EXODUS: Interview mit Gary Holt
20.10.2005 | 12:58Es gibt Musiker, die man schon seit Dekaden großartig findet, die einen durch die eigene musikalische Entwicklung begleitet haben und die zum Glück auch heute immer noch aktiv sind und erstklassige Arbeit abliefern. Eine dieser Lichtgestalten hört auf den Namen Gary Holt, ist Kopf der Bay-Area-Legende EXODUS und hat mit "Shovel Headed Kill Machine" gerade DAS Thrashalbum des laufenden Jahres abgeliefert. Kein Wunder also, dass der gute Mann bester Laune war und selbst bei unerfreulichen Themen bereitwillig Auskunft gab. Thrash on...
Holger:
Gibst du den ganzen Tag schon Interviews und bist du deshalb schon gelangweilt, immer die gleichen Antworten runter beten zu müssen?
Gary:
Nö, du bist heute der Letzte und es waren erst vier bislang. Solange du nicht nach Kirk Hammett fragst, ist alles gut. (lacht)
Holger:
Hatte ich nicht vor!
Gary:
Gut, ich denke so langsam weiß auch jeder, dass der mal bei EXODUS gespielt hat.
Holger:
Denke ich auch. Was aber noch nicht jeder wissen wird: Wer hat euer neues Album produziert?
Gary:
Ich selbst! Und Andy Sneap hat es gemixt.
Holger:
Oh! Es klingt fantastisch. So einen fetten Sound hat man seit langem nicht mehr geboten bekommen. Ein Kumpel meinte sogar, die beste Thrash-Scheibe seit Anfang der 90er zu hören.
Gary:
Welches Album gab es Anfang der 90er?
Holger:
Äh, gab es da nicht auch eins von einer Band namens EXODUS?
Gary:
(lacht) In der Tat.
Holger:
Was mich immer fasziniert, ist die Tatsache, dass man sofort heraus hören kann, dass Gary Holt Gitarre spielt. Ganz gleich, wer produziert hat. Gibt es einen speziellen "Gary Holt"-Button auf den Mischpulten? Oder was ist dein Geheimnis?
Gary:
Diesen Button bringe ich immer mit, hahaha. Hey, das ist halt mein Stil. Jeder hat seinen eigenen Stil. Egal, ob es ums Komponieren oder um die Spieltechnik geht. Allein schon die Art, wie man die Riffs spielt, kann zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen führen. Nur weil jemand meine Riffs nachspielt, muss es noch lange nicht nach mir klingen. Liegt wohl an meinen Händen, hahaha. Freut mich natürlich, wenn man es so gut heraus hören kann.
Holger:
Kann man definitiv. Hast du alles im Alleingang komponiert?
Gary:
Fast. Rob (Dukes, voc.) hat die Texte zu 'Karma's Messenger' und den Chorus zu 'Raze' geschrieben. Der Rest ist von mir.
Holger:
Also keine Beteiligung von Lee Altus dieses Mal?
Gary:
Nein, Lee ist ja erst eingestiegen als wir bereits im Studio waren. Er hat seine Soli eingespielt und sich ansonsten auf die anstehende HEATHEN-Tour vorbereitet. Er ist aber ein großartiger Songwriter und wird mit Sicherheit beim nächsten Album einiges beisteuern.
Holger:
Er ist also der neue, permanente Gitarrist bei EXODUS? Ich frage deshalb noch mal, weil ihr ein ziemliches Geheimnis daraus gemacht habt. Auch Lee selbst, als ich ihn beim HOA-Festival darauf ansprach.
Gary:
Nun, wir wollten die Gemüter vor der HEATHEN-Tour nicht unnötig aufheizen. Er sollte das in aller Ruhe durchziehen und danach zu Hause mit seiner Band die Dinge klären. Er wird ja weiterhin für HEATHEN zur Verfügung stehen. Da wird es keinen Überschneidungen geben.
Holger:
Immerhin basteln die ja auch gerade an einem Album.
