ENSLAVE THE CHAIN: Interview mit Tobias Schwenk

01.04.2022 | 22:08

Mit ihrer formidablen, am ersten April in Eigenregie erschienenen Debüt-EP dürften die Süddeutschen ENSLAVE THE CHAIN sicherlich nicht nur im Underground ziemlich viel Staub aufwirbeln und durchaus das Interesse des ein oder anderen namhafteren Labels auf sich ziehen. Über 35 Minuten zelebrieren die Jungs feinsten, melodischen, leicht progressiven Heavy Metal der Güteklasse 1A, welcher durch seine leidenschaftliche Vortragsweise bei mir für wahre Begeisterungsstürme sorgt. Um euch das regional alles andere als unbekannte Quintett etwas näherzubringen, baten wir deren sympathischen Ausnahmesänger Tobias Schwenk vor unser Powermetal.de Mikrofon.

Hey Tobi, zuerst einmal meinen herzlichen Glückwunsch zu eurem formidablen Albumeinstand. Es ist mit Abstand mein bisher meist gehörtes Album 2022. Wie würdest du unseren Lesern eure Musik grob beschreiben?

Vielen lieben Dank! Das freut uns riesig! Bei ENSLAVE THE CHAIN erwarten euch packende Melodien, abwechslungsreiche Kompositionen und vor allem jede Menge Spielfreude und Leidenschaft. Wenn man uns stilistisch in eine Schublade packen wollte, wäre das wohl melodischer Metal mit progressiven Einflüssen.

Kannst du uns deine Mitstreiter bei ENSLAVE THE CHAIN kurz vorstellen, da sie regional alles andere als Unbekannte sind und vielleicht allgemein ein paar Worte über sie verlieren?

Teilweise machen meine Bandkollegen schon länger Musik, als es mich überhaupt gibt. Bei unserem Gitarristen und Songwriter Robert Balci sollte man meinen, er wurde schon mit einer Gitarre in der Hand geboren, doch tatsächlich fing er, wie ich, relativ jung als Drummer an. Unter anderem spielte er dort bei den Heidenheimer Thrash-Metallern DEATH IN ACTION. Mit 20 Jahren stieg er dann auf die Gitarre um und hat beispielsweise bei DEFENDING THE FAITH und auch STORMWITCH gespielt. Bei seiner ersten eigenen Band SCREAMING lernte er bereits unseren heutigen Bassisten Roberto D'Amico kennen. 2014 gründete er dann ENSLAVE THE CHAIN gemeinsam mit Matheos und Roberto. Unser Gitarrist Matheos Simeonidis sammelte seine ersten Banderfahrungen ebenfalls sehr früh, unter anderem als Gitarrist bei ASHES und LYON und später dann noch bei STRINGFACE. Auch unser Mann am Bass, der vorher schon angesprochene Roberto D'Amico, bringt jahrzehntelange Banderfahrungen mit. Dabei kreuzten sich seine Wege immer wieder mit Robbi (DEFENDING THE FAITH). Von 2008 bis 2013 spielte er zudem bei THE MISSION, Deutschlands erster QUEENSRYCHE-Tribute-Band. Unser Drummer Patrick Sommer, sozusagen das Nesthäkchen der Band, trommelt auch noch bei der Heidenheimer Death-Metal-Band FINAL FAITH. Insgesamt sind wir also ein bunter Haufen von erfahrenen und leidenschaftlichen Musikern, was sich ganz gut in unserer Musik bemerkbar macht. Wir alle sind mit viel Freude und Herzblut bei der Sache und ziehen an einem Strang. Ich fühle mich jedenfalls pudelwohl, sowohl menschlich als auch musikalisch.

Wie verliefen die Aufnahmen zum Debüt und warst du als "Neuer" überhaupt ins Songwriting eingebunden oder standen die Songs bereits alle fest?

