EXCITER: Interview mit John Ricci
01.01.1970 | 01:00Mit „Blood Of Tyrants“ haben EXCITER wohl die Speed Metal Scheibe des Jahres 2000 abgeliefert, Grund genug, um einmal Gründungsmitglied und Gitarrist John Ricci einige Fragen zum neuen Masterpiece zu stellen. Der Schreddergott zeigte sich trotz der frühen Uhrzeit(7:00 Uhr morgens in Kanada) bestens gelaunt.
Herbert: Als erstes einmal Gratulationen zu eurem neuen Meisterwerk, aber warum habt ihr keinen langsamen Song wie „Blackwitch“ oder „Let Us Prey“ geschrieben?
John: Ich wollte keinen langsamen Song schreiben. Ich wollte, dass die CD ein straightes, schnelles Heavy Metal Album wird, was EXCITER Fans erwarten. Ich bin auch kein großer Fan von langsamen Songs (lacht).
Herbert: Aber „Blackwitch“ ist einer der besten EXCITER Songs, die ich kenne.
John: Beim ersten Album wußten wir gar nicht richtig, was wir machten, wir experimentierten. Wir versuchten Bands zu imitieren, die uns beeinflußt hatten. Wie z.B. JUDAS PRIEST, sie hatten schnelle Songs, langsame Songs. Wir wollten diese Art des Songwritings auch für EXCITER verwenden. Aber nachdem wir in den letzten 20 Jahren den EXCITER-Stil etabliert haben, der eher für schnelle und furiose denn für langsame Stücke steht, wollen wir diesen Stil auch beibehalten. Trotz allem ist „Blackwitch“ ein sehr guter Song.
Herbert: Eine Sache, die jeder angesprochen hat, war die Produktion. Viele Leute vermissen die Power bei der Produktion. Wie siehst du das?
John: Ich glaube nicht, dass die Power fehlt, die Scheibe könnte nur einen besseren Mix vertragen. Wir wollten absichtlich diesen Sound haben. Wir wollen die Anfänge von EXCITER wiederbeleben, diesen rauhen Sound. Wir nehmen auch in einem Analogstudio auf, nicht in einem digitalen, das trägt auch zur Rauheit des Sounds bei.
Herbert: Ich persönlich finde, dass der Sound zu den Songs passt, aber viele Leute hatten eine bessere Produktion erwartet.
John: Diese Leute haben wohl eine glattproduzierte Scheibe erwartet und ich mag solche Produktionen nicht. Die Musik klingt dann nicht so heavy. Ich weiß, wo das herkommt, die breite Masse möchte eher eine High-Budget Produktion hören. Dieser rauhe Sound hat aber immer schon zu EXCITER gepasst.
Herbert: Ihr arbeitet eigentlich immer mit Manfred Leidecker und Brian Sim bei euren Produktionen. Werdet ihr mit ihnen auch beim nächsten Album zusammenarbeiten oder kannst du dir vorstellen, auch mit einem anderen Produzenten aufzunehmen?
John: Ich arbeite mit Manfred seit 1990 zusammen, als wir „Kill After Kill“ veröffentlicht haben. Manfred weiß exakt, was im Studio wollen. Wir müssen unsere Ideen nicht endlos erklären, er versteht, in welche Richtung EXCITER gehen. Da gibt es eine lustige Geschichte über „Blood Of Tyrants“. Wir wollten die Scheibe schon letzten Sommer aufnehmen und gingen dafür in ein anderes Studio. Es war ein digitales Studio und ich war mit dem Sound nicht zufrieden. Es klang zu sauber, zu perfekt. Wir haben probiert ein andres Studio und einen anderen Produzenten zu nehmen, es klappte nicht. Also werden wir beim nächsten Album auch mit Manfred zusammenarbeiten.
Herbert: Es hat ziemlich lange gedauert, bis „Blood Of Tyrants“ veröffentlicht war. War das Absicht oder..?
