Gruppentherapie: MACHINE HEAD - "Unto The Locust"

23.10.2011 | 12:32

Ist es ein Qualitätsmerkmal, wenn selbst Menschen, die bisher MACHINE HEAD verachtet haben, nichts Schlechtes über die Band sagen können? Ja, das ist wohl so. "Unto The Locust" ist nich nur das "Album des Monats" Oktober, sondern vielleicht sogar das beste Album der Band bisher.

MACHINE HEAD ist für mich neben PANTERA die Band, die meinen Heavy Metal mit Elementen versetzt hat, die da für meine Bedürfnisse nicht hingehören. Um Dynamik zu erzeugen, muss man seine Instrumente nicht tiefer stimmen und um Aggressionen abzulassen, muss man nicht wie ein Wasserbüffel mit Durchfall herum brüllen. Und das extrem prollige Auftreten der Musiker hat es mir einfach gemacht, MACHINE HEAD nicht gut zu finden. Selbst das musikalisch teilweise recht anspruchsvolle letzte Album erzeugt bei mir nur ein Schulterzucken. Über teilweise angeführte Vergleiche zu RUSH kann ich allerdings herzhaft lachen. Und nun rauschen die vier Burschen mit "Unto The Locust" in unseren Soundcheck und ich komme nicht umhin, mich noch näher mit ihnen zu beschäftigen, als es mir eigentlich lieb ist. Wie man meiner Note ansehen kann, muss ich bei dem aktuellen Werk meine Aversion bei Seite legen, denn Robb Flynn und seine Freunde zocken sieben astreine, relativ traditionell angelegte Thrashgranaten herunter, die sogar bei mir schnell zünden. Auf überflüssige Kopftöne wird fast komplett verzichtet und auch die Produktion ist angenehm saftig und dynamisch. Klar, hier und da hört der kritische Freund des Old-School-Bay-Area-Thrashes Passagen, die ihn kurz zusammen zucken lassen, aber eine Nummer, wie die akustisch eingeleitete Killertüte 'The Darkness Within' ist mal ein echter Maulsperrer. Der Junge kann sogar richtig singen. Cool. Und pfeilschnelle Wutbratzen wie der lange Opener 'I Am Hell' oder das durch den fulminanten Chorus als bombastisch durchgehende 'Who We Are' werde ich auch später immer mal wieder gern auflegen. Überraschung gelungen.

Note: 7,5/10
[Holger Andrae]


"Let Freedom Ring With A Shotgun Blast!" Ja, das hat mich damals gehörig geweckt. Und vor SLAYER mächtig gerummst. Allerdings war mir das dann doch zumeist zu heftig und der Reiz, mir weiterhin die jeweils aktuellen Alben zuzulegen, war dementsprechend gering. Und dann? Dann kamen die Herren auf die Heuschrecken (was meinen die eigentlich damit?) und machten zwar nicht alles anders, aber vieles besser. Das gezwungen brutale Geröchel hat Platz gemacht für Melodien, und das tiefer gelegte repititive Nu-Extreme-Metal-Geriffe hat sich schmollend in den Winkel verzogen. Dafür schaut die gute, alte Zeit wieder durch, in der die Härte kreiert wurde, aber noch nicht nicht zum Selbstzweck verkommen war. Kennt noch jemand VIO-LENCE? MACHINE HEAD haben die erste Dekade des Jahrtausend stilistisch erfolgreich zurückgelassen und machen jetzt wieder Lieder, die hart sind, aber auch Raum für Musik lassen, ohne ausschließlich auf die Genehmigung des Circle Pits zu zielen. Oder anders gesagt: MACHINE HEAD haben in ihrer musikalischen Beschreibung als "Post Thrash" einfach mal das "Post" gestrichen.

Note: 8,5/10
[Frank Jaeger]

Ja, da ist er nicht alleine, der Meister Holg. Auch in meinem Hinterstübchen galten die Maschinenköpfe lange Jahre als eine der Bands, die den Metal getötet haben. Zu sehr haben mich die prollige Aggroschiene, der völlig unmelodische Ansatz in Gesang und Riffing und die metalfremden Crossover-Elemente in den Neunzigern angewidert. So konnte das lange Zeit nichts werden mit MACHINE HEAD und mir. Klar, einzelne Songs aus der ersten Phase habe selbst ich inzwischen schätzen gelernt und "The Blackening" war sicher kein schlechtes Scheibchen, wenn auch etwas langatmig. Mit der neuen Scheibe schaffen es Robb Flynn und seine Mannen jedoch tatsächlich, bei mir erstmals mehr als nur Akzeptanz zu erlangen. Das liegt an der relativ neu entdeckten melodischen Ader der Band, die zum Beispiel den Opener als herrlich riffenden Bastard aus SLAYER und SYSTEM OF A DOWN präsentiert und sich nicht scheut, auch mal richtig gesungene Refrain-Passagen, verspielte Gitarrenleads der wirklich klassischen Thrash-Schule oder gar akustische Passagen zu präsentieren. Klar, hier und da fällt die Band schon in alte Schemata zurück, und der New-Metal-Skeptiker fragt sich, ob das denn unbedingt hätte sein müssen, aber im Großen und Ganzen überwiegen auf jeden Fall die positiven Eindrücke, so dass MACHINE HEAD mit "Unto The Locust" nun auch auf der Schatzkarte der Traditionalisten ein kleines Kreuzchen wert sind.

