Gruppentherapie: PESTILENCE - Resurrection Macabre
31.03.2009 | 23:58Die niederländischen Prog-Deather stellen sich mit ihrem Comeback dem Intensivtest des Kollegiums. Sind die Therapeuten überfordert? Oder waren die fünfzehn Jahre Abstinenz zu lang?
Auch PESTILENCE sind auf die weiter anhaltende Reunion-Welle im Metal-Biz aufgesprungen und haben über fünfzehn Jahre nach ihrem Verschwinden der Szene ein Comeback-Scheibchen namens "Resurrection Macabre" ausgeknobelt. Angekündigt wurde das Scheibchen als Schnittmenge zwischen "Testimony Of The Ancients" und "Consuming Impulse". Diese Einordnung erweist sich als weitgehend zutreffend. PESTILENCE präsentieren sich kompositorisch und spielerisch auf ihrem aktuellen Streich in erstaunlich guter Form. Abgesehen von dem bei mir erst spät zündenden Opener 'Devouring Frenzy' wirkt "Resurrection Macabre" qualitativ homogen und sogar noch etwas brutaler als die anderen Veröffentlichungen der Band. Die Growls von Sänger und Gitarrist Patrick Mameli tönen jedenfalls eine ganze Ecke fieser als noch zu "Spheres"-Zeiten und gerade in Sachen Gitarrenarbeit fahren PESTILENCE die volle Breitseite auf.
Blastbeats werden dabei wohl überlegt aber entsprechend vehement eingesetzt. Brutalo-Geschosse wie 'Synthetic Grotesque' oder das an MORBID ANGEL erinnernde 'HangMan' - dessen Grundriff deutlich an 'Pain Divine' angelehnt ist - garantieren eine amtliche Abfahrt. Die progressive "Spheres"-Phase wird von Mameli und seiner Mannschaft gottlob nicht ganz ausgeklammert. Fusion-Elemente wie auf "Spheres" oder bedrohlich klingende Keyboard-Intros wie auf "Testimony Of The Ancients" gibt es zwar keine, aber die progressive Seite von PESTILENCE findet im Stück 'Fiend' einen markanten Niederschlag. Auf druckvolle Blasts folgen dissonante Gitarrenriffs und schwer malmende, etwas sperrige Liedstrukturen, zu denen Mameli garstig ins Mikrophon grollt. Auch die neu eingespielten alten Stücke des Backkatalogs werden prima ins Jahr 2009 transportiert. PESTILENCE präsentieren mit "Resurrection Macabre" ein hochwertiges Todesblei-Album, das hinter den Klassikern der Band nur geringfügig zurückbleibt. Abgerundet wird dieses Scheibchen durch eine fette Produktion und ein cooles Artwork. Fazit: Hörenswert und überraschend gut!
[Martin Loga]
Ich bin praktisch ein PESTILENCE-Neuling, wurde von den Redaktionskollegen ins kalte Wasser geschmissen ("Das gefällt dir sicher!") und schwimme jetzt durch den brutalen Strom dieser Neuentdeckung. Dass die Band doch schon einige Jahre mehr auf dem Buckel hat, hört man zumindest diesem Album nicht an, und so kann ich allen Quereinsteigern gleich mal ans Herz legen, dass das, was hier kommt, garantiert ein gefundenes Fressen für jeden ist, der auf groovige, teils verfrickelte und aggressive Death-Metal-Klänge steht. PESTILENCE lassen es mit 'Devouring Frenzy' gleich mal dermaßen krachen, dass einem fast die Ohren wegfliegen und dieses brutale Tempo wird auch konstant gehalten. Wütend? Dann greife zu PESTILENCE! Lust auf Headbangen? Dann ebenfalls! Generell regiert der tonnenschwere Groove das Album und dieser Rhytmus variiert in weiterer Folge kaum, was beim ersten Hören vielleicht etwas eintönig klingen mag. Doch hat man sich erst einmal in das nicht ganz einfache Album reingehört, so fallen einem immer mehr kleine aber feine Details auf, die nicht zuletzt der erhabenen musikalischen Leistung von PESTILENCE zu verdanken sind. So bleibt vor allem das Gitarrengefrickel angenehm hängen. Doch egal, ob ausgefeilt coole Drumbeats wie etwa beim Titeltrack 'Resurrection Macabre' oder superschmelle Gitarrenläufe wie bei 'Neuro Dissonance': Was PESTILENCE hier abliefern, verdient auf jeden Fall Respekt und macht obendrein auch eine Menge Spaß beim Zuhören. Mein Genick muss ich jetzt erstmal wieder einrenken, einen Dank an die Kollegen!
