Gruppentherapie: GREEN LUNG - "This Heathen Land"
09.01.2024 | 21:40Die eierlegende Wollmilchsau ist grün.
Habt ihr wohl alle schon eure Listen fürs Jahr 2023 fertig? Ja? Aber habt ihr schon GREEN LUNG gehört? "This Heathen Land" ist Soundchecksieger geworden! Bei POWERMETAL.de. Im Dezember. Der letzte des Jahres 2023. Und lasst euch sagen, das bedeutet etwas. Drei Neuner, darunter ein begeisterter Stefan, und drei Noten mit ner Acht vorne sollten für sich sprechen. Nur unser lieber Mario hat wohl was Falsches genippelt und schläft hier fast ein. Ob es noch mehr solche Träumer hier gibt und "This Heathen Land" eine Lungentherapie braucht, erfahrt ihr in unserer therapeutischen Aufarbeitung. Ein Ergebnis nehme ich aber schon vorweg: GREEN LUNG scheint eine Art eierlegende Wollmilchsau zu sein, zumindest was musikalische Assoziationen angeht.
Mitreißend ist hier eigentlich wenig, "This Heathen Land" ist ein Album für den Kopf, für die Ohren, für das gesittete Kopfnicken, aber nichts für die Beine. Die originellen Briten sitzen zwischen den Stühlen Doom, Folk und Stoner, beamen sich aber stilistisch gerne mal mehr als vier Jahrzehnte zurück in der Zeit und orgeln im wahrsten Sinne des Wortes durch die Musikgeschichte. Ja, so richtig viel Metal passiert hier nicht, aber durchaus sehr abwechslungsreicher Rock, der dafür sorgt, dass die inhärent ruhige Scheibe einfach durchgehend Spaß macht. Wobei, Spaß ist nicht das richtige Wort, und dennoch bin ich begeistert von den zumeist reduzierten Kompositionen, denen manchmal nur die Orgel Fülle gibt. Dazu der gute, aber wenig gefeilte Gesang von Tom Templar, dessen nasales Organ möglicherweise nicht jedermanns Sache ist, aber für mich genau passt. Ich würde es als eine Mischung aus HAMMERS OF MISFORTUNE, aber weniger abgefahren, und SHEAVY, aber weniger rockig, aufgetakelt mit etwas Folk und Jon-Lord-Gedächtnis-Orgel bezeichnen. Das ist doch eine tolle Mischung!
Note: 8,5/10
[Frank Jaeger]
Eine durch und durch positive Überraschung ist es geworden, weil auch die Mischung aus Doom, Classic- und Stoner Rock zwar ab und an vorne, aber selten ganz weit oben zu sehen ist. Doch GREEN LUNG weiß es durchaus authentisch, gemütlich urige Songs mit schwermetallischen Nuancen zu verknüpfen wie es WITCHFINDER GENERAL oder PAGAN ALTAR machen. Mal episch, mal 70's Touch, mal stark auf Folk ausgerichtet, dazu auch ein Sound, der sowohl in die späten 60er Jahre als auch ins Hier und Jetzt passt, ohne altbacken zu wirken. Dazu ein sehr untypisches, aber irgendwie faszinierendes Artwork und Songs wie 'The Forest Church', 'One For Sorrow' und das finale 'Oceans Of Time', die schlicht und ergreifend toll sind. Wenn die Jungs weiterhin in schönen zwei-Jahres-Abständen solche Retro-Rock-Alben mit okkultem Touch und psychedelischen Momenten mit dieser Klasse kredenzen, kann man sich aus dem Hause GREEN LUNG auf einiges gefasst machen.
Note: 8,0/10
[Marcel Rapp]
GREEN LUNG bedient sich dermaßen schamlos bei Stilmitteln anderer Bands, dass man das durchaus verabscheuen könnte. Oder man hält der Band zugute, dass sie daraus eine ganz eigene Mischung zaubert. Dabei macht sie aber auch die Heterogenität zum bestimmenden Element. Was ich damit meine? "This Heathen Land" würfelt sich Song für Song durch die Musikgeschichte, relativ unberechenbar und dadurch immer wieder interessant. Nicht alles funktioniert - auf der Ebene der Songstrukturen, aber auch stilistisch. Zum Beispiel, wenn Sänger Tom Templar die Beine etwas zu eng zusammenkneift und die Melodien allzu testicle-gequetscht herauspresst. Oder wenn der Refrain nicht wirklich zündet und dadurch eher nervt - wie beim Okkult-Rocker 'Maxine', der gegen BLOOD CEREMONY meilenweit verliert. Ansonsten erinnert mich GREEN LUNG an die Übergangsphase von AMORPHIS, als die Band sich vom Death Metal verabschiedete und noch nicht den heutigen melodischen Finnen-Sound hatte. Eine Phase, die ich einfach großartig finde. Und da punktet auch GREEN LUNG. Die Prise DEEP PURPLE-Groove auf dem Album schadet natürlich auch nicht. Das rockt schon. Und Frank, ich pack mal die Adrenalinspritze aus. Dann geht auch was in die Beine!