Die Songs existierten bereits vor meinem Einstieg und wurden bis auf 'Inner Child' auch bereits live mit meiner Vorgängerin Steffi Stuber gespielt, die mittlerweile bei MISSION IN BLACK hinter dem Mikro steht. Ich bekam von den Jungs sowohl die Zeit als auch die Möglichkeit, mich bei den Songs kreativ einzubringen. So wurden viele Gesangsparts von Robbi und mir neu arrangiert, teils Melodien verändert und ich konnte meine eigenen Texte zu allen Songs schreiben. Die Corona-Pandemie war dabei Fluch und Segen für uns, weil wir dadurch keinen Zeitdruck wegen anstehender Livetermine hatten, andererseits wurden wir bei den Vorbereitungen und auch während den Aufnahmen zur EP natürlich immer wieder durch die Corona-Auflagen ausgebremst. Dadurch ging für die Produktion einige Zeit ins Land, doch wir sind froh und stolz, dass wir es trotz einiger Hürden durchgezogen haben und sind mit dem Ergebnis rundum zufrieden.

Ich durfte dich bereits einige Male sowohl live als auch auf Konserve singen hören. Meiner Meinung nach lieferst du aber hier deine mit Abstand beste Gesangsperformance ab. Woran liegt's?

Dankeschön! Das hängt wohl zum einen mit der Antwort auf die vorherige Frage zusammen: Ich konnte mich sehr intensiv vorbereiten und die Songs auf mich und meine Stimme anpassen. Zum anderen arbeitet man natürlich immer an sich, lernt mit jeder Erfahrung dazu, tauscht sich mit Kollegen aus und wird dadurch einfach besser und sicherer in dem, was man tut. Aber auch unser Produzent Stephan Ernst hat seinen Anteil daran, wie das alles am Ende klingt, und da hat er ganze Arbeit geleistet!

Soweit ich mich erinnern kann, kursierten schon einige Zeit vor deinem Einstieg bei ENSLAVE THE CHAIN Pläne, ein Album aufzunehmen. Weshalb dauerte der Prozess von den ersten Ideen zum fertigen Album dennoch relativ lange?


Zu den ersten sechs Jahren der Band kann ich natürlich nicht allzu viel sagen. Doch bis Songs entstehen und so ausgereift sind, dass man damit ins Studio kann, vergeht schon einige Zeit. Zudem gab es wohl auch zeitliche Probleme, die diesen Schritt immer wieder verschoben haben. Für mich war es in dem Fall von Vorteil, dass es noch kein Release gab, sodass wir nochmal neu und neutral starten konnten.

Warum preist ihr euer Album bei einer Spielzeit von 35 Minuten "nur" als EP und nicht als komplettes Album an? Mir fallen an dieser Stelle gleich mehrere Bands ein, die ihre Scheiben mit ähnlich gelagerter Spielzeit als Full-Length-Album unters Volk gebracht haben.

Da hast du absolut recht. Wir haben uns von Anfang an mit der Songanzahl von fünf Stücken auf eine EP verständigt, ohne viel darüber nachzudenken, welche Spielzeit bei unseren Songlängen dabei am Ende rauskommt. Wir haben musikalisch und textlich eben einiges zu erzählen. Ich denke, die Fans freuen sich einfach auf 35 Minuten Musik von uns.

Wovon handeln eure Texte?

'Inner Child' handelt von der kindlichen Unbekümmertheit und davon, wie man als Mensch völlig offen und frei von Vorurteilen geboren wird, aber einen das gesellschaftliche Leben mitsamt den gemachten Erfahrungen in unserer Welt negativ verändern. Man sollte immer versuchen, sein "Inneres Kind" am Leben zu halten, es niemals zu vernachlässigen, sich für Dinge begeistern können und Träume haben. 'Salvation' behandelt das Thema Depressionen, den Umgang mit einem erkrankten Menschen und letztendlich die Befreiung daraus. 'Enslave The Chain' hat einen geschichtlichen Hintergrund und erzählt von Maximilien de Robespierre in der französischen Revolution aus Sicht des Volkes. Die Idee dazu stammt von Robbi, der auch die Musik komponiert hat. 'Paranoia' dreht sich um panische Ängste und Verfolgungswahn. Was ist real und was Illusion? 'Under The Willow' ist eine fiktive, tragische Liebesgeschichte in Kriegszeiten. Die Protagonisten lernen sich gerade kennen und verlieben sich, als er in den Krieg ziehen muss. Er schwört sich, eines Tages wieder mit seiner großen Liebe unter dem Weidenbaum, wo sie sich kennenlernten, vereint zu sein und kämpft mit dieser Motivation, bis er schließlich erfolgreich zurückkehrt. Dort muss er allerdings feststellen, dass seine große Liebe Opfer des Krieges wurde und sie nun unter der Weide begraben liegt. Doch eines Tages möchte er im Jenseits endlich mit ihr vereint unter der Weide zusammen sein.

