Gruppentherapie RUSH -"Clockwork Angels"

27.06.2012 | 10:56

Ein neues RUSH-Album! Progfans haben Herzklopfen. Welche Perlen verbergen sich hinter "Clockwork Angels"? Ganz klar eine Sache für die Gruppentherapie!

Ein neues RUSH-Album sorgt immer für Aufregung in der POWERMETAL.de Redaktion. Mühelos entert "Clockwork Angels" das Treppchen des Juni-Soundchecks, muss sich aber KREATOR und den unbekannten NE OBLIVISCARIS geschlagen geben. Dennoch reden die Redaktions-Ältesten vom besten Werk seit "Counterparts", während die RUSH-Frischlinge einen ideales Scheibchen vorfinden, um RUSH für sich zu entdecken. Hier die einzelnen Reaktionen auf "Clockwork Angels":

 

cover

 

Lange habe ich mit mir gehadert, ob ich einen Beitrag zum neuen RUSH-Opus beifügen soll. Zu unqualifiziert und dürftig ist mein Wissen über diese Truppe, zu hohe Erwartungen haben/hatten meine verehrten Kollegen und zu wenig habe ich vor "Clockwork Angels" von RUSH mitbekommen. Aber so konnte ich gänzlich vorurteilsfrei und ohne jegliche Erwartungen an diese Platte herangehen. Und Hut ab, meine Herren, "Clockwork Angels" gefällt mir, trotz der penetrant progressiven Ausrichtung, die ich bekanntlich leiden kann wie meine Hauskatze die Waschmaschine, erstaunlich gut. Trotz der mittlerweile, unglaublichen 44 Jahren (Anm. TB: sie spielen tatsächlich schon seit 1968 zusammen, das Debut "Rush" erschien jedoch erst 1974) die die Kanadier bisher auf dem Buckel haben, klingt Album Nummer 19 absolut zeitgemäß, modern und beinhaltet eine Vielzahl von Melodien und Passagen, die stundenlang im Ohr hängen bleiben, sich tief einnisten und von vorne bis hinten gefallen. Das Titelstück ist eine Klasse für sich, 'Caravan' klingt fabelhaft und der Spannungsbogen, der sich von 'The Wrecker' bis 'Wish Them Well' aufbaut, klingt sogar in den Ohren eines Progressive-Muffels toll. Vergleiche zu Vorgängeralben stehen mir nicht zu, das sollen meine allwissenden Redaktionsmitglieder erledigen. Unterm Strich bleibt ein überdurchschnittliches Album, ein gelungener Spagat zwischen Tradition und Moderne mit Stücken, die sich bestens ins 21. Jahrhundert transferieren lassen. Kanada hat also weitaus mehr zu bieten als Speed Metal. Daumen hoch.


Note: 8,0/10
[Marcel Rapp]

 

Ja, es ist ein wirklich schönes RUSH-Album geworden. Alle Trademarks, die dieses kanadische Wunder-Trio so unverwechselbar und faszinierend machen, gibt es auf "Clockwork Angels" zu bestaunen. Ganz herausragend agiert wieder einmal Neil, der trommelt wie ein junger Gott. Geddys Basslinien treiben zappelig, leichtfüßig oder druckvoll die Lieder nach vorn; dazu zeigt er von seiner Stimme vor allem die wohlig warme, gefühlvolle Seite. Alex glänzt an der Gitarre durch Spielfreude und Facettenreichtum. Nie übertreiben es die Drei mit der Komplexität, immer stehen die Eleganz und die kompositorische Grundidee im Vordergrund. Und wer im frühen Rentner-Alter noch so viel Power, Spaß und Rock'n'Roll in den Backen hat, gehört sowieso zu den Gewinnern. Unter den Songs befinden sich beeindruckende Lehrstücke zu Themen wie pulsierende Dynamik ('Clockwork Angels' oder 'Headlong Flight') formvollendete Harmonie ('The Wrecker' oder 'The Garden') oder nachhaltige Eingängigkeit ('BU2B' oder 'Wish Them Well'). Das macht "Clockwork Angels" in meinen Augen zur gelungensten Studio-Scheibe von RUSH seit knapp 20 Jahren. Ein paar Abzüge muss ich dann aber doch vornehmen, denn bei aller Klasse und Schönheit fehlt mir dieser kleine, aber wichtige Schuss Wahnsinn und Hybris, dieser übermütige Griff nach den Sternen, den ich von einer perfekten Progressive Rock/Metal-Platte erwarte. So gibt es neben den genannten Hits auch einige Songs auf "Clockwork Angels", die mir einen Tick zu routiniert und abgeklärt wirken. Der Hörgenuss wird dadurch allerdings nicht wirklich getrübt, so dass ich insgesamt sowohl für Fans und als auch für Novizen eine klare Kaufempfehlung aussprechen kann.

Note: 8,5/10
[Martin van der Laan]

 

Ich habe jetzt "Clockwork Angels" extra noch ein paar Mal gehört, bevor ich diesen Text verfasst habe, damit ich die zu "routiniert und abgeklärt" wirkenden Songs entdecke, die der geschätzte Kollege van der Laan da ausmacht. Ich habe sie nicht gefunden. Aber vielleicht habe ich den Vorteil mit dem üppigen Sonderheft vom englischen "Classic Rock"-Magazin zum neuen Album des besten Trios des Erdballs mehr über die Hintergründe zu den auf den ersten Blick etwas unscheinbareren Nummern wie 'Halo Effect' oder 'Seven Cities Of Gold' zu haben. Doch auch davon unabhängig, würde ich "Clockwork Angels" wohl als bestes Album seit "Counterparts" einschätzen. Der Tränentreiber 'The Garden' ist vielleicht die beste Ballade der Band überhaupt, 'The Wrecker' die totale Melodieoase, 'The Anarchist' hätte auch auf "Presto" eine gute Figur gemacht und so könnte ich wohl über jeden Song referieren. Ich würde sogar so weit gehen, dass Neil, Geddy und Alex hier ihren ersten Klassiker des immer noch neuen Jahrtausends abgeliefert haben. Ein tolles Album, das meine hohen Erwartungen souverän übertrifft.


Note: 9,5/10

[Peter Kubaschk]

 

Ich bin immer wieder darüber verwundert, wie eine Band von so vielen Leuten aus so unterschiedlichen Bereichen verehrt werden kann und dabei kaum wirkliche Kritiker auf den Plan ruft. RUSH scheinen schon seit einiger Zeit eine ganze Menge richtig zu machen. Ich selber bin mit dem Schaffen der Kanadier bisher nur ansatzweise vertraut, finde die Band jedoch ebenfalls wirklich klasse. Daher ist "Clockwork Angels" für mich "bloß" ein weiterer Erkundungstrip, da sich Erwartungen und Vergleiche bei meinem Vorwissen einfach verbitten. Und so nehme ich diese Scheibe gerne einfach für das, was sie ist: ein wunderbar unaufgeregtes Album einer Band, die weißt, was sie kann, und scheinbar niemandem mehr etwas beweisen muss. Von der ersten bis zur letzten Sekunde wirkt die Platte unglaublich rund und zu Ende gedacht. Es gibt Balladen, es gibt vertrackte Stellen, es gibt harte Riffs, es gibt Atmosphäre - es gibt so ziemlich alles, und nichts davon wirkt gezwungen. Und genau diese Natürlichkeit ist es, die mich an "Clockwork Angels" so fasziniert. Man denkt sich bei schlichtweg jedem Song: "Boah, ist das tolle Musik!" - einzig Geddy Lees Vocals sind ein Punkt, an welchem man sich reiben könnte, wenn man denn will, kann oder muss. Aber insofern stimme ich dem eingangs angesprochenen Jubelchor mit ein. Das schlimmste an dem Album ist das Artwork. Der Rest ist klasse.

Note: 8,5/10
[Oliver Paßgang]

 

Darf man schreiben, dass RUSH nichts anderes abgeliefert haben als die gewohnte Qualität, ohne dass das negativ klingt? Ich bin ein Freund der Band seit "Hold Your Fire", also der ganz kommerziellen Phase der Kanadier, und habe mir den Rest erst erarbeitet. Vielleicht liegt es ja mit daran, dass weder dicke Chöre noch eingängige Melodien mir ein Problem bereiten. Den großen Vergleich wird man sowieso erst in einigen Jahren beginnen, und dann werden wir sehen, ob "Clockwork Angels" nun besser ist als "Snakes & Arrows" oder nicht. Momentan herrscht erst einmal der Eindruck eines vergnüglichen, spritzigen Albums vor, das uns keine andere Band wohl so überzeugend hätte kredenzen können. Das Album immerhin wächst und wächst, und mitnichten sind die auf der letzten Tour gespielten Songs die besten, was ja anzunehmen gewesen wäre. Nein, hier gibt es eine ganze Reihe von Volltreffern, die wir bei RUSH häufig unter dem Kopfhörer noch beeindruckender sind. Melodien wie in den Achzigern, Groove aus dem neuen Jahrtausend. Vielleicht ist das das Zeug, aus dem der Klassiker gemacht wird?


Note: 9,0/10
[Frank Jaeger]

Redakteur:
Thomas Becker

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