Gary:
In der Tat. Wir veräppeln ihn schon immer damit. Das HEATHEN-Album dauert länger als "Chinese Democrazy" (das lang geplante Werk von GUNS'N'ROSES – der Red.). Aber im Ernst, die haben für die Aufnahmen ihres neuen 3-Track-Demos länger gebraucht als wir für die Rehearsals und Aufnahmen zu unserem gesamten Album. Lee kann sich alle Zeit für HEATHEN nehmen, die er braucht. Überhaupt kein Problem. Und wenn er Hilfe braucht und mich fragt, werde ich helfen.
Holger:
Immerhin suchen die ja auch noch nach einem zweiten Gitarristen, da Terry Lauderdale noch nicht als festes Mitglied dabei zu sein scheint. Nachtigall, ick hör' dir trapsen.
Gary:
Hahaha. Vielleicht hat sich Lee mit seinem Einstieg bei EXODUS auch gleich einen neuen HEATHEN-Klampfer gesichert. Wer weiß...
Holger:
Neue Gerüchte... Zurück zu Lee: War er deine erste Wahl?
Gary:
Er war meine einzige Wahl! Er ist einer der besten Gitarristen da draußen, er hat den nötigen Background, er ist einer meiner ältesten Freunde, er ist perfekt. Er ist ein unglaublicher Lead-Player, aber ist vor allem ein Rhythmus-Perfektionist. Endlich werde ich mir keine Gedanken über die Rhythmusgitarre mehr machen müssen, was bei Rick (Hunolt – der Red.) in letzter Zeit leider nicht immer der Fall war.
Holger:
Du sprichst es selbst an: Rick Hunolt, dein langjähriger Gefährte und der zweite Mann im legendären H-Team, ist raus. Es gab lange Diskussionen in eurem Forum, ohne dass von deiner Seite ein Statement dazu kam. Wolltest du erst in Ruhe das Album fertig stellen?
Gary:
Wir haben sehr schnell klar gestellt, dass Rick raus ist und das er nicht gefeuert wurde. Ich liebe Rick bis in den Tod. Wie lange haben wir zusammen gespielt? Forever! Ich wünsche ihm das Allerbeste! Er hat zwei gute Gründe auszusteigen: seine beiden Kinder. Er liebt sie abgöttisch und es gibt sonst niemanden, der sich ernsthaft um sie kümmert. Leider hat Rick immer noch Drogenprobleme. Ich habe in den vergangenen zwei Jahren versucht, ihm zu helfen. Während der letzten zehn Jahre habe ich fünf Freunde wegen Drogen verloren und ich möchte nicht, dass Rick der nächste wird. Es sieht so aus, als würde er endlich in Behandlung gehen. Ich habe keine bösen Worte für Rick, da er für mich wie ein Bruder ist. Oder hätte ich ihn sonst in den letzten Jahren permanent mit Samthandschuhen angefasst? Nun haben wir eine cleane Band. Der Einzige, der Pot raucht, ist Jack (Gibson, bs. – der Red.) Aber das ist okay für mich. Es macht nur dumm, aber man stirbt nicht davon.
Holger:
Habe ich auch noch nicht gehört. Aber zurück zu Rick. Wird er möglicherweise in Zukunft mal als Gast auf einem EXODUS-Album zu hören sein?
Gary:
Hm, möglich, dass er irgendwann mal ein Solo spielen wird. Aber ich muss mich vorwärts bewegen. Ich habe neue Musiker und es ist nur fair ihnen gegenüber, dass es nun ihre Band ist. Rick war ein riesiger Teil von EXODUS, aber er ist nicht länger ein Teil von EXODUS. Er ist ein Teil unserer Historie und das wird er ewig bleiben, aber EXODUS ist nicht länger seine Band. Und auch nicht Toms oder Zetros. Fakt ist, dass Rob Dukes nun singt, Paul Bostaph Schlagzeug spielt und Lee Altus Gitarre für EXODUS spielt. Es ist ihre Band.
Holger:
Und es klingt perfekt.
