ENDSEEKER: Interview mit Jury und Ben
13.12.2017 | 07:31Im Oktober dieses Jahres war es soweit: Die norddeutsche Death-Metal-Truppe ENDSEEKER veröffentlichte ihr Debütalbum "Flesh Hammer Prophecy". Nach der vorherigen EP "Corrosive Revelation" waren die Erwartungen an das Album sehr hoch. Und die Reaktionen von Kritikern und Fans sind klar: ENDSEEKER hat die Erwartungen locker erfüllt. Wir haben uns mit den beiden Gitarristen Jury und Ben unterhalten.
Hallo ihr Beiden. Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit für uns nehmt. Schwebt ihr eigentlich noch durch die Gegend nach den Reaktionen zu "Flesh Hammer Prophecy"? Oder seid ihr schon wieder gelandet?
Ben: Als ich neulich mit James Hetfield bei der Pediküre war, meinte ich zu ihm, dass sich ja eigentlich gar nichts verändert hat, mit all dem Erfolg. (lacht) Nee, also das ist schon echt mega und wir freuen uns sehr, dass die Platte so gut ankommt. Aber wir sind auch schon lange genug dabei, um das entsprechend einordnen zu können.
Jury: Genau, wir freuen uns natürlich sehr über das gute Feedback zur Zeit, aber wir sind nach wie vor auf dem Boden der Tatsachen. Ehrlich gesagt sind wir schon eher wieder dabei, das nächste Album langsam anzugehen.
Neues Album? Klingt gut! Wann kommt es? Haben wir hier etwa eine Exklusivmeldung für POWERMETAL.de?
Jury: Nee, wir sind ganz am Anfang. Es gibt ein erstes Demo. Aber hey, der Anfang ist zumindest schon da.
Die Reaktionen zu "Flesh Hammer Prophecy" waren ja wirklich überwältigend. Habt ihr das nach den positiven Reaktionen zu eurer ersten EP "Corrosive Revelation" vielleicht auch ein bisschen erwartet?
Ben: Also erwartet haben wir das nicht. Wir wussten, dass wir kein komplettes Scheiß-Album aufgenommen haben, aber dass die Leute das Album so gut aufnehmen, wagt man ja kaum zu träumen.
Jury: Sowas kann man ja schwer einschätzen als Musiker, der in seiner eigenen Blase lebt. Aber wir haben uns in jedem Falle sehr viel Mühe beim Songwriting gegeben, insoweit haben wir zu allererst uns selber begeistert, wie auch schon bei der EP zuvor. Die von uns erhoffte Folgewirkung war dann natürlich, dass das auch bei dem ein oder anderen Hörer gut ankommt. Da haben wir dieses Mal dann ja auch echt nochmal Schwein gehabt.
Ihr werdet ja von einigen "Experten" bereits als die Nachfolger von DISMEMBER, etc. genannt. Habt ihr "Angst", irgendwann nur noch als Kopie oder sowas abgestempelt zu werden?
Jury: Nein, die Sorge besteht nicht. Und wer sagt, wir seien die Nachfolger von DISMEMBER? Damit könnte ich in der Tat sehr gut leben. (lacht) Nein im Ernst: Wir huldigen natürlich ordentlich und haben definitiv unsere Roots, aber ich finde, dass wir auch etwas Eigenes mitbringen. Eine bestimmte Melodieführung und einen eigenen Groove zum Beispiel. Wir sind nicht innovativ, das ist auch nicht unser Hauptanliegen, aber man kann uns schon erkennen, finde ich. Ich glaube, dass die Leute das langsam auch merken. Sowas war mit den ersten vier eigenen Songs einer EP natürlich noch schwer für die Hörer zu erfassen, weil wir da auch noch nicht alles abbilden, was wir in petto haben.
Insgesamt fällt mir auf, dass es immer mehr Bands gibt, die dem Old School Death Metal huldigen. Gerade in Deutschland gibt es mit REVEL IN FLESH, DISCREATION, DESERTED FEAR, LIFELESS und jetzt euch einen regelrechten Old-School-Boom. Mir fällt es da fast schon schwer, von Old School zu sprechen. Wie seht ihr das?
Ben: "Old School" ist halt so ein Stempel und am Ende gehts dabei immer um den charakteristischen Gitarrensound, aber genau genommen ist das ja zeitlose Mucke, die heute genauso funktioniert, wie vor 20 oder 25 Jahren. Aber das tun viele andere Rock- und Metal-Genres auch und das wird nicht automatisch alles Old School genannt. Ja, es stimmt, dass der HM-2 Gitarrensound eine Weile aus der Mode gekommen ist und nun von vielen Bands wieder verwendet wird, aber das ist doch auch völlig in Ordnung. In anderen Genres klingen die Gitarren auch bei allen Bands gleich.
