Gruppentherapie: IN APHELION - "Reaperdawn"

15.09.2024 | 22:22

Black-Metal-Orkan oder nur ein harmloser Regenschauer?

Die ersten Noten für den September-Soundcheck sind schon eingegeben und ihr könnt es sicher kaum erwarten! Ihr könnt euch aber gerne mit der letzten Gruppentherapie zum August-Soundheck die Zeit verkürzen! In dieser letzten Session für den Monat geht es ja gerne mal etwas abseits der Hörgewohnheiten zu, doch dies haben wir jetzt schon mit GRENDEL'S SŸSTER (toll, oder?) und EISREGEN (abgefuckt, ne?) abgedeckt. Wir widmen uns daher unserem Dritten des Soundchecks, IN APHELION. Die meisten Soundchecker finden den NECROPHOBIC-Ableger ziemlich gut, so auch Nils in seiner Hauptrezension. So die ganz große Euphorie wie für die schwedische Stammband kommt aber nicht auf, oder täusche ich mich da?

Lasst es uns kurz machen, damit ich nicht den einzigen Fehler selbst wiederhole, den die Band auf "Reaperdawn" leider begeht. Die Songs gehen spürbar zu lang und sind nach einem sehr ähnlichen Schema aufgebaut. Nach einem melodisch großartigen Beginn und Etablierung der musikalischen Themen bricht der Black-Metal-Orkan über uns herein. Dieser Teil ist aber weniger konsequent durchgezogen, als man es erwarten könnte und wirkt bei einigen Tracks geradezu gestreckt oder bemüht. Zum Ende kommt IN APHELION aber immer wieder in die Spur für ein fantastisches Finale mit Rückkehr zum Leitmotiv oder serviert dem Hörer sogar weitere melodische Variationen.

Hätte man hier die Songs noch etwas komprimiert, dann wäre "Reaperdawn" eine schwarzmetallische Offenbarung geworden und auf ähnlichem Niveau wie die letzten NECROPHOBIC-Fingerübungen. Somit ist noch etwas Luft für Album Nummer drei vorhanden. Davon abgesehen gibt es im August 2024 aber auch keine bessere Finsterperle zu hören. Also beide Daumen nach oben oder besser vier Finger gen Himmel. Welche? Was für eine Frage.

Note: 8,5/10
[Stefan Rosenthal]



Das zweite Album des aus den Corona-Umständen erwachsenen NECROPHOBIC-Nebenprojekts IN APHELION, das man mittlerweile ja getrost als Schwesterband bezeichnen kann, hat mich vollständig überzeugt. Kurz und knapp: Auf "Reaperdawn" stimmt für mich vom Opener 'The Fields Of Nadir' an sehr vieles, nahezu alles! Die Parts fließen ineinander und passen zusammen; Ruhe und eruptiv-atmosphärische Gitarrenriffs werden durch breakgespickte Rhythmusaufbauten in typische, blackmetallische, aber dennoch kontrollierte Raserei übergeleitet. Der Growl-Gesang passt, stört nicht und macht keine unpassenden Sperenzchen, wie mittlerweile des Öfteren bei so mancher Kapelle dieses Genres. Mal gelingt es eben, mal nicht. Dieses Risiko geht IN APHELION gar nicht erst ein. 'A Winter Moon's Glow' fasziniert sechs Minuten lang einfach als guter, sich steigernder, in seinen Parts nachvollziehbarer Black-Death-Banger, mit songdienlichen Leadgitarren-Parts. Flotter knatternd startet das geradlinigere 'When All Stellar Light is Lost', um sogleich ein luftiges, atmosphärisches und temporeduziertes Zwischenstück aufzubieten, nach welchem, durch ein schickes Break eingeleitet, ein herrliches und herrlich langes, rock'n'rolliges Gitarrensolo den Sechsminüter veredelt. Hier ist allerhöchste angeschwärzte Gitarrenkunst Programm. Das wird auch bei 'The Darkening' eindrucksvoll bewiesen.

