GRAVEWORM: Interview mit Stefan Fiori, Harry Klenk, Thomas Orgler

28.05.2007 | 14:04

Zehn Jahr und kein bisschen leise ... GRAVEWORM ziehen seit einer Dekade ihr Ding durch und erfinden sich doch hin und wieder ein wenig neu. Schuld daran sind die Wechsel hinter der Lead-Gitarre, der traditionell die Funktion des Songwriters anhaftet. Ich treffe die Südtiroler im Backstage-Bereich des Berliner K17 zum gemütlichen Plausch über das neue Album "Collateral Defect", musikalische Einflüsse, den Unterschied zwischen Russen und Amerikanern und der Suche nach dem richtigen Titel für eine Cover-Version.

Elke:
Es sind ziemlich genau zehn Jahre vergangen seit der Veröffentlichung eurer ersten CD "When Daylight's Gone". Wirfst du gelegentlich einen Blick zurück?

Stefan:
Natürlich. Ich habe zu Hause immer alles gesammelt, was ich über GRAVEWORM finden konnte. Ab und zu erwischt es mich dann halt, dass ich eine dieser Mappen herauskrame, anfange darin zu blättern und mich ein bisschen zurückerinnere. Es war nicht alles Gold, aber man schaut auf alle Fälle gerne zurück.

Elke:
Welche Ereignisse hatten in dieser Zeit einen besonderen Einfluss auf eure Entwicklung?

Stefan:
Sicherlich haben Besetzungswechsel immer eine prägende Wirkung. Es kommt frischer Wind in die Band, und das puscht einen immens. Zu den Höhepunkten zählen natürlich auch solche großen Festivals wie das Summer Breeze, und vor vier Wochen waren wir außerdem das erste Mal in Russland. Das sind schon positive Erlebnisse, die man so schnell nicht vergisst.

Elke:
In Russland zu spielen ist für eine südeuropäische Band immer noch recht außergewöhnlich. Wie kam es dazu?

Stefan:
Unsere Booking-Agentur fragte einfach eines Tages, ob wir nach Russland gehen wollten, und da war eh gleich jeder Feuer und Flamme für die Idee. Natürlich hatten wir eine gewisse Erwartungshaltung, aber dass es im Endeffekt so genial ablaufen würde, hat sich glaube ich niemand vorstellen können. Die Organisation war perfekt, wir wurden behandelt wie Stars. Sie haben uns jeden Wunsch von den Lippen abgelesen und wir haben alles bekommen, was wir wollten. So macht es halt Spaß, irgendwo zu spielen. In Moskau kamen ca. 700 Leute zum Konzert und in St. Petersburg vielleicht 450, und die gingen ordentlich ab. Man merkt, dass die Russen Nachholbedarf haben. In Deutschland sind immer so viele Bands unterwegs, dass die Leute gar nicht das Geld für die ganzen Konzerte haben und selektieren müssen. In Russland hingegen ist generell nicht viel los, so dass ein Konzert automatisch viele Leute anzieht, die dann dementsprechend vor der Bühne abgehen. Das war schon ein ganz besonderes Erlebnis.

Elke:
Ein Problem, mit dem ihr jetzt schon das zweite Mal konfrontiert wurdet, ist der Ausstieg eures Gitarristen und Hauptsongwriters. Nach dem Weggang von Steve schient ihr mit Lukas Flarer einen idealen Ersatz gefunden zu haben, doch auch er hat bereits wieder das Handtuch geworfen.

Stefan:
Das scheint mittlerweile ein Fluch zu sein (lacht). Nein, so schlimm ist es nicht. Jetzt ist Thomas Orgler neu dabei, er ist der Jüngste in der Band und hat gewaltigen frischen Wind reingebracht. Man merkt, dass er noch Lust und Energie hat, um mit der Band was zu machen, womit er uns alle immens ansteckt. Wir haben wieder richtig Strom, um was zu reißen. Thomas hat uns schon gut getan, muss ich sagen.

