ENTOMBED: Interview mit Alex Hellid
15.08.2019 | 21:24"Clandestine", DER ENTOMBED-Klassiker von 1991, feierte 2016 sein 25-jähriges Jubiläum. Grund genug, um sich für Fans und Anhänger dieses Evergreens etwas Besonderes einfallen zu lassen. Bandkopf Alex Hellid scharte also seine damaligen Mitstreiter um sich herum, um im gepflegten Rahmen dieses Album noch einmal von A bis Z durchzuzocken - und dies auch in orchestralem Rahmen. Wie es hierzu kam, welche Erinnerungen Alex mit dem damaligen Bollwerk hat und was darüber hinaus geplant ist, erfahrt ihr in den folgenden Zeilen.
Alex, wie geht es dir?
Mir geht es ziemlich gut, vielen Dank! Wir sind allesamt ziemlich glücklich darüber, dass unsere "Clandestine"-Live-Scheibe endlich draußen ist und die Leute dies auch zu schätzen wissen. Es war ein ziemlich langer Ritt, aber am Ende war es all die harte Arbeit wert, und wir halten endlich das Endprodukt in den Händen. Davon ab dauerte es auch lange sechs Jahre, bis die höchste Instanz der Menschenrechte in Schweden angehört wurde, um die finale Entscheidung aus dem Jahre 2017 in Bezug auf den Diebstahl unseres Logos durch einige ehemalige Bandmitglieder zu zementieren. Ich hätte nie gedacht, dass ein so offensichtliches Unrecht so lange dauern würde, aber auch das fühlt sich großartig an, hier in Schweden nun den endgültigen Zuspruch bekommen zu haben.
Das wurde ja auch langsam Zeit. Was ist denn in all den Jahren genau bei ENTOMBED passiert?
Seit 2013 lag der Schwerpunkt auf den rechtlichen Angelegenheiten, die ziemlich zeit- und energieintensiv waren. Wir haben hierbei viel über die Markenbranche gelernt und wie lange es eigentlich dauern kann, Dinge auch spruchhaft zu haben, die eigentlich so offensichtlich sind. In dieser Zeit konzentrierten wir uns auch auf die Neuauflagen von drei unserer Alben. Der Plan ist jedenfalls auch die anderen Scheiben entsprechend zu re-releasen. 2015 traf ich Nicke (Andersson - Anm. d. Red.) und Uffe (Cederlund - Anm. d. Red.) zum ersten Mal nach langer Zeit wieder im Studio und begann mit ihnen einige Sessions, die wiederum dazu führten, dass wir Robert Andersson von MORBUS CHRON bezüglich des Gesangs kontaktierten und ihn baten, sich uns für die "Clandestine"-Shows 2016 anzuschließen. Er sowie Nickes Bruder Edvin passten perfekt zu unserem Gefüge und wir waren erstaunt, wie einfach es eigentlich klappte, wieder neue, geeignete Leute im Gefüge zu haben.
"Clandestine", euer Meilenstein und mein Einstiegsalbum in die ENTOMBED-Welt, hat endlich die Aufmerksamkeit bekommen, die die Platte verdient. Wenn du an die damalige Zeit zurückdenkst, welche Bilder erscheinen in deinem Kopf?
Welche Erinnerungen hochkommen? Nunja, es war ja noch recht früh in unserer Karriere und die Dinge gingen im Vergleich zum späteren Tempo sehr schnell. Irgendwie wurde unser "But Life Goes"-Demo bei Earache Records erweitert und wir nahmen dann auch recht zügig die "Left Hand Path"-Platte auf. Danach begannen auch schon die Arbeiten an "Clandestine", obwohl unser Line-Up alles andere als stabil war. Nicke kümmerte sich damals um die Gesangsparts und ich kann mich erinnern, dass es eine ziemlich schöne Zeit war, in der viele neue Dinge passierten. Wir gingen an neue Orte, trafen neue Menschen und nahmen Musik für drei Alben auf. Für "Clandestine" waren wir auch wesentlich länger auf Tour als für "Left Hand Path" und haben in dieser Zeit auch schon an unser "Wolverine Blues"-Demo gedacht. Es war eine sehr aktive Zeit, in der wir einen großartigen, kreativen Flow hatten. Nicke war jedenfalls sehr gespannt darauf, die Ideen für "Clandestine" zu zementieren. Darum ist die Energie auf diesem Album auch so großartig. Und all diese neuen Einflüsse hört man dem Album auch an, sowas ist sehr aufregend und schwer zu replizieren.
