Gruppentherapie: LORDI - "Screem Writers Guild"

31.03.2023 | 15:22

Ein bisschen Monsterparty? Zwar könnte die Atmosphäre für ein neues LORDI-Album inmitten des aufkeimenden Frühlings eine bessere sein, trotzdem hat auch "Screem Writers Guild", das bereits 18. Album der Finnen, seine ganz eigenen Sonnenseiten. Aber auch die Schattenseiten werden in dieser Gruppentherapie analysiert, zu der wir euch hiermit recht herzlich einladen möchten. Viel Spaß!

Natürlich möchten wir euch auch nicht die Review unseres Kollegen Frank vorenthalten, zu der ihr hier kommt.

 

Dank des LORDI-Overkills "Lordiversity" kommt die Monstertruppe aus Finnland aktuell auf sage und schreibe 18 Studioalben. Wir rechnen "Screem Writers Guild" hier natürlich mit, denn auch die aktuelle Monstershow ist durch und durch unterhaltsam und typisch LORDI. Und seien wir einmal ehrlich: Diese stark in den AOR-Bereich schielende Ausrichtung, die die Band schon seit einigen Jahren vermehrt anstrebt, steht ihr ziemlich gut, denn gemeinsam mit dem noch immer unterhaltsamen Horror-Image und nicht allzu plumpen, verstaubten Ideen gehen Songs wie 'Dead Again Jayne', 'Unliving Picture Show' oder 'Thing In The Cage' einfach bockstark ins Ohr. Zwar ist speziell dem Ende hin nicht alles Gold, was gruselig glänzt, doch den Großteil der 55-minütigen Spielzeit weiß "Screem Writers Guild" zu überzeugen. Dazu ein geschmackvolles Artwork, die eine oder andere Ohrwurmmelodie, das tolle Horrorstadionflair und ein Frontmann, der in Sachen Kreativität schlichtweg nicht müde wird. Nein, ich höre mir auch heute noch sehr gerne LORDI-Alben an, mag man von der Band halten, was man will. Aber sie weiß sich immer neue, überzeugende Sachen einfallen zu lassen, ohne auf der Stelle zu treten oder gänzlich neue Pfade zu gehen.

Note: 8,0/10
[Marcel Rapp]

"Rrrrrr ... rrrrr", oh entschuldigt bitte mein Schnarchen, ich muss kurz weggenickt sein, während ich mir "Screem Writers Guild" erneut für unsere Gruppentherapie angehöhrt habe. Na gut, so schlimm ist der neue LORDI-Langspieler natürlich auch wieder nicht, dennoch werde ich das Gefühl nicht los, dass mein Kollege Marcel eine andere Scheibe auf dem Plattenteller hatte. Ich höre hier nämlich nur sehr wenige Songs, die mich an die Hochphase der finnischen Horror-Rocker erinnern und echtes Hit-Potential haben. Dazu sind die Songtitel und Texte, die usprünglich mal herrlich witzig mit dem Horror-Aspekt der Band spielten, fürchterlich vorhersehbar geworden und lösen bei mir maximal ein leichtes Schmunzeln aus. Schlussendlich fehlt mir bei der neuen AOR-Ausrichtung der Monster ein bisschen der hart rockende Biss, der LORDI ursprünglich zu einer solch spannenden Band gemacht hat. Warum komme ich dann doch auf 7 Punkte? Nun, gegen den absoluten Rohrkrepierer "Lordiversity", den man wohl als gescheitertes Experiment abtun muss, ist "Screem Writers Guild" ein Schritt zurück in die richtige Richtung, auch wenn noch lange nicht alles scharfe Hookline-Klauen hat, was die finnischen Horrorgestalten hier so zelebrieren.

Note: 7,0/10
[Tobias Dahs]

LORDI ist eine Bank, das steht mal fest. Der nordische Hardrock ist sicher an keiner Stelle besonders innovativ, aber das gilt ja nun einmal bekanntlich für mehr als 99 Prozent aller Combos. Dafür schaffen es die Finnen aber regelmäßig, ihre Mixtur aus Hardrock, AOR und Metal mit der eigenen, mehr oder weniger lustigen Horror-Thematik schmackhaft anzurichten. Ich muss allerdings zugeben, dass ich bei dem Sieben-Decker "Lordiversity" bisher die Waffen gestreckt habe, weil ich damit auf einmal überfordert war, aber ein einzelnes LORDI-Album ist immer eine kurzweilige Angelegenheit. So auch hier, mir gefallen die Keyboards und die zunehmende allgemeine Melodic-Rock-Ausrichtung ebenfalls gut, auch wenn man bei dem Versuch, möglichst viel Abwechslung zu bieten, manchmal leicht daneben liegt, wie beispielsweise bei dem zu langen und eher biederen 'Thing In A Cage', dem vielleicht thematisch notwendigen, aber sonst ziemlich langweiligen 'End Credits' und auch dem doch zu schlagerhaften 'The Bride'. Aber dafür entschädigen Kracher wie der Opener 'Dead Again Jayne', die AOR-Hammer 'Unliving Picture Show' und 'In The Castle Of Dracoolove' und das knackige 'Lucyfer Prime Evil'. Die meisten Lieder ordnen sich dazwischen ein, zeigen die bandtypischen Wortspiele und sind einfach unterhaltsam. So gesehen weitgehend gut, aber manchmal dann doch zu platt. Wie bewerte ich das? Bei 7,0 Punkten beginnt bei mir eigentlich der kaufenswerte Bereich und da ist "Screem Writers Guild" doch deutlich drüber, aber dass es regelmäßig laufen wird, erwarte ich auch nicht. Damit ist diese Note die logische Schlussfolgerung.