Elke:
Wo habt ihr Thomas gefunden?

Stefan:
Er ist ein Freund von Eric, unserem anderen Gitarristen. Als Lukas uns mitteilte, dass er aussteigt, haben wir uns zusammengesetzt, und der einzige, der uns einfiel, war halt der Thomas. Er war zum Glück auch schnell zu überzeugen, und ab dann ging es los.

Elke:
Steht ein neuer Gitarrist unter besonderem Druck, wenn er nicht nur die Leadgitarre übernehmen, sondern gleichzeitig als Hauptsongwriter fungieren soll?

Stefan:
Sicherlich. Man hat schon gemerkt, dass er 200 Prozent in die neue CD reinsteckt. Er hat alles gegeben um das Beste aus sich herauszuholen und eine super Arbeit abgeliefert.

Harry:
Es ist ja nicht so, dass er plötzlich dabei war, denn er hatte uns bereits aushilfsweise unterstützt. Unsere alten Songs kannte er in- und auswendig, und wie Stefan schon sagte, hat er obendrein noch frischen Wind und neue Einflüsse eingebracht.

Elke:
Lukas war ja großer HYPOCRISY-Fan und hat eine entsprechende Note in "(N)Utopia" einfließen lassen. Thomas hingegen führt sowohl sehr harte Bands wie KATAKLYSM als auch melodischere Acts wie IN FLAMES oder progressivere Gruppen wie INTO ETERNITY unter seinen Faves auf. Ich finde, auch das hört man eurem neuen Album "Collateral Defect" ein wenig an, weil sich eben diese Einflüsse in einzelnen Stücken wiederfinden.

Stefan:
Ich denke, man wird immer irgendwie beeinflusst von der Musik, die man hört. Man will sie zwar nicht kopieren, aber im Unterbewusstsein geschieht das einfach. Aber das kann Thomas sicher am Besten beantworten.

Thomas:
Das mag schon sein, dass ich diese Einflüsse mitbringe. Ich komme vielleicht auch aus einer ganz anderen musikalischen Ecke. Vor zwei Jahren habe ich gelegentlich bei GRAVEWORM ausgeholfen, und nach Lukas' Ausstieg wurde ich gefragt, ob ich seine Nachfolge antreten möchte. Ich war mir zunächst nicht ganz sicher, weil ich nicht wusste, ob es sich zeitlich ausgeht, da ich eh schon viel am Hut habe. Wir sind zunächst so verblieben, dass ich probieren sollte, einen Song zu schreiben, und man dann sieht, was dabei herauskommt, und so hat sich das dann entwickelt. Klar hat man Einflüsse von anderen Bands, und ich bin selbst gespannt auf die Reaktionen bezüglich der neuen Songs. Aber ich denke, es bleibt schon im Rahmen.

Stefan:
Sicher gehen wir mit dem neuen Album wieder einen Schritt vorwärts, aber es ist ja nicht so, dass wir unsere Wurzeln komplett wegwerfen und bei Null anfangen. Wir haben einen gewissen Stil, zum Beispiel mein Gesang oder das Keyboard.

Harry:
Gerade den Keyboard-Teppich kennt man von uns, und auch andere Elemente der alten Scheiben kann man heraushören, so dass die Fans uns in den neuen Songs schon wiedererkennen werden.

Stefan:
Vor allem in Deutschland gibt es viele, die sich entweder wünschen, dass wir z. B. wieder so klingen wie auf "As The Angels Reach The Beauty", oder im Gegenteil die neuen Sachen besser finden. Man kann es nie jedem Recht machen, und als Musiker will man sich ja auch irgendwie weiterentwickeln. Sicherlich verliert man im Laufe der Zeit Fans, aber es kommen wieder andere dazu.

Harry:
Es wäre ja auch schade, wenn man immer wieder das gleiche machen würde - das bringt's ja auch nicht.