Und welchen Stellenwert hat "Clandestine" heute für dich?
Es hat auf jeden Fall etwas Verrücktes an sich und stellt eine Art Tagebuch eines Verrückten dar, es hat auch etwas Gefährliches. Es klingt, als könnte es jederzeit auseinanderfallen und explodieren. Es ist auch äußerst herausfordernd zu spielen, sehr schwer zu meistern, sogar für Uffe, der zu den größten Gitarristen der Welt zählt. "Clandestine" ist eines dieser Alben, bei denen er sich am meisten konzentrieren muss und es immer wieder eine hohe Kunst ist, es zu meistern, zumindest für mich selbst, hehe.
Wie kam es überhaupt zu der Idee, "Clandestine" mit einem Orchester live zur Schau zu stellen?
Sowas haben wir vorher ja noch nie gemacht, von daher war es ein sehr aufregendes Projekt. Die ursprüngliche Idee entstammt aus der Tatsache, dass wir die Orchesterarrangements ab 2013 eingeführt haben. Und erstmals kamen 2005 Gedanken dazu auf, als wir in einem Brief, der an unser Büro adressiert wurde, gefragt wurden, ob wir jemals über die Arbeit mit einem Orchester nachgedacht hätten. Danach schickte uns ein Mann von den Hamburger Philharmonikern die Orchestrierung von Chief Rebel Angel, es lag also etwas in der Luft und die Überlegungen, mit einem Orchester zusammen zu arbeiten, reiften mehr und mehr. Als wir dann 2015 in die schwedische Music Hall Of Fame aufgenommen wurden, fragte uns ein Produzent des Events, ob wir eine intime Show dazu machen möchten. Wir erzählten ihm dann von unseren Gedanken über das "Clandestine"-Orchester-Projekt und auf einmal war das Malmö-Event geboren. Dabei dachten wir, dass es für das Publikum am interessantesten wäre, wenn es erst das vom Orchester und danach das von uns gespielte Album hört. Es war ein sehr schöner Abend.
Und was kannst du uns über die Location sagen? Das sieht auf den Bildern natürlich richtig eindrucksvoll aus.
Wir spielten in Malmö an der schwedischen Westküste gegenüber von Kopenhagen, Dänemark. Der Veranstaltungsort mit dem Namen "Malmö Live" ist ein brandneuer moderner Konzertsaal für klassische Musik und Sitz des MSO (Malmö Symphonic Orchestra). Im Publikum saßen knapp 1000 Menschen, was für uns als Band recht ungewöhnlich war, und völlig anders als bei der Warm-up-Show, die einige Wochen zuvor auf einem Kreuzfahrtschiff zwischen Stockholm und Finnland stattfand, wo es sich eher um eine normale Menge handelte. Als ich das Filmmaterial von der Show zum ersten Mal sah, sah es schon seltsam aus, da die Menge fast schon erfroren schien, auch wenn die Leute auf ihren Sitzen mit dem Kopf hämmerten. Die Tatsache, dass der letzte Termin für die Show genau zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von "Clandestine" vor 25 Jahren stattfand, war beinahe gruselig, aber dieser Glücksfall machte es noch spezieller und cooler.
Erzähl mir doch kurz etwas über die Situation, wieder mit Uffe und Nicke zu musizieren.
Es fühlte sich wirklich sehr gut an. Diese Zusammenkunft war wirklich der einzige Weg, dies richtig zu machen. Kein anderer kann dieses Material so spielen wie Uffe und Nicke. Es ist etwas ganz Besonderes, mit diesen Jungs zusammen zu sein und mit ihnen zu interagieren. Das war unglaublich, wie kreativ die Jungs waren, als die ersten Sessions stattfanden. Ich wusste, wenn wir uns nur zu einer Session treffen würden, selbst wenn wir nur 'Supposed To Rot' neu aufnehmen würden, würde dies sofort zu neuen Ideen führen. Es war also großartig zu sehen, wie schnell neue Ideen entstehen können.
Und wie war es, mit einem Orchester überhaupt zusammen zu arbeiten?
