FEAR FACTORY: Interview mit Dino Cazares

07.08.2015 | 22:36

"Genexus" heißt Album Nummer neun der Industrial-Metal-Pioniere FEAR FACTORY. Wir sprachen im Zuge der Veröffentlichung des brachialen Albums mit Gitarrist Dino Cazares, aber auch über zwei ganz besondere Ereignisse: 25 Jahre FEAR FACTORY, 20 Jahre "Demanufacture"!

Bestens gelaunt ruft mich Dino Cazares aus Los Angeles an. Die Stimmung sei bestens, man könne es kaum erwarten, dass das neue Album veröffentlicht wird, auf das alle sehr stolzt seien. Neun Alben, 25 Jahre FEAR FACTORY. Da darf man schon mal fragen, was die Fabrik noch am Laufen hält. "Die Leidenschaft", entgegnet Dino motiviert, als sei es das Debüt der Band. "Andere Bands gibt es schon längst nicht mehr, wir sind immer noch da", führt er stolz weiter aus.

Dass ich anschließend etwas in der Vergangenheit bohre, scheint ihm dann wieder nicht so zu gefallen. Er war mal nicht in der Band? Rechtsstreit um den Bandnamen? Alles längst geklärt und vergangene Vergangenheit. Dino schwingt seit nunmehr drei Alben wieder die Axt für FEAR FACTORY und das ist die Hauptsache!

20 Jahre "Demanufacture"! Das muss man sich mal auf der Zunge vergehen lassen! Ja, wir sind alle ganz schön alt geworden. Dino konnte mir verraten, dass FEAR FACTORY im November/Dezember auf große Tour kommt, auch nach Deutschland und dort gibt es dann "Demanufacture" komplett, live und in Farbe. Pflichttermin, würde ich sagen! Bleiben wir doch mal bei "Demanufacture": Nicht nur die Art des Songwritings, auch der Sound war eine Revolution im Metal, das Album ist immer noch zeitlos. Wie habt ihr diesen speziellen Sound erreicht? Kannst du dich noch an die Aufnahme erinnern, frage ich ihn.
"Ja, wir wollten eigentlich, dass "Soul Of A New Machine" [Debüt] so klingt", erinnert sich Dino. "Aber 1991 gab es noch nicht die passenden Technologien. Es gab Keyboards und Samples, aber kein Pro Tools oder Möglichkeiten das Schlagzeug zu triggern. Es hat bis zum unserem Remix-Album "Fear Is The Mind Killer" (1993) gedauert, dann fing die Technik an sich zu entwickeln. Wir konnten dort die die Industrial-, Techno- und Dance-Musik mit dem heavy und aggressivem Death-Metal-Sound kombinieren und wir wussten: So soll das nächste Album klingen! Wir haben alles zusammengeworfen und so unseren eigenen Sound kreiert. Wir waren damals an allem, was Sci-Fi ist, interessiert, über "Star Trek" bis "Blade Runner" und "Terminator" etc. Mit "Demanufcature" wollten wir den Soundtrack für diese Filme schreiben, womit wir sehr erfolgreich waren, denn wir haben sehr viele dieser Filme gesehen und sie waren ein großer Einfluss -  zu der Zeit gab es auch gerade sehr viele Sci-Fi-Filme. Wir wollten das nächste Kapitel aufschlagen." Das ist ihnen auf jeden Fall gelungen!

Nun ein Sprung zum letzten Album "The Industrialist" und der dringenden Frage: Warum habt ihr das Schlagzeug auf "The Industrialist" programmiert? Und warum habt ihr nicht mehr mit Gene Hoglan zusammengearbeitet? "Gene Hoglan ist zu TESTAMENT gegangen. Der Vertrag war abgelaufen, der lief nur für "Mechanize" [2010]. Wir hatten also keinen Schlagzeuger zu der Zeit, mussten uns aber beeilen, um das Album rechtzeitig fertig zu bekommen, das Label machte schon Druck. Also haben wir das Schlagzeug programmiert." Aha! Bereuen würde er die Entscheidung auch nicht und beschwert sich: "Es gibt heutzutage viele Bands, die das Schlagzeug programmieren und es ist lustig, dass eine Band wie FEAR FACTORY, die über Technologien und wie sie sich entwickeln, singt, vorgehalten wird, dass sie sich ihrer bedienen." Da hat er nicht ganz Unrecht.

Nun aber zum neuen Album "Genexus"! Worauf bist du denn besonders stolz?
"Alles", schießt es wie aus einer Pistole aus dem sonnigen LA ins regnerische Nord-Deutschland. "Burton hat einen tollen Job bei den Vocals gemacht, da haben wir sehr hart dran gearbeitet. Mike Heller war ja unser Live-Drummer in den letzten drei Jahren und auch er war fantastisch. Ich bin aber auch stolz auf mich. Ich bin stolz auf alle Platten, die herausbringe“, führt er weiter aus. „Unabhängig davon, ob es andere Leute mögen oder nicht, wir sind stolz darauf, was wir schaffen und was wir machen. Es ist für mich deshalb ganz natürlich die Musik, die ich mache, zu verteidigen. Aber man muss auch in der Lage sein, Kritik anzunehmen, aber solange es aber nicht konstruktive Kritik ist, geht es nur darum, Scheiße zu labern." Das kann man mal so stehen lassen.

