GRAVE MIASMA: Interview mit Y
02.11.2016 | 10:30Seit einer Dekade bereits zerlegen die drei Musiker von GRAVE MIASMA den Underground in Schutt und Asche. Erst jüngst konnte die Band auf einer Tour durch die Staaten unter Beweis stellen, dass ihr bisheriges Schaffen kein kurzfristiges Aufbegehren, sondern doch eher eine langfristige Angelegenheit ist. Frontmann und Gitarrist Y meldet sich daher auch entsprechend euphorisch zu Wort und feiert das letzte Werk seiner Truppe ebenso wie den aktuellen Release.
"Wir fühlen uns momentan wirklich privilegiert; die Tour durch Lateinamerika und die USA war ein voller Erfolg, und wir können gar nicht dankbar genug sein, dass uns solche Möglichkeiten eröffnet werden", berichtet der Sänger freudig. Dabei hat die Band mit "Odori Sepucrorum" schon vor längerer Zeit den Grundstein gelegt, endlich auch flächendeckend wahrgenommen zu werden. "Natürlich sind wir uns darüber im Klaren, dass die Platte gelungen ist. Es war nie eine Option, minderwertiges Material herauszugeben, egal welchem Druck man sich auch ausgesetzt fühlt. Es ist uns wichtig, von Album zu Album eine nachvollziehbare Entwicklung zu erreichen. Death Metal ist in den vergangenen Jahren immer mal wieder zum Einheitsbrei mutiert, weil viele etablierte Acts einfach nur noch gelangweilt und uninspiriert ihr Programm abgespult haben. Bei GRAVE MIASMA haben wir andauernd den Anspruch, uns immer weiter zu steigern - ansonsten würden wir auch selber schnell den Stecker ziehen wollen."
Vielleicht liegt es auch daran, dass man auf der neuen Scheibe die Black-Metal-Inhalte weiter verschärft hat, dass schlussendlich auch mehr Kritiker und Fans von der Band Notiz nehmen. Y kann sich mit diesem Gedanken sehr gut anfreunden: "Das ist schon richtig, wir haben uns ja auch nie als reine Death-Metal-Combo verkauft. Warum sollten wir uns auch selbst beschränken, wenn die Einflüsse aus diesem Feld vorhanden sind? Wir lieben Musik, unabhängig von jedem Stil, und da können die Einflüsse sehr weitreichend sein - meinetwegen auch von kurdischem Folk oder 70’s Elektronik der Berliner Schule." Derartige Abstraktionen hat die Band auf "Endless Pilgrimage" allerdings nicht einbezogen; dennoch liebt man das Spiel mit dem Paradoxen: "Wir haben bei der Wahl des Titels schon nach einer eher bizarren Verknüpfung gesucht. Bei jeder Pilgerreise geht man davon aus, dass sie einen Anfang und ein Ende hat. Es gibt einen Start und auch ein Ziel. Doch wenn man die Sache philosophisch betrachtet, scheint diese Vorstellung längst überholt. Die endlose Überfahrt ist eine Begrifflichkeit, die aus historischen Lehren gegriffen wurde und weit vor der Vorstellung des Materiellen begründet wurde. Das fanden wir enorm spannend und eben auch außergewöhnlich genug, um diese Symbolik für den Albumtitel zu wählen."
Leider ist die musikalische Reise aber schneller zu Ende, als es manchem lieb sein mag. GRAVE MIASMA hat diesmal das EP-Format bevorzugt, doch auch das hat nachvollziehbare Gründe: "Aufgrund einiger logistischer Schwierigkeiten ist es derzeit nicht so leicht, alle Mitglieder für einen längeren Zeitraum zusammenzubekommen und den kreativen Prozess auszudehnen. Doch das empfinden wir derzeit nicht als Hindernis, denn wir sind der Überzeugung, dass wir auch im Shortplay genügend Variabilität und Dynamik in die Scheibe investiert haben, dass der Effekt einer Full-Length kaum anders gewesen wäre." Dem kann man ohne Zweifel zustimmen, denn trotz seiner latenten Aggression hat die Platte viele epische Parts, die sich auf jene Dynamik stützen. Ohne Flexibilität beim Songwriting geht bei GRAVE MIASMA gar nichts: "Wie ich schon sagte; es geht nicht über Vielschichtigkeit in den Songstrukturen, wenn man ein langlebiges Album kreieren will. Mir selbst fehlt dieser Aspekt bei vielen jungen Bands. Weder die Hooklines sprechen mich an, noch gelingt es den meisten Acts, aus diesem eindimensionalen Schema auszubrechen, das man sich zur Formel gemacht hat. Uns geht es vorrangig darum, genau diese Maschinerie zu durchbrechen und Parts zusammenzusetzen, die auch nach mehrmaligem Hören noch aufregend klingen." Dass genau dies gelingt, grenzt gerade deshalb an ein Wunder, wenn man berücksichtigt, dass alle drei Musiker auch noch bei anderen Kapellen ihr täglich Brot verdienen. "GRAVE MIASMA bestimmt einen großen Teil unseres Lebens, und wir bringen viele Opfer, um uns mit voller Passion dieser Band zu widmen", erklärt Y. "Dennoch sind auch die Aktivitäten in anderen Gruppen wichtig, da sie unseren kreativen Horizont erweitern. Das einzige Problem besteht darin, uns immer so aufeinander abzustimmen, dass wir im richtigen Moment wieder zusammenkommen und GRAVE MIASMA vorwärtsbringen."
Und diese Zukunftsorientierung ist schon so weit ausgeprägt, dass man keine Sorgen haben muss, die Jungs würden sich für längere Zeit zurückziehen. „Wir werden noch in diesem Jahr einige Stationen in Europa ansteuern und das Material auf die Bühnen bringen. Bislang sind Termine in Deutschland [das Festival "Hell Over Hammaburg" im März 2017 - d. Red.], Polen und den Niederlanden bestätigt, aber wir arbeiten händeringend an weiteren Dates." Und auch beim Songwriting will man schon bald wieder neue Akzente setzen. "Natürlich sind kurze Pausen immer erfrischend, weil man völlig regeneriert erst wieder kreativ arbeiten kann. Man muss aber auch den richtigen Gemütszustand haben, um sich der Sache voll und ganz widmen zu können. Momentan genießen wir die Freiheit, das Tempo selbst vorgeben zu können. Unsere Planungen sind daher zwar noch recht vage, aber trotz des vollen Terminkalenders sind wir optimistisch, zum Ende des Jahres noch ein vollwertiges Album nachlegen zu können." Bis dahin wird "Endless Pilgrimage" sicher noch diverse Male durch die hiesigen Boxen knallen - und genau diesen Vorgang empfiehlt auch Y: "Ich möchte unsere Musik all denjenigen nahebringen, die traditionellen Death Metal mit einigen pikanten Twists mögen und gleichzeitig eine Vorliebe für epische Songs und eine fokussierte Produktion haben." Dem ist wohl nichts mehr hinzuzufügen...
- Redakteur:
- Björn Backes