Auf mich selbst wirken die Ästhetik der Musik sowie das gekonnte Spielen von und mit Übergängen in der Musik von IN APHELION sehr wohltuend und verführen gerne zum innehaltenden Zuhören. 'They Fell Under Blackened Skies' beginnt gniedelig, da hat Nils recht, prescht dann aber urplötzlich brachial los. Diese abwechslungsreichen Ideen, dass jedes Lied trotz häufiger Black-Metal-Signature-Parts ständig neue musikalische Abläufe und Aspekte aufweist, nimmt mich ungemein für IN APHELION ein, auch dass immer mal wieder einfach nachzuvollziehende Midtempo-Parts mit wunderschönen Gitarrenmelodien eingebaut werden. So gibt es im ersten Drittel von 'Further From The Sun' erneut eine bis dahin noch nicht auf der Scheibe vertretene Rhythmik, inklusive dramatischem Zwischenteil. Hier wird musikalisch und spielerisch opulent aufgefahren, quasi geklotzt und nicht gekleckert. Das schwarze Gerödel klingt dabei auch noch verständlich und macht mir als Konsument Spaß.

Der Titeltrack scheppert nach den ganzen längeren Stücken schließlich unerwartet ruppig-kurz in unter vier Minuten über die Ziellinie. Mit Spaß in den Bäckchen könnte man sagen, dass das wahrscheinlich die Hitsingle für die Rockradio-Stationen sein soll. Dem atmosphärischen Meisterstück des Albums wird dann die Ehre zuteil, das neue Album abzuschließen: Über acht faszinierende Minuten lang, führt mir 'Aghori' vor, und vor allem in die Ohren, wie Black Metal gespielt und aufgebaut sein muss, um auch mich als Zuhörer zu gewinnen. Ganz tolle Sache! Lediglich einen Punkt spare ich aufgrund des durchaus zu verbessernden, etwas blechernen Gitarrensounds und der einen oder anderen minimalen Länge ein. Außerdem brauche ich für das nächste Album sicher noch etwas Luft nach oben.

Note: 9,0/10
[Timo Reiser]



Black Death Metal... Da habe ich erst mit den Augen gerollt, da ich an diesen doch sonnigen Tagen eher wenig Lust habe, mir akustisch das Esszimmer verprügeln zu lassen. Aber erstens wissen die Schweden, wie man eine ordentlich hasserfüllte, schwarze Suppe kocht und zweitens, wie man die mit Ecken und Kanten und allerlei Atmosphäre richtig schön deftig und schmackhaft würzt. Und dann höre ich die Platte bei 35 Grad im Schatten und bekomme eine Gänsehaut bei Songs wie 'A Winter Moon's Gleam', 'The Darkening ' oder 'They Fell Under Blackened Skies'.

Obwohl sich also tolle Blastbeat-Attacken, Breaks und rasante Tempo-Manöver die Klinke in die Hand drücken, wirkt die Platte zu keiner Zeit überfrachtet oder zu viel des Guten, sind hier doch auch Musiker am Start, die wirklich gute Musik mit der Muttermilch aufgesogen haben: NECROPHOBIC, DISMEMBER, GRAVE, EXHUMED – da kommt einiges zusammen und das macht auf "Reaperdawn" den Reiz aus, zumal die Songs noch etwas konsequenter über die Ziellinie preschen. Gleichzeitig kommen sie aber dank akustischer Momente hier oder weiteren Breaks dort noch abwechslungsreicher daher. Das Album wirkt einfach noch etwas runder als noch "Moribund". Somit gibt es starke acht Punkte mit deutlicher Tendenz nach oben, da nicht nur eine gesunde Gänsehaut im September richtig guttut, sondern sich IN APHELION auch nochmals steigern konnte. Das gefällt mir doch sehr gut!

Note: 8,0/10
[Marcel Rapp]


Ich bin ein wenig überrascht ob der durchweg positiven Stimmen meiner Kollegen zum neuen IN APHELION-Release. Denn so wirklich packen will mich "Reaperdawn" auch nach mehreren Durchläufen nicht richtig. Es sind durchaus viele gute Ansätze vorhanden und 'A Winter Moon's Gleam' macht größtenteils wirklich Spaß. Aber mich erreicht die kreierte Atmosphäre nicht so wirklich. Ich fühle mich von dem Album nicht in seinen Bann gezogen. Und dann sind die Songs einfach zu lang.

