GIRLS UNDER GLASS: Interview mit Volker Zacharias

21.02.2005 | 00:32

Mit ihrem neuen Album "Zyklus" haben GIRLS UNDER GLASS mal wieder ein echtes Meisterwerk erschaffen, welches irgendwo zwischen elektronischen und melancholisch rockenden Sounds genau die richtigen Inhalte für die Vertreter der düsteren Fraktion bietet. Leider ist das Interview mit Volker Zacharias schon einen Monat alt und in den Wirren meines grunderneuerten PCs vollkommen untergegangen. Nichtsdestotrotz zählen die Statements von Volker natürlich auch noch drei Wochen nach Release der neuen Scheibe, daher hier die wichtigsten Infos zu "Zyklus".


Björn:
Hallo, wie geht es denn so?

Volker:
Ganz gut. Danke. Und selber?

Björn:
Ihr werdet in wenigen Tagen euer zehntes Studioalbum auf den Markt bringen. Wie fühlt man sich zu so einem Jubiläum?

Volker:
Wie nach einem seeeehr langen Arbeitstag, an dem man gut was weggeschafft hat und man zufrieden ins Bett fällt.

Björn:
Hättet ihr denn anfangs überhaupt erwartet, es auf eine solch stolze Anzahl eigener Platten zu bringen?

Volker:
Wir haben nie was geplant und uns auch mal Auszeiten gegönnt, wenn die Luft raus war. Die meisten Bands lösen sich bei solchen Erscheinungen gleich auf. Wir warten einfach ab, was passiert. Und bislang ist die Power und Kreativität immer wieder zurückgekehrt. Wenn das irgendwann nicht mehr der Fall ist, dann eben nicht. Wir sehen das ganz locker.

Björn:
Dementsprechend habt ihr das Album auch "Zyklus" getauft. Laut meinem Promoblatt soll dies einerseits symbolisch für das Ende eines Abschnitts und für den Beginn einer neuen Phase stehen. Wie empfindest du das?

Volker:
Ich empfinde es genauso. Denn ein Promoblatt ist ja nichts, was die Plattenfirma sich aus den Fingern saugt. Die sind ja genauso dran interessiert, warum eine CD ausgerechnet "Zyklus" heißen soll. In der Zahlenmagie steht die "10" für Anfang und Ende zugleich, beschreibt also einen Zyklus, der das Ende des bisher Geschaffenen markiert, aber auch gleichzeitig den Startpunkt für alles, was folgen wird. Das fand ich extrem zutreffend. Und: Es ist unser zehntes Album. Der Name ist also extrem zutreffend.

Björn:
Inwiefern kann "Zyklus" denn für euch ein Neuanfang sein?

Volker:
Indem wir uns von diesem Punkt aus weiterentwickeln. Wir bleiben ja nie auf der Stelle stehen oder drehen uns im Kreis. We go with the flow. Hör die mal die GIRLS UNDER GLASS-Alben aus den 80ern und die aus den 90ern an und du wirst feststellen, dass sich die Band enorm weiterentwickelt hat, ohne die Eckpfeiler ihrer Musik zu verändern. Wir mixen nach wie vor New Wave, Rock, Elektro und Gothic-Einflüsse zu einem weitgehend eigenen Sound.

Björn:
Ihr habt euch ja nie ganz auf ein bestimmtes Genre limitiert. Folglich fand man auf jedem GIRLS UNDER GLASS-Album sowohl elektronische Elemente als auch rockige Gitarren. Welches dieser Stilmittel ist dir persönlich denn lieber?

Volker:
Sowas ändert sich im Laufe der Jahre natürlich. Ich höre mir nach wie vor gerne auch privat neue Sachen an und entdecke immer wieder Bands, die mir echt gut gefallen, allerdings kommen diese selten aus der Goth- oder Electro-Ecke. Klar, die EBM-Phase von FRONT 242, FRONTLINE ASSEMBLY und teils auch VNV NATION und COVENANT hatte ich vor etlichen Jahren mitgenommen und auch sehr genossen. Aber seit einigen Jahren überwiegt bei mir die Gitarre in meinem persönlichen Geschmack. Ich stehe total auf THE TEA PARTY, ILL NINO, FEAR FACTORY, A PERFECT CIRCLE, MARUGADA, aber auch auf ruhigere Sachen wie SIGUR ROS oder BOHREN & DER CLUB OF GORE.

Björn:
Wenn du die Band denn jetzt einordnen müsstest, unter welche Sparte würdest du GIRLS UNDER GLASS dann packen?

