Gruppentherapie: OBITUARY - "Dying Of Everything"
26.01.2023 | 14:25Der Januar ist wieder gewaltig geworden. Denn nicht nur unser Soundcheck ist wieder da, nein, auch unsere Gruppentherapien sowie die US-Deather von OBITUARY sind mit neuem Futter am Start. Pfiffig wie wir sind, kombinieren wir beide Parteien miteinander und beschäftigen uns in illustrer Runde mit "Dying Of Everything", dem neuen OBITUARY-Album, das im Januar-Soundcheck den mehr als ordentlichen fünften Platz belegt hat. Here we go.
Natürlich möchten wir euch auch nicht die Voll-Review unseres Kollegen Mario vorenthalten.
Nun, meine liebste Death-Metal-Band war OBITUARY zwar nie, doch habe ich  die Großtaten der Florida-Jungs stets gemocht und geschätzt. Vor allem  der 2014er Vorschlaghammer "Inked In Blood" war ein amtliches Brett. Nun  wütet Album Nummer elf in meinen heimischen vier Wänden und lässt mich  etwas ratlos zurück. Die Songs per se könnten OBI-typischer nicht  ausfallen: 'Barely Alive' bockt in schneller Manier, das Titelstück ist  ein guter Repräsentant für die gesamte Platte, 'Weaponize The Hate' ist  mein heimlicher Hit und 'The Wrong Time' bleibt in Sachen Rhythmik ein  absoluter Lichtblick. Auch wenn die restlichen Songs - und hier seien  auch die Groove-Monster 'Torn Apart' und 'Be Warned' erwähnt - in Sachen  Brutalität nahezu keine Wünsche offen lassen, erstickt der erschreckend  matschige, teilweise dumpfe Sound meine Euphorie ob der doch starken  Songs im Keim. Und wenn wir denen gegenüber auch eher mittelklassiges  Material wie die belanglosen 'My Will To Live', 'By The Dawn' und 'War'  stehen haben, bei dem auch ein bestens aufgelegter John Tardy nichts  mehr retten kann, dann wechseln sich auf "Dying Of Everything" Licht und  Schatten ab; ein Gegensatz, der auf den letzten Alben nicht so  deutlich ausfiel. Dennoch gibt es Pluspunkte für das superbe Artwork,  jene Songs, die die Nackenmuskulatur erbarmungslos in Wallungen versetzen  und - Hand aufs Herz - den Legendenstatus, den OBITUARY seit fast vier  Dekaden genießt. 
Note: 7/10
[Marcel Rapp]
Eine neue OBITUARY-Scheibe ist etwas ganz normales geworden - früher war  es irgendwie noch besonders, doch mittlerweile gehören die Jungs zu den  regelmäßig veröffentlichenden Konstellationen. "Dying For Everything"  ist nun auch schon das elfte Studio-Album geworden, und es dauerte  stolze fünf Jahre, bis es fertig gestellt wurde. Was kann ich nach ein  paar Spins sagen? Es gibt absolut gewohnte Kost, und das ist auch genau  das, was ich mir erhofft habe. Super groovig-walzender Death Metal, mit  einem etwas variableren, aber nie kommerzialisierten Gesang, dazu genau  die Sorten Harmonien, die ich mir im Death Metal erträume.  Qualitätsarbeit eben. Da ich keine miesen Songs ausmachen konnte, kann  ich die Scheibe nicht nur allen Band-Fans empfehlen. Wer seinen Death  Metal traditionell, authentisch und eingängig mag, ohne technischen  Firlefanz, Melo-Death-Harmonien, angeschwärzte Momente oder  Core-Anfälle, der ist hier bestens bedient. Death Metal, wie aus dem  Bilderbuch. Gute Arbeit, Jungs!
Note: 8/10
[Jonathan Walzer]
Es ist immer wieder schön und beruhigend ein Album einer Band vor sich  zu haben, bei der man weiß, dass sie ihr Handwerk schon lange versteht  und schon zum alten Schlag gehört. Denn es ist nicht mehr  selbstverständlich, dass jede Band, die in den ereignisreichen 80ern  gegründet wurde, heute noch existiert, geschweige denn Alben veröffentlicht. So geben sich die fünf Floridianer anno 2023 wieder einmal  keinem Experiment hin und spielen einfach ihre Stärken aus, die wohl die  meisten Fans mehr als zufrieden stellen müssten. Auf "Dying Of  Everything" findet sich jede Menge Groove, wozu sich die gewohnte  Portion Uptempo-Nummern à la 'Barely Alive' und dem Titeltrack gesellt.  Abgerundet wird das Ganze dann mit einem ganz zähflüssigen  Death/Doom-Track ('Be Warned'), womit man wieder ein bärenstarkes Death-Metal-Album im Kasten hätte und auch der jungen Konkurrenz wieder einmal  zeigt, dass die technischsten Songs, die melodischsten Soli,  komplexesten Riffs und die objektiv gesehen sauberste Produktion gegen  ein Album von OBITUARY einfach immer den Kürzeren zieht. Denn so  unwiderstehlich grooven kann nur das Urgestein. 