John( unterbricht mich): Nun, wir hatten einige Probleme. Als erstes: wir hatten die Songs im März 1999 fertig und wollten mit den Aufnahmen anfangen, aber unser Sänger Jacques Belanger hat die Band für sechs Monate aufgrund eines Streites verlassen. Das hatte aber nichts mit der Musik zu tun. Wir suchten uns dann einen neuen Sänger, Steve Carter. Aber ich war mit ihm nicht zufrieden, da er nicht Jacques Potential hatte. Wir haben ihn dann entlassen und am nächsten Tag habe ich Jacques angerufen und ihm gesagt, dass er in die Band zurückkommen müsse. Er war sehr froh darüber, auch das ich ihn angerufen hatte und war wieder zurück in der Band. Das war das erste Problem, als zweites starb ein enger Freund von uns. Sein Name war Richard Beehler, er ist der Bruder unseres Originalschlagzeugers Dan Beehler. Er starb im Juli 1999 an einem Herzinfarkt. Wir haben uns eine Auszeit genommen, als das passierte. Dann gingen wir zu einem anderen Studio, den Chelsea Studios und wir waren dort zwei Wochen. Wir mochten den Sound, so dass wir zu Manfred zurückgegangen sind. Als wir dann endlich bei Manfred waren, gab es keinen Druck von Osmose (Productions, Plattenfirma von Exciter). Sie sagten , sie wollten uns nicht drängen, sie wollten nur ein starkes Album. Deshalb hat es bis Juli 2000 gedauert, bis das Album veröffentlicht wurde.
Herbert: Du bist ein grosser Judas Priest Fan, der Name der Band kommt ja von einem Priest-Song. Ja, und Jacques Belanger klingt ein bisschen wie der junge Rob Halford auf der Platte. Was denkst du darüber?
John: Jeder, den wir auf Tour in Europa getroffen haben, ob nun die Fans oder die Journalisten, jeder hat Rob Halford mit Jacques verglichen. Und ja, Rob Halford hat Jacques beeinflusst, aber er mixt das: da ist ein bißchen von Rob Halford, ein bißchen von Exciter, ein bißchen von Jacques Belanger.
Herbert: Eine andere Sache: du hast Dan Beehler erwähnt. Ist er vollkommen aus der Metal-Szene verschwunden?
John: Nach unserer letzten Europatour mit Rage 1993 war er sehr entmutigt und enttäuscht von der gesamten Musikindustrie. Er dachte, EXCITER müssten größer sein und hier seien wir , immer noch kämpfend, obwohl wir seit den späten Siebzigern aktiv sind. Er sagte mir, wenn dieses Album ( „Better Live Than Dead“) sich nicht gut verkauft, weiß ich nicht, ob ich noch weitermachen kann. Ich dachte, er macht Witze und braucht nur ein Auszeit, deshalb habe ich zwei Jahre auf ihn gewartet, auf seine Rückkehr in die Band, aber er ist nie zurückgekehrt. Im März 1996 habe ich mich entschlossen, EXCITER fortzuführen und neue Mitglieder zu suchen. Dan Beehler hat Musik aus seinem Leben verbannt. Er spielt nicht mehr, er hat sein Schlagzeug verkauft und wenn ich versuche ihn anzurufen, ruft er nicht zurück. Und wenn er zurückruft, dauert das zwei bis vier Wochen. Er interessiert sich nicht mehr für EXCITER, er will nicht wissen, was gerade passiert. Ich denke, er ist verbittert, weil ich die Band fortführe and die Band ist auf einem gewissen Level auch erfolgreich. Und als er Kontrolle über die Band hatte, als ich damals zwischen 1985 und 1990 nicht in der Band war, hat sich die Band 1988 aufgelöst, es gab keine Touren, die Verkäufe gingen zurück. Ich denke ,da ist also auch Bitterkeit im Spiel.
Herbert: „Kill After Kill“ war das erste Album von EXCITER, das ich mir damals gekauft habe. Glaubst du, es ist das unterbewerteste Album von EXCITER, was vielleicht auch an der schlechten Produktion liegt???
John: In Bezug auf die Produktion stimme ich dir zu, wir haben es zwar mit Manfred aufgenommen, hatten aber nur zwei Wochen Zeit. Aber die Songs sind großartig. Wir spielen ja „Rain Of Terror“ auch live. Und ja, das Album ist unterbewertet.
Herbert: Wann werdet ihr in Europa touren?
John: Wir haben auf den Bang Your Head Festival gespielt, ansonsten habe ich mit Osmose letzte Woche gesprochen und Johann von Metallysee wird sich diese Woche mit Herve von Osmose treffen, um die Möglichkeit einer Tour im November oder Dezember zu klären. Das erste, an das Johann dachte, war vielleicht eine Tour mit Rob Halford, aber ich habe letzte Woche herausgefunden, dass das nicht stattfindet, da Rob Halford mit anderen Promotern zusammenarbeitet. Wir wollen nach Europa kommen ,aber ich weiß nicht, ob als Opener für irgendjemanden oder im Rahmen einer kleinen Headliner-Tour.
