ELVENPATH: Interview mit Till Oberboßel

06.07.2023 | 10:27

Über drei Jahre mussten sich Freunde melodischen Power Metals deutscher Prägung gedulden, um neues Material ihrer ELVENPATH-Lieblinge in den Händen zu halten. Doch nun steht mit "Faith Through The Fire" das insgesamt fünfte Album der Hessen bereit und hält Ohrwürmer par excellence parat. Darum sprachen wir mit dem Gitarristen Till und fühlten ihm ob der jüngsten Ereignisse im Hause ELVENPATH, den Hintergründen zur neuen Scheibe und etwaiger Zukunftspläne ein wenig auf den Zahn.

Hallo Till, vielen Dank, dass du dich meinen Fragen annimmst. Wie geht es dir und deinen ELVENPATH-Mitstreitern?
Hallo Marcel und danke der Nachfrage. Hier ist alles gut. Wir freuen uns, dass das neue Album endlich veröffentlicht ist und überwiegend auch gut ankommt. Die ersten Konzerte dieses Jahr sind auch schon gespielt und es stehen noch einige an, wir haben eine schlagkräftige neue Bandbesetzung und haben richtig Bock. Also alles im grünen Bereich.

2020 habt ihr "Metal o'Clock" veröffentlicht. Was ist seit der EP im Hause ELVENPATH passiert? Magst du mir ein kleines Update geben?
Wie bei allen Bands ist erstmal nicht viel passiert. Auftritte waren ja eine Weile nicht möglich, selbst proben konnten wir aufgrund der Coronabestimmungen längere Zeit nicht. Wir hatten Anfang 2020 nach dem Ausstieg Olis und Manuels zwar die Lücken wieder gefüllt, auf der Gitarrenposition kam es seither aber nochmal zweimal zu einer Neubesetzung, da die anderen Kandidaten dann doch zeitliche Probleme mit ihrer Arbeit und der Band bekamen. Einige Konzerte konnten wir zwischendurch aber doch spielen, als sie wieder möglich waren, teilweise allerdings eben noch unter Coronabestimmungen. Wir sind auf jeden Fall froh, dass das vorbei ist.
Immerhin konnten wir die Zeit nutzen, um an den neuen Songs zu basteln und haben das neue Album dann wie auch die letzten im Studio von Uwe Lulis aufgenommen. Die Zusammenarbeit mit ihm war sehr produktiv und wir sind sehr zufrieden mit dem neuen Werk.

Unter anderem habt ihr auch ein neues Gesicht an der Gitarre. Wie kam die Kooperation mit Christina zustande und wie weit konnte sie sich schon in das Songwriting zur neuen Platte integrieren?
Christina kam in die Band, als das Album bereits fertig aufgenommen war. Wir haben das Album größtenteils zu viert aufgenommen, bei den Soli ist aber noch ihr Vorgänger Tim zu hören, der allerdings nach Fertigstellung der Aufnahmen ausgestiegen ist. Daher konnte Christina zu "Faith Through The Fire" noch nichts beisteuern, was aber beim nächsten Album sicherlich anders sein wird. Als wir nach Tims Ausstieg Ersatz suchten, haben sich eine Reihe Leute gemeldet und wir haben auch selbst gesucht. Über eine Musikerplattform im Internet kamen wir dann in Kontakt mit Christina. Sie konnte uns voll überzeugen und wir freuen uns sehr, sie an Bord zu haben. Sie ist eine hervorragende Gitarristin und musikalisch wie menschlich eine echte Bereicherung für ELVENPATH.

Ich habe sie kurz angesprochen: die neue Platte. "Faith Through The Fire" heißt das gute Stück. Wie lange habt ihr daran gearbeitet und mit welcher Zielsetzung seid ihr an die Arbeiten gegangen?
Die Aufnahmen begannen im Dezember 2021, die Arbeit hat sich bis Sommer 2022 gezogen. Wir arbeiten ja üblicherweise immer nur blockweise im Studio, da Uwe eben mit ACCEPT viel zu tun hat und auch sonst einiges um die Ohren hatte. Daher hat es bis zum Sommer gedauert, bis wir das fertige Album in der Hand hielten. Durch die Labelsuche und deren Veröffentlichungsplanung hat es dann nochmal bis Juni 2023 bis zur Veröffentlichung gedauert, sonst wäre das Album schon letztes Jahr erschienen. Aber das passt schon so. Unsere einzige Zielsetzung war, ein möglichst starkes Album zu erschaffen – wie eigentlich immer. Wir machen uns beim Songschreiben keine Vorgaben, dass z.B. mehr schnelle/langsame/kurze/lange Stücke aufs Album müssen – es kommt, wie es kommt. Und wir sind mit den letzten Alben weiterhin sehr zufrieden, so dass es auch keine wunden Punkte gab, die man hätte verbessern müssen. Es war für uns einfach wichtig, ein starkes neues Album zu kreieren, das auch Raum für Experimente lässt und nicht einfach ein Abklatsch der vergangenen Veröffentlichungen wird. Ich glaube, es ist uns gelungen.