Note: 8,0/10
[Julian Rohrer]
Ok, ich geb zu, ich bin total spontan und unvorbereitet in die Therapie hineingestolpert. Ich habe vorher nicht einen, einzelnen Song der Band gekannt, sondern lediglich das Review von Stefan gelesen, welches mich neugierig machte.
Das Album war nun eine interessante Abwechslung in meinem Player. Mit der Stimme kann ich anfangs noch gut, auf Dauer jedoch immer weniger. Musikalisch passt es größtenteils, die Band ist wohl gut aufeinander abgestimmt. Scheint eine runde Sache zu sein, doch mit Titeln wie 'Maxine' und 'Oceans Of Time' tue ich mich schon allein aufgrund des übertriebenen Synth-Einsatzes schwer. Bei dem ruhigen 'Song Of The Stones' mag ich die Melodie und das Konzept, doch stellenweise stört mich hier die Stimme. Das führt sogar so weit, dass ich mich frage, ob die Single eventuell durch eine tiefere Stimmfarbe aufgewertet würde. Der Intro-Titel und 'The Forest Church' haben mir gut gefallen, am besten ist mir aber 'One For Sorrow' ins Ohr gekrochen, da es mehr Abwechslung und auch mehr Heaviness bietet.
Persönlich finde ich, 'This Heathen Land' kann man mal hören, glaub aber nicht, dass es in meinem Player eine Wiederholung erfährt, was wohl auch daran liegt, dass weniger Doom enthalten ist als erwartet und die Folkkomponente sich hauptsächlich nur in den Lyrics widerspiegelt. Wem das Album rundum gefällt, die Jungs touren übrigens im Frühjahr ... mit ein paar Terminen in Deutschland.
Note: 7,0/10
[Susanne Schaarschmidt]
Es ist komisch, alle Texte, die meine Kollegen über GREEN LUNG verfasst haben, fühlen sich nur halbrichtig an, wenn man dann die Musik dazu hört, bringen es aber schlussendlich doch auf den Punkt, was die Band ausmacht.
Erstmal höre ich hier weniger Folk als ich ob der Texte erwartet hätte. Dann höre ich doch immer wieder satte Doom-Riffs, die ich anders als Frank schon als "metallisch" bezeichnen würde. Viele Lieder auf dem Album machen mir Spaß, und damit meine ich tatsächlich Spaß. Ansonsten trifft es Frank meiner Ansicht nach immer noch am besten. Die anderen Kollegen hören hier Parallelen zu solch unterschiedlichen Bands wie PAGAN ALTAR, HAMMERS OF MISFORTUNE oder AMORPHIS. Hier tut sich bei bei mir ein großes Fragezeichen auf. Das passt doch alles gar nicht zusammen!
Vielleicht liegt es ja am etwas quäkigen Gesang, der sich für mich aber sehr schnell zu einem liebenswerten Charakteristikum der Band wird. Wenn, dann habe ich hier aber eher eine Mischung aus OZZY OSBOURNE und FAITH NO MORE im Ohr, um noch zwei weitere völlig verschieden klingende Interpreten in den Ring zu werfen. Lustig, dass hier jeder was anderes hört.
Nach ein paar Durchläufen wird es aber immer deutlicher: GREEN LUNG ist trotz durch und durch vertrauter Klänge etwas sehr Eigenständiges gelungen. Und, lieber Julian, die meisten Refrains funktionieren für mich, bleiben sogar dauerhaft hängen und schreien manchmal stundenlang danach, wieder aufgelegt zu werden.
Meinetwegen braucht GREEN LUNG also keine fancy Buzz-Wörter wie "Elevated Okkult-Rock", um zu überzeugen, falls man es denn mal geschafft hat, hineinzuhören. GREEN LUNG ist völlig zu Recht Soundchecksieger. Also Leute, ran an den Speck. Jetzt!
Note: 8,5/10
[Thomas Becker]
- Redakteur:
- Thomas Becker