ELUVEITIE: Interview mit Chrigel Glanzmann
14.04.2025 | 22:05Dass ELUVEITIE einen ganz besonderen Sound kreiert, beweisen uns die Schweizer auch auf ihrem neuesten Abenteuer. Dabei ist "Anv" kein normales Album, sondern birgt so viele schöne Geschichten wie Geheimnisse – mit grandiosen Melodien, einer speziellen Atmosphäre und diesem Wohlfühlklang, als würde man einen guten, alten Freund nach vielen Jahren wiedertreffen. Weshalb das so ist, wer oder was Anv ist und welche Meilensteine auf eine einsame Insel gehören, verrät uns Chrigel Glanzmann, Sprachrohr und Multiinstrumentalist bei ELUVEITIE.
Hallo Chrigel, wie ist die Stimmung im ELUVEITIE-Lager?
Gut! Unser neues Album steht kurz vor der Veröffentlichung und wir können es kaum erwarten, es mit euch allen zu teilen!
In den letzten Wochen wart ihr mit AD INFINITUM und INFECTED RAIN auf großer Europatournee. Welche Erfahrungen habt ihr gemacht und was habt ihr von der Tour mitgenommen?
Um ehrlich zu sein... nicht einmal allzu viel, außer einem Lächeln im Gesicht, hehe. Ernsthaft, das war eine wirklich, wirklich reibungslose Tour in jeder Hinsicht. Die Chemie zwischen den Bands stimmt natürlich, auch zwischen den Crews aller Bands, es gab nicht eine einzige schlechte Show, nichts Schlimmes ist passiert... Es war einfach wirklich glatt, nett und wunderbar.
Das einzig Traurige daran ist, dass es die letzte Tour unseres Pfeifen- und Dudelsackspielers Matteo mit uns war. Das war hart und auch ziemlich emotional. Aber so schwer es auch war, ihn gehen zu lassen, so sehr freuen wir uns für ihn – er hat es wirklich verdient, endlich das Kapitel in seinem Privatleben zu beginnen, über das er schon lange nachgedacht hat! Wir wünschen ihm alles Gute und auch wenn wir nicht mehr gemeinsam auf der Bühne stehen werden, so wird Matteo doch in unseren Herzen bleiben.
Mit Lea-Sophie habt ihr eine neue Musikerin dabei. Wie seid ihr auf sie aufmerksam geworden und wie hat sie sich in ELUVEITIE integrieren können?
Wir kennen uns schon seit vielen, vielen Jahren... so war das, hehe. Sophie ist einfach eine unglaubliche Musikerin und unglaublich leidenschaftlich in jedem einzelnen Ton, den sie spielt. Und ja, sie konnte sich schon gut integrieren, auch wenn es um unsere neue Musik geht. Sie hat schon einige Ideen für unser kommendes Album beigesteuert!
Ende letzten Jahres habt ihr mit 'Premonition' eure erste neue Musik seit zwei Jahren veröffentlicht. Wie war die Resonanz und inwieweit steht der Song stellvertretend für die gesamte neue Platte "Anv"?
Danke, die Resonanz war bisher ziemlich überwältigend, um ehrlich zu sein. Wir haben auch den starken Eindruck, dass viele Leute nicht "nur" die Musik mögen, sondern den Song, seine Emotion, seine Botschaft wirklich verstehen. Und das ist eine wunderbare Sache, die wir nicht als selbstverständlich ansehen!
Wofür genau steht "Anv"? Folgt das Album einem bestimmten Konzept, einer Geschichte, die uns "Anv" erzählt?
"Anv" ist einfach der Name unserer Muttergöttin, der Mutter aller Götter und Göttinnen und sie repräsentiert einfach unseren Planeten, Mutter Erde, Mutter Natur. Unser kommendes Album basiert auf einem uralten Text, der mehrere tausend Jahre alt ist und eine Art Eschatologie darstellt, die sich auf die Entwicklung des Menschen im Laufe der Zeit und sein oft ambivalentes und eher problematisches Verhältnis zum Rest der Schöpfung konzentriert, den er gewöhnlich als "Natur" oder "Umwelt" bezeichnet. Wie wir alle wissen, ist diese Beziehung nicht nur gut, vor allem nicht seit etwa zwei Jahrhunderten. Dieser alte Text regt zum Nachdenken über diese Themen an... und somit auch unser kommendes Album "Anv"!
Das Album hat ein wunderschönes Artwork. Wofür steht die Mondsichel und was stellt das Artwork in seiner Gesamtheit dar?
Danke! Die Mondsichel hat mehrere Symboliken in sich. Einerseits kommt der Mond mit der Nacht und symbolisiert damit den Antumnos, das Jenseitige, das Ewige, das Heilige, die Quelle des Lebens selbst. Andererseits – und auch im Kontext des Albums – symbolisiert er auch ein neues Äon, das kommt. Die geweihte Figur auf dem Cover (und auch auf denen von "Aidus" und "Exile Of The Gods", die bereits zu diesem konzeptionellen Zyklus von "Anv" gehören), stellt Anv dar, die Muttergöttin in unserer Mythologie. Und wie gesagt, das Album basiert auf diesem alten Text, der über unsere Beziehung zur Natur spricht.
Doch nach keltischem Verständnis sind all diese Dinge, die wir um uns herum sehen, die sich in dem abspielen, was wir die manifeste Welt nennen, lediglich Spiegelungen desselben Antagonismus, der in uns selbst stattfindet. Diese dualistische Wahrnehmung und die Beobachtung des Kampfes zwischen Seele und Ego, der die Quelle aller "äußeren Kämpfe" ist, wird durch das Gesicht im Baum symbolisiert, das Anv gegenübersteht.