Was sind eurer Meinung nach die musikalischen Unterschiede zwischen dem aktuellen Dreher und dem Vorgängeralbum "The Path Of The Dark King"?
Ich finde, "Faith Through The Fire" klingt direkter und kompakter. Weniger ausladende Songs (auch wenn zwei recht lange Stücke dabei sind), alles kommt etwas mehr auf den Punkt. Das ist nicht notwendigerweise besser oder schlechter, nur etwas anders. Aber natürlich ist es ein 100%iges ELVENPATH-Album geworden. Ein paar Experimente haben wir uns auch wieder erlaubt und z.B. erstmals keltische Folkmelodien eingesetzt ('The Famine Year') oder versucht, bewusst einen sehr kurzen Song zu schreiben, der aber doch rund klingt ('All Across The Universe'). Wir mögen es, uns immer wieder Herausforderungen zu stellen. Dazu gehört z.B. auch, dass ich Dragutin mit einem Text mit medizinischem Fachvokabular gequält habe ('Satan's Plan'), welcher dann auch noch in schneller Silbenabfolge geschrien werden musste, hehe. Da kam dann doch der alte CARCASS-Fan bei mir durch.

Was ließ euch denn in den letzten Monaten durch das Feuer gehen oder wie dürfen wir den Albumtitel verstehen?
Da gibt es mehrere Punkte. Die Pandemie hat allen Menschen das Leben schwergemacht, manchen mehr, anderen weniger. Wir mussten zwar nicht um unsere Existenz bangen, aber es war auch für uns eine herausfordernde Zeit, die einiges an Nerven verlangt hat. Dann mussten wir Ende 2019 den Ausstieg zweier langjähriger Bandmitglieder verkraften, die Positionen neu besetzen und uns als Band neu finden, was erstmal nicht ganz einfach ist, wenn man viele Jahre in einer stabilen Besetzung gespielt hat. Schlussendlich hat das Leben auch privat einigen von uns ziemlich dicke Brocken hingeworfen. Insgesamt gab es also eine Menge zu bewältigen. Aber wir haben nie den Glauben an uns und die Band verloren und uns durchgebissen, daher fanden wir diesen Albumtitel passend.

Über Musik lässt sich bekanntlich genauso viel streiten wie über Humor. Was hat es mit dem eingesprochenen Comedy-Intro und -Outro zu tun? Wer und welche Idee stecken dahinter?
Das ist eigentlich nur ein kleiner Gag. Unser Produzent Uwe Lulis ist mit Gerd Knebel, der einen BADESALZ-Hälfte, befreundet, und als er erwähnte, dass Gerd demnächst mal wieder zum Kaffee vorbeikäme, hatte ich eine spontane Idee und habe kurzerhand gefragt, ob Gerd nicht vielleicht ein kurzes Intro sprechen könnte. BADESALZ ist natürlich absoluter Kult und wir dachten, das wäre einfach lustig, da wir ja alle mit ihren Sketchen aufgewachsen sind. Gerd hat das dann noch etwas weitergetrieben und zusammen mit seinem Kollegen Henni bei der folgenden BADESALZ-Probe diese Parts für unser Album aufgenommen. Da haben sie tatsächlich ihre beiden legendären Figuren Ritchie und Headbanger nochmal aufleben lassen. Wir waren auf jeden Fall begeistert, haha. Ich bin überrascht, dass das so hohe Wellen geschlagen hat und in wirklich jedem Review breitgetreten wurde. Teilweise wurden wir deswegen ja schon in die Comedy-Metal-Ecke gestellt. Dabei ist es wirklich nur ein kleiner Gag und gerade mal eine Minute auf dem gesamten Album.

Ihr geht in 'Satan's Plan' gegen alle Verschwörungstheoretiker ins Gericht. War das etwas, was euch schon seit Jahren auf der Seele brannte?
Gebrannt hat es nicht so sehr, der Song ist ja auch eher schwarzhumorig als belehrend. Die Pandemie hat ja einiges an Verschwörungstheorien hervorgebracht, bei denen man nur noch den Kopf schütteln konnte. Irgendwann bin ich dann darauf gestoßen, dass Attila Hildmann behauptete, durch die Zwangsimpfung würde einem die Seele ausgesaugt, so dass man zu einem ewigen, aber seelenlosen irdischen Leben verurteilt wäre und niemals in den Himmel könnte. Das sei Satans Plan. Mein erster Gedanke war: Was für ein Schwachsinn. Mein zweiter Gedanke: Klingt aber echt nach Metal – da musst du einen Song daraus machen, haha. Der Song zieht also derartige Verschwörungstheorien richtig schön durch den Kakao. Das Intro stammt aus einem tatsächlichen Interview mit einem Qanon-Anhänger, das passte einfach ideal zu dem Song, daher haben wir es ihm vorangestellt.