Welche Bedeutung steckt hinter eurem Bandnamen?

Der Bandname stammt von Robbi und bezieht sich auf das Thema des Titelsongs: sich nie unterkriegen zu lassen und sich gegen die "Unterdrücker und Tyrannen" zu wehren. Lasst uns den Spieß umdrehen und die beengende Kette zu unserem Sklaven machen und damit frei sein. "Let us enslave the chain!"

Was kannst du uns über euer äußerst gelungenes Artwork verraten?

Das Cover-Artwork stammt von dem großartigen Manfred Smietana, der für uns das komplette CD-Design gemacht hat. Wir haben die Guillotine als Sinnbild für die Geschichte aus dem Titelsong gewählt: Wie Maximilien de Robespierre in seiner Terrorherrschaft zigtausende Menschen enthaupten ließ und am Ende schließlich selbst durch die Guillotine starb. Ich finde, Manfred hat die Stimmung und die Zeit, in der dieser Song spielt, visuell toll umgesetzt und das Artwork passt super zur erzählerischen Atmosphäre der EP.

Wie würdest du Nicht-Kennende davon überzeugen, Geld für genau euer Album in die Hand zu nehmen?

Wer auf anspruchsvollen, melodischen Metal steht und Lust auf 35 Minuten Flucht aus dem Alltag hat, sollte sich dieses Teil unbedingt besorgen!

Welche persönlichen Ziele oder Pläne verfolgst du für das kommende Jahr?

Vor allem hoffe ich natürlich darauf, dass wir beim Thema Live-Gigs wieder zu einer Normalität finden können. Zwar geht es langsam wieder los, aber teils immer noch mit Einschränkungen und Planungsproblemen. Auf der Bühne zu stehen und einen unbeschwerten Abend unter Metalheads zu verbringen, fehlt mir schon sehr. Wenn das wieder möglich ist, gibt es bei jeder meiner Bands einiges nachzuholen.

Du singst bei WITCHBOUND und ENSLAVE THE CHAIN, spielst Schlagzeug bei ALSION und bist bei der hiesigen Coverband INFERNO ebenfalls für Gesang und Gitarre zuständig. Wie unterscheiden sich hierbei deine Engagements bzw. in welcher Rolle fühlst du dich dabei am wohlsten?

Da hat tatsächlich jeder Posten seine ganz besonderen Reize und Ausdrucksmöglichkeiten zu bieten. Alles macht mir extrem viel Spaß, aber inzwischen bin ich ja weitestgehend beim Gesang gelandet. Als Frontmann hat man natürlich viele Möglichkeiten, sich auszutoben und wenn die Bühne groß genug ist, auch mal einen auf Bruce Dickinson zu machen. Haha, das ist dann schon ganz geil! Meine Coverband INFERNO habe ich bereits 2010 gegründet und diese liegt mir daher sehr am Herzen. Da ist schon eine richtige Familie draus geworden und alles ist nach rund 150 gemeinsamen Gigs natürlich sehr eingespielt. Bei WITCHBOUND macht vor allem auch die Kombination als Sängerduo mit Natalie den Reiz aus. Das ist schon etwas Besonderes und harmoniert sehr gut. Mit ENSLAVE THE CHAIN habe ich nun seit rund zwei Jahren einen weiteren Platz gefunden, wo ich mich als Sänger, Songwriter und Frontmann in allen Belangen frei ausleben kann und auch in vielen anderen Dingen involviert bin. Ich bin sehr zufrieden und schätze es, mit so vielen tollen Musikern an verschiedenen Projekten arbeiten zu dürfen!

Wie bist du überhaupt zur Musik und im Speziellen zum Heavy Metal gekommen?