[Caroline Traitler]
Patrick Mameli hat verdammt viel Wut im Bauch. Das Geknurre zu Beginn des Openers 'Devouring Frenzy' scheint aus den Tiefen einer wütenden Seele zu stammen. Das folgende 'Horror Detox' knüppelt in die selbe Kerbe, womit schon mal zwei Treffer zu verzeichnen sind. Einen weiteren Lichtblick stellt 'Synthetic Grotesque' dar, das ebenfalls mit einem guten Chorus auskommt. Leider wird dieses Niveau nicht konstant gehalten. Klar, technisch ist die Truppe über jeden Zweifel erhaben. Neben der Gitarrenarbeit sticht vor allem die Rhythm-Section, bestehend aus Tony Choy (b.) und Peter Wildoer (dr.), hervor. Der Knackpunt ist der, dass das Tempo selten variiert wird, weshalb gut die Hälfte der Tracks eher gleichmäßig dröhnen. Obendrein scheint es, als ob die Truppe der Metalwelt beweisen will, wie verfrickelt sie zu Werke gehen kann bzw. aufzeigen möchte, dass sie sich an ihren Instrumenten in den letzten Jahren gehörig weiterentwickelt hat. Zu den erwähnten Highlights können sich noch 'Y2H' und 'In Sickness And Death' einreihen. Die Bonustracks in Form von drei Neueinspielungen sind nett, können aber bis auf 'Lost Souls' den Originalen bei Weitem nicht das Wasser reichen. Dennoch ist es interessant zu hören, dass sich diese vom neuen Material sehr deutlich unterscheiden und im Gegensatz dazu mit markanten Refrains aufwarten können. Bleibt unterm Strich ein gutes Album, dem weniger Gefrickel und mehr Songwriting gut getan hätten.
[Tolga Karabgli]
Pestilence sind zurück - war ich für die Holländer in ihrer Hochzeit einfach zu weich, erhalte ich jetzt eine zweite Chance. Das bedeutet, dass ich völlig unvoreingenommen an die Scheibe herangehen kann. Dann mal los: Was sicher niemand bestreiten wird, ist die technische Klasse der Musiker, deren Album mit einem druckvollen Sound böse, mächtig und dennoch verspielt aus den Boxen rast. Hier werden keine Gefangenen gemacht, der erste Durchlauf von "Resurrection Macabre" lässt allenthalben offene Münder zurück. Auch der Gesang von Patrick Mameli gefällt ganz gut, er grunzt heftig genug, aber nicht zu unartikuliert. Also alles eitel Sonnenschein? Leider nicht ganz. Das Album zeigt nämlich starke Ermüdungserscheinungen auf längere Sicht. Selbst nach intensivem Auseinandersetzen vermag ich viele der Lieder nur deswegen auseinander zu halten, weil Mameli häufig den Songtitel zu Beginn mehrfach singt. Ansonsten verschwimmen schwirrende Gitarren, Double Bass und Breaks zu einer austauschbaren Melange, aus der nur wenige Songs herausragen: 'Synthetic Grotesque', 'Dehydrated II' und 'In Sickness And Death' sind zu nennen, die als Songs 5, 7 und 11 erst spät ins Rennen geworfen werden. Die drei neu eingespielten und als Bonustracks verwerteten Klassiker der Band gefallen mir dagegen viel besser. Nach reiflicher Überlegung weiß ich auch, weswegen: Da existieren echte Riffs wie in dem Thrashigen 'Out Of The Body' statt Notenhöchstzahl auf den sechs Saiten. Daher: Das Album ist nicht schlecht, kaschiert aber über weite Strecken mit extrovertierter Spieltechnik songschreiberische Leere.