Note: 7,5/10
[Frank Jaeger]

Was haben LORDI, KAMELOT und auch NIGHT DEMON außer der gemeinsamen Teilnahme am März-Soundcheck noch gemeinsam? Sie haben, auf unterschiedlichem Niveau versteht sich, alle mit dem ersten regulären Song auf dem neuen Album bereits ihren Höhepunkt erreicht. Hoffen wir mal, dass das kein unschöner Trend wird, denn so folgt eine Ernüchterung oder Enttäuschung unweigerlich auf dem Fuße. Grundsätzlich macht LORDI mit diesem stilistisch tollen Artwork, dem spannenden Konzept (zumindest als Cineast) und dem Opener 'Dead Again Jayne' nämlich vieles goldrichtig und nimmt direkt mal Fahrt in Richtung Oscars auf, was nach dem "Lordiversity"-Overkill so kurze Zeit später nicht erwartbar war. Mit der endlosen Filmklassikermenge (insbesondere der Hammer-Studios) in der Rückhand besteht auch Potential für ein fantastischen Album – nur leider lässt LORDI diese Steilvorlage ungenutzt. Weder schaffen es die Finnen auf der einen Seite eine entsprechende Atmosphäre zu erschaffen und mit Easter-Eggs, Cameos und Filmzitaten zu begeistern, noch auf der anderen Seite Songs zu kreieren, welche zumindest qualitativ über 7 Punkte abliefern. Ich werde das Gefühl nicht los und der immense Output der Band scheint das zu belegen, dass LORDI einfach mal alles veröffentlicht, was nicht bei zwei auf der Friedhofsmauer ist. So beinhaltet auch "Screem Writers Guild" eine erdrückend schwere Anzahl an typischem B-Seiten- und Füller-Material. Also Mr. Lordi, wenn du das hier liest und auch wenn es als Künstler immer schwerfällt, macht doch bitte endlich mal eine kreative Pause. Schreibt meinetwegen auch weiterhin 100 Songs in 100 Tagen und sortiert dann aber alles rigoros aus, was nicht durchgängig musikalisch fetzt und veröffentlicht dann gefiltert die besten zehn Songs aus drei Jahren LORDI. Denn um einen Filmklassiker zu erschaffen, braucht es auch nicht nur einen formidablen Regisseur, sondern auch einen kongenialen Produzenten, der dem Spielleiter genau die notwendige Freiheit zugesteht, aber bei zu viel Kreativität auch mal die bereinigende Hand spielt und wesentlich fokussierter auf das Endprodukt ist. Das fehlt LORDI anscheinend im Moment völlig.

Note: 6,5/10
[Stefan Rosenthal]

Ich bin froh, dass ich mich noch nie wirklich großartig mit LORDI beschäftigt habe, denn wenn ich lese, dass "Screem Writers Guild" schon der 18. Langspieler innerhalb von gerade mal 20 Jahren ist und auch Kollege Rosenthal bemängelt, dass mal eine kreative Pause angemessen wäre, würde es mir wohl ziemlich auf den Keks gehen, dass eigentlich jedes Jahr irgendetwas Neues veröffentlicht wird. Dazu kommt ja noch die "Lordiversity"-Serie, von der wohl viele ziemlich überwältigt gewesen sind, und die ich ebenfalls als ziemlich gelungenes Unterfangen bezeichnen würde, da mich besonders die Disco-Party "Superflytrap" überzeugt hat. "Screem Writers Guild" ist nun das erste Album nach dem Allerlei der Tributalben an die Jahrzehnte und kann mich abgesehen von ein paar Schwachpunkten doch stark überzeugen. So erweisen sich die beiden Zwischenspiele, die wahrscheinlich für die nötige cineastische Atmosphäre sorgen wollten, als ziemlich unnötig und peinlich und auch die Länge von knapp einer Stunde ist nicht unbedingt erforderlich. Hier könnte das Album ruhig um ein paar Songs gekürzt werden, die dann später gut als Bonussongs herhalten könnten. Absolute Rohrkrepierer kann ich aber unter den zwölf regulären Songs nicht ausmachen und wenn ein Großteil des Albums dann auf der einen Seite cool locker-rockend und auf der anderen Seite mitreißend-schmalzig über die Ziellinie kommt, dann haben wir es hier mit einem hochklassigen Album zu tun. Zu den absoluten Highlights gehören dabei 'Vampyro Fang Club', 'Scarecrow' und die wirklich toll aufgezogene Kitschballade 'End Credits'. Natürlich kann man die fehlende Härte bemängeln, jedoch finde ich, auch als jemand, der die früheren Werke der Band nur rudimentär kennt, dass diese Melodic Rock/AOR-Schlagseite der finnischen Institution gut zu Gesicht steht. Wir sehen uns dann nächstes Jahr zum 19. Langspieler, hehe.

Note: 9,0/10
[Kenneth Thiessen]

Redakteur:
Marcel Rapp

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