Elke:
Ihr seid mit dem neuen Album von Nuclear Blast zu Massacre gewechselt. Stefan hatte sich früher positiv über Markus Wosgien als der größte GRAVEWORM-Fan, den er kennt, geäußert. Spielte sein Weggang von diesem Label eine Rolle bei der Entscheidung?

Stefan:
Sicher, als Markus von Nuclear Blast wegging, war für uns die Kontaktperson abhanden gekommen. Wir kennen dort zwar noch andere Leute, aber Markus war immer der, der voll hinter der Band stand und 200 Prozent gegeben hat - sei es bezüglich Interview-Terminen oder sonstigem. Als wir für "Collateral Defect" ins Studio gingen, kam die Frage auf, wann wir die Scheibe veröffentlichen wollen, und wir fanden Mai, also vor den Festivals, einen guten Zeitpunkt. Doch im Mai kommt die neue DIMMU BORGIR bei Nuclear Blast heraus und 10.000 andere Scheiben auch. Da hatten wir echt Angst, dass wir dann untergehen, weil die anderen Bands doch größere Kaliber sind. Irgendwann kam die Idee auf, die CD von einem anderen Label lizenzieren zu lassen, und die Wahl fiel schließlich auf Massacre, weil Nuclear Blast dorthin auch sehr gute Kontakte pflegt. Wir haben daraufhin mit ihnen Kontakt aufgenommen und waren begeistert darüber, was sie von uns hielten und mit uns vorhaben. Man hat halt gemerkt, dass sie zu 100 Prozent hinter der Band stehen und uns pushen wollen, damit wir noch weiter kommen. Das heißt, im Grunde sind wir noch bei Nuclear Blast, weil Massacre unsere CD nur lizenziert haben, und in Zukunft sehen wir, wie es weitergeht - da ist alles offen.

Elke:
DISBELIEF, die ja auch so in etwa eure Größenordnung sein dürften, sind interessanterweise ebenfalls nach einem Album von Nuclear Blast zu Massacre gewechselt und haben sich ähnlich geäußert, dass sie die Befürchtung hatten, bei dem großen Label unterzugehen.

Stefan:
Nuclear Blast haben halt etliche Top-Bands, und wenn eine davon eine neue CD auf den Markt bringt, wie beispielsweise die neue DIMMU BORGIR, die gerade herausgekommen sein müsste, dann konzentriert sich die Werbung voll und ganz auf sie, und ganz unten gibt es ein kleines Kästchen über die neue GRAVEWORM. Bei Massacre bekommst du halt die ganze Seite für dich, und das ist der Unterschied. Ich denke, das ist besser für uns.

Elke:
Die Zusammenarbeit mit eurem Produzenten Andy Classen ist ja inzwischen fast schon Tradition. Wie liefen die Aufnahmen dieses Mal?

Stefan:
Bei Andy weiß man genau, was einen erwartet. Er arbeitet sehr professionell, und wenn es um neun Uhr losgehen soll, ist er selbst schon um acht im Studio und bereitet alles so, so dass man, wenn man Lust hat, sogar schon um halb neun loslegen kann. Und wenn man irgendwann nicht mehr kann, dann spornt er einen an, denn er kennt uns inzwischen ganz gut und weiß genau, was er aus uns herausholen kann. Mir persönlich macht es mit Andy im Studio immer Spaß, denn er treibt mich an, und wenn er mal nicht mehr will, sage ich auch mal, dass ich weiß, dass ich es besser kann, und irgendwie greift das ineinander und es kommt das Maximum heraus, das ich bringen kann. Das Ergebnis ist immer fett produziert. Mal schauen, ob wir weiterhin mit ihm zusammenarbeiten werden. Sicherlich fragt man sich gelegentlich, ob man vielleicht mal mit einem anderen Produzenten zusammenarbeiten soll, aber seine Arbeitsweise ist schon praktisch. Der einzige Nachteil ist, dass sein Studio sehr weit weg von uns ist - 800 Kilometer. Es liegt in Kassel, und das ist von uns aus doch ein Stück.

