Gruppentherapie SATYRICON - "Deep Calleth Upon Deep"

11.10.2017 | 22:45

Frost und Satyr sind zurück und wie immer weiß man bei den beiden Köpfen hinter der Black-Metal-Legende SATYRICON nie so recht, was am Ende dabei rauskommt. Erwarten den Hörer auf "Deep Calleth Upon Deep" eher wieder wilde Experimente wie bei "Rebel Extravaganza" oder doch eher klassisches Schwarzmetall wie auf "Nemesis Divina"? Die Antwort liegt irgendwo dazwischen, zumindest wenn es nach unseren Gruppentherapeuten geht.

SATYRICON hat es in den vergangenen Jahren geschafft, einen eigenen Stil zu kreieren ohne sich vollständig von seinen musikalischen Wurzeln zu lösen. Dieser wurde immer weiter verfeinert, die neue Scheibe "Deep Calleth Upon Deep" stellt da keine Ausnahme dar. Wer also immer noch darauf hofft, dass SATYRICON ein zweites "Nemesis Divina" oder "Rebel Extravaganza" raushauen, den muss ich leider enttäuschen. Vielmehr wurde der Weg der vergangenen Alben konsequent weitergegangen und so gibt es wieder schwere Stampfer, die hauptsächlich in den mittleren und langsameren Geschwindigkeitsregionen unterwegs sind. Es benötigt zwar einige Durchgänge, doch dann fräsen sich die tonnenschweren Riffs unweigerlich im Gehirn fest. Vor allem der Titelsong, 'To Your Brethren In The Dark' und 'The Ghost Of Rome' entpuppen sich dabei als derbe Ohrwürmer. Aber auch alle anderen Tracks können überzeugen, Ausfälle gibt es auf der Platte nicht. Leider wurde diesmal kein Experiment wie 'Phoenix' gewagt, das hätte interessant werden können. Trotzdem sehe ich "Deep Calleth Upon Deep" als stärkste und insgesamt rundeste SATYRICON-Scheibe dieses Jahrtausends. Wer an den Vorgängern Gefallen gefunden hat, macht mit der Scheibe nichts verkehrt.

Note: 8,5/10
[Hermann Wunner]

 

Ob SATYRICON denn nun im Jahre 2017 noch Black Metal spielt oder nicht, darüber ließe sich sicherlich trefflich streiten. Im Grunde ist diese Fragestellung aber nicht nur irrelevant, sondern auch recht kurzsichtig. Mir persönlich gefällt der Groove-Anteil im Sound der Norweger, ich finde aber auch noch genug schwarzmetallisches Flair, um mir das Ganze als natürliche Weiterentwicklung, als Befreiung aus den selbst (mit-)begründeten Stilgrenzen der zweiten Generation vorzustellen. Puristischer Black Metal ist sicher heute noch spielbar, nur ist das SATYRICONs Sache nicht. Es bleibt also ein Album, das, da gebe ich Hermann recht, zwar nicht unbedingt reich an experimentellen Ausflügen ist, aber über die gesamte Spielzeit zu unterhalten vermag. Den kruden Stilmix fährt das Duo ja nun schon seit einigen Alben, da überrascht es mich schon ein wenig, dass man die Kompositionen dennoch von denen der Vorgänger unterscheiden kann. In Teilen liegt das am etwas wärmeren Sound (natürlich immer noch bitterkalt und grimmfrostig, also bitte!), andererseits kann Satyr einfach immer neue, geile Lieder schreiben. Wo ich gerade dabei bin: 'Black Wings And Withering Gloom' ist ein absoluter Volltreffer und 'The Ghost Of Rome' rennt bei mir ebenfalls offene Türen ein. Ich vermute, dass sich der Stil dieser Band auch in Zukunft noch ändern wird, "Deep Calleth Upon Deep" wird jedenfalls als - und wieder stimme ich meinem Vorschreiber zu - wohl stärkste Scheibe der neueren SATYRICON im Gedächtnis bleiben.

Note: 9,0/10
[Jakob F. Schnapp]

 

Freunde, so kommen wir hier nicht zusammen. Mein Verhältnis zu SATYRICON würde ich als freundschaftlich-kritisch bezeichnen. Für mich gibt es viele Höhen, aber auch einige Tiefen im Oeuvre dieser Band. Natürlich sind die von meinen Kollegen genannten Klassiker ganz weit vorne, aber "Volcano" zum Beispiel enthält mit 'Repined Bastard Nation' den besten SATYRICON-Song ever und "Now, Diabolical!" macht auch durchweg Spaß. Gut, zugegeben, ich habe mich schon gefragt, was dieser 'Black Crow On A Tombstone'-Quark mitsamt albernem Poser-Video sollte. Und mit dem selbstbetitelten direkten Vorgänger von "Deep Calleth Upon Deep" habe ich mich gar nicht mehr so intensiv beschäftigt. Wenn ich mir nun dieses neue Album mehrmals am Stück anhöre, muss ich einfach feststellen: Es langweilt mich! Ich kann die einzelnen Lieder kaum unterscheiden, die minimalistischen Riffs, die Tempi, die Dynamik, alles nach demselben Schema F. Was daran Groove sein soll, verstehe ich nicht. Natürlich sind die Musiker hinter dem Namen SATYRICON viel zu gut und erfahren, um ein wirklich schlechtes Album zu machen. Aber in meinen Ohren ist "Deep Calleth Upon The Deep" ein gesättigter, zufrieden schnurrender Kater ohne große Ambitionen. Dabei ist der SATYRICON-Sound geradezu prädestiniert für das eine oder andere Experiment oder eine gelegentliche Provokation. Hach, man möchte mit dieser Musik überall hin, elektronische Spielereien oder symphonische Ausflüge, was auch immer. Nur so dermaßen in sich selbst ruhend und konservativ, so wenig wollend und so viel am Wegesrand liegen lassend - so lässt mich diese Musik gänzlich kalt.

Note: 6,0/10
[Martin van der Laan]

 

Kollege Martin und ich müssen definitiv verschiedene Alben gehört haben, denn für mich klingt "Deep Calleth Upon Deep" keinesfalls wie ein "gesättigter, zufrieden schnurrender Kater ohne große Ambitionen". Richtig ist sicher, dass Frost und Satyr dieses mal auf allzu ausladende Experimente verzichtet und eher an kleinen Stellschrauben im Vergleich zum Vorgänger "Satyricon" gedreht haben. Etwas anderes war in meinen Augen auch nicht nötig, denn inzwischen hat das Duo einen ganz eigentümlichen Sound kultiviert, bei dem schon nach wenigen Tönen klar ist, mit wem man es hier zu tun hat. Schneidende Gitarren, meditative Melodien und eine rundum gelungene Atmosphäre, das sind die Stärken der Norweger und diese spielen sie auf den insgesamt acht Tracks des neuen Silberlings in jeder Sekunde aus. Man höre sich allein das geniale 'The Ghost Of Rome' oder das mächtige Epos 'Black Wings And Withering Gloom' an, um einen geringfügigen Eindruck von der alles überstrahlenden Klasse dieser Scheibe zu bekommen. Mein Fazit kann daher auch nur dem von Hermann entsprechen, denn "Deep Calleth Upon Deep" präsentiert ein Destilat aus sämtlichen Stärken, die SATYRICON zu einer Ausnahmeerscheinung im modernen Black Metal gemacht hat, und ist damit ganz klar die eindrucksvollste Platte, die Frost und Satyr seit der Jahrtausendwende erschaffen haben. Chapeau!

Note: 10/10
[Tobias Dahs]

Wenn uns eine Band, die mich seit einem knappen Vierteljahrhundert an den Hacken kleben hat, ihr neuntes Studioalbum kredenzt, dann weckt dies bei mir natürlich erhebliches Interesse, sowohl am Werk selbst als auch an dessen Wirkung auf die Kollegen. Jakob spricht hier mit spürbarer Freude von fettem Groove und einem im positiven Sinne kruden Stilmix, während ein enttäuschter Martin die Rufe aus der Tiefe in die Tiefe als zahmes Schnurren eines satten Katers entlarvt zu haben scheint, dem das Mausen allzu müßig geworden ist. Hermann und vor allem Tobias geben sich zufrieden bis begeistert, und wo reihe ich mich ein? Nun, sicherlich bei den positiven Stimmen, denn auch wenn mir kein Werk nach 1994 mehr den massiven Nachhall bescherte wie jene Scheibe, die uns mit den einleitenden Worten "Kampen mot Gud og hvitekrist er i gang!" voller Ingrimm das Fürchten lehrte, so konnte mich das Duo doch immer wieder überzeugen. Mit der Teuflischen und Nero ist die Begeisterung zwar ein wenig abgekühlt, doch zuletzt begann die Flamme wieder stärker zu lodern. Warum? Nun, für mich hat SATYRICON mit dem selbstbetitelten Vorgänger und nun auch ganz besonders mit "Deep Calleth Upon Deep" ein Klanggewand für seine eindringlichen Weisen gefunden, das mich fasziniert. Die Riffs legen sich wie ein tonnenschwerer, tiefschwarzer, samtener Schleier über eine darunter durchaus schroffe Landschaft, aus der immer wieder sich Schicht um Schicht aufbauende Klangtürme erheben. Ja, Martin hat schon recht damit, wenn er sagt, dass die Herren Wongraven und Haraldstad in sich selbst zu ruhen scheinen und nicht allzu experimentell oder gar provokativ vorgehen. Doch ist das schlecht? Sind sie allzu satt? Nicht für mein Empfinden! Für mich hat das Werk mit dem Munch einfach alles, was ich mir von SATYRICON 2017 nur wünschen könnte, und es klingt so, als hätten Satyr und Frost gerade diese Selbstsicherheit und dieses Ruhen in sich selbst dazu genutzt, "Deep Calleth Upon Deep" all die Zeit zu geben, die es zum Reifen brauchte. So besticht es eben nicht mit Experimenten und Provokationen, und nein, Jakob, es liefert auch keinen kruden Stilmix, sondern es dreht hier und da ganz zaghaft an den Stellschrauben, um das, was SATYRICON anno 2017 sein möchte, bis ins Detail auszutüfteln und zu definieren. Das Album glänzt dabei mit unglaublich viel Hingabe ans auf den ersten Blick unscheinbare Detail, mit fein ausgetüftelter Instrumentierung und dem passenden Maß an Bläsereinsatz, mit bemerkenswerter, bisweilen fast post-rockiger Dynamik, mit subtilem, faszinierendem Drumming, das im Gegensatz zu den krachenden Mixes vieler anderer Soundtüftler einfach wundervoll stimmig und natürlich klingt. Dazu gibt es Song um Song packende Hooks, die vor allem 'To Your Brethren In The Dark' und 'The Ghost Of Rome' zu wahren Überfliegern machen. Die Zeit der rasenden, grimmigen Bosheit ist sicherlich dahin, und sie kommt nicht wieder; heute ist die Zeit für Samt und Blei, für trotziges, selbstbewusstes Wandeln durch das Dunkel.

Note: 9,5/10
[Rüdiger Stehle]

Redakteur:
Tobias Dahs

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