Sehr interessant! Beim Hören des neuen Albums fühlte ich mich sehr oft an "Helvetios" und "Origins" erinnert. Woran liegt das deiner Meinung nach oder sind die Parallelen eher zufällig?
Ha, schön zu hören! Ich weiß es nicht, wirklich. Es gibt ein paar Songs und Momente, in denen wir bewusst an einige unserer früheren Werke gedacht haben. Aber tatsächliche Parallelen sind eher "zufällig", wenn man das so sagen kann (ich meine, wir reden ja immer noch von der gleichen Band, haha). Nachdem wir bereits die ersten beiden Singles des Albums veröffentlicht hatten, bekamen wir viele Rückmeldungen wie "das erinnert mich sehr an "Slania" und "Spirit"" oder "hier schwingt definitiv etwas von "Slania" mit".
Aber wie dem auch sei, wir haben auf "Anv" sicherlich einige neue Dinge ausprobiert (wie wir es eigentlich bei jedem Album tun, das wir produzieren), und diese Art von Feedback zeigt mir, dass wir es geschafft haben, während wir immer noch bei unseren Wurzeln und unserem Spirit geblieben sind, was gut ist!
Besonders angetan war ich von 'The Prodigal Ones', einem großen Song mit großen Parallelen zu vor zehn Jahren. War es euer Ziel, die Vergangenheit und die Zukunft für die Gegenwart zu verbinden oder mit welcher Zielsetzung seid ihr an das Werk herangegangen?
Danke schön! 'The Prodigal Ones' zelebriert sicherlich die rohe und stampfende Energie älterer Songs wie 'Inis Mona', 'Luxtos' oder auch 'King' oder 'Alesia'. Aber gleichzeitig ist gerade 'The Prodigal Ones' einer dieser Tracks, bei denen wir wirklich viel Neues ausprobiert haben. Zum Beispiel gibt es nicht viel wirklichen "Folk" in diesem Stück, abgesehen von den Dudelsack-Linien in der Bridge... "Folk" im Sinne von "traditioneller Musik". Wir haben hier eher unsere traditionellen Folkinstrumente eingesetzt und ein paar eher unorthodoxe Melodien gespielt (zum Beispiel ist die Hauptmelodie, diese "Drehleier-Hookline", kompositorisch eher so etwas wie ein Gitarren-Lead als eine traditionelle Drehleier-Melodie)... was eine Menge Spaß gemacht hat, muss ich sagen, hehe.
'Memories Of Innocence' ist auch ein wahnsinnig toller Song. Was sind eure schönsten Erinnerungen, wenn ihr auf fast 25 Jahre Bandgeschichte zurückblickt?
Oh wow, haha! Danke, freut mich, dass er dir gefällt! Wir haben den Song backstage während eines Open-Air-Festivals geschrieben, das wir letzten Sommer gespielt haben.
Erinnerungen? Hm... selbst wenn ich nur die schönsten heraussuchen müsste, gäbe es viel zu viele, um sie in einem Interview zu erwähnen, es sei denn, du hast vor, daraus ein 867-Seiten-Interview zu machen, haha.
Das würde den Rahmen etwas sprengen. 'The Prophecy' schließt das Album sehr elegant und atmosphärisch ab. Was wäre die Prophezeiung für ELUVEITIE?
Falls du dich auf unsere Pläne für die nächsten Jahre beziehst, werden wir uns vorerst hauptsächlich auf das Touren rund um den Globus konzentrieren. Aber abgesehen davon kann ich nicht genau in die Zukunft schauen.
Im Herbst wird die Band wieder auf große Tour mit ARCH ENEMY, AMORPHIS und GATECREEPER gehen. Zwei große Touren innerhalb eines Jahres, wie geht ihr damit um und was können die Fans erwarten?
Ähm, das sind nur die Touren in Europa, hehe. Wir freuen uns schon sehr darauf, mit unseren Freunden von ARCH ENEMY und AMORPHIS zu touren, das wird super!
Was die Fans erwarten können: Sicherlich eine eifrige Band, die es nicht erwarten kann, sich die neuen Songs um die Ohren zu hauen! Wir werden also definitiv einige Stücke von "Anv" spielen. Aber abgesehen davon kann ich noch nicht viel sagen, da wir erst noch Ideen für die Tour im November sammeln.
Euer Stil reicht von Folk Metal über Melodic Death Metal bis hin zu keltischen Einflüssen, ihr habt praktisch ein ganz neues Genre mitgeprägt. Aber welche Bands und welche Alben haben euch ganz am Anfang eindeutig beeinflusst?
Es gibt sicherlich Alben – oder auch Bands –, die mich damals als junger Musiker stark beeinflusst und damit auch meine eigene Kreativität geprägt haben, denke ich. Es sind wahrscheinlich zu viele, aber um ein paar zu nennen, müssten es auf jeden Fall sein:
ENTOMBED: "Clandestine" (eines meiner Lieblingsalben aller Zeiten) & "Left Hand Path"
CANDLEMASS: "Tales Of Creation"
EMPEROR: "Anthems To The Welkin At Dusk"
DARK TRANQUILLITY: "The Mind's I" (auch: "The Gallery", "Skydancer", "Damage Done" und "Character")
MEKONG DELTA: "The Music Of Erich Zann"
...na ja, und viele, viele mehr, hehe.
Chrigel, das war ein sehr schönes Gespräch, vielen Dank! Was möchtest du unseren Lesern und euren Fans noch mitteilen?
Es bleibt mir nur noch, mich für die Einladung zu bedanken und euch allen für euer Interesse an ELUVEITIE zu danken. Wir sehen uns alle irgendwo on the road!
Fotocredits: Nuclear Blast
- Redakteur:
- Marcel Rapp