Ein Interview mit den diesjährigen Raurockrettern von DxBxSx
27.06.2011 | 21:53Mit "Zugriff", dem neuen Album des Berliner Trios DxBxSx, die sich früher mal DRIVE BY SHOOTING nannten, haben Bassist Timo, Sängergitarrist Angel und Schlagzähler Stevie ein sehr feines Rockrockpunkrockrock-Album aufgenommen, in dem sie auch nicht mit BlaBla-Texten langweilen, sondern richtig stachelig Stellungen beziehen. Das Bemerkenswerte daran ist, dass Elektrohash-Meister Stefan Koglek - hauptamtlich Gitarrist bei der bayrischen Psychedelikinstitution COLOUR HAZE - diese Musik der Berliner mit einem einleuchtenden Berlinbezug unter die Fittiche genommen hat. Warum? Weil das Punk ist! Wieder Warum... lest selbst: Über zu weite Shirts in zu engen Hosen, geruhsame Dienstage und verfehlten Protest.
Mathias Freiesleben:
"...die Nächte werden nicht mehr durchgetanzt!" - Ihr auch nicht mehr? Wie sieht ein typischer Dienstagabend und ein Freitagabend bei Euch aus?
Angel:
Ick war noch nie 'n großer Tänzer!
Dienstagabends koch ick was leckeres und schau mir 'ne Tatort-Wiederholung an.
Eventuell besuch ick noch meine Freunde im nahe gelegenen Park und füll' meine Grasdose. Freitag hab ich im Optimalfall 'nen Gig mit DxBxSx, dann brauch ick mir keen Kopf machen, auf welches Konzi ick gehe.
Mathias Freiesleben:
Es lohnt sich, bei Euch genauer hinzuhören. Was wiegt bei Euch denn schwerer? Die Texte oder dass die Mucke möglichst bratzig-räudig klingt?
Timo:
Das kann man so nicht sagen. Es gibt da keine Gewichtung. Ein Song wird genommen, wenn das Riff geil ist und der Song fetzt, und dann wird entweder ein Text drauf geschrieben oder es wird einer von den Texten, die schon da sind, genommen und geschaut, ob er raufpasst oder sich passend machen lässt. Und wir achten auch nicht darauf, dass die Musik möglichst irgendwie klingt, sondern einfach nur darauf, dass wir den Song gut finden - wenn das Ergebnis dann bratzig-räudig ist, ist das wohl einfach die Art Musik, die wir mögen.
Mathias Freiesleben:
Apropos: Da ist ja viel Angepisstheit in "Zugriff" - geht's Euch nun besser damit? Das berühmte Danach... jetzt, "wo's raus ist"?
Angel:
"Zugriff" ist eines der wenigen Beispiele dafür, wo Mucke und Text sehr schnell zueinander fanden. Da wurden spontan zwei Riffs gespielt, welche irgendwie gleich das Thema des Textes vorzugeben schienen. Die Nummer war nach der Probe fertig. Punkt. Und bei jedem Gig bricht es aufs Neue aus Einem raus! Und: Klar geht's einem besser danach!
Mathias Freiesleben:
Was mich schon immer mal interessiert hat: Kriegt Mann eigentlich als Mucker mit, was die Leute da vor einem so tuscheln und nuscheln? Wie geht Mann damit um?
Angel:
Oh ja, das is 'ne Frage für mich! Ich brenne förmlich darauf, irgendwas aufzuschnappen. Ich trete gern mit den Leuten in Dialog. Ob positiv oder negativ ist mir dabei total egal. Hauptsache es gibt was zu quatschen in Pausen, wo wir mal durchatmen, stimmen oder 'n Pflaster brauchen. Es gibt nichts Schlimmeres als Schweigen oder sich wiederholende Ansagen! Da kommen einem Getuschel und Genuschel als Aufhänger schon gelegen.