Herbert: Wenn du dir jemanden aussuchen könntest, mit dem du touren willst, wer wäre das?
John: Ich würde die Bands nehmen, mit denen wir in den Achtzigern getourt sind, MERCYFUL FATE, MEGADETH, ANTHRAX, MÖTORHEAD, wir haben auch mit ACCEPT gespielt. Ich toure lieber mit einer klassischen Metal Band, als mit einer Death oder Gothic Metal Band. Osmose wollte uns lange mit einigen ihrer anderen Bands auf Tour schicken. Das habe ich abgelehnt. Die Death Metal Crowd ist nicht wie die Old School Crowd. Sie haben gesagt, die Fans vermischen sich dann, Old School Fans mögen New Metal, New Metal Fans mögen Old School Metal, aber das glaube ich nicht.
Herbert: Bevorzugst du eigentlich große Hallen mit vielen Leuten oder kleine Clubs, wo die Fans direkt am Bühnenrand stehen?
John: Wir bevorzugen die kleinen Clubs, wo die Fans direkt am Bühnenrand stehen und ausrasten. Sie sehen uns direkt in Aktion, dass ist einfach direkter und vertraulicher. In der Situation zurzeit müssen EXCITER auch in kleinen Clubs spielen. In großen Hallen kämen nicht so viele Leute.
Herbert: Du machst schon seit zwanzig Jahren Metal, wie siehst du die derzeitige Entwicklung der Szene? Vor allem in Bezug auf die New Metal Welle in den USA mit Bands wie KORN oder LIMP BIZKIT?
John: Nun, das sind alles keine schlechten Bands, aber diese Bands sind jetzt in der Szene aufgetaucht und werden auch wieder verschwinden. Aber der alte Metal war immer präsent. Auch zu den Hochzeiten des Industrial Metal, des Death Metal, der klassische Metal war immer da. Die älteren Fans wollen wieder die alten Bands hören und die jüngeren Fans entdecken jetzt auch den klassischen Metal. Ich denke, die jüngeren Bands werden nicht so lange da sein wie EXCITER, MEGADETH, KING DIAMOND oder BLACK SABBBATH. Ich glaube, sie haben nicht diese Hingabe an den Metal, um 20 Jahre zusammen zu bleiben.
Herbert: Was bringt dich nach all den Jahren ohne richtigen Erfolg dazu, weiterzumachen?
John: Ich habe die Band 1978 gegründet, EXCITER ist mein Traum. Es ist meine Leidenschaft. Ich schreibe die Musik. Damals schrieb ich die Musik und Dan Beehler die Melodien und Texte, aber heute schreibe ich die gesamte Musik, alle Melodien und alle Texte. Ich habe die volle Kontrolle über meine Band. In den fünf Jahren, in denen ich nicht bei EXCITER war, habe ich die Band wirklich vermißt. Ich bereue es immer noch, dass ich die band damals verlassen habe, weil unsere Karriere damals den Höhepunkt erreicht hat.
Herbert: Eine andere Sache, in den letzten Jahren gab es zahllose Reunions, aber über die EXCITER Reunion habe ich als einzige kein negatives Wort gelesen. Wie erklärst du dir das?
John: Als wir „The Dark Command“ veröffentlicht haben, war ich sehr nervös, ich wußte nicht, wie wir besprochen werden, sowohl live als auch auf Platte..
Herbert: Dan Beehler war nicht mehr dabei.
John: Richtig, aber wir haben die alten Fans überzeugt, die Fans sagen; o.k. sie spielen immer noch ihren Stil und die Band ist immer noch in der Lage , ein gutes Album zu veröffentlichen. Wir haben auch die Leute überzeugt, deren Erwartungen nicht so hoch waren. Und die Kritiken waren phantastisch, vor allem die Livereviews. Wir spielen mit sehr viel Energie, wir spielen für die Fans. Wir gehen nicht mit der Einstellung auf die Bühne, das wir nichts mehr beweisen müssen. Wir spielen jedesmal so, als wäre es das erste Mal (lacht). Viele Leute beim Bang Your Head haben uns gesagt, dass wir die beste Show hatten, vor allem Backstage gab es sehr nette Kommentare.
Herbert: Was ich auch wissen möchte: was ist das Geheimnis deines einzigartigen Gitarrensounds?? Man kann ganz einfach hören, dass John Ricci spielt.