Note: 7,5/10
[Rüdiger Stehle]


Warum verhält sich der Metal (oder sein Fan) eigentlich immer wie ein verletzliches Mimöschen? Mitte der Neunziger lief er also sogar Gefahr, durch böse, schlimme Bands wie MACHINE HEAD getötet zu werden? Ob das stimmt oder nicht sei dahingestellt, Fakt ist, dass Metal anno 2011 immer noch sehr lebendig ist. Mit Schuld sind daran MACHINE HEAD, die für mich seit 17 Jahren live und auf Platte ein wichtiger Bestandteil dessen sind, was ich mit Metal verbinde und was ihn lebendig macht. Und somit ist es mehr als ein Lob, dass ich meine septemberseelige Progeuphorie mit Alben von DREAM THEATER, OPETH und STEVEN WILSON gerne unterbreche, um mir mal wieder eine Salve guten, brachialen Bonebreaker-Metal einzuverleiben. Eigentlich nehme ich es als selbstverständlich hin, dass auch die Neue wieder toll sein wird. Sorgen mache ich mir nur ob der Rezis der Kollegen, die diese sympathische(!) Bande um Robb Flynn bislang immer verachteten und nun auf einmal irgendwas Traditionelles, Old-schooliges entdecken und wahrlich gute Noten zücken. Angst?
Tja, in der Tat ist der Sound auch auf "Unto the locust" mal wieder verändert worden, vor allem wenn man noch das sperrige "The Blackening" im Ohr hat. Die Songs sind im Durchschnitt einfacher gehalten, desweiteren wird auch mal das Gaspedal erstaunlich staight durchgedrückt und manche Melodie-Linien gehen sofort ins Ohr. Bei einem Song wird sogar into glory geridet ('Who We Are'). MACHINE HEAD auf MANOWAR-Kurs also? Ach, mitnichten. Flynns Stimme ist immer noch aggressive as fuck und macht mal überhaupt keine Gefangenen. Die typischen Grooveriffs mit den aus einem mir völlig schleierhaften Grund Verdruß verursachenden Obertönen (pinch harmonics) fndet man immer noch ('Locust') und die neu entstandene Freiheit durch geringere ryhthmische Komplexität wird von Lead-Gitarrist Phil Demmel erbarmungslos genutzt, um sich nun endgültig in die Champions League der Gitarrenmeister zu katapultieren. Die Musik ist sehr intelligent komponiert, abwechslungsreich, hart und dennoch melodisch, aber so hab ich die Musik von MACHINE HEAD schon immer empfunden. Also ein weiteres tolles Album einer der spielstärksten Metalbands, diesmal mit Fokus auf mehr Harmonie als bei den Alben zuvor. Neun? Neun. Neun!

Note: 9,0/10
[Thomas Becker]

Das, was Rob Flynn und seine weiteren Maschinenköppe anno 2011 auf die Menschheit loslassen, erfreut nicht nur einen größeren Teil unserer Redaktion, sondern dürfte sich wohl als DIE Überraschung des Herbstes erweisen. So fahren MACHINE HEAD mit ihrem nunmehr siebten Studiowerk "Unto The Locust" die volle Breitseite auf und lassen Old-School-Thrasher wie mich mit Fug und Recht staunen. Da dachte man, dass das Quartett aus Oakland bereits zu "The Blackening"-Zeiten ihren persönlichen Zenit erreichten, aber weit gefehlt, da die insgesamt sieben (auf der limitierten Edition zehn) Stücke des neusten Wellebrechers aller Ehren wert sind. Hier trifft spielfreudige Präzision auf eine unnachahmliche Wucht, ein spezielles Flair dieser berühmt berüchtigten alten Schule und zu guter letzt auf einen Frontmann, der zwar schon viele Jahre auf dem Buckel hat, aber mit "Unto The Locust" wohl das beste Album seiner Karriere aufnahm. Ob wir es nun mit dem majestätischen Dreiteiler von Opener, dem zunächst etwas ruhigen, sich aber dann zu einem wahren Killer entwickelnden 'The Darkness Within' oder dem heroischen 'Who We Are' zu tun haben. Wir sind uns wohl alle einig, dass MACHINE HEAD mit Fug und Recht auf dem goldenen Tablett des Oktobers landeten. Völlig ungeachtet dessen, unter welche Rubrik die Herren mit "Unto The Locust" fallen. Ist es nun (noch) Neo Thrash, oder traditioneller Thrash Metal oder Groove Metal oder Post Thrash, ich weiß es nicht. Doch eines steht felsenfest in der Brandung: Album Nummer sieben ist bärenstark und hätte wohl niemand derartig erwartet. Flynn, du alter Schwerenöter, du hast es mal wieder geschafft.

Note: 9,0/10
[Marcel Rapp]

Redakteur:
Peter Kubaschk

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