GODSLAVE: Listening-Session zu "Positive Aggressive"

25.05.2021 | 11:33

Am 23. Juli wird es positiv aggressiv. Die Saarland-Thrasher GODSLAVE kehren mit ihrem sechsten Studioalbum und wohl ihrem persönlichsten Werk in fast 15 Jahren Bandgeschichte zurück. Hat sich die Band zu Beginn mit der Aggression im Thrash Metal allgemein auseinandergesetzt, wurde schnell die Frage erörtert, was mit der Energie geschieht, die dabei freigesetzt wird. Wurde etwas zerstört, nutzen wir dann das freie Feld, um etwas Neues aufzubauen.

Um diese und andere Fragen ging es am 25. April, als die beiden Gitarristen Bernie und Manni sowie Bassist Mika zur virtuellen Listening-Session aufriefen. Ja, "Positive Aggressive" ist das erste GODSLAVE-Album mit Konzept. Allerdings keines im GRAVE DIGGER-Sinne, sondern mehr mit der Inspiration für den Hörer positiv zu denken, positiv zu handeln und so Kraft aus den kommenden zehn Stücken zu schöpfen. Und so ging es nach einem knapp halbstündigen Warm-up, ein paar Späßen, aber auch ernsten Worten über den konzeptionell roten Faden der Platte ans Eingemachte:

How About No
Ihr kennt das: Man stöbert auf Facebook oder anderen sozialen Netzwerken, liest einmal mehr irgendeinen gequirlten Quatsch und möchte seinen Senf dazu geben. Doch warum verwendet man diese Energie, die man hierfür verschwendet, nicht für etwas Gutes? Und genau darum geht es in der ersten Single, die zwar zum eigenverantwortlichen Denken und Handeln aufruft, aber auch an den Drang appelliert, sich selbst zu beruhigen, auf sich selbst zu fokussieren und einfach auch "Nein" sagen zu können. Es interessiert schließlich keinen, ob man sich aufregt. Musikalisch startet das Album schnell, melodisch und mit kräftigem Drumming. Der anfängliche Headbanger wird in den Strophen etwas hymnischer, verliert aber in keiner Sekunde an Power und glänzt durch coole Tempovariationen sowie 1A-Mitbrüll-Passagen. Dank CRITICAL MESS-Frontröhre Britta Görtz im Hintergrund sowie den sachten "…And Justice For All"-Parallelen ist 'How About No' ein Auftakt nach Maß.

Positive Aggressive
Auch das Titelstück geht direkt gut und schnell los, startet wuchtig und mit einer bockstarken Klampfenmelodie. Hier spielen sich Manni und Bernie stellenweise in einen Rausch, denn trotz des etwas langsameren Solos, bricht 'Positive Aggressive' danach regelrecht aus und gewinnt schnell an Fahrt. Hier wird die Message der Platte am deutlichsten: positive Aggression, die Energie in positives Handeln umzuwandeln.

Straight Fire
Der Slave-Crew-Song ist auch gleichzeitig der Groover des Albums, hat jedoch starke PRIMAL FEAR-Tendenzen, und diese powermetallischen Züge schleichen sich – mal stärker, mal weniger intensiv – durch das komplette Album. Und seien wir einmal ehrlich: Diese neue Seite der Göttersklaven steht ihnen verdammt gut. Das Zusammengehörigkeitsgefühl wird bei dem Song geprägt, es zählt das Gemeinsame und alles Negative wird außen vorgelassen. Der Stampfer hat einen starken Refrain und coole Doublebass-Passagen und das Solo, das die Klampfen hier vom Stapel lassen, ist aller Ehren wert.

From Driven
Es geht in ordentlichem Tempo weiter, wir merken jedoch während der Session, wie nahe Bernie dieser Song geht. Im vergangenen Jahr kurz vor einem Burnout stehend thematisiert er in diesem Song das Selbstbestimmungsrecht und appelliert an die Erkenntnis, dass man früh genug merken solle, wenn man von Negativem getrieben wird. Passenderweise hat 'Groove-Ass-Motherfucker', wie der Song während den Arbeiten hieß, einen unheimlichen PANTERA-Groove im Mittelteil, erinnert stellenweise auch stark an SACRED REICH und das "Awakening"-Album sowie in Sachen Solo sogar an BLIND GUARDIAN. Was haben wir am Ende? Einen sehr hymnischen, ab und an sogar gewaltigen Song mit starker Aussage.

Flap Of A Wing
Auch das kennt ihr: Alles, was man tut, hat eine mittelbare oder unmittelbare Folge, speziell, wenn man sich im Negativstrudel befindet. Was kann man machen, um aus dieser Situation herauszukommen? Richtig: Bewegt euch, wenn euch etwas nicht passt! Dieser einprägsame und abermals durch und durch positive Song hat eine etwas simplere Songstruktur, geht sehr schnell ins Ohr und wird erneut von einer bockstarken Power-Metal-Melodie getragen. Here we go, der Butterfly-Effekt aus dem Hause GODSLAVE.