Gary:
Ja. Ich kann mich wirklich glücklich schätzen, sie in der Band zu haben. Ich liebe Tom (Hunting, ex-Drummer - der Red.), er war mein Zimmergenosse auf Tour und ich kenne ihn länger als sonst wen in EXODUS. Aber er hatte einen mentalen Zusammenbruch. Wie schon 1989, als John Tempesta ihn ersetzte. Er war in ständiger Behandlung, aber die Ärzte konnten ihm nicht helfen. Er dachte, er müsse sterben. Er begab sich in Therapie, aber er litt unter Depressionen. Er hat allen erzählt, er würde sich physisch außer Stande fühlen weiterhin zu spielen. Allen, außer mir. Ich habe versucht den Druck von ihm zu nehmen, ihm klarzumachen versucht, dass es okay wäre, wenn er aussteigen würde. Dass er an sich selber denken müsse. Er hätte auch nur das Album einspielen können, aber er kam zu den Rehearsals und versuchte zu spielen und bekam beinahe eine Herzattacke. Da kam Paul Bostaph ins Spiel. Wie viel mehr Glück konnte ich noch haben? Er ist einer der besten Metal-Drummer überhaupt, wohnt gleich nebenan und er war frei von anderen Verpflichtungen. Er hat einen unglaublichen Job abgeliefert. Vor allem, wenn man bedenkt, dass er nur drei Wochen Zeit hatte, sich das alles drauf zu packen!
Holger:
Drei Wochen?
Gary:
Ja! Wir sagte ihm: "Dies ist der Plan. Wir werden in drei Wochen ins Studio gehen." Hahaha. Er wurde erst etwas bleich, dann begannen seine Hände etwas zu zittern, aber dann machte er sich an die Arbeit. Hahaha.
Holger:
Jetzt aber mal ehrlich. Paul Bostaph ist eine Maschine, oder? ;)
Gary:
Ha! Ja, es klingt unglaublich, was er da teilweise spielt. Außerdem meint er, dass "Shovel Headed Kill Machine" das erste Album wäre, bei dem er grünes Licht hatte, zu spielen, was er wollte. Er kam zwischendurch immer mal wieder zu mir und fragte, ob es mich stören würde, wenn er noch ein paar Double-Bass-Passagen einbauen würde. Ich sagte ihm, solange es zu den Riffs passt, mach es! Bitte! Und es klingt teilweise echt unmenschlich.
Holger:
Wo wir schon bei Paul sind, höre ich einen leichten SLAYER- Touch im Titelsong?
Und hier merken wir, dass die Leitung nicht besonders gut war, denn Garys Antwort liegt etwas neben meiner Frage, bringt allerdings trotzdem erstaunliche Neuigkeiten zu Tage - Anm. d. Red. ;)
Gary:
Den Titel hat unser Manager erfunden, als er den Pitbull unseres europäischen Drumtechnikers das erste Mal sah. Er war etwas verunsichert, obwohl der Wauzi ganz artig war. Auf jeden Fall nannte er ihn die ganze Zeit so und wir übernahmen das gleich. ;)
Holger:
Ein hervorragender Albumtitel.
Gary:
Ja, gefällt mir auch sehr gut. Er beschreibt das Album ausgezeichnet.
Holger:
Einige Fans auf der offiziellen EXODUS-Site empfanden einzelne Songtitel als zu "cheesy". Was sagst du dazu?
Gary:
(lacht sich schlapp) Wenn man solche Typen nach Vorschlägen fragt, kommen Dinge wie 'Slicing The Throat', 'Metal Blood Fury' oder 'Kill Everything' dabei heraus. Großartig! Wahrscheinlich gibt es sogar Bands, die für solche Titel Geld bezahlen würden. Damit kannst du bestimmt reich werden. (lacht sich immer noch scheckig)
Holger:
Wie wichtig ist dir denn euer – ich nenne es mal so – Non-Image?