John: Da gibt es ein paar Gründe. Als erstes natürlich die Entwicklung über all die Jahre hinweg. Zweitens, als ich angefangen habe, Musik zu machen, in den späten Sechzigern und Siebzigern spielte ich in verschiedenen Coverbands. Ich konnte nie die Gitarrensoli von anderen Bands Note für Note nachspielen, da habe ich angefangen, in meinem eigenen Stil zu spielen. Eine andere Sache: wenn ich Musik für EXCITER schriebe, bin ich meistens ziemlich angepisst oder wütend, weil ich glaube, genau wie Dan Beehler, dass wir eine größere Band sein müssten. Dann nehme ich meine Gitarre und spiele, was immer mir in den Sinn kommt. Viele Riffs, die ich geschrieben habe, resultieren aus dieser Stimmung. Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich einen eigenen Gitarrenstil habe.
Herbert: Was denkst du über das Internet?? Ist das eine gute Sache für Metal??
John: Das ist die beste Sache, die dem Heavy Metal passieren konnte. Die gesamte Welt ist verbunden, der Informationsfluss ist sehr schnell. Man kann sich Informationen über Bands holen oder neue Bands anchecken, das ist definitiv eine gute Sache.
Herbert: Gibt es schon eine offizielle EXCITER Homepage??
John: Noch nicht. Wir arbeiten daran, aber wir haben noch keine.
Herbert: Ist das jetzige Line-Up das ultimative EXCITER Line-Up??
John: Es ist das einzige, denn alle haben alles gegeben, um bei EXCITER zu spielen. Sie waren große EXCITER Fans und für sie ist es die ultimative Gelegenheit, selber bei EXCITER zu spielen. Sie geben alles für die Band und für mich. Sie wissen, dass ich der Chef bin und das EXCITER meine Band ist. Und sie vertrauen mir. Ich schreibe alle Songs. Sie wollten mehr Einfluss auf die Musik nehmen, das habe ich aber abgelehnt. Wenn der Rest der Band sich mehr einbringen würde, würden wir unsere Einzigartigkeit verlieren. Und ich habe gesagt: lasst mich alles machen. Und bis jetzt war diese Entscheidung richtig.
Herbert: Glaubst du nicht, dass die anderen, da sie so große Fans sind und alles für die Band geben, nicht doch Songs für EXCITER schreiben könnten?
John: Nein, weil ich die Songs in einer bestimmten Art schreibe. Es ist ein einzigartiger Stil. Sie kamen mit Ideen an, aber ich habe ihnen gesagt, dass das nicht funktionieren wird. Das klang nicht wie EXCITER. Ich habe zuviel Jahre gearbeitet und so viel meines Lebens für EXCITER geopfert, als das ich jemand anderes den Weg bestimmen lasse. Das heißt aber nicht, dass die Jungs keinen Einfluss haben. Aber er ist minimal.
Herbert: Glaubst du, das die Speed und Thrash Szene noch mal so gross wird wie in den Achtzigern, damals mit METALLICA, MEGADETH, ANTHRAX, EXCITER?? Immerhin gibt es viele junge Bands, die wieder Thrash Metal spielen, ohne dabei die Achtzigern zu kopieren.
John: Das ist eine sehr schwere Frage. Vielleicht in Europa, aber nicht hier in den Staaten oder in Kanada. Selbst wenn Bands hier spielen, bekommen sie kein großes Feedback, nicht so wie in Europa. In Amerika wird diese Szene im Underground bleiben.
Herbert: Ist Europa eurer bevorzugter Markt für EXCITER??
John: Ja. Jedesmal, wenn wir nach Europa kommen, ist das, als wenn wir nach Hause kommen. Hier sind unsere Fans, hier gehören wir hin. Vor allem Deutschland. In Deutschland gibt es die meisten Fans von EXCITER. Wir konzentrieren uns auf Europa. Wenn wir sechs Monate in Europa touren könnten, wir würden es machen.
Herbert: Danke für das Interview. Möchtest du noch ein letztes Statement abgeben??
John: Wir möchten allen Fans für all die Unterstützung über die Jahre hinweg danken. EXCITER werden ihre Fans nie enttäuschen. Wir geben den Fans, was sie wollen. „Blood Of Tyrants“ ist ein gutes Beispiel. Kauft das Album, denn es ist ein neuer EXCITER Klassiker!!!!
- Redakteur:
- Herbert Chwalek