King Kortex
Auch ich musste den Begriff "Amygdala" erst einmal googlen, doch dieser präfrontale Kortex, der zwischen Reiz und Reaktion für Emotionen zuständig ist, ist trainierbar! So erlaubt das Training ein besseres Nachdenken über eine Reaktion auf die Emotion. Und konzeptionell geben uns die drei Musiker preis, dass sie sich hierbei ein unterdrücktes Volk der Amygdala ausgedacht haben, das dem König alles opfert, um selbst Herr über die eigenen Reaktionen sein zu können. 'King Kortex' selbst geht musikalisch richtig gut ab, zieht öfters das Tempo an, um dann in den dynamischeren Parts nicht selten an JUDAS PRIEST mit leichten MOTÖRHEAD-Tendenzen zu erinnern. Und der "Hail To The King"-Refrain geht auch Tage lang nicht mehr aus dem Ohr. Ein richtig starkes Stück, das zum Ende hin sogar noch energischer wird.

Show Me Your Scars
Und wieder wird Bernie nachdenklich, denn laut ihm thematisiert dieser persönliche Song emotionale Wunden, die nur heilen können, wenn man sie an die Luft lässt und sie nicht versteckt. Diese Narben machen den Menschen wie dich und mich aus, dürfen nicht verleugnet, sondern müssen ausgesprochen werden, um zu heilen. Hierzu wird es laut Bernie, Manni und Mika einen entsprechenden Videoclip geben. Zu hören ist ein starker Song, der in der Mitte mit tiefen Growls, einer fetten Bass-Line und - siehe da, oh Wunder! - einem filigranen Cello überrascht, das in den tiefsten Lagen eine emotionale Macht aufbaut. Gänsehaut-Gefahr!

Spätestens ab diesem Track wird deutlich, dass sich die Band musikalisch wieder ein wenig gewandelt hat. Die Power-Metal-Tendenzen der Thrash-Metal-Band wurden schon bei vorherigen "Positive Aggressive"-Songs deutlich, doch wo bei früheren Alben noch der eine oder andere Spaß-Track überraschte, ist Album Nummer sechs schon jetzt das mit Abstand ernsthafteste, jedoch mit einer durch und durch positiven und lebensfrohen Grundbotschaft. Denn: Um Positives zu verbreiten, braucht man eine gewisse Ernsthaftigkeit. Amen!

I Am What Is
Das letzte Song-Trio bricht an und bei folgendem Track hat DESTRUCTION-Damien einen kleinen Gastauftritt. Mika plädiert für das Hier und Jetzt, anstatt zu sehr in der Vergangenheit oder Zukunft zu leben. Es gelte der Moment, denn nur daraus wird die Zukunft geschehen, also lebt im Moment und genießt ihn! Der Track sollte eigentlich 'My Enemy' heißen, hat aber auch als 'I Am What Is' viele verspielte Rhythmuswechsel, die die innere Zerrissenheit gut zum Ausdruck bringen. Bis die Drums einsetzen, hat der Song einen untypischen Beginn, doch dank des drückenden Riffings und superben Solos ist auch dieser ein Highlight, dessen Melodie im Refrain übrigens von PUR inspiriert wurde. Sachen gibt's...

See Me In Crown
Es interessiert mich nicht, was du von mir denkst, also ziehe ich diese Krone auch nicht auf! Denn wenn du mich sehen könntest, wüsstest du, was ich auf dem Kasten habe - ich brauche keine Krone! Zu dieser Message wurden die Saarländer von BILLIE EILISH inspiriert und es ist laut Manni der älteste GODSLAVE-Song auf "Positive Aggressive". Mit einer verspielten Lead-Gitarre rockt der Song ordentlich drauf los und trotz des melodischen Refrains wird es zum Ende hin noch einmal stampfend, ehe Frontmann Tommy wieder zu den Growls im Refrain greift. Hieran merkt man als GODSLAVE-geübter Redakteur die Parallelen zu früheren Alben.

Final Chapters First
Zu guter Letzt kommen starke PRIMAL FEAR- und HELLOWEEN-Vibes wieder ans Tageslicht, denn die recht melodische Hauptmelodie drückt dem Albumende nochmals einen enorm positiven Stempel auf. Ein Headbanger vor dem Herrn, bei dem gesanglich sogar ein paar RAGE-Parallelen aufkommen. In Folge der ersten neun Songs konnte das Album mit diesem konzeptionellen Faden nicht anders enden, denn abermals wird deutlich, wie viel positive Lebensenergie die GODSLAVE-Jungs in dieses Album gesteckt haben.

Fazit
Faszinierte mich mein Erstlingskontakt "Into The Black" noch aufgrund seiner Galligkeit, macht "Positive Aggressive" seinem Namen alle Ehre. Man merkt in jedem einzelnen Ton die Hingabe und den Positivismus GODSLAVEs - sowohl der einzelnen Musiker als auch der Band als Gesamtkünstler. Seien es die kraftmetallischen Einflüsse, der Einsatz des Cellos oder die Gedanken hinter den Songs - alle Faktoren machen dieses Album zu einem besonderen Werk.

"Positive Aggressive" erscheint mit einer Spielzeit von 43:16 Minuten am 23. Juli 2021 über Metalville.

Redakteur:
Marcel Rapp

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