Wenn man von der Stimmung mitgerissen würde, wäre die Länge nicht unbedingt das Problem. Gelingt dies aber nicht, so wie jetzt leider bei mir, dann stört die Länge der einzelnen Stücke leider schon. Vermutlich liegt es auch an der Dauer des Liedes, dass der Titeltrack mit seinen kurzen knapp vier Minuten am ehesten bei mir zünden kann. Wenn ich Musik von Tobias Cristiansson, dem ehemaligen GRAVE-Mitglied und aktuellem NECROPHOBIC-Musiker, hören will, greife ich dann doch lieber zur aktuellen Scheibe von NECROPHOBIC oder zu "Defilers Of The Light" von DARKENED, wo Tobias ebenfalls für die tiefen Töne verantwortlich ist.

Note: 6,5/10
[Mario Dahl]

Nun, wenn schon Mario, der die letzten NECROPHOBIC-Werke alle in den Himmel gelobt hat, mit IN APHELION Probleme hat, was soll es dann für mich werden, für den der Stil von NECROPHOBIC auf der Landkarte gern besuchter musikalischer Reiseziele in Ost-Sibirien liegt? Nun, schon bei NECROPHOBIC habe ich deren Klasse anerkannt, zum Beispiel in der Gruppentherapie zu "In The Twilight Grey". Und von daher gönne ich auch "Reaperdawn" ein paar aufmerksame Spins. Am Ende lande ich dann aber ganz nah an der Einschätzung meines unmittelbaren Vorredners.

Gehen wir also zunächst auf ein paar Schlagworte der ersten drei Therapeuten ein. "Black-Metal-Orkan", lieber Stefan? Nun, so ein richtiges Black-Metal-Gefühl habe ich hier nie; sollte hier eine Boshaftigkeit wie bei MAYHEM oder der letzten MARDUK (zur Gruppentherapie von "Memento Mori") verbreitet werden, so kommt das bei mir nicht an. Eine teilweise Erklärung dafür dürfte Timos Beitrag zum Gesang liefern: "Der Growl-Gesang passt, stört nicht und macht keine unpassenden Sperenzchen". Übersetzt heißt das für mich: Wir hören einen völlig austauschbaren Allerwelts-Growl-Gesang, der sich zu keiner Zeit traut, über die Stränge zu schlagen. Nee, wenn ich schon Black Metal höre, will ich so einen wie Aldrahn, Ihsahn oder Attila hören, etwas Schockierendes, Durchgeknalltes, vor den Kopf Stoßendes. Deshalb, lieber Marcel, steht hier nicht wirklich eine hasserfüllte, schwarze Suppe vor mir, und allzu viele Ecken und Kanten finde ich auch nicht. Alles gleitet irgendwie dahin, meist in ein relativ stressiges, aufgebretzeltes Klangbild gepresst, das leider nur selten Raum für ein wohliges Schaudern lässt.

Die Band spielt sehr technisch, extrem versiert und instrumental mit großer Sicherheit, und das ist der Aspekt, aus dem ich für mich ein paar Gefallenspunkte ziehen kann. Fast jeder Song wartet mit ein paar Stellen auf, die mich dann doch schon genauer hinhören lassen, mal sind es geile Melodeath-Riffs, manchmal die Melodien, manchmal die Soli. Von daher verfalle ich beim Hören von "Reaperdawn" auch nicht komplett in Langeweile. Das große Ganze, in das sich die gelungenen Einzelparts einfügen sollen, offenbart sich für mich aber bislang als ein unnahbarer und für meine Ohren eher unattraktiver Block. Da kam ich mit EISREGEN (auch ganz und gar nicht meine Musik!) deutlich besser zurecht (zur Gruppentherapie von "Abart").

Note: 6,0/10
[Thomas Becker]

Redakteur:
Thomas Becker

Login

Neu registrieren