Volker:
Hehe... das hättste wohl gerne, hm? Das ist dein Job, Mann! Ich denke nicht in Sparten und Schubladen und ordne Musik nie zu irgendwas zu. Ich kategorisiere lediglich in Musik, die mir gefällt oder Musik, die mir nicht gefällt. Und so verfahre ich auch mit GIRLS UNDER GLASS. Wir sind 18 Jahre lang ohne Etiketten ausgekommen. Und das wird hoffentlich auch so bleiben.

Björn:
Trotz der langen Szenezugehörigkeit hat sich der kommerzielle Erfolg bei euch in Maßen gehalten. Bist du in dieser Hinsicht denn trotzdem zufrieden mit dem, was ihr in der langen Karriere erreicht habt?

Volker:
Auf jeden Fall. Ich denke mal, dass gerade die Unmöglichkeit, die Band einzuordnen, ein klares Profil zu geben, und sich nicht als Sprachrohr oder Stellvertreter für eine bestimmte "Szene" darzustellen, marketingtechnisch sehr unklug ist. Wir haben es aber lediglich vorgezogen uns als das zu verkaufen, was wir eben sind. Und das ist in der "Entertainmentbranche" extrem unkommerziell gedacht. Von daher haben wir es nie auf den großen Erfolg ankommen lassen. Dafür haben wir eine Menge erreicht. Vor allem dadurch, dass wir seit etlichen Jahren Musik auf einem konstant guten Level bringen und, nach meiner Meinung, mit "Zyklus" sogar den bisherigen Höhepunkt markieren.

Björn:
Ärgert es einen denn nicht, dass andere Bands die Lorbeeren einfahren, obwohl sie manchmal gerade erst dabei sind?

Volker:
Nein, gar nicht. Die Bands haben den Erfolg meistens wirklich verdient. Nicht immer durch die Qualität der Musik, aber zumindest indem sie sich geschickt positionieren und über ihr Styling zu Vorbildern werden.

Björn:
Lass uns noch einmal auf das neue Album zu sprechen kommen. Meiner Meinung besteht auf "Zyklus" eine Zweiteilung, was die Musik betrifft. In der ersten Hälfte kommen die etwas härteren Tracks vermehrt zur Geltung, während die zweite Hälfte sehr melancholisch und verträumt klingt. War dies eine bewusste Trennung?

Volker:
Wie man's nimmt. Das Album war anfänglich schon etwas härter. Die ruhigeren Songs sind relativ spät hinzugekommen, als wir gemerkt haben, dass die einzelnen Songs an Wirkung verlieren, wenn sie alle hintereinander losballern. So haben wir ein Album kreiert, welches es schafft, den Hörer in seine Atmosphäre und Emotion einzusaugen und gezielt auch härtere Songs anbietet, die in dem Kontext einfach viel besser funktionieren. Wir haben ja nicht vorgehabt, zu einer Metal-Band zu mutieren. Und deswegen war es uns wichtig, die Einflüsse ein wenig in der Waage zu halten.

Björn:
Insgesamt würde ich trotzdem behaupten, dass die neue Platte für eure Verhältnisse ziemlich rockbetont klingt. Würdest du mir da zustimmen?

Volker:
Auf jeden Fall. Liegt auch bestimmt an meinen persönlichen Präferenzen und vor allem auch an unserem Produzenten JP Genkel, der immerhin schon Bands wie CRADLE OF FILTH THERION, EVEREVE und LACRIMOSA produziert hat. Der Mann weiß einfach, wie Gitarren zu klingen haben. Und das hört man dem Album auch an.

Björn:
Wie ist das denn eigentlich bei eurem Publikum? Entspringt das eher dem Gothic/Industrial-Bereich oder sind es eher gestandene Rocker?

Volker:
Da bin ich echt überfragt. Also waschechte Gruftis sehe ich auf unseren Konzerten eher selten. Im Ausland ist das Publikum schon ziemlich schwarz, hier in Deutschland deutlich gemischter. Teilweise sind auch ein paar Luftgitarrenfans im Publikum zu entdecken, aber insgesamt würde ich mal meinen, dass unsere Fans eher Leute sind, die sich generell für alternative Musik interessieren, dabei sehr open minded sind und sowohl mit Electrosound als auch mit Gothic-Musik gut klarkommen. Vielleicht vergleichbar mit dem heutigen SISTERS OF MERCY-Publikum abzüglich der Pop-Hausfrauen oder deren Kinder.

Björn:
Dann wären wir direkt bei einer weiteren interessanten Frage. Dieses Interview wird nachher in einem Magazin stehen, das sich hauptsächlich auf Metal konzentriert. Würdest du die Band entfernt auch als einen Teil dieser Szene betrachten?