Einen Bass-Solo-Track auf das Album zu bringen, ist eine ungewöhnliche Herangehensweise. Welche Idee steckt hinter 'Ocras Agus Neart'?
Das Stück ist in Zusammenhang mit dem folgenden 'The Famine Year' zu sehen. Dieser Song handelt von der Hungersnot in Irland Mitte des 19. Jahrhunderts, als die Kartoffelfäule das Land heimsuchte und mehrere Millionen Menschen starben oder zur Auswanderung gezwungen wurden. Es ist ein tragischer Song, der in einem rauen Land spielt. Ich hatte das Gefühl, dass ein Basssolo als Einleitung gut passen könnte und habe Cris daher gebeten, eins zu schreiben. Der Bass klingt an dieser Stelle solo irgendwie sehr karg, sehr roh – das weckt Bilder der rauen irischen Landschaft und stimmt auf diesen tragischen Song ein.

Mit 'Silesian Winter' habt ihr einen sehr ernsten Song auf dem Album, der sich mit dem Holocaust auseinandersetzt. Gab es einen Schlüsselmoment, der euch zu dieser Thematik bewogen hat?
Ich habe vor 21 Jahren erstmals das KZ Auschwitz in Polen besucht und war erschüttert. Es ist ein wirklich grauenvoller Ort, der einen auch dann schockiert, wenn man eigentlich schon viel über den Holocaust weiß. Der Besuch hat mich schon damals zu diesem Song inspiriert, den ich aber seinerzeit nicht fertigstellen konnte. Ich hatte nicht das Gefühl, dass er der Thematik gerecht wurde. Über all die Jahre habe ich das Stück immer mal aus der Schublade geholt, aber erst jetzt hat es eine Form, die ich als befriedigend empfinde.

Ziemlich ergreifend jedenfalls. Ihr seid nun im Schoße von El Puerto Records. Wie kam der Deal zustande und welche Möglichkeiten eröffnen sich dadurch für euch?
Wir waren ja vorher immer vertragsfrei, wollten aber doch gerne mit einem fähigen Label zusammenarbeiten und schauen, ob uns das als Band weiterbringt. Frank Wilkens von NaunTown Music hat uns dann mit El Puerto Records in Kontakt gebracht und wir bekamen ein faires Angebot, daher wurden wir uns schnell einig. Die Werbung für das neue Album läuft auf jeden Fall richtig gut, da können wir uns nicht beklagen. Und wir hoffen, dass sich auch live dadurch vielleicht die eine oder andere Tür öffnen wird.

Was hält 2023 noch für ELVENPATH bereit? Was ist in Planung?
In erster Linie stehen noch eine Reihe schöner Gigs auf dem Programm. U.a. werden wir am 01.07. beim Hard'n'Heavy Festival in Satteins (Österreich) spielen, am 08.07. in Mannheim, Ende August im Ruhrgebiet, im Herbst und Winter geht's dann noch in einige weitere Ecken Deutschlands. Schaut einfach regelmäßig auf unserer Homepage vorbei, dort sind immer alle Konzerte verzeichnet. Ansonsten haben wir auch schon einige neue Songs auf Lager und werden im Sommer langsam damit beginnen, diese auszuarbeiten. Nach dem Album ist ja immer auch vor dem Album. Und für Dezember ist noch die Veröffentlichung einer Split geplant – da spanne ich euch aber noch ein wenig auf die Folter, hehe. Es wird aber eine besondere und richtig coole Veröffentlichung.

Till, wenn du einmal in die Glaskugel schaust, wo steht, deiner Meinung nach, der melodische Power Metal aus Deutschland in zehn Jahren? Glaubst du, er erfreut sich dann noch immer solcher Beliebtheit wie aktuell?
Trends kommen und gehen, aber jede Richtung hat auch immer ihr Publikum. Nur weil eine Steelrichtung [das hat er wirklich so geschrieben - Anm. d. Red.] gerade nicht so im Fokus steht, bedeutet das ja nicht, dass die Fans alle abwandern. Es wird also auch in zehn Jahren immer noch ein großes Publikum für Power Metal geben. Ich hoffe nur, dass sich die Bands dann weniger mit überzogenen, blödsinnigen Images beschäftigen und nicht versuchen, die Bandversion eines Trashfilms darzustellen, sondern sich wieder mehr auf ihre Musik konzentrieren.

Damit wäre ich mit meinen Fragen auch durch und dir ein großes Dankeschön für die Beantwortung dieser. Was möchtest du unseren Lesern und euren Fans noch mit auf den Weg geben?
Vielen Dank an dich, dass ich uns hier vorstellen durfte und an alle, die bis zum Ende des Interviews durchgehalten haben. Ganz besonders dankbar bin ich natürlich den alten Fans, die uns die Treue halten, aber ich hoffe, dass auch einige neue Leute auf uns aufmerksam wurden. Ich möchte euch einladen, unser neues Album anzutesten und mal bei einem Konzert vorbeizuschauen. We will meet where the metal is!

 

Credits Photos (Band): Günter Scharf.
Credits Cover-Artwork: Markus Vesper.

 

Redakteur:
Marcel Rapp

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