"Genexus" klingt oft wie ein Best-Of FEAR FACTORYs. War das das Ziel? "Du bist nicht der erste, der mir das sagt", gibt Dino meinem Empfinden Recht."Es gab schon einige die zu mir meinten, dass sie einige Songs an eine bestimmte FEAR FACTORY-Phase erinnern. Zum Beispiel 'Soul Hacker' klinge nach "Obsolete", 'Dielectric' klinge nach "Demanufacture" und so weiter. Das ist eine tolle Errungenschaft, aber wir haben uns auch beinahe ein Jahr Zeit für das Album genommen." Das hört man! Aber mal ehrlich: Glaubt ihr eigentlich auch an die Geschichten, die ihr erzählt? "Natürlich glauben wir an die Stories! Einiges ist vielleicht etwas übertrieben dargestellt, vielleicht aber auch nicht?! Diese Dinge werden passieren, aber wir werden nicht mehr da sein, um sie zu sehen. Unsere Einflüsse sind alle Technologien beziehungsweise das Bewusstsein zu dem, was draußen passiert. Unsere Alben behandeln jedoch nicht nur ein Thema, Technologien decken aber einen großen Teil ab. Des Weiteren singen wir über Religionen, Verschwörungen - wir hatten auch schon Songs über 9/11. Die Texte werden aber nicht notwendiger Weise von Fans gelesen oder verstanden. Die Leute gucken das Cover an, hören die Musik und denken „Ah, es geht wieder um Technologien"..." Über die Relevanz von Texten im Metal gibt es ja mittlerweile ganze Bücher.

'Expiration Date' beschließt das Album. Das ist ja ein ziemlich besonderer Song... "Wir mögen, diese Art Musik zu schreiben", spinnt er den Faden weiter. "Der Ursprung kam von einer Gitarrenmelodie, dann kam die Idee auf, es in eine Electro-Balladen-Richtung gehen zu lassen. Die Storyline war dann maßgebend, denn alles hat ein Ablaufdatum, wir werden alle sterben. Und Burton wollte etwas Schönes und Melodisches drüber singen." Romantisch geradezu!

Eine Frage die mir als Musiker schon ewig unter den Nägeln brennt, ist, wie um alles in der Welt er sich a) die ganzen Rhythmus-Pattern merkt und b) wie er es schafft, sie nicht zu wiederholen? "Der schwerste Part ist, sie nicht zu wiederholen. Klar werden einige Pattern sich teilweise wiederholen, dass passiert zwangsweise, wenn man so viele Songs hat, das ist wirklich nicht leicht." Das glaube ich gern! Hast du also einen Pool o.ä. mit den Pattern, also hast du sie abgespeichert, schreibst du sie auf? "Ich schreibe sie nicht unbedingt auf. Manchmal höre ich meine früheren Alben an, um herauszufinden, ob ich ein bestimmtes Pattern schon mal gespielt habe: Sind es drei Upstrokes und zwei Downstrokes oder drei Downstrokes und zwei Upstrokes? Wir versuchen sie zu zählen und sicherzustellen, dass wir sie nicht wiederholen."

Mit der nächsten Frage, harderte ich etwas. Aber da Dino recht locker schien, wollte ich wissen, ob Burton in der jüngsten Vergangenheit Probleme mit der Gesangsstimme hatte und ob er Gesangsunterricht nehmen würde. Denn seien wir mal ehrlich: Selbst als Fan waren die letzten Konzerte diesbezüglich kein schönes Erlebnis. Dino wusste genau, was ich meine: "Ja, vor und nach der aktuellen Albumproduktion hat er von einem Vocal-Coach Unterricht bekommen, um einige seiner Probleme zu bearbeiten. Er musste erneut lernen, zwischen den beiden Gesangsstilen zu wechseln, das war notwendig. Man kann ja heutzutage auch Gesang aufnehmen, ohne singen zu können. Die Richtung wollten wir aber nicht einschlagen." Das freut zu hören.

Zu den neuen Mitgliedern nochmal: Die heißen Mike Heller (Schlagzeug; er war mit euch bereits auf Tour) und Tony Campos (Bass). Wie habt ihr sie gefunden? "Für die Tour zu "The Industrialist" brauchten wir einen Drummer, also nahmen wir Kontakt zu sickdrummer.com auf." Eine Seite, die mir natürlich gut bekannt ist. "Sie stellten einige Kontakte zu Schlagzeugern her, denn offensichtlich kennen sie viele sicke Drummer, und sie empfahlen Mike Heller. Wir hatten auch Video-Auditions mit sehr vielen guten Schlagzeugern. Letztlich ging es um zwei Drummer und einer war Mike Heller. Wir haben dann eigentlich eine Münze entscheiden lassen und Mike Heller hat gewonnen. Tony kenne ich seit 20 Jahren, er hat seine Band [er spielte in u.a. in SOULFLY und MINISTRY] gerade verlassen, es war perfektes Timing." Er sei aber erst nach den Aufnahmen zur Band gestoßen.
Da Dino ja bekanntlich Metal-Maniac ist, bin ich natürlich interessiert, was eigentlich mit seinen anderen Bands wie DIVINE HERESY ist. Existieren sie noch? "Yeah, die gibt es noch, es gibt auch bald neue Songs, ich kann dir aber noch nicht sagen, wann. Denn jetzt läuft die FEAR FACTORY-Maschine an, es wird also schwer, Zeit für andere Bands zu finden." Für ASESINO gilt natürlch das Selbe.

Langeweile scheint er nicht zu kennen. Nachdem mir noch ein paar Fragen zum Album gestellt wurden, muss Dino zum nächsten Interview weiter.

Redakteur:
Jakob Ehmke

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