Gruppentherapie: EKTOMORF - "Vivid Black"
26.12.2023 | 15:17Sind 34 Minuten zu kurz oder zu lang?
Weihnachten ist vorbei, das Jahr aber noch nicht. Zeit also, den letzten Monat 2023 gruppentherapeutisch aufzuarbeiten. Fangen wir an mit EKTOMORF, eine Band, die eine der "zwiespältigsten Bands im Heavy-Metal-Kosmos" sein soll? Aber was haben die Ungarn denn Böses getan, dass sie einen solchen Ruf haben? Sind ihre Alben etwa zu kurz? Oder zu lang? Oder gibt es andere Gründe dafür, dass sie nur auf Platz 17 des Dezember-Soundchecks landen? Und ist Hauptrezensent Tobias (zu seinem Review von "Vivid Black") der einzige, dem die Musik gefällt?
Es tönt modern aus Richtung Ungarn. EKTOMORF, eine Band, die ich natürlich stilistisch immer eher in meinem musikalischen Randgebiet verortet habe, geht teilweise höchst abwechslungsreich zu Werke, was beispielsweise das Eröffnungsstück 'I'm Your Last Hope (The Rope Around Your Neck)' gleich mal zu einem wirklich tollen Stück Groove Metal macht.
Auch im weiteren Verlauf schafft es die Band, selbst in recht kurze Stücke Breaks und Wechsel zu integrieren. Dabei sind die Stücke durchgehend kurz gehalten, aber Kenner der Band erwarten auch nichts anderes. Trotzdem habe ich die Burschen eindimensionaler in Erinnerung. Dass einige Stücke trotzdem eher auf meine Nerven als in meine Beine gehen, wie beispielsweise 'I Don't Belong To You' oder 'You And Me', liegt an der grundsätzlichen Inkompatibilität des Stils und meiner Vorlieben.
Aber einige der Stücke, vor allem das Beginner-Triplett, gehen selbst mir gut rein. Prog-Groove-Metal kann gut sein, nur am Stück schaffe ich "Vivid Black" nicht. Wäre aber eine Top-EP geworden.
Note: 6,0/10
[Frank Jaeger]
Das Album ist zu kurz mit lediglich 34 Minuten. Da wäre noch Platz für ein, zwei weitere Songs gewesen, da sich auf "Vivid Black" eine sehr coole, düstere Atmosphäre aufbaut, die viel zu schnell wieder weg ist. Auch die etwas nachdenklichere, melancholischere Richtlinie auf dem 14. Album steht EKTOMORF sehr gut. Dadurch kommen die Songs noch gehaltvoller, tiefgründiger, aber nicht minder wuchtig rüber, was allein 'I'm Your Last Hope', 'The Best Of Me' und 'Die' zeigen.
Man merkt, dass Frontmann Zoltan mit diesem Album gewisse Ereignisse verarbeiten wollte, und diese Mischung aus Groove, Wut, Verletzlichkeit und Trauerbewältigung kommt "Vivid Black" sehr gut zu stehen. Zumal es auch die Stärken der Band herauskristallisiert ohne ihr Stillstand vorwerfen zu müssen. Es klingt reifer, durchdachter, aber auch verletzlicher.
Für mich ist "Vivid Black" ein tolles Album geworden, das zwar nicht auf einer Stufe mit "Instinct" und vor allem "Outcast" steht, aber den beiden Bandklassikern doch nahekommt.
Note: 8,0/10
[Marcel Rapp]
Leider nein, Marcel. Das Album ist nicht zu kurz mit 34 Minuten, sondern eher 20 Minuten zu lang. Das ist eine so eindimensionale Brüllwürfel-Veranstaltung, dass ich nach zwei bis drei Songs nur noch mit der Skip-Taste beschäftigt bin. Trotz vermeintlich "neuer" Einflüsse schafft es die Band kaum, memorable Akzente zu setzen und groovt und ballert sich kontinuierlich ins Abseits. Neben dieser beeindruckenden Belanglosigkeit geht mir dieses ständige Angebrülltwerden schon gewaltig gegen den Strich. Wenn man schon nicht die Abwechslungs-Karte ausspielen möchte, muss man wenigstens versuchen eine Atmosphäre zu kreieren, welche über Albumdistanz einen gewissen Sog entwickelt. Als Beispiel nenne ich mal "The Rise Of Brutality" von HATEBREED oder ein x-beliebiges THE HAUNTED-Album. Bei diesen Vertretern bekommt man zumindest diesen gewollten, aggressiven Arschtritt, um sich entsprechend abzureagieren.