Volker:
Menno... ich denke da einfach anders als du. Ich hasse es, Bands irgendwie zuzuordnen. Wozu soll denn das gut sein? Wem soll das helfen? Warum soll nicht ein ausgewaschener Metal-Fan etwas mit GIRLS UNDER GLASS anfangen können? Klar, wenn er Synthies wie die Pest hasst, dann sicherlich nicht. Aber wenn er sich dafür interessiert, wie so eine Mischung aus verschiedenen Styles in einem modernen Rockgewand funktionieren kann, dann sollte er da unbedingt mal reinhören. Ich habe auch etliche Platten von DEATH, STRAPPING YOUNG LAD, KILLING JOKE, MORBID ANGEL und weiß der Geier. Deswegen muss ich mich ja nicht als Metaller bezeichnen. Und ich würde auch nicht auf die Idee kommen, GIRLS UNDER GLASS als Metal-Band zu bezeichnen. Alleine, dass ihr mit uns ein Interview macht, ist doch eigentlich Grund genug, sich mal mit unserer Band zu befassen um sich ein eigenes Bild zu machen. Was hat man denn zu verlieren. Explore music!!!

Björn:
Wie ist denn generell deine Meinung zu metallischen Sounds?

Volker:
GEIL!!! Wie gesagt, ich bin musikalisch sehr open minded und höre mir sehr viel an. Das war aber schon immer so. Ich kann im Gothic- oder Elektrobereich kaum neue Sachen entdecken, die mich anturnen oder die ich innovativ oder emotional finde. Da bin ich im Rocklager deutlich besser aufgehoben. Ein paar Beispiele hab ich ja schon angeführt und die Liste lässt sich endlos weiterführen. Achja, für Bands wie NINE INCH NAILS oder YOUNG GODS fahre ich auch gerne hunderte von Kilometern, um mir die anzugucken, genau wie früher für BIG BLACK, falls die noch einer kennt.

Björn:
Könntest du dir denn vorstellen, mit GIRLS UNDER GLASS auf einem Metal-Festival wie dem Wacken Open Air zu spielen?

Volker:
Auf jeden Fall. Super gerne, wobei ich bei so eher konservativen Festivals wie Wacken eher wenig Chancen auf einen erfolgreichen Gig sehen würde. Da halte ich With Full Force oder Rock am Ring schon für passender.

Björn:
Wann werdet ihr denn wieder auf deutschen Bühnen zu sehen sein?

Volker:
Jetzt ab Februar. Wir spielen aber nur einige wenige ausgesuchte Shows in Süd- und Ostdeutschland. Im April gibt's dann ein bisschen Nachschlag im Ruhrgebiet und Mitteldeutschland. Ansonsten werden wir viel im Ausland machen und auf einigen Festivals spielen.

Björn:
Gibt es denn irgendetwas, das du dringend noch mit GIRLS UNDER GLASS erreichen willst? Welche Ziele habt ihr euch für das Jahr 2005 gesteckt?

Volker:
Nein, wir sehen die Sache sehr relaxt. Wer sich Ziele steckt und diese nicht erreicht, wird notgedrungen resignieren. Das wiederum widerstrebt dem kreativen Impuls. Wir würden uns die ganze Zeit fragen, was wir falsch gemacht haben. Was passiert, passiert. Früher, später oder eben gar nicht. Wir hoffen einfach, dass die "Zyklus" gut ankommt und wir gutes Feedback von alten aber auch neuen Fans bekommen, die GIRLS UNDER GLASS für sich gerade entdecken. Bei der heutigen Marktsituation großartig an Durchbruch oder Mega-Verkäufe zu denken, wäre ja ohnehin realitätsfremd. Wirklich: Wir sind eher freudig gespannt, auf das was da kommen mag und wir freuen uns ungemein auf die Live-Gigs.

Björn:
Gibt es sonst noch irgendetwas, was du gerne loswerden möchtest?

Volker:
Bis Ende Januar habt Ihr die Gelegenheit euch drei Songs des neuen Albums kostenlos auf der Homepage von GIRLS UNDER GLASS anzuhören. Günstiger kann man an neue Musik nicht rankommen. Zieht es euch rein und schaut, ob es euch gefällt. Vielleicht schlummert ja auch in euch ein "kleiner Grufti". Okay, war ein Scherz! Nix für ungut!

Björn:
Irgendwelche letzten Worte an Leser und Fans?

Volker:
Man sieht sich immer zweimal im Leben oder eben gar nicht. Variante eins wäre mir lieber. Watch out our Tourdates auf http://www.girlsunderglass.de

Redakteur:
Björn Backes

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