[Frank Jaeger]
Eigentlich bin ich ja kein großer Freund des Death Metal, aber zumindest die technischen, frickeligen Bands wie ATHEIST, DEATH oder INTO ETERNITY haben es mir schon angetan. Auch "Spheres" von PESTILENCE schätze ich mit seinen Ambient-Sounds sehr. Das war anno 1993 ein mutiges, fortschrittliches Album, das man in dieser Form nicht erwarten konnte. Die Einsicht, es hier mit einem Meilenstein zu tun zu haben, bekamen viele Die-Hard-Fans allerdings erst, als sich die Niederländer längst aufgelöst hatten. Leider orientiert sich das erste Studioalbum seit 16 Jahren, "Resurrection Macabre", wieder deutlich mehr an den geradlinigeren Werken "Consuming Impulse" und "Testimony Of The Ancients", allerdings ohne deren Niveau zu erreichen. Im Großen und Ganzen ist "Resurrection Macabre" straightes Geballer, bei dem sehr nahe Null bei mir hängen bleibt. Klar, hier und da gibt es ein paar hübsch vertrackte Griffbrettspielereien, doch wirken die in einem Song wie 'Neuro Dissonance' auch schon mal deplatziert. Richtig deutlich wird der Qualitätsunterschied bei den drei Bonustracks. Die neu eingeprügelten 'Chemo Therapy', 'Out Of The Body' und 'Lost Souls' sind die mit Abstand besten Songs des Silberlings und machen deutlich, dass PESTILENCE zwar auch im Jahr 2009 amtlich brettern, die großen Songs aber nicht mehr schreiben. Schade, da wäre mir eine Fortsetzung des "Spheres"-Kurses doch deutlich lieber gewesen.
[Peter Kubaschk]
Eigentlich hatte Herr Mameli in letzter Zeit immer wieder verlauten lassen, dass er kein Interesse mehr daran habe, PESTILENCE neues Leben einzuhauchen, da er mit seiner neuen Band C-187 bestens ausgelastet sei. Da die Fanscharen aber wohl laut genug nach einer Reunion gebrüllt haben, liegt uns nun mit "Resurrection Macabre" das erste Album seit 1993 vor. Die damalige Scheibe hieß "Spheres" und bot ziemlich abgefahrenen Death Metal mit hohem Frickelfaktor und jazzigen Passagen. Ein Album, das mir zwar etwas zu kopflastig ist, aber ausreichend Überraschungen parat hat, um es auch heuer immer mal wieder aufzulegen. Ob ich das von "Ressurection Macabre" in 16 Jahren auch sagen werde, wage ich allerdings zu bezweifeln. Trotz exzellenter Mannschaft – neben Mameli (gt., voc.) hören wir Tony Choy (bs./ ATHEIST) und Peter Wildoer (dr./ DARKANE) – wollen die elf neuen Nummern nicht wirklich überzeugen. Der Grund: Alle Tracks sind nach gleichem Strickmuster gehäkelt und bieten so gut wie keine Abwechslung. Klar, handwerklich lassen die Akteure nichts anbrennen, aber was habe ich davon, wenn ich nach dem Genuss des Albums einfach nur erschlagen bin? Die (zu) häufig eingesetzten Doublebass-Passagen, die teils schon blastig klingen, zermatschen obendrein die filigranen Ansätze der Saitenakrobatiker und richtig treibendes Riffing muss man leider auch mit der Lupe suchen. Schade eigentlich.