Elke:
Eine Neuerung auf "Collateral Defect" sind die Gesangsbeiträge von Gastmusikern. Zum einen ist das der klare Gesang von Matze (THE SORROW) in 'The Day I Die'. Die Band kenne ich gar nicht.

Stefan:
Das ist eine österreichische Band aus Dornbirn, die ich letztes Jahr zufällig auf dem With Full Force kennen gelernt habe. Ich bin sturzbetrunken aus dem Zelt herausgefallen und lag dann so in der Sonne. Auf einmal hörte ich eine Musik und dachte "Das ist gut, was ist das? Klingt sehr amerikanisch." Dann sagte so ein Typ "Na, das sind wir". Das hat mich überrascht, denn österreichische Bands klingen normalerweise nicht wie amerikanische Bands. Daraus hat sich eine Freundschaft entwickelt, und irgendwann kam die Idee auf, cleanen Gesang einzuspielen. Die eigentliche Zusammenarbeit hat sich letztendlich spontan ergeben. Ich stand mit Matze in Kontakt und habe versucht, den Text zu entwickeln, und irgendwann schickte er mir den Refrain, wie er ihn sich vorstellte, und das war genau das, was ich haben wollte. Es gab dann zwar noch ein bisschen Stress im Studio, weil es mich eine Nachtschicht gekostet hat, aber im Endeffekt glaube ich, es klingt doch recht gut.

Elke:
Der zweite Beitrag stammt von Maurizio Iacono (KATAKLYSM). Ihr wart ja schon öfters mit ihnen auf Tour. Ich nehme an, dass es daher einfach war, ihn als Gastsänger zu gewinnen.

Stefan:
Ich weiß gar nicht mehr so genau, wie das zustande kam. Irgendwann hatte ich ihn gefragt, ob er Lust hat, und er sagte einfach: "Klar, ich mach das". Mittlerweile verbindet uns mit Maurizio eine sehr gute Freundschaft. Zum Glück waren sie zu dem Zeitpunkt, wo wir im Studio waren, gerade auf Europa-Tour. Wir haben ihn in Offenbach abgeholt, ihn ins Studio gezerrt, das Zeug innerhalb von einer halben Stunde eingesungen, und dann sind wir zurück auf's Konzert gefahren und haben uns dort so richtig betrunken. Das Stück, wo er mitwirkt, heißt 'Touch Of Hate'. Das ist der schnellste Song auf der CD, und nach der zweiten Strophe schreie ich mit ihm sozusagen abwechselnd daher.

Elke:
Der Titel der Scheibe, "Collateral Defect", ist ja nicht gleichzeitig der Titel eines Songs. Bilder er eine Art Überbegriff für die Texte?

Stefan:
Jein - irgendwie schon, irgendwie nicht. Die Texte sind dieses Mal etwas anders ausgefallen und behandeln Sachen, die mir persönlich im Kopf herumschwirrten. Im Vergleich zu "(N)Utopia", wo Lukas viele Texte geschrieben hatte, habe ich dieses Mal wieder alles im Alleingang gemacht. Die Themen behandeln solche Sachen wie Drogen, Viren, die im Blut herschwirren, und ähnliches. Wieder einmal war ich sehr langsam und habe die Texte erst kurz vor dem Studioaufenthalt fertiggestellt. Schließlich brauchte ich einen Titel, der irgendwie alles zusammenfasst. Das Wort "Collateral" habe ich vermutlich irgendwo aufgeschnappt, und die ganzen Sachen, die im Körper passieren, sind Defekte, weil der Körper nicht mehr richtig funktioniert, und das war's dann. Mit dem Cover hat es im Endeffekt nicht viel zu tun, weil es erst im Nachhinein entstanden ist, aber ich finde es cool.

Elke:
Es ist fast schon typisch für euch, dass ihr euch an einem Stück aus den 80ern vergreift und als Cover-Song mit auf die Platte nehmt. Ein wenig irritiert mich jedoch der Titel 'I Need A Hero' - ich dachte immer, das Teil heißt 'Holding Out For A Hero'.