Gary:
Ich denke, es gibt kein Non-Image. Wie auch immer du dich darstellst, es wird zu deinem Image. Es mag Bands geben, die lassen sich nicht ablichten, damit keiner weiß, wie sie aussehen. Dann ist dies aber Die-Band-mit-dem-Image-sich-nicht-ablichten-zu-lassen. Dein Image kann aber auch sein, dass du Kontakt zu deinen Fans hast und den Boden unter den Füßen nicht verlierst. Ist auch ein Image. Oder du bist supergay, trägst Frauenklamotten und schminkst dich.
Holger:
Wobei ihr gern mit leicht okkulten Themen herumspielt und der gewalttätige Aspekt immer sehr wichtig ist. Good friendly violent fun eben.
Gary:
Das sind meine Phantasien. Ich bringe jeden Tag ein paar Typen um. Ich kann gar nicht ins Auto steigen, ohne den Willen, jemanden töten zu müssen. (fängt schon wieder an zu lachen)
Holger:
Mal ernsthaft: Deine Klampfe ist damit wohl deine 44er Magnum?
Gary:
Vollkommen richtig! Entsichert und geladen.
Holger:
Und worum geht es in 'Altered Boy'?
Gary:
In dem Song geht es um die Kindesmisshandlungen in der katholischen Kirche.
Holger:
Aha. Wir haben bereits über die bekannten neuen Namen in der Band gesprochen, aber noch nicht über Rob Dukes. Der kam irgendwie aus dem Nichts, wie es schien. Hat er auch in anderen Bands gespielt?
Gary:
Er hat vorher in diversen Hardcore-Bands gespielt, aber noch nie ein Album eingespielt. Soll ich dir erzählen, wie wir ihn entdeckt haben?
Holger:
Logen!
Gary:
Während unserer Tour mit MEGADETH hatte ich einen furchtbaren Gitarren-Techniker. In Hollywood traf ich dann auf einen Bekannten, der Rob kannte und ihn als Ersatz empfahl. Also rief ich ihn an, er wurde mein neuer Techniker und wir kamen ins Gespräch. Irgendwann bat er mich dann um eine Audition, die ich ihm als Kumpel nicht verweigern wollte. Ich erwartete gar nichts. So kam er zur Probe und blies uns sofort total um. Es war der Hammer!
Holger:
In der Tat. In meinen Ohren klingt er wie ein tiefer gestimmter "Zetro".
Gary:
Ich finde, er klingt mehr nach Paul. Aber, wie Andy Sneap auch meinte, es klingt alles mehr nach EXODUS. Es ist halt die Art, wie ich Songs schreibe. Das klingt halt so. Ich habe nichts nachträglich an den fertigen Songs verändert, nachdem Rob eingestiegen war. Wir alle wollten mehr den Baloff-Stil zurück und das hat auch gepasst. "Zetro" hatte mehr diesen Bon-Scott-Touch drauf. Das war halt seine Art zu singen.
Holger:
Du hast gerade die bereits fertigen Songs angesprochen. Wann hast du angefangen Songs für das Album zu schreiben?
Gary:
Im Januar. Nach der MEGADETH-Tour, mit Steve von SKINALB hinterm Mikro, habe ich Ende letztes Jahres eine kurze Auszeit genommen, Ferien mit meinen Töchtern verbracht und entspannt. Danach war ich mindestens sechs Stunden täglich im Übungsraum und habe allein an den Songs gefeilt. Das war nicht ungewöhnliches, denn Rick hatte schon bei "Tempo Of The Damned" nichts zu den Nummern beigesteuert. Für mich also keine neue Situation. Dann kamen die Probleme mit Tom, dann mit Rick und plötzlich musste ich mir Gedanken machen, wer denn nun Schlagzeug und Soli spielen würde. Denn Rhythmusgitarre habe ich auch schon auf dem Vorgänger fast allein eingespielt. Also habe ich das Internet abgestellt, weil ich sie überall nörgeln hören konnte. Ich wollte es nicht lesen. All die Miesmacher. Ich wusste, wie gut das Material war. Gut, es würde neue Gesichter geben, aber das hieß auch frisches Blut, Musiker, die hungrig waren. Ich war total euphorisch. Und als dann das Album erschien, sagten mir alle, wie sehr sie gezweifelt hätten, und wie genial die Scheibe doch wäre.