[Holger Andrae]
Als "Makabere Wiedererweckung" bezeichnet die Band PESTILENCE ihr erstes Lautgeben seit 15 Jahren. Eine lange Zeit. Andererseits: Ihre zuletzt veröffentlichte Platte würde, wäre sie ein Mensch, dieses Jahr gerade mal ihr erstes Bier trinken. So gesehen ist Altersschwäche als Todesursache für PESTILENCE auszuschließen. Also ein gewaltsames Ende 1994, falls nicht gar längeres Siechtum das Aus brachte. Makaber sei sie also, die Auferstehung der Band; aber warum? Schändet sie das frühere Ansehen? Geht es nur ums Geld? Für Letzteres ist das Material zu sperrig. Vor allem der Opener kommt betont kantig und zugestellt daher. Ansonsten regiert geradliniges Todesgeballer alter Schule, gelegentlich durchschossen von leicht angeschrägten Riffs oder Soli, meist aber nicht. Ein gewisser Groove wird erst nach mehreren Durchläufen erkennbar, stellt sich aber dennoch nur selten songumfassend ein. CATARRHAL überzeugte mich da eher, auch wenn PESTILENCE fetter produziert wurde. Dennoch ist "Resurrection Macabre" handwerklich gut gemacht, ein tightes Brett und bietet Leuten, denen der Sound von CATARRHAL womöglich zu groovig, zielstrebig, stakkato-schlagzeugschnell und riff-pulsierend ist, möglicherweise eine passende Alternative. Wuchtig, brutal, kompromisslos, aggressiv und zuweilen wie von einer imaginierten Combo "New VENOM of Death" eingezockt klingt das Album, aber auch etwas schwerfällig und mitunter sich die eigenen Impulse selbst verstellend bzw. ausbremsend. 'Horror Detox' und 'Dehydrate II' bauen so immerhin gehörigen Druck auf und wissen diesen ohne Verpuffung zu halten. Dennoch schwächelt insgesamt das Songwriting, zumindest im Vergleich mit den früheren, für "Resurrection Macabre" neu eingespielten Titeln # 12-14, mit welchen vom neuen Material einzig die bedrohlich pendelnde Abrissbirne 'In Sickness & Death' mithalten kann. Die ein oder andere wild-melodisch schädelnde Abfahrt Marke 'Chemo Therapy?' oder 'Out Of The Body' hätte dem etwas stickigen Album sicherlich gut getan.
[Eike Schmitz]
Ähnlich wie Caroline hatte ich vor "Resurrection Macabre" nicht wirklich viel mit PESTILENCE zu tun und kann daher nicht viel zur Geschichte der Niederländer sagen. Auf der anderen Seite fällt es mir daher wohl etwas leichter, unvoreingenommen an die Sache heranzugehen, und interessanter Weise macht die Platte auf mich einen ähnlich guten Eindruck wie auf Caro. "Resurrection Macabre" lässt sich wohl am ehesten als technischer Death Metal bezeichnen, wobei PESTILENCE die technischen Spielereien aber nicht in Regionen driften lassen, denen ein Normalsterblicher bei den ersten Hördurchläufen nicht mehr folgen kann, wie das beispielsweise BENEATH THE MASSACRE oder SOREPTION tun. Zwischen den verwinkelten und etwas sperrigen Stellen lassen sich immer wieder melodischere Parts ausmachen, welche die Scheibe für ihr Genre - mir ist bewusst, dass jemand, der nichts mit technischem Death am Hut hat, das wahrscheinlich anders sieht - recht nachvollziehbar und stellenweise auch eingängig machen. Parade steht hierfür beispielsweise der Titel 'Synthetic Grotesque' oder der straighte Opener 'Devouring Frenzy' sowie das ziemