EKTOMORF: Interview mit Zoltàn Farkas

01.01.1970 | 01:00

Wenn man auf das Thema härtere Musik zu sprechen kommt, hat sich Österreichs Nachbar Ungarn bislang als eher unerwirtschafteter Flecken auf der europäischen Landkarte hervorgetan. Damit ist nun endgültig Schluss, denn jetzt kommen EKTOMORF! Nach bislang vier Studioalben seit 1996 und fleißigem Absolvieren diverser Konzerte quer über den Kontinent – unter Anderem konnte das Quartett sehr erfolgreiche Gigs beim deutschen Summer Breeze Open Air und italienischen Pendants verbuchen – hat die Thrashcore-Band um die Gebrüder Zoltàn (Gitarre, Gesang) und Csaba Farkas (Bass) mit "Destroy" ein wirkliches Hammer-Brett aus dem Boden gestampft. Unter der Anleitung von MNEMIC- und THE HAUNTED-Produzent Tue Madsen entstand in den dänischen Ant Farm Studios ein im Vergleich zum Vorgänger "I Scream Up To The Sky" wesentlich thrash-lastigeres und brutaleres Album, das sämtliche Zweifel – falls es die überhaupt jemals gegeben haben sollte – am Können der jungen Ungarn förmlich wegbläst. Eine derartig kompromisslose und aggressive, aber gleichzeitig auch frische Mischung aus Thrash und Hardcore bekommt man nicht aller Tage geboten, Anschnallen ist angesagt, sowohl für Hörer als auch Konkurrenz!


"Das ganze Album dreht sich hauptsächlich um meine vergangenen zwei Jahre, da hatte ich so die Schnauze voll von meinem Leben", erzählt Frontmann und Bandkopf Zoltàn über die geballte Aggressivität, die "Destroy" vorantreibt. "Ich habe das Album 'Destroy' genannt, weil ich wirklich eine Menge Scheiße durchgemacht hatte, welche ich mit den Stücken – die sehr aggressiv ausgefallen sind – verarbeiten wollte. Alles, was mir beim Songschreiben in den Kopf kam, drehte sich um Zerstörung und Vernichtung." Harter Tobak. Doch trotz all' dieser von Zoltàn aufgefahrenen Frustkompensation birgt das Band-Neuwerk nicht nur Härte und Wut in sich. Ein wichtiger Bestandteil der EKTOMORF'schen Musik sind nach wie vor Elemente der ungarischen Zigeuner-Folklore, die der Sänger in Anlehnung an seine und Bruder Csabas Roma-Wurzeln den wuchtigen Thrashcore-Songs beimischt. "Dieser Zigeuner-Spirit basiert sowohl auf Freiheit als auch das Kämpfen darum, das passt meiner Meinung nach sehr gut zu EKTOMORF."

Was die Unterschiede von "Destroy" zum 2002-Output "I Scream Up To The Sky" angeht, so sind selbige in Zoltàns Augen nur zu offensichtlich: "Die Unterschiede sind wie Tag und Nacht, wir benutzen jetzt beispielsweise viel mehr Thrash-Riffs als zuvor und der Sound kommt viel fetter. 'Destroy' ist intensiver, aggressiver und riff-orientierter als sein Vorgänger ausgefallen, metallischer, nicht im traditionellen Sinne, eher modern. Trotzdem würde ich aber nicht sagen, dass wir Nu Metal spielen, wie viele behaupten. Bei 'I Scream Up To The Sky' war alles viel grooviger, das war Musik, zu der man gut abgehen und rumpogen konnte." Und fügt mit einem Lachen dazu: "Wenn man also ab sofort zu unseren Gigs kommt, dann kann man entweder herumspringen oder einfach nur dastehen und sich das Hirn rausbangen."