Auch das war eine weitere tolle Erfahrung. Ich kann nicht glauben, wie sie es schaffen, Thomas von Wachenfeldts Arrangements der Songs nach nur ein paar Proben zu spielen. Denk daran, dass es sich auch nicht um Mozart handelt, um nichts, was sie zuvor millionenfach gehört haben, zumindest 99% von ihnen. Einer der Geiger ist eigentlich ein Metalhead. Ich denke, er war mit dem Album in seiner ursprünglichen Form vertraut, aber diese Arrangements sind wirklich etwas anderes und nicht leicht zu spielen. Das erste Mal, dass wir das Orchester-Ding machten, war 2013. Wir hatten ungefähr drei, vier Tage Probe. Das zweite Mal, im Jahr 2014, hatten wir ungefähr zwei Tage und im Jahr 2016 machten wir es mit nur einem (!) einzigen Tag. Das liegt natürlich auch daran, dass sich unser großartiger Dirigent Josef Rhedin beim dritten Mal immer sicherer fühlte. Wir entwickeln dies immer noch für zukünftige Veranstaltungen weiter, sodass wir hoffentlich auch in Zukunft diese Seite Schwedens einnehmen können.
Wir planen und hoffen auch, in nicht allzu ferner Zukunft den MSO-Teil der Aufführung von "Clandestine" aus Malmö zu veröffentlichen, der erste Akt des Abends also. Natürlich möchten wir auch, dass dies zu einem Film und einer anderen Verrücktheit wird, weil uns durch die Musik, wenn sie durch Thomas von Wachenfeldt gefiltert wird, unendliche Möglichkeiten von Bildern in den Sinn kommen. Wir werden sehen. Es ist ein unterhaltsames und langsames Projekt, das parallel und unabhängig von anderen Aktivitäten durchgeführt werden kann. Die nächste Version kann eine Oper oder ein gemischtes Theaterstück oder was auch immer sein oder nur ein zufällig orchestriertes Arrangement, das international aufgeführt wird. Es ist interessant zu sehen, wie weit wir es bringen können.
"Left Hand Path" ist natürlich auch ein Album, das man gerne mal ein wenig unter die Lupe nehmen sollte, oder?
Ja, und ich hoffe, wir können es bald in irgendeiner Form schaffen. Nächstes Jahr wird die Platte 30 Jahre alt. Dann wird "Clandestine" auch 30 und "Wolverine Blues" auch und so weiter. Ich steh auf Dokumentarfilme und Blicke hinter die Kulissen. Ein Grund für erneute Sachen dieser Art ist es, die Erinnerungen aus den frühen Tagen noch einmal zu erleben und zu sammeln, und wir finden immer Dinge, die zusammen ein vollständigeres Bild dessen ergeben, was eigentlich passiert ist oder wie Leute über bestimmte Dinge dachten. Das interessiert mich. Ich mag Geschichten und sie sind überall.
Siehst du persönlich "Clandestine" jetzt in irgendeiner Form anders?
Es ist etwas ganz Besonderes, in einem Orchester zu sitzen und diese Musik zu hören, die von all diesen Instrumenten und Menschen gespielt wird. Es ist eine totale Explosion. Ich liebe es. Das Projekt gab uns die Möglichkeit, uns auf etwas einzulassen, das wir zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich nicht vollständig verstanden hatten, und zu beobachten, wie es sich zu etwas entwickelte, was wir in etwa einer Million Jahren nicht für möglich gehalten hätten. Zumindest für mich bedeutet das, dass ich jeden Moment in diesen Songs noch mehr genieße und merke, wie magisch das alles ist. Wir kanalisieren nur Energie und es ist sehr cool zu erkennen, dass sie auch von anderen Menschen für alle Zeiten festgehalten werden kann, wenn sie von jemandem wie Thomas von Wachenfeldt aufgeschrieben wird.
Das ist ein sehr schönes Schlusswort, Alex. Vielen Dank für dieses schöne, ausführliche Interview. Möchtest du den "Clandestine"-Fans noch etwas mit auf den Weg geben?
Vielen Dank Marcel, dass wir dieses Interview geführt haben und du uns geholfen hast, ein paar Sachen loszuwerden. Ich hoffe, bald wieder mit dir sprechen zu können. Vielen Dank auch an alle Leser für ihr Interesse und hoffentlich für ihren Besuch im Internet. ENTOMBED liebt euch! Falls euch etwas beschäftigt oder ihr Fragen haben solltet, meldet euch einfach bei uns! Prost!
- Redakteur:
- Marcel Rapp