Mathias Freiesleben:
Schubladenfrage? Nö. Wenn Ihr Euch einen Act raussuchen dürftet, egal, welcher Größenordnung: Wer sollte in Eurem Vorprogramm spielen? Voraussetzung: Danach müssen alle in Club/Halle/Stadion bleiben! :-)
Timo:
MUDHONEY. Oder wenn man als Voraussetzung noch nehmen kann, dass alle Zuschauer an ihre Stühle gefesselt werden, würde ich gerne REVOLVERHELD als Vorband haben, um der "Generation Rock" mal zu zeigen, was Rock wirklich ist.
Mathias Freiesleben:
Als Nicht-Berliner bekommt man so ein bissl das anwachsende Meckern über die desinteressierte und schaulaufende, von außen zugezogene Schickeria mit, die "Berlinverstopfer" nenn' ich das mal... Ist das ein grosser Impuls, zum Beispiel 'Der Zaun' zu schreiben? Da mufft Ihr ja schon ganz schön rum...
Timo:
Impuls für Texte ist natürlich immer, was so auf einen einwirkt, und wenn man in der Innenstadt von Berlin wohnt und sogar noch in einer Bar arbeitet, sind Zugereiste und Touristen natürlich immer Inspiration, einfach, weil die Stadt voll davon ist. Aber zum Beispiel gerade 'Der Zaun' ist keine Reaktion auf die Situation in Berlin gewesen, sondern auf die kommerzialisierte Gegenbewegung zum G8-Treffen in Heiligendamm, wo man ja schon ein bißchen das Gefühl bekam, dass die großen Plattenfirmen da ihre Bands positioniert haben, um sie an den Jugendlichen zu bekommen. Um nicht falsch verstanden zu werden: Protest gegen ein Treffen der großen Industrienationen, die in Ruhe den Kuchen unter sich aufteilen und mit unseren Geschicken spielen, ist mehr als angebracht, aber wenn selbst die BILD schon Tipps gibt, wie und wo man hinfahren soll, um zu protestieren, sollte es doch Jedem aufstossen, dass das nicht mehr der wahre Protest sein kann. Protest muss wehtun und kann es nicht allen recht machen!!!
Mathias Freiesleben:
Wo wird sich das denn Eurer Meinung nach hinentwickeln?
Angel:
Ganz einfach: Die Grünen werden die zweitgrößte Volkspartei nach der CDU. Kein Scherz, der sicherste Gradmesser der Gentrifizierung ist der Wähleranteil der Grünen. Aber nich mit mir! Macht kaputt, was Euch kaputt macht!
Timo:
Berlin wird leider früher oder später eine Stadt sein, in der sich einige Besserverdienende in den Resten der ehemaligen Subkultur ihren Rotwein geben und sich darüber freuen, wie unangepasst sie sind, wenn um Punkt Zehn die Bürgersteige hochgeklappt werden, während die Subkultur um ihre vereinzelten, gebliebenen Plätze kämpfen wird und hier und da in der Illegalität geile Partys feiern wird, bis ein Stadtmagazin es abfeiert, ein Investor es kauft und es danach genau die selbe langweilige Scheiße sein wird wie der Rest der Stadt. Was sich halten wird für die nächsten Jahre ist wahrscheinlich der Indie-Ballermann rund um die Oberbaumbrücke, weil dort mittels angepasster Kiddiediskos das Geld gemacht wird, hin und wieder auch mal 'ne interessante Band spielen zu lassen.
Mathias Freiesleben:
Merkt Ihr auch schon was in der Szene - gibt es deftige Veränderungen? Nachwuchs-Probleme?
Timo:
Ich weiß gar nicht genau, inwiefern wir uns in irgendeiner Szene bewegen. Dafür sind wir wahrscheinlich zu alt und zu nörgelig :) Was man an jungen Leuten mitbekommt, läuft verhältnissmäßig uniformiert in viel zu engen Hosen und zu weiten T-Shirts durch die Innenstadt und hört Electro - da passiert sicherlich 'ne Menge Undergroundmusik und ist bestimmt spannend. Mir gehen illegale Electro-Partys aber ziemlich am Arsch vorbei und insofern ist in der Stadt für mich auch nicht allzu viel los und ich bin froh, wenn Sommer ist und ich aufs Land zu kleinen Festivals fahren kann, wo sich dann schon eher meine Szene trifft und ordentlich die Kuh fliegen lässt.
Mathias Freiesleben:
Ist irgendwas besser als früher?
Angel:
Die Mauer is weg!!!
Mathias Freiesleben:
Was ist Punk 2011 für Euch? Der Begriff taucht ja öfter auf bei Euch!
Angel:
Neue Mauern, Stacheldraht und Selbstschußanlagen.
Timo:
Fällt der Begriff wirklich so oft bei uns? "Wir sind unheilbar krank und diese Krankheit nennt sich Punk"... Punk 2011 ist - wie eigentlich schon immer - einfach nicht so zu sein, wie es andere erwarten, beziehungsweise was andere für Punk halten, sondern einfach sein Ding zu machen, grundsätzlich erstmal sicherhaltshalber dagegen zu sein, wenn die grosse Masse dafür ist, und immer den Blick über den Tellerrand schweifen lassen, um nicht den Bezug zur Realität zu verlieren.
Mathias Freiesleben:
Ihr spielt ja zum Beispiel auch auf dem Stoned From The Underground 2011. Ich frage, weil ihr ja so richtig nie von den so genannten Stonern lassen konntet. Beißen sich die beiden Genres nicht irgendwie... Ist Punk nicht auch als Reaktion auf das Gegniedel der Endsiebziger entstanden?
Angel:
Frag mal 'nen Punk, ob DxBxSx Punk machen! Da wirst du wohl eher 'ne Antwort wie: "Wie... meinst du die Hippies da?" bekommen. Oder schau Dir die Blues-Rock-Szene der DDR an, das war schon ganz schön Punk.
Timo:
1977 ist über 20 Jahre her und insofern wäre es natürlich sehr konservativ, gegen die selbe Musik zu rebellieren wie damals. Punk 2011 bedeutet für mich schon eher, gegen Punk zu rebellieren, der als überproduzierter Skate-Trallala-Einheitsbrei auf dem Weg zum Stadionrock existiert. Punk sollte doch klingen, wie in der Garage aufgenommen und nicht wie im High End Studio. Und auch wenn Stoner einfach mal 'n Unwort ist, ist doch schön rau aufgenommener Drei-Mann-Rock einfach 'ne verdammt ehrliche Musik und das sollte Punk - egal in welchem Jahrzehnt - doch sein: Ehrlich!
Mathias Freiesleben:
Wo fängt bei Euch Politik an?
Angel:
Im Bett.
Mathias Freiesleben:
Was wollt Ihr denn noch erreichen?
Angel:
Noch 'ne Platte.
Timo:
Ich will alle erreichen die 'ne Plattensammlung haben, auf die ich neidisch bin, die Begeisterung für Musik empfinden, die sich kritisch mit ihrer Umwelt auseinandersetzen und trotzdem über sich selbst lachen können.
Mathias Freiesleben:
In 'Rauchwehr' holt ihr zum Rundumschlag gegen die "gelenkte Bürgerlichkeit" aus. Und die dann "veröffentlichte Moral" kommt nicht gut weg. Wenn Ihr wie jetzt darauf angesprochen werdet - machma 'nen Vorschlag, was anders laufen muss!
Angel:
Autonom, autark und ohne Waffen, alles wär geritzt!
Mathias Freiesleben:
Also kann man von Euch noch eine janze Menge Protestlieder erwarten!
Timo:
Sieht nicht so aus, dass wir demnächst aufhören werden, uns über den Scheiß um uns herum aufzuregen...
Angel:
Vielleicht sogar instrumental. (M.F.: Nachvollziehbarer Wunsch, wenn mann gerade mit KARMA TO BURN auf Tour war...)
Mathias Freiesleben:
Nun könnt Ihr Euch noch ganz offiziell was wünschen:
Angel:
'ne neue Klampfe!!!
Timo:
Also ich wünsch' mir, dass die Platte bald ausverkauft ist und Stefan von Elektohasch dafür belohnt wird, dass er den Mut hatte, eine Platte rauszubringen, die er geil findet, die aber so gar nicht auf sein Label passt. Das ist Punk!
Mathias Freiesleben:
Vielen Dank für Eure Zeit und allet Jute!
- Redakteur:
- Mathias Freiesleben