G.L.A.S.S.: Interview mit Katy und Erik

29.09.2023 | 22:39

G.L.A.S.S. - diese fünf Buchstaben stehen für Geschichten.Legenden.Annalen.Sagen.Schriften. Und das ist Name und Programm einer Bremer Symphonic-Metal-Band, die Ende August mit der deutschsprachigen Single 'Schnoor Deern' auf sich aufmerksam gemacht hat. Für alle, denen die Hansestadt Bremen nicht ganz unbekannt ist, dürfte dieser Titel ein Hinweis darauf sein, dass der Song in Verbindung zum Bremer Schnoor-Viertel steht. Und was hat es damit nun auf sich? Das und einiges mehr über die Band um Frontfrau Katy aus dem Spring erfahrt ihr im folgenden Interview mit der Sängerin und Gitarrist Erik Blumenthal.

Im Schnoor-Viertel also, jenem mittelalterlichen Teil der Bremer Altstadt, den jeder Tourist in der Stadt gesehen haben sollte, spielt der Song von G.L.A.S.S., in dem die Band die Geschichte einer weiblichen Protagonistin erzählt, die eine Art Robin-Hood-Pendant darstellt. Die Musik ist eingängig und enthält sowohl folkloristische Elemente als auch orchestrale Passagen. Für den folkloristischen Teil ist vor allem die Violine zuständig, die immer wieder mit der Gitarre in den Dialog tritt.

Zu dem Song hat die Band ein Video produziert, in dem die Musiker in historischen Kostümen vor der Kulisse des Schnoor-Viertels Szenen aus dem Song darstellen. Im Mittelpunkt steht die Schnoor-Deern, verkörpert von Sängerin Katy aus dem Spring, deren Stimme sich wohltuend von den so häufig im Symphonic Metal dominierenden Sopranistinnen abhebt.

Die Band G.L.A.S.S. gibt es, wie ich einigen Beiträgen im Internet entnehmen konnte, nicht erst seit kurzem. Man findet auf eurem Youtube-Kanal älteres Material, bei dem eure Stücke noch folkiger und weniger symphonisch klingen und außerdem wurde auf Englisch gesungen. Im Promo-Text zu eurer Single ist die Rede davon, dass G.L.A.S.S. ein Side-Projekt von Katy aus dem Spring war. Mich interessiert daher zu allererst, wie die Band eigentlich entstanden ist. Seit wann gibt es euch in dieser Formation? Was war die ursprüngliche Idee mit G.L.A.S.S.?
Katy: Inspiriert hat mich ein Konzert von NIGHTWISH 2004 in Oberhausen, damals noch mit Tarja als Sängerin. War ich vorher im Wesentlichen als klassische Sängerin unterwegs, öffnete sich mir hier eine ganz neue Welt der Symbiose aus klassischem Gesang und Metal-Band. Ich fand das unheimlich passend und überzeugend. Daraus ist dann zusammen mit Erik Blumenthal ein Vorläufer von G.L.A.S.S. entstanden. 2009 haben wir zusammen mit befreundeten Musikern ein Album unter dem Namen G.L.A.S.S. aufgenommen. Live hat dann schon bald Constantin Dorsch die Geige übernommen. 2015/16 gab es einen Besetzungswechsel. Torsten Penz (ANCIENT CURSE) übernahm die Rolle am Bass und der Hamburger Jannis Reinke kam am Schlagzeug dazu. Im aktuellen Line-up ist Torsten Penz nicht mehr dabei. Den Bass bedient jetzt Anna David Merz (ex-EYEVORY).

Wie kam es zu der Entscheidung, sich eher dem Symphonic Metal zuzuwenden?
Katy: Haben uns beim ersten Album die progressiven Elemente noch mehr fasziniert, hat sich die Band über die Jahre des Livespielens immer mehr zum Symphonic hin entwickelt. Auch unsere aktuelle Single 'Schnoor Deern' hat wieder folkige Anleihen; diese Entscheidungen treffen wir sehr textbezogen unter tonmalerischen Aspekten.

Warum habt ihr euch entschieden, mit deutschen Texten durchzustarten?
Erik: Daran gewöhnt, dass Metal eigentlich immer englischsprachig ist, waren auch unsere Songs vorwiegend auf Englisch. Auf dem ersten Album gab es mit 'Galgenlied' und 'Der Erlkönig' aber bereits zwei deutschsprachige Titel. Bei beiden handelt es sich um alte Gedichte, die wir vertont haben. Das gefiel mir von Anfang an recht gut, aber der Wunsch, komplett auf Deutsch zu wechseln, wuchs erst nach und nach in mir. Und dann galt es noch, die anderen in der Band davon zu überzeugen. Insbesondere Katy, da sich Deutsch schon sehr anders singt, als Englisch und auch die Melodien entsprechend gestaltet werden müssen. So ist das nicht nur Neuland, speziell im Symphonic Metal, sondern auch für uns. Es fühlt sich aber schon jetzt gut an. Natürlich mussten wir unser Akronym G.L.A.S.S., das bisher für Giving Life A Secret Story stand, neu deuten. Und somit ist die Bedeutung jetzt: Geschichten.Legenden.Annalen.Sagen.Schriften.

Welche Bedeutung hat der Ortsbezug zu Bremen? Seid ihr alle Bremer Gewächse?
Erik: Abgesehen vom Drummer Jannis sind wir Bremer oder haben unseren Lebensmittelpunkt hier.

Die Single 'Schnoor Deern' wird als Geschichte einer weiblichen Robin-Hood-Figur angekündigt. So ganz hat sich mir das beim Hören nicht erschlossen. Der Text liegt mir leider nicht vor, aber was ich zunächst verstanden habe, ist die Perspektive einer wahrscheinlich eher mittellosen Tagediebin, die aus ihrer Perspektive das Leben in ihrem Revier schildert, das vom Gegensatz arm-reich geprägt ist. Wo genau kommt der Robin-Hood-Aspekt zum Ausdruck?
Katy: Genau das ist das Interessante an der Figur der "Schnoor Deern". Sie steht für die vielen Gewerke, die es braucht, um ein Schiff zu bauen und auszustatten. Ohne deren Knowhow wäre kein einziger Kaufmann irgendwohin gesegelt. Ist es diebisch, seinen Anteil zu fordern? Ist es falsch, sich zu organisieren, zusammenzurotten? Sind Gewerkschaften dann auch diebisch? Oder doch eher nötig, um ein soziales Gleichgewicht zu wahren? Robin Hood ist in der Mythologie ein Reicher, der durch staatliche Willkür seinen Reichtum verliert und sich mit anderen Rechtlosen zusammen organisiert, um für ihre Rechte zu kämpfen. Über die Herkunft der Schnoor Deern sagen wir nichts. Sie steht für Menschen, die sich mit Ungerechtigkeit nicht zufriedengeben und solche, die Rechtlosen eine Stimme geben. Ein weiterer Aspekt ist die Geschlechtergerechtigkeit. Unsere Heldin ist eine Frau. Die Geschichte hatte unzählige Heldinnen, nur hat die "männliche" Geschichtsschreibung ihnen zumeist keinen Raum zugestanden.

In einem auf eurem Facebook-Profil veröffentlichten Video bezeichnet ihr eure Fans als Wolfsrudel. Das Bild der Wölfe wird in der Metalszene ja ziemlich häufig verwendet. Was ist denn euer Bezug zum Wolf?
Erik: In der Tat ist es nicht in erster Linie der "einsame Wolf", den wir im Sinn haben. Sicher steht er mit seiner Wildheit und seiner Naturverbundenheit für wesentliche Aspekte unserer Musik und unseres Lifestyles, aber hier geht es eben auch um die Gemeinschaft des Rudels, des Miteinanders. Übrigens ist die Kurzformel unserer Musik nicht von ungefähr "Wenn Einstein mit seiner Geige nach Mitternacht unter einer rosenberankten Steineiche mit den Wölfen headbangt..."

Im Pressetext zur neuen Single wird auf einen Artikel eines anderen Magazins Bezug genommen. Dort wird Katys Stimme als "elfengleich" beschrieben. Das hat mich eher gewundert. Ich finde, für eine Sopranistin ist der Gesang von 'Schnoor Deern' eher tief und gerade nicht "elfenhaft" – was ja auch zur Rolle der Robin-Hood-Kämpferin passt. Katy, wie bewertest du selbst deinen Gesang auf 'Schnoor Deern'? Du hast dich wahrscheinlich nicht umsonst dafür entschieden, hier keine arienhafte hohe Sopranlage zu wählen, oder?
Katy: (lacht) Ja, elfengleich hätte ich das jetzt auch nicht genannt. Ich interpretiere Songs sehr unterschiedlich. Für mich sind da inhaltliche, tonmalerische Gründe entscheidend. Und ich freue mich, dass das angekommen ist.

Ihr habt bereits jetzt zwei weitere Singles für dieses Jahr und ein Album für das kommende Jahr angekündigt. Wird das eine Art Konzeptalbum? Könnt ihr da schon etwas verraten?
Erik: Ein Konzeptalbum wird das nicht werden. Der rote Faden unserer Songs ergibt sich aus der Bedeutung unseres Namens G.L.A.S.S. (Geschichten-Legenden-Annalen-Sagen-Schriften). Gepaart mit Themen wie Abenteuer, Glück, (Un-)Gerechtigkeit, Charakterstärke, Mut (machen), Souveränität, Freiheit, Individualität, Großzügigkeit, Toleranz, Weisheit, Begeisterung, Dankbarkeit, Freundschaft, Fantasie, Leidenschaft, Spaß, Zuversicht wird daraus der Stoff, aus dem unsere Texte sind.

Was können Leute, die G.L.A.S.S. über die Single 'Schnoor Deern' neu entdecken, im kommenden Jahr erwarten? Plant ihr, über den norddeutschen Raum hinaus Konzerte zu geben?
Katy: Neben weiteren Video-Singles und dem Album nächstes Jahr möchten wir unbedingt eine kleine Tour machen und hoffen, auf dem einen oder anderen Festival spielen zu können. Wir sind auf der Suche nach Partnern, z.B. einer Booking-Agentur, denn wir planen, nicht nur in Norddeutschland unterwegs zu sein. Auch das deutschsprachige Ausland haben wir im Blick. So etwas muss man natürlich Schritt für Schritt aufbauen. Aber nach der ermutigenden Resonanz, die wir bereits jetzt in Bezug auf unsere erste Single erhalten, freuen wir uns auf das, was kommen wird.

 

Und nun, liebe Leserinnen und Leser könnt ihr euch von der 'Schnoor Deern' mit dem folgenden Video selbst ein Bild machen. Wir dürfen gespannt sein, wie es mit G.L.A.S.S. weitergeht.

Redakteur:
Erika Becker

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