Musik lag mir wohl schon immer im Blut. So trommelte ich schon mit vier Jahren auf den Kochtöpfen meiner Oma und bekam bereits mit fünf Jahren Unterricht am Schlagzeug. Im Laufe der Jahre kam die Gitarre dazu. Erste Bühnenerfahrungen sammelte ich schon früh in Schülerbands und dann mit ALSION. Zum Rock und Metal kam ich auch bereits im Kindesalter. Das fing mit AC/DC, STATUS QUO und KISS an, welche meine Eltern auf Platten und Kassetten besaßen. Als ich schließlich mit ungefähr zwölf Jahren dann IRON MAIDEN für mich entdeckte, war es vollends um mich geschehen.  

Du sprichst gerade IRON MAIDEN an, deine große, musikalische Liebe und ich weiß, dass dein Engagement den Eisernen gegenüber weit über das "normale Fansein" hinausgeht. Würdest du uns diesbezüglich an einigen, für dich einprägsamen Storys teilhaben lassen?

Sehr gerne, da gibt es natürlich einige. Ein tolles Erlebnis war es, meinen Geburtstag beim MAIDEN-Konzert in Paris zu feiern. Und dann, als wäre das nicht genug, lief uns beim Rückweg von der Halle zum Hotel Janick Gers, der übrigens der Namensgeber für meinen Sohn ist, über den Weg. Völlig entspannt, ohne Security, als er sich noch ein Bierchen in einem Pub gönnte. Großartig! Eine andere skurrile Situation ergab sich bei einem MAIDEN-Konzert in Budapest 2014. Am Ende der Show warf Nicko einen Drumstick ins Publikum. Das eine Ende erwischte ich, das andere hatte ein ungarischer Fan neben mir in der Hand. Natürlich wollte keiner loslassen, also hielten wir den Drumstick den ganzen Zugabenblock über zu zweit fest. Als das Outro zu Ende war und die Halle sich langsam leerte, mussten wir uns was einfallen lassen. Wir verständigten uns auf Schnick, Schnack, Schnuck. Haha. Er hat gewonnen und ich hab ihm gratuliert. Anschließend haben wir uns umarmt und er hat mich noch auf ein Bier eingeladen. Haha, sowas erlebt man nur auf Tour!

Welches ist denn dein liebstes Live-Album der Eisernen? "Life After Death" mal außen vor gelassen.


Oh, da gibt es einige sehr gute. Wenn ich mich festlegen muss, ist es für mich wohl "Rock in Rio". Die Stimmung, die Power und die Performance der Band sind hier einfach unglaublich!

Welche fünf nicht von IRON MAIDEN stammende Alben sollte jeder Metalhead in seiner Sammlung stehen haben?

Natürlich "Holy Diver" von DIO. Es präsentiert einen der größten Sänger aller Zeiten in absoluter Bestform. Dann würde ich von SAVATAGE "Streets" nehmen, da es für mich das beste Album einer überragenden Band darstellt, die leider nie so ganz die Anerkennung bekommen hat, die sie verdient hätte. HELLOWEEN mit ihren beiden "Keeper Of The Seven Keys"-Alben ist ein wichtiger Teil der deutschen Metalgeschichte und war zur damaligen Zeit quasi Erfinder eines neuen Genres. Natürlich mit einem phänomenalen Michael Kiske am Mikro. "Operation Mindcrime" von QUEENSRYCHE ist ein großartiges Konzeptalbum mit einer beeindruckenden Performance von Geoff Tate. Zum Abschluss würde ich noch DREAM THEATER "Metropolis Pt. 2: Scenes From A Memory!" nehmen, da diese Band und dieses Genre eine große Inspiration, auch für ENSLAVE THE CHAIN, darstellt.

Tobi, ich bedanke mich für deine Zeit und überlasse dir die letzten Worte.

Ich habe zu danken und wünsche allen Fans viel Spaß mit der EP und hoffe innigst, dass man sich auch baldmöglichst wieder auf Livekonzerten begegnet [Beste Gelegenheit dazu gibt es schon am 2. April auf der Release-Show in Neresheim. - Anm. d. Red.]. Kaufen könnt ihr das Album übrigens auf unseren Konzerten oder einfach per Mail bestellen bei enslavethechain@gmail.com.

Redakteur:
Mahoni Ledl

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