Gruppentherapie: ANGEL WITCH - "As Above, So Below"
02.04.2012 | 07:29Es gibt auf alt gemachten Metal, der die Redaktion restlos überzeugt? Und zwar so sehr, daß er sogar Soundchecksieger wird! Warum das so ist, lest ihr hier!
In Sachen ANGEL WITCH mag ich ja durchaus als Skeptiker gelten. So sehr ich die gleichnamige wunderbare Kultplatte aus dem Jahre 1980 auch verehre, so sehr hat es mich auch immer befremdet, dass Frontmann Kevin Heybourne seit offenbar 25 Jahren das Interesse daran verloren zu haben schien, nochmals kreativ zu werden und neue Songs einzuspielen. Es ist einfach schade, wenn ein großartiger Musiker jahrzehntelang wenig anderes tut, als mit wechselnden Mitmusikern live immer ein und dasselbe Album herauf und hinunter zu spielen. Aus diesem Grund war ich sehr wohl skeptisch, was die plötzliche Ankündigung des neuen Albums "As Above, So Below" anging. Jedoch bereits als der erste Song 'Dead Sea Scrolls' erklang war klar, dass alle Zweifel unnötig waren. Wie Kevin Heybourne und seine Mitstreiter auf diesem Album die magische Atmosphäre des Debüts einfangen, ohne dabei auch nur ansatzweise nach einer Retroband zu klingen, das kann man durchaus als magisch bezeichnen. Wie schwierig es heute ist, authentisch nach der NWoBHM zu klingen, ohne sich wahlweise entweder eine bemühte Retrotendenz oder eine sterilen und modernen Sound vorwerfen lassen zu müssen, lässt sich an zahllosen Beispielen der vergangenen Jahre ablesen. ANGEL WITCH gelingt kompositorisch und produktionstechnisch ein Meisterstück, dessen einziger Makel ist, dass ein Überhit wie "Angel Witch" fehlt. Andererseits sehe ich selbst das nicht als wirklichen Makel, denn diese Songs können auch ohne Ohrwürmeleien auf ganzer Linie glänzen.
Note: 9,5/10
[Rüdiger Stehle]
Ganz unbedarft kann ich an eine aktuelle Scheibe von ANGEL WITCH rangehen, denn bis auf zwei, drei nette Liedchen von früher kenne ich die Band nicht. Und wenn meine Kollegen hier "Legende!" schreien, spitze ich ich allenfalls noch vorsichtiger meine Ohren, wenn es um eine weitere 80er-Kultband geht, der es einfällt, nun doch mal wieder Musik machen zu müssen.
Nun läuft der Opener 'Dead Sea Scrolls' schon zum x-ten Mal über die Anlage und ich finde ihn nach wie vor einfach toll! ANGEL WITCH machen auf "As Above, So Below" einfach richtig guten Heavy Metal! Punkt. Richtig guter Heavy Metal hat bei mir in erster Linie schöne, warme, verzerrte Gitarren, jede Menge doppelläufiger Leads, einen (meist) tonsicheren Sänger, der sich größtenteils im mittleren Tonbereich bewegt und Refrains, die sich ins Ohr setzen, ohne zum 1000sten Mal die alten Klischees aufzubrühen. Zudem tönt die Platte wahnsinnig angenehm im Sound und stimmig gemixt durch die Speaker. Der Gesang ist zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, möglicherweise aus dem Grund, dass er überhaupt nicht wirklich Metal ist und ein paar interessante Schlenker (aber auch stimmlich Wackler) in der Melodieführung einbaut, die ihn eigen machen. An sich ist das alles natürlich immer noch keine große Kunst, doch ANGEL WITCH schaffen es mit den oben genannten Mitteln tatsächlich, reihenweise Gänsehautmomente zu erschaffen. 'The Horla' fängt beispielsweise sehr ruhig an und steigert sich langsam zu einem Refrain, der einen nie wieder loslässt, nur um später in noch großartigeren zweistimmigen Leads zu gipfeln. 'The Witching Hour' fängt wie ein normaler Metalsong mit Galoppelriffs an und schlägt den Bogen zu Harmonien von purer dunkler Magie. Und auch danach hören ANGEL WITCH einfach nicht auf, Musik zu machen, die so verdammt gut zum Bandnamen passt. Nun muss ich aber aufhören, zu schwärmen, sonst fülle ich den Beitrag noch allein aus. Bitte, liebe Metalfans, gebt dieser Band eine Chance, denn man kann sehr leicht auch anno 2012 ein großer Fan von ANGEL WITCH werden, ganz ohne NWoBHM-Religion.