Note: 8,5/10
[Kenneth Thiessen]
Die Spötter unter uns haben bereits bemerkt, dass die neue OBITUARY  nicht so recht zum Lewandowski-Artwork passen möchte. Oder anders herum.  Nun, normalerweise läuft mir Musik mit den Bildern des leider  verstorbenen Polen äußerst gut rein. OBITUARY hingegen konnte mich noch  nie hinter dem Ofen hervorlocken. Ja klar, Florida-Death-Speerspitze und  so. Aber es muss eine geheime Zutat in den amerikanischen Sümpfen  geben, die auch auf "Dying Of Everything" wieder in den Trank gemischt  wurde. So finde ich keinen der Songs auf dem Album wirklich schlecht,  sondern unter dem Strich schon wirklich ok. Aber ich käme nie darauf,  außerhalb des Soundchecks OBITUARY aufzulegen. Um es konkret an diesem  Album festzumachen: 'Barely Alive' oder 'Weaponize The Hate' sind  ordentlich wütende Nummern, die live garantiert gut knallen. Aber was  bitte soll dann 'War' sein? Der Flow der LP war schon nach drei Songs  nicht mehr vorhanden; und das, obwohl der wirklich gute Titeltrack erst  noch folgt. Ich kann es kaum ausmachen, was den weiteren Tracks  schließlich fehlt. Denn die Tardys und ihre Mitstreiter machen kaum  etwas falsch. Aber für meine selektiven Death-Metal-Ohren leider auch  nichts besonders richtig. 
Note: 7/10
[Nils Macher]
Die bisherigen Beiträge zeigen zum Guten wie zum Bösen ja schon fast das  ganze Spektrum an Meinungen auf, die man zu OBITUARY so haben kann, so  dass es mir gar nicht leicht fällt, der Gruppentherapie ganz am Ende  noch nennenswerte Impulse zu geben. Daher wollen wir es am  Gesamtergebnis des Soundchecks aufzäumen, das mich letztlich doch massiv  überrascht hat. Warum? Nun, ganz einfach: Ich hätte es mir nicht  träumen lassen, dass in einem Monat mit einem  solchen klassischen Death-Metal-Doppelschlag am Ende die MEMORIAM als  Dritte zwei Plätze höher ins Ziel kommt als die OBITUARY als Fünfte, und  Nils und Marcel haben das auf dem Gewissen, die alle beide die Willets-Bande doch deutlich stärker einstufen als die Tardy-Gang. Warum sie das  tun, das habt ihr ja gelesen. Nils vermisst die kompositorische  Stringenz und Konstanz des OBITUARY-Albums, und Marcel stört sich am  vermeintlich matschigen Sound. Nun, bei Nils kann ich ein Stück weit  mitgehen, denn mit dem besagten 'War' hat die Scheibe durchaus recht  früh im Gefüge einen spürbaren Durchhänger, den die anderen Stücke aber  locker wett machen. Den Sound indes finde ich phänomenal gut. Genau das  ist es doch, was den guten alten Death Metal der ganz alten Schule  ausmacht, und was ich meinerseits bei MEMORIAM ein Stück weit vermisse:  Ein modriges, verkommenes, fettes, diffuses Braten der Klampfen, wie  einst im Mai an der schwedischen Ostküste. Daher, also gerade des Sounds  wegen, schlägt mein Herz für die Floridianer einen Tick stärker als für  die Briten, auch wenn es auf einen halben Zähler hinaus knapp war. Nur  bevor jemand meint, ich würde die Briten nicht mögen. Weitere Argumente  für die OBITUARY sind natürlich John Tardys nach wie vor unnachahmliche,  fiese Vocals, die immer wieder vorhandenen deutlichen Verneigungen  vor CELTIC FROST und das grandiose Artwork des leider viel zu früh  verstorbenen Herrn Lewandowski. Daher mein Monatssieger, gleichauf mit  URIAH HEEP.
Note: 8,5/10 
[Rüdiger Stehle]
- Redakteur:
 - Marcel Rapp
 
	