Holger:
Was ich unterschreiben kann. Standest du aber nicht unter einem enormen Druck, als dann auch noch die Sache mit Rick durchs Netz geisterte?
Gary:
Nicht wirklich. Ich kann eh viel besser arbeiten, wenn nicht alles rund läuft. Ich mag etwas Stress. '44 Magnum Opus' und der Titeltrack sind beispielsweise erst in der letzten Woche vor den Aufnahmen entstanden. Weißt du, als Tom noch mit von der Partie war, wollte er mich immer bremsen, da er nicht mehr in der Lage war, so schnell zu spielen. Als dann plötzlich Paul kam, fragte dieser mich nur: "Wie schnell hättest du es denn gern?" Und ich sagte: "Ich hätte es gern SEHR schnell!" Hahaha.
Holger:
Großartig! Viele reden ja jetzt sogar schon von "Bonded By Blood" Part 2.
Gary:
Das ist eine schöne Auszeichnung. Für mich ist "Shovel Headed Kill Machine" unser zweitbestes Album. Viele sagen ja immer, dass ihr aktuelles Album auch ihr bestes wäre. Das würde ich nie sagen, denn ich werde nie wieder ein so wichtiges Album schreiben, wie "Bonded By Blood". Das war ein Meilenstein in der Geschichte des Thrash. "Tempo Of The Damned" war auch verflucht gut, aber es hatte ein paar Füller. Wir mussten zum Beispiel mit dem Oldie 'Impaler' einen B-Seiten–Song mit draufpacken und am Ende reichte auch die Zeit nicht, so dass wir mit 'Sealed With A Fist' und 'Throwing Down' zwei WARDANCE-Songs dazu nehmen mussten. Wobei mir das erste sehr gut gefällt, aber 'Throwing Down' hält einfach nicht den Standard des Albums. Dieses Mal haben wir zehn brandneue Nummern, die wie aus einem Guss klingen.
Holger:
Neben den beiden genannten Nummern, gefällt mir auch 'Culling The Herd' nicht so besonders.
Gary:
Ich liebe diesen Song! Vor allem wegen der Texte. Endlich konnte ich mal meine Meinung über die Menschheit raus lassen. Aber es ist witzig, es gibt Leute, die mögen 'Throwing Down'. In einigen Reviews wurde 'Culling The Herd' als grandios beschrieben. Die Meinungen gehen immer auseinander. Für mich waren diese Songs halt nur nicht mehr neu. Es gab einen Song namens 'Crime Of The Century', den wir später durch 'Impaler' ersetzten. Wir haben ihn jetzt unter anderem Titel und mit anderen Texten noch mal für "Shovel Headed Kill Machine" aufgenommen und er klingt verflixt gut. Aber, weil es ein alter Song für mich ist, landet er nur auf einer B-Seite. (Laut meiner Information handelt es sich um einen Vinyl-Only-Bonus – der Red.)
Holger:
Du sprichst immer wieder von alten Songs. Werden wir auf der kommenden Tour ein paar Raritäten serviert bekommen?
Gary:
Wir haben ein neues Album zu supporten, also werden wir davon einiges spielen. Ein par Nummern vom Vorgänger und natürlich die Klassiker 'Bonded By Blood', 'Fabolus Desaster' und 'Toxic Waltz'. Du wirst sicherlich kein 'Whipping Queen', 'Warlords' oder 'Death And Domination' zu hören bekommen. Letztens fragte mich ernsthaft jemand, ob wir noch mal 'Hell's Breath' aufnehmen würden. Natürlich nicht. Ich schaue vorwärts, nicht zurück.
Holger:
Was ich ja verstehen kann, dennoch würde ich mich über einige der genannten Titel schon auch freuen. Wechseln wir aber mal das Thema. Gibt es bei euch eigentlich noch eine Underground-Metal-Szene?
Gary:
Ja, aber mehr im Death und Black Metal. Der war hier immer schon sehr beliebt und seit der Nu-Metal wieder abebbt, wird auch der normale Heavy Metal hier wieder populärer. Aber es ist hier natürlich wie in Europa. Da können wir auf einem Festival spielen und am gleichen Tag spielen noch SAXON, PAT TRAVERS und DEICIDE. Das ist großartig. SAXON sind eine meiner Alltime-Fave-Bands. Als sie auf ihrer ersten US-Tour waren, habe ich sie an drei Tagen in Folge gesehen. Die jungen Leute heute wissen gar nicht mehr, wo ihre Musik her kommt. Ich kenne meine Wurzeln. Ohne SAXON, JUDAS PRIEST, die gesamte NWoBHM und englischen Punk, gäbe es heute EXODUS nicht. Und ohne EXODUS, SLAYER und METALLICA gäbe es heute SHADOWS FALL, LAMB OF GOD, IN FLAMES und DIMMU BORGIR nicht. Alles hat irgendwann begonnen und ich behaupte nicht, ich wäre der Ursprung allen Metals. Aber ich habe etwas dazu beigetragen, dass er heute so klingt, wie er klingt. Es gibt immer jemanden vor dir. Wir könnten bis zu LED ZEPPELIN zurückgehen.
Holger
Wurzeln sind ein gutes Stichwort. Hättest du dir 1983 vorstellen können, dass du 2005 noch ein EXODUS-Album veröffentlichen würdest?
Gary:
So denke ich nicht. Ich habe ein tolles neues Album am Start, warte darauf, es live vorstellen zu können und plane danach auch weitere großartige Werke abzuschießen. Ich mache das, solange ich Lust habe, es zu machen. Fertig.
Holger:
Es gibt also schon Tourpläne?
Gary:
Es wird eine EXODUS-Fest-Tour geben, auf der wir und HYPOCRISY headlinen werden. Das wird klasse, denn ich liebe HYPOCRISY. Tolle Band. Ich habe auf Peters neuem Album auch ein Solo eingespielt, weiß aber im Moment gar nicht zu welchem Song, hahaha. Eigentlich wollten wir tauschen und er sollte Backing Vocals auf unserem Album singen. Aber wir standen so sehr unter Zeitdruck, dass es leider nicht geklappt hat. Beim nächsten Album werde ich ihn anrufen und es einfordern. Er schuldet es mir! Hahaha.
Holger:
Du bist also offen für Gastauftritte bei anderen Bands?
Gary:
Wenn ich Zeit habe und ich die Band mag, klar.
Holger:
Werdet ihr in Hamburg spielen?
Gary:
Keine Ahnung. Ich habe die Planung noch nicht gesehen. Ich weiß nur, dass wir an einigen Abenden wohl nur mit HYPOCRISY und an anderen mit diversen anderen Bands, wie PRIMORDIAL, auftreten werden.
Holger:
Letztes Mal war es supergrandios und extrem intensiv.
Gary:
Das war doch in der kleinen Halle, oder? Shit, das war wie in einem Ofen. Aber es hat tierischen Spaß gemacht.
Holger:
Das hat man euch auch angemerkt. Ganz was anderes: Warum bist du noch immer kein Megastar?
Gary:
Keine Ahnung und es kümmert mich auch nicht mehr. Es gibt Bands, die meine Freunde sind und deren Namen ich nicht nennen möchte, die ihren Erfolg einzig und allein daran messen, dass sie nicht METALLICA sind, hahaha. Das ist mir scheißegal. Ich sitze hier und kann mit dir sabbeln, ich reise durch die Welt und werde bezahlt dafür. Ich denke, ich kann mich nicht beklagen.
Holger:
Du hast das böse Wort ja schon benutzt. Hattet ihr jemals die Chance METALLICA zu supporten und daraus etwas Erfolg für euch zu ziehen?
Gary:
Das letzte Mal, als wir METALLICA supportet haben, war kurz nach den Aufnahmen zu "Master Of Puppets". Da waren circa 8.000 Leute um MEGADETH, METAL CHURCH und uns beide zu sehen. Und wir haben METALLICA von der Bühne geblasen. Nach der Show kam James mit einem grinsenden Gesicht zu mir und meinte nur, dass dies das letzte Mal gewesen wäre, dass wir für sie eröffnet hätten, hahaha. Und er hat Wort gehalten.
Holger:
Immerhin. Wer sind übrigens die beiden Gestalten auf dem "Bonded By Blood"-Cover? Man munkelt Paul und Dave Mustaine?
Gary:
Ich habe keine Ahnung. Das versuche ich auch schon seit langer Zeit heraus zu finden.
Holger:
Die Scheibe sollte damals ja schon ein Jahr eher unter dem Titel "A Lesson In Violence" erscheinen. Glaubst du, damit hättet ihr (noch) mehr erreichen können?
Gary:
Damals war eine komplett andere Zeit. Es gab kein Internet, kein Downloading, es gab Advance Tapes. Und Kopien von Advance Tapes. Die klangen natürlich alle total Scheiße. Wir hatten unsere internen Probleme und haben vielleicht auch falsche Entscheidungen getroffen, aber was kümmert mich das heute. Ich bin hier und mache immer noch Killer-Alben. Klar, den Deal mit Capitol Records zu unterschreiben, war ein Fehler. Aber wer konnte denn ahnen, dass alle, die uns beim Label vorher unterstützt hatten, kurze Zeit später gefeuert werden würden. Das war zu Zeiten des "Impact Is Imminent"-Albums und wir wurden zu einem unbedeutenden kleinen Fisch in ihrem Back-Katalog. Aber das ist lange her.
Holger:
Kurz danach hast du ja dann WARDANCE gegründet, die doch eher modern und groovig klangen. Stehst du auf solche Musik?
Gary:
Das war die Phase, in der ich nicht akzeptieren wollte, wer ich bin: nämlich Gary Holt, Gitarrist bei EXODUS. Ich habe versucht mich zu verändern, aber diese Phase liegt hinter mir. Ich verstecke mich nicht mehr. Entweder du magst mich oder nicht. Mir egal. Du musst auch nicht meine Band mögen, um mein Freund zu sein. Ich möchte keine Arschkriecher um mich herum haben. Man kann mir auch eine objektive, negative Meinung über EXODUS sagen - und mir dann erst aus den Augen gehen. Hahaha.
Holger:
Gab es denn keine Angebote von anderen Bands, während EXODUS auf Eis lagen?
Gary:
Ich wäre beinahe bei FIGHT eingestiegen, aber Robs Manager wollte erst Videos von mir on stage sehen, um zu wissen, wie ich denn auf der Bühne so bin. Er hätte doch nur ein paar Leute anrufen müssen, um das zu erfahren. Also fühlte ich mich etwas unter Wert verkauft und habe es gelassen.
Holger:
Du warst aber niemals in ANGEL WITCH wie Tom Hunting?
Gary:
Nein. Als aber Kevin Heybourne kurz vor einem Auftritt aus den Staaten deportiert wurde, rief mich Tom an, ob ich nicht Gitarre spielen könnte. Ich ging also hin, aber Doug Piercys Amp versagte, so dass er mein Amp benutzte und ich nicht spielen konnte.
Holger:
Auch nicht schlecht. Kannst du dir vorstellen, nicht der Bandleader zu sein?
Gary:
Es gab eine Zeit, in der ich mir wünschte, nur ins Studio gehen zu können, ein par Soli abliefern zu müssen und wieder nach Hause gehen zu können. Aber das ist nicht mein Ding. Ich mag es, Kontrolle zu haben und nicht auf andere zu viel hören zu müssen. Obwohl, bei der richtigen Summe könnte ich darüber noch mal nachdenken, hahaha.
Holger:
Ein schönes Schlusswort. Herzlichen Dank für deine Zeit.
Gary:
Ich danke dir. Cheers.
- Redakteur:
- Holger Andrae