Note: 8,5/10
[Thomas Becker]
Damit war wirklich nicht zu rechnen. 32 Jahre nach dem historischen Debüt "Angel Witch", das bis heute eines der großen Meilensteine der NWoBHM ist, schieben die Briten endlich ein Album nach, das es schafft, eine ähnliche Atmosphäre zu versprühen, tolle Songs zu beinhalten und dennoch nicht antiquiert zu klingen. Klar, es gibt noch andere Alben der Band, aber so wirklich interessiert hat die außer einer kleinen Fanschar nie jemanden. Die Hexe wurde immer auf ihr Meisterwerk reduziert. Das dürfte sich dank des phänomenal steigernden 'The Horla' oder dem eingängigen 'Witching Hour' in Zukunft ändern. Für die Euphorie, die den Kollegen Holger gerade auf Wolke 7 schweben lässt, bin ich vielleicht einfach zehn Jahre zu jung. Aber wer das Debüt liebt, muss hier zwangsläufig zugreifen. Cool.
Note: 8,0/10
[Peter Kubaschk]
Die Spannung war zum Greifen nahe, die erstaunten Gesichter beim Großteil unserer Redaktion deutlich zu erkennen und die Neugier bis ins Unermessliche berechenbar (Anm. TB: das macht rein mathematisch nun aber mal gar keinen Sinn). Niemand geringeres als die legendären ANGEL WITCH haben sich für den März angekündigt und bei uns allen für freudige Gesichter gesorgt. So macht "As Above, So Below" schlicht und ergreifend von vorne bis hinten, vom bärenstarken Opener 'Dead Sea Scrolls', über das fabelhafte 'Witching Hour' bis hin zum faszinierenden 'Brainwashed' gehörigen Spaß. Diese warme, vertraute Atmosphäre ist ab den ersten Tönen vorhanden, als wäre die legendäre Hexe nicht jahrelang wie vom Erdboden verschollen gewesen. Ich bin mit meinen jungen Lenzen vielleicht nicht der richtige, der das damalige, einzigartige "Angel Witch" als vollkommenes Meisterwerk zu würdigen weiß und dadurch dem aktuellen Zapfenstreich nicht die bedingungslose Freude wie meine zahlreichen Kollegen entgegensteuern kann. Dennoch muss ich meinen weisen, allwissenden Kollegen hundertprozentig Recht geben: Gänsehaut, warme, vertraue Klänge und eine Band, die es allen noch mal beweisen will, machen "As Above, So Below" richtig fett und saftig. Wer auf bodenständigen, nostalgischen NWoBHM-Sound der alten, aber druckvoll produzierten Manier steht, sollte nicht lange fackeln und ANGEL WITCH eine erste, zweite oder dritte Chance geben.
Note: 8,5/10
[Marcel Rapp]
Es ist gemeinhin anerkannt, dass ANGEL WITCH vor über 30 Jahren eine der interessantesten und eigenwilligsten Bands des legendären britischen Heavy Metal-Bewegung waren. Kevin Heybourne und seiner neuen Begleitmannschaft gelingt es auf "As Above, So Below" wirklich erstaunlich gut, noch einmal eine ähnlich faszinierende Magie zu erzeugen wie damals. Dieser unverkennbare, warm sonore Gitarrensound mit den melancholischen LIZZY-Leads, die unorthodoxe Melodieführung, die tiefe Verwurzelung im Heavy Rock der Siebziger und das unverkrampfte Spiel mit sakraler Doom-Ästhetik machen diese aktuellen Aufnahmen zu einem denkwürdigen Erlebnis. Von Anachronismus kann hier keine Rede sein; diese Musik ist zeitlos im besten Sinne des Wortes. Bei aller fundamentaler Sympathie muss ich allerdings doch konstatieren, dass nicht alle Songs in gleichem Maße mitreißend und begeisternd geworden sind. (Auch wenn mich jetzt der eine oder andere Metal-Historiker steinigen wird: Das habe ich schon beim Hören des legendären Debüt-Albums so empfunden.) Während der gigantische Gänsehaut-Opener 'Dead Sea Scrolls', die prächtige Hymne 'Witching Hour' oder der unwiderstehliche Geniestreich 'Brainwashed' zu den ganz großen Momenten des noch jungen Metal-Jahrs gehören, bleiben Songs wie 'Gebura' oder 'Guillotine' in meinen Ohren recht holprig und nicht vollständig zu Ende gedacht. Konsequenterweise halte ich "As Above, So Below" für ein sehr starkes, wichtiges und kaufenswertes Album, aber in der Gesamtbetrachtung nicht für die ganz große Sensation, die vieler meiner Kollegen in der Platte sehen.
Note: 8,0 / 10
[Martin van der Laan]
- Redakteur:
- Thomas Becker