Jury: Witzigerweise habe ich ja erst mitbekommen, dass es eine so genannte aktive Old-School-Szene überhaupt gibt, nachdem wir ENDSEEKER gegründet haben. Ich war selbst ein bisschen überrascht. Aber vielleicht haben die Leute wieder verstärkt Bock auf den Kram, der sie auch in ihrer Jugend begeistert und musikalisch geprägt hat. Ich sehe das positiv. Und wie Ben sagt, das sind letztlich nur so Labels. Und die von dir genannten Bands klingen in meinen Ohren auch schon alle anders genug.
Ich wollte ja auch nicht sagen, dass alle gleich klingen. Aber mir kam neulich ein bisschen der Begriff "German Wave of Swedish Death Metal" in den Sinn.
Jury: Hmm... ich weiß nicht. Also ich weiß schon, was du meinst, aber z.B. LIFELESS klingt in meinen Ohren gar nicht mehr sooo schwedisch und DESERTED FEAR ja auch nicht, oder? Ich bin da vielleicht auch zu stringend. Nur ein HM-2 macht für mich noch keinen Schwedentod.
Ben: Das ist ja auch kein ausgesprochen deutsches Phänomen. Im Ausland und besonders in den USA z.B. gibt es eine Menge Bands, die in die Kerbe schlagen.
Jury: BLACK BREATH zum Beispiel!
Aber Jury, es ist schön, dass es dir ähnlich erging wie mir. Ich habe einige der genannten Bands auch erst vor kurzem entdeckt, nachdem ich mich mit "Flesh Hammer Prophecy" beschäftigt hatte.
Jury: Haha, echt? Ja, ich war vor der Bandgründung ziemlich raus. Ich kannte nichtmal unsere Plattenfirma (FDA Records, Anm. d. Redaktion). (lacht)
Ben sagte vorhin, dass ihr alle lang genug im Geschäft seid. Außer eurem Bassisten Eggert, den ich als großer DARK AGE-Fan aus seiner damaligen Zeit dort natürlich noch kenne und seitdem musikalisch verfolgt habe, kann ich leider wirklich nicht sagen, was ihr vorher gemacht habt. Klärt mich auf!
Ben: Ich war bei ENTOMBED!
Jury: Ich war Songwriter bei DISMEMBER!
Okay, das erklärt alles.
Ben: Wir sind ja alle schon knapp 40 und machen einfach schon sehr lange Musik. Ich habe schon in diversen Bands gespielt, das ging von Nu-Metal bis Death Metal und war mal mehr und mal weniger erfolgreich, aber auf dem Weg konnte man sehr viele Erfahrungen sammeln und es waren sehr viele coole Momente dabei, auch wenn ich mit vielen Sachen von "damals" musikalisch heute nichts mehr anfangen kann. Abgesehen davon arbeite ich seit 1999 in der Musikbranche und da sind gewisse Abläufe usw. natürlich geläufig.
Jury: Ich war z.B. Mitte der 90er bis Anfang der 2000er bei MEPHISTOPHELES aktiv. Das war eine Black/Death-Truppe aus Niedersachsen, die immerhin vier Platten bei verschiedenen Labels rausgebracht hat. Anschließend habe ich verschiedene Bands gehabt, zwar alle Metal-affin, aber durchaus breitgestreuter. Ich hab mich da rückwirkend betrachtet viel ausprobiert, was auch wichtig war. Mit THE RETALIATION PROCESS haben wir z.B. auch eine Platte rausgebracht.
Zurück zu "Flesh Hammer Prophecy". Ihr habt bei den Hamburg Metal Days Reaktionen zum Album gesammelt und auch offensichtliche Nicht-Metaller befragt und das in ein kurzes Video verpackt. Was waren insgesamt die lustigsten Reaktionen? Gibt es auch welche, die nicht mit auf dem Video sind?
Ben: Ein paar mussten wir zu Gunsten der Kurzweiligkeit natürlich weglassen, aber die spektakulären Sachen sind natürlich alle drin. Ganz vorne dran natürlich die reife Exhibitionistin. Da spricht man Samstag um 17 Uhr wahllos jemanden in der Fussgängerzone an und dann kommt sowas! Unser Sänger Lenny hat das vor Ort auch gar nicht gecheckt, weil er ihr nur ins Gesicht geguckt hat. Ich musste ihm das anschließend auf der Kamera zeigen und wir haben uns kringelig gelacht. Insgesamt war die Aktion total witzig und hat riesen Spaß gemacht.
Aber Respekt, dass er ihr nur ins Gesicht geschaut hat.
Ben: Lenny hat halt Manieren und guckt Leuten, mit denen er spricht, ins Gesicht. Aus seinem Winkel war der offene Mantel auch schlecht zu sehen.
Jury: Nicht so wie Ben!
Ben: Rischtiisch.
Soso, Lenny hat Manieren. Gut zu wissen, denn diesen Eindruck macht er in eurem Video zu 'Black Star Rising' nicht. Einfach den Herrn Grewe (Ex-MORGOTH) zu fesseln. Wenn Lenny ein paar Kilo mehr drauf hätte, würde er in dem Video fast als DESTRUCTIONS Mad Butcher durchgehen.
Ben: (lacht) Ja, den irren Schlächter kann er wirklich gut verkörpern. Da muss man ihn kaum anleiten. Kaum hat er einen gefesselten Menschen vor sich, wetzt er auch schon die Messer.
Jury: Ja, dann legt er den Psycho-Schalter um. Priceless! Er steht einfach auf sowas. Wir könnten uns dann vor Lachen nur wegpacken.
Ben: Mit Lenny solche Sachen zu drehen, ist wirklich unglaublich erfrischend, weil er sich immer reinhängt und auch eine derart ausgeprägte Mimik hat, dass es nur so kracht. Der Mann gehört auf die Bühnen und vor die Kamera. Punkt.
Na dann ab mit ihm zu den Crime-Serien dieser Welt, die brauchen noch ein paar Psychopathen.
Ben: Nix, der bleibt hier! Ich sollte vielleicht besser sagen, er gehört vor MEINE Kamera. (lacht)
Jury: Er ist auf jeden Fall ein hervorragender Schauspieler, im Ernst! Da blüht er einfach auf, das macht ihm diebischen Spaß. Meine Lieblingsszene von ihm ist ja im Video zu 'Consumed By Desire', wo er auf der Folie übt.
Ihr habt bislang schon einige Musikvideos gemacht. Wie wichtig findet ihr heutzutage noch Musikvideos?
Ben: Ich glaube, Musikvideos sind heute wichtiger denn je, weil die Leute einfach gewohnt sind, Videocontent zu konsumieren und das auch gerne tun. Facebook, YouTube, Instagram etc., alles ist voll mit Bewegtbildern. Musikvideos bieten zudem die wundervolle Möglichkeit, den Songs eine zusätzliche Ebene zu geben. Mit einem Video kann man ggf. die Grundstimmung noch mehr herausarbeiten oder das Video stellt einen Gegensatz dar. Es gibt endlos viele Möglichkeiten und keine Idee ist so verrückt, dass sie nicht irgendjemand umsetzt. Wie wichtig Musikvideos sind, zeigen ja auch die obszönen Viewer-Zahlen mancher Videos auf YouTube. Die Kids hängen X Stunden täglich da rum und ziehen sich Musik in Videoform rein.
Wir versuchen z.B. immer, etwas von unserem Humor mit in die Videos zu geben. Bei 'Deployment Of The Aroused' waren es die trashigen Zombie-Szenen, bei 'Consumed By Desire' war das ganze Video eine einzige Satire und bei 'Black Star Rising' gabs die Auflösung am Ende, wie wir Lenny auf frischer Tat ertappen. Als kleine Band hat man halt kaum Videobudget und da müssen wir versuchen, aus ganz wenig möglichst viel zu machen. Das bedeutet immer sehr viel Improvisation.
Ihr habt mit 'Powder Burns' ein Cover von BOLT THROWER aufs Album gepackt. Warum diesen Song?
Jury: Wir brauchten für eine Show noch ein bisschen mehr Spielzeit und wir dachten, dann covern wir schnell halt noch was. Wir waren somit gerade auf der Suche nach einem Song, der zu uns passt. Dann ist leider relativ zeitgleich der Drummer von BOLT THROWER gestorben und wir wollten ihn dann durch eine Coverversion ehren. Das machte zu dem Zeitpunkt einfach Sinn. Wir sind ja große Fans der Band und das war nunmal ein relativ herber Verlust. Die Band gibt es nun ultimativ nicht mehr. Letztlich wollten wir den Song nie aufnehmen, aber irgendwie sind wir daran kleben geblieben, hatten zu viel Spaß mit ihm und fanden, dass er im HM-2-Korsett auch durchaus etwas anbietet, was es so noch nicht gab. Er fügte sich dann auch noch ganz gut ins Album ein.
Bestand denn zwischendurch mal der Plan, die Songs von "Corrosive Revelations" mit aufs Album zu nehmen und den Songs damit nochmal mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen?
Jury: Nein, nie. Warum auch? Ich finde die EP perfekt so, wie sie ist. Und sie hat auch gut Aufmerksamkeit bekommen, zumindest in Deutschland.