Das gibt es hier aber leider nicht. So sind die Tracks einzeln zwar vollkommen in Ordnung (mehr aber auch wirklich nicht) und dürften auch in gewissen Playlisten funzen, funktionieren als ausgearbeitetes Gesamtwerk aber nur mangelhaft. Und wir bewerten hier immerhin Alben und keine Einzelsongs.
Note: 5,5/10
[Stefan Rosenthal]
Ist schon etwas her, dass ich EKTOMORF zuletzt gehört habe, deshalb höre ich mir erstmal ein paar der älteren Sachen an bevor ich mir "Vivid Black" vornehme. So zwei Tage vor Weihnachten bin ich eigentlich genau in der richtigen Stimmung für ein bisschen wütendes Geschrei, aber heute geht es mir dann doch recht schnell auf die Nerven. Alles scheiße, alles doof. Ich hab's verstanden, hier schreibt und singt ein sehr wütender Mensch.
Nichts dagegen, die Wut hinauszuschreien, aber hier fehlt mir das Individuelle, musikalisch wie inhaltlich. Es bleibt für mich eine Aneinanderreihung von Phrasen, das Persönliche höre ich hier nicht raus. Die Passagen mit Klargesang scheinen mir neu zu sein, das lockert etwas auf. Irgendwie ist das Ganze sicher ordentliches Livematerial. Ich kann mir vorstellen, dass man bei einem Konzert gut Spaß haben kann, es ist eingängig, aggressiv, so zum Mithüpfen und Mitgrölen passt das super.
Der Fairness halber muss ich allerdings auch sagen, dass ich musikalisch sonst eher in dunkleren, bis schwarzen Gefilden zu Hause bin. Der Song, der bei mir am Ende tatsächlich hängen bleibt, ist der letzte auf der Scheibe, 'REM'. Hier kommt etwas Abwechslung rein, er ist insgesamt langsamer und schleppender, ja, der gefällt mir.
Note: 6,5/10
[Barbara Sopart]
Die Jungs aus Ungarn gehören unbestritten zu den zwiespältigsten Bands im Heavy-Metal-Kosmos, was jeder auch anhand dieser Gruppentherapie sehen kann. Und wie immer liegt die Wahrheit wahrscheinlich irgendwo in der Mitte. Ich möchte nicht unbedingt behaupten, dass ich ein großer Fan von Zoltan und seinen Mannen bin, aber die musikalische Ausrichtung schmeckt mir grundsätzlich.
Zu Beginn als SEPULTURA-/SOULFLY-Klon verschrien, hat sich die Band mittlerweile mehr in Richtung MACHINE HEAD Ende der 90er entwickelt. Viel Groove, viel Energie und neuerdings eben auch ein paar thrashige Nu-Metal-Zitate. Ich gebe gerne zu, dass in den vergangenen Jahren die Hitdichte auf einem EKTOMORF-Album schon einmal größer, die Musik einfach zwingender und der Rotz noch ekliger war, aber "Vivid Black" klingt vor allem in der ersten Hälfte wieder so schön wütend und angepisst ('I'm Your Last Hope', 'Die', 'Never Be The Same Again'), da kann ich einfach nicht stillsitzen.
Ich kann sogar die vorangegangene Kritik verstehen und nachvollziehen, denn die zornigen Phrasen sind tatsächlich in kompakte und durchaus energetische Dreiminüter gepresst, die für sich gesehen ab und an funktionieren, auf Albumlänge aber eher kein Gesamtkunstwerk ergeben. Unter dem Strich bleiben aber einzelne Kraftpakete, die zünden. Daher ist "Vivid Black" sicherlich nicht das beste der nun vierzehn Alben, hat aber wieder seine (kleinen) Momente und die etwas mehr als dreißig Minuten Spielzeit verfliegen wie im Flug.
Ehrlicherweise ist aber EKTOMORF für mich schon immer vor allem eher eine coole Live-Band gewesen. Hier schraubt die Energie nämlich unaufhaltsam an der Rübe und die Grooves fahren mächtig ins Beinkleid. Zu Zoltans ausgestrecktem Mittelfinger muss man einfach hüpfen und tanzen – mit allen Händen und Füßen voraus natürlich.
Note: 7,0/10
[Chris Staubach]
- Redakteur:
- Thomas Becker