In punkto Lyrics hat sich im Vergleich zu den Vorgängeralben jedoch nichts geändert, EKTOMORF verarbeiten auch auf "Destroy" – neben Zoltàns Wut – sozialkritische Themen und Texte. "Ich möchte den Leuten einfach die Augen öffnen", so der Fronter. "Speziell mit dem Titelsong 'Destroy', der davon handelt, wie verdammt gleichgeschaltet und unecht alles in unserer heutigen Zeit ist. Wenn ich auf die Straße gehe, sehe ich überall Leute, die die gleichen Klamotten tragen oder die gleiche Frisur, einfach das gleiche Image pflegen, und das macht mich verdammt wütend, denn vielleicht wollen sie ja alle gar nicht gleich sein, müssen sich aber dem verdammten Trend anpassen, um akzeptiert zu werden." Dass er weiß, wovon er spricht, offenbart Farkas im Anschluss: "Als ich noch klein war und in den Kindergarten ging, schlug mir immer Ablehnung entgegen, weil ich ein Roma war." Alles, was nicht der gängigen Norm entspricht, wird ausgegrenzt – das war schon zu Zoltàns Kindheit nicht anders als heute.

Den Vergleich EKTOMORFs mit Bands wie SEPULTURA oder SOULFLY aufgrund gewisser Ähnlichkeiten in Musik und Textgut zogen Fans und Presse schon vor "Destroy" heran. "Nun, ich und der Rest der Band sind stolz darauf, wenn die Leute sagen, dass wir so cool sind wie SEPULTURA oder SOULFLY" fällt dem Sänger dazu ein. "Ich muss zugeben, dass ich ein riesiger Fan von Max Cavalera bin, ich halte ihn für einen der besten Musiker überhaupt." Trotzdem zieht er auch klare Grenzen: "EKTOMORF sind dennoch anders, das hört man besonders auf dem neuen Album. Ich denke auch, dass sich meine Stimme sehr von der von Max unterscheidet."
Den Wünschen besonders deutscher Fans, die die Band bei Konzerten immer wieder auf SEPULTURA-Coversongs ansprechen, kommen EKTOMORF nur bedingt gerne nach: "Ich kann das nicht mehr hören und möchte das eigentlich auch nicht mehr machen. Wenn wir einen SEPULTURA-Song live covern, dann nur, weil wir auch wirklich Lust dazu haben."

Und eigentlich haben EKTOMORF Vergleiche zu anderen Musikkollegen auch gar nicht wirklich nötig. Mittlerweile sind die Jungs gar die erste ungarische Band überhaupt, die einen weltweiten Plattenvertrag ergattern konnte. Das macht Herrn Farkas und Co natürlich mächtig stolz. "Eigentlich können wir es immer noch nicht ganz glauben. Das ist so wundervoll! Wir kommen ja aus ganz kleinen Verhältnissen, stammen nicht mal aus Budapest, sondern aus einer ganz kleinen, unbekannten Stadt. Jeden Morgen, wenn ich aufwache, muss ich mir erst wieder über mein Glück klar werden."
Auf die neuen Möglichkeiten, die sich der Band dadurch eröffnen, ist Zoltàn auch schon ganz heiß, z.B. wenn es on the road geht: "Ich freue mich schon sehr, in vielen verschiedenen Ländern zu touren, überall, wo es möglich ist."

Stichwort Touren – woher nehmen EKTOMORF eigentlich die unbändige Energie und Kraft für ihre extrem explosiven Live-Shows? "Weißt du, wenn wir auf der Bühne stehen, wollen wir einfach alles geben. Aufwändige Effekte und so was, um eine 'wirkliche' Show abzuziehen, brauchen wir nicht, wir wollen einfach nur spielen." Ihrem Live-Publikum hat die Band sogar einen Song auf "Destroy" gewidmet: "Wir haben einen neuen Song, der 'A.E.A.' heißt, das steht für 'Aggressive Energetic Adrenaline'. Die Idee dazu hatte ich, als ich auf der Bühne stand und die Leute davor ansah: Sie waren wirklich aggressiv, energisch und das Adrenalin kochte verdammt hoch."

Der Night Of Power, die EKTOMORF neben BRAINSTORM als zweiter Headliner am 16.10. in der LiveFactory in Adelsheim rocken werden, sieht Zoltan schlussendlich trotz anfänglicher Bedenken zuversichtlich entgegen: "Nun, wir fallen da mit unserer Mucke doch etwas aus dem Rahmen, es ist eine große Herausforderung für uns, die Bühne mit Bands wie BRAINSTORM zu teilen, die ja aus einem viel traditionelleren Bereich des Metals kommen. Ich bin mir aber sicher, dass – wie es auch schon in Wacken passiert ist – jeder seinen Spaß haben und es ein tolles Festival werden wird!“


Quelle: Nuclear Blast Katalog Frühjahr 2004

Redakteur:
Kathy Schütte

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