Wir dachten aber zunächst, dass das unsere Demo wäre. Dann hätten wir halt noch vier Songs mehr geschrieben und dann schneller ein erstes Album, aber keine EP, gehabt. Aber es kam dann ja recht schnell anders, was auch gut war. Der Sound bzw. die Produktion war ja auch absolut fett, dank der Hilfe von den Produzenten Alex (Dietz, HEAVEN SHALL BURN) und Eike (Freese, ehemals DARK AGE).
Definitiv. Ist es ein "besonderes" Gefühl, das Album bei Eike aufgenommen zu haben, der ja auch schon für DEEP PURPLE und ALICE COOPER arbeiten durfte und diverse goldene Schallplatten bekommen hat?
Jury: Die EP hat aber eher Alex gemacht. Eike war hier kurz beim Mix und dann beim Mastern dabei. Beim Album war klar, dass Eike das macht. Alex war auch eingeplant, aber dann kam seine Tour mit KORN dazwischen. Eike ist ein superguter Freund, wir haben zuvor diverse Male mit verschiedenen Bands bei ihm aufgenommen und kennen uns relativ blind. Insofern war der Fall klar, egal, was er noch so (an großen Namen) produziert oder gemischt hat.
Ben: Eike ist ein langjähriger Freund der Band und auch privat, von daher war es eine große Freude, mit ihm das Album zu machen. Die Qualität seiner Arbeit ist natürlich über jeden Zweifel erhaben und auf der menschlichen Ebene war es einfach nur grandios mit ihm zu arbeiten. Er hat aus jedem Einzelnen von uns das Beste heraus geholt und uns die ganze Zeit ein gutes Gefühl gegeben.
Denken wir mal ein bisschen voraus. Was erhofft ihr euch von 2018? Habt ihr da schon größere Konzertpläne? Festivals? Tour?
Ben: Geilerweise sind wir fürs Party.San bestätigt, worauf wir uns mega freuen. Außerdem stehen FleshFest, Dead Days, Grind The Nazi Scum und Headache Inside auf dem Reiseplan, garniert mit ein paar Clubshows. Aber wir haben noch Platz und es dürfen gerne noch mehr werden. Falls das hier Veranstalter lesen, schreibt uns einfach über Facebook oder booking@endseeker.de an. Wir haben Bock zu spielen!
Ich möchte mal eure Meinung zu einem Thema, dass euch (noch) nicht direkt betrifft, ich aber ein bisschen seltsam für die Szene finde: Es sind diese komischen VIP-Tickets, die man heutzutage für Konzerte größerer Bands kaufen kann und die um einiges teurer sind, als die normalen Konzertkarten. Wie steht ihr dazu? Kommt da nicht die Nähe zu den Fans zu kurz? Etwas, wofür der Metal immer gelobt wird?
Ben: Ehrlich gesagt habe ich da gar keine Meinung zu. Was sind denn genau die Benefits dieser VIP-Tickets?
Meistens ein kurzes Meet and Greet mit der Band, ein Foto und Anwesenheit beim Soundcheck. Vielleicht auch noch ein spezielles kleines Gimmick als Merch.
Jury: Also ich mag die Tickets auch überhaupt gar nicht und würde da auch nie mitmachen. Was soll der Scheiß? Wer mit uns schnacken will, der soll uns einfach ansabbeln. Fertig. Ich meine, wir sind ja auch nur eine kleine Band, das ist kein Problem bei uns. Aber ich gehe im Dezember z.B. mit einem Kumpel ins Headcrash. Das ist ein kleiner Laden hier in Hamburg. Wer da spielt, mag zwar cool sein, aber ist definitiv nicht groß! Da spielt eine zumindest hier in Deutschland ziemlich unbekannte Band aus Amiland und die meinen echt, sowas hier anbieten zu müssen. Mag ja in Übersee anders ein... Die Band klingt toll, ich würde ja sonst nicht hingehen. Aber ich finde es echt arg peinlich, dass absolut alles seinen monetären Wert haben muss. Jedes fuckin' Foto, jedes Lachen, der Fan ist nur zum Melken da. Das wirkt auf mich auch irgendwie überheblich. Wenn diese alten Stadion-Rock-Dinos das anbieten müssen, nun gut. Aber kleinere Bands? Fuck off!
Ben: Ich würde sowas auch nicht kaufen. Not my cup of tea.
Jury: Am besten mit einem 8-Sitzer-Van ohne getönte Scheiben vorfahren, das Equipment selber reinschleppen und dann ab 20 Uhr einen auf Wichtig machen. Macht mich echt latent aggressiv.
Dann danke ich euch nochmals für eure Zeit. Habt ihr noch etwas, was ihr loswerden wollt?
Ben: Nochmals der Aufruf an alle Booker und Veranstalter. Wir haben Bock auf Shows und freuen uns über jede Anfrage! Und abonniert alle unseren YouTube-Kanal unter www.youtube.com/EndseekeR!
- Redakteur:
- Mario Dahl