Stefan:
Ich war auch etwas durcheinander, weil ich der Meinung war, er heißt 'I Need A Nero' und ein Freund von mir für 'Holding Out ...' plädierte. Ich habe daraufhin das ganze Internet durchforstet, und mal hieß er so, mal so. Ich glaube, die Leute kennen ihn eher unter 'I Need A Hero'.

Elke:
Und warum musste es genau dieser Song sein?

Stefan:
Sabine und ich hatten unabhängig voneinander die gleiche Idee. Anfangs im Proberaum klang das noch nicht so recht überzeugend, aber auf CD gefällt es uns gut. Ob wir ihn live umsetzen können, ist eine andere Frage, da wir diverse Effekte reingebracht haben. Wir wollten ursprünglich auch, dass DORO bei diesem Song mitsingt, aber leider hat es nicht gelappt.

Elke:
Ist es viel mehr Arbeit, einen neuen Song zu schreiben oder ein bereits existierendes Stück zu covern?

Stefan:
Ein neuer Song ist schon mehr Arbeit, weil eine Cover-Version entsteht eigentlich an einem Tag.

Harry:
Es kommt ganz darauf an, ob man den Song eins zu eins übernimmt oder umändert, denn das ist dann schon etwas schwieriger.

Stefan:
Der Song muss im Endeffekt nach einem GRAVEWORM-Song klingen, denn es macht keinen Sinn, ihn originalgetreu zu übernehmen und lediglich eine Death-Metal-Stimme darüber zu legen. Dann geht der Reiz irgendwie verloren, und gleichzeitig liegt darin die Herausforderung. Mal schauen, was wir in Zukunft noch covern werden - mittlerweile scheint es ja eine Art Markenzeichen von uns zu sein.

Elke:
Einer der für mich schönsten, auf jeden Fall überraschendsten Songs des Albums ist das finale Instrumental 'Memories', das sowieso schon sehr ruhig ist, aber gerade im Vergleich zu den restlichen Stücken einen extrem starken Kontrast bildet. Wer hat es geschrieben, und warum habt ihr es auf das Album genommen?

Stefan:
Der Song stammt von Eric. Er hatte die Idee, eine Art Hommage an die Elternteile, die wir in letzter Zeit verloren hatten, zu machen, also etwas richtig Melancholisches. Ich kannte lediglich das Grundriff, aufgenommen wurde das Stück bei Lukas zu Hause, der jetzt ein Studio hat. Ich habe das Stück eigentlich erst gehört, als es fertig war, aber es ist echt gut geworden, so der krönende Abschluss für die CD. Es gibt ein extravagantes Intro, was so richtig unheimlich wirkt, dann sind die Songs dazwischen gepackt, und schließlich diesen schönen Abschluss.

Harry:
Das Album ist im Prinzip in drei Teile aufgeteilt, und der Titel 'Memories' passt für mich sehr gut als Abschluss.

Elke:
Über eure Russland-Gigs hatten wir ja bereits gesprochen. Letztes Jahr wart ihr außerdem mit KATAKLYSM auf US-Tour. Wie laufen die Geschäfte denn für euch in den Staaten?

Stefan:
Wir haben sehr gute Resonanz bekommen, was ich nicht erwartet hätte. Aber die Leute kannten uns und haben Merchandise gekauft ohne Ende. In Amerika gibt es die so genannten Mailorders nicht, also gehen die Leute zu den Konzerten und kaufen sich die Sachen dort. Wir hatten anfangs 500 Shirts dabei und dachten, dass wir auf dem Großteil sitzen bleiben würden. Aber nach drei Wochen waren sie fast komplett verkauft und wir mussten nachbestellen. Amerika bietet allerdings nicht so den Luxus auf einer Tournee wie Europa, da läuft der Hase noch ein bisschen anders. Du musst den Bus, den Busfahrer und das Benzin jeden Tag bezahlen, dann das Taxi für den Busfahrer zum Hotel, und bekommst nicht einmal Wasser zu trinken auf den Konzerten. Irgendwann werden dir fünf Dollar in die Hand gedrückt so nach dem Motto "Mahlzeit, kauft euch was". In dem Sinne sind die Russen doch reicher als die Amerikaner - dort ist es ab und zu schon eher Überlebenstraining. Es war halt eine Erfahrung für uns. Das ist eine andere Kultur, aber hat doch Spaß gemacht. Die Tour war vielleicht ein bisschen lang, denn das ist für so alte Säcke wie wir es sind doch ein bisschen viel. Es gab zum Beispiel keine Klimaanlage im Bus und solche Sachen. Das muss dort immer die Band bezahlen, und das ist der Unterschied. Hier bezahlst du einfach für den Bus soundso viel und aus die Maus. In den Staaten kommt halt jeder Scheiß irgendwie dazu. Wenn der Bus kaputt ist, muss ebenfalls die Band dafür zahlen. Aber wir haben es überlebt.

Elke:
Eigentlich hattet ihr zum "(N)Utopia"-Album eine komplette Headliner-Tour geplant, die jedoch aus persönlichen Gründen abgesagt wurde. Plant ihr zum neuen Album einen weiteren Anlauf?

Stefan:
Momentan haben wir noch keine Pläne. Wir spielen im Sommer auf einigen Festivals, weil im Sommer eh keine Tourneen stattfinden. Im Herbst wollen wir dann irgendwo auf eine Tour aufspringen und kreuz und quer unser Album zu promoten - mal sehen, was sich entwickelt. Das kann eine Support-Sache sein oder eine Co- oder Headliner-Tour. Wir lassen uns einfach überraschen, was auf uns zukommt, machen erst mal die Festivals und haben dort eine Menge Spaß, und im Herbst sehen wir dann, was kommt.

Elke:
Obwohl ihr sicherlich stolze Südtiroler seid, habt ihr eine .de Domain für eure Webseite. Gab es dadurch schon mal Irritationen?

Stefan:
Einige fragen schon, warum wir ein .de hintendran haben. Aber .com gab es schon, und die Homepage hat ein Freund von uns aus Deutschland gemacht, weshalb sie auf einen deutschen Server geschaltet wurde und mit der .de Endung online ging. Es gibt viele, die glauben, wir sind eine schweizer oder österreichische Band. Selbst halb Italien weiß nicht, dass wir eine italienische Band sind. Es ist schon krass, dass wir außerhalb von Südtirol in den ganzen Jahren nur zwei Mal in Italien gespielt haben. Das finde ich echt traurig, denn wir sind Italiener und wollen auch als das erkannt werden und in ganz Italien irgendwann einmal spielen. Das dürfte doch nicht so schwierig sein. Wir haben zwar unsere deutsche Muttersprache, aber ich zum Beispiel habe einen italienischen Vater in Bozen, wo auch unsere zwei Gitarristen herkommen, dort spricht man eh mehr italienisch als deutsch. Untereinander verständigen wir uns in einem Mischmasch aus italienisch und deutsch mit komischen Dialekten, von denen jeder in der Band einen anderen hat. Das ist schon manchmal lustig, wenn wir uns unterhalten. Aber das ist fein, weil uns versteht fast keiner. Die Italiener verstehen uns nicht, und die Deutschen auch nicht. Das ist schon praktisch - wir können blöd reden und keiner kriegt's mit.

Elke:
Kommen wir zur obligatorischen Schlussfrage - was habt ihr für Pläne und Wünsche für die Zukunft?

Stefan:
Ich glaub, wir wollen alle noch mal nach Russland. Ich habe mir jetzt eine Landkarte für zu Hause gekauft und überall ein Fähnchen reingesteckt, wo wir schon mal gespielt haben, und das schaut noch echt leer aus. Europa ist zwar voll, Nordamerika ein bisschen und zwei Mal Russland, aber der Rest der Welt ist unbesetzt. Das muss sich ändern!

Redakteur:
Elke Huber

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