels seid ihr sehr treu. Nach vielen Jahren bei AFM seid ihr mit den letzten beiden Alben bei Nuclear Blast untergekommen. Ich nehme an, dass diese Zusammenarbeit längerfristig ausgelegt ist, oder?

Jens:
Ich gehe davon aus. Bis jetzt sind wir sehr zufrieden mit der Arbeit von Nuclear Blast, und ich denke, sie sind auch sehr zufrieden mit uns. Insofern steht einer weiteren Zusammenarbeit nichts im Wege.

Elke:
Ein wichtiges Element eurer Shows ist bekanntlich das, was euer Sänger Tobi spontanerweise von sich gibt. Wie funktioniert sein Humor auf Englisch?

Jens:
Sehr gut, gerade in den USA. In Südeuropa z. B. verstehen viele Leute kein Englisch, und da zünden die Ansagen nicht so wirklich oder werden anders aufgenommen, als Tobi es eigentlich meint. Aber hier klappt es bis jetzt wunderbar, die Amerikaner fahren da voll drauf ab. Das Wenigste ist ja geplant, man kann also nie sagen "heute kommt Witz A oder Witz B", sondern wenn ihm etwas Blödes einfällt, haut er es halt raus, und manchmal zündet es, manchmal nicht.

Elke:
Gab es bereits Ansagen, die richtig in die Hose gegangen sind und wo ihr anderen euch gefragt habt, was euer Sänger da gerade für einen Blödsinn verzapft?

Jens:
Ja, das kommt auch vor. Beispiele fallen mir spontan nicht ein, aber manchmal verzettelt er sich einfach und bekommt die Kurve nicht mehr zurück zu der normalen Ansage. Fußball ist normalerweise ein sehr beliebtes Thema von ihm, aber hier in Amerika interessiert das ja keinen. Es kam ein paar Mal vor, dass er sich um Kopf und Kragen reden musste, damit er den Bogen kriegt und zur Show zurück kommt. Aber wir kennen das ja, und es macht nach wie vor Spaß. Ist ja auch spannend für uns, zu erleben, was er sich wieder einfallen lässt.

Elke:
Ich könnte mir denken, dass der Headliner-Gig auf dem Bang Your Head!!!-Festival für euch zu den Höhepunkten dieses Jahres zählt. Gab es Leute, die euch das geneidet haben?

Jens:
Das war auf jeden Fall ein Höhepunkt. Im Vorfeld gab es, so wie ich das mitbekommen habe, viele Diskussionen, ob wir überhaupt die Headliner-Rolle auf dem Bang Your Head!!! ausfüllen können, aber allein von den Zuschauer-Reaktionen und den Kommentaren in diversen Gästebüchern hinterher kann ich mit Überzeugung sagen: Ja, wir konnten das! Ganz davon abgesehen haben uns die kritischen Vorab-Stimmen umso mehr angestachelt, und dann kam so ein bisschen die "jetzt erst recht"-Einstellung. Und am Ende war es ein ziemlich gutes Konzert und definitiv ein Hightlight des Sommers.

Elke:
Ich weiß nicht, ob ihr das mitbekommen habt, aber ich hatte auf dem Bang Your Head!!!-Festival den Eindruck, dass HAMMERFALL, die vor euch auf die Bühne mussten, ein kleines Problem damit hatten, nicht selbst die Headliner-Position inne zu haben. Joacim Cans kündigte nämlich die Bandhymne mit den Worten an: "This song is not called EDGUY. This song is not called DIO. It's called HAMMERFALL." War es so gemeint, wie er das gesagt hat?

Jens:
Davon habe ich schon gehört, aber das war überhaupt nicht so gemeint. Wir kennen die Jungs von HAMMERFALL schon ewig, denn wir sind schon mehrfach mit ihnen getourt. Ich bin mir daher sicher, Joacim wollte uns nichts Böses - das haben viele Leute wahrscheinlich nur in den falschen Hals bekommen. Der Song heißt halt 'Hammerfall', und er hätte genauso gut "This song is not called IRON MAIDEN" sagen können oder was weiß ich. Ich würde ihm nie unterstellen, dass er sticheln oder was Böses sagen wollte. Und selbst wenn - na und!

Elke:
Letzte Frage: Was macht die Arbeit für das nächste Album?

Jens:
Wir sammeln derzeit lediglich Ideen. Nach der Tour werden wir uns verstärkt wieder im Proberaum versammeln und an neuem Material arbeiten. Voraussichtlich Ende 2008/Anfang 2009 sollte die nächste Platte fertig sein, wenn nicht noch eine Tour dazwischen kommt.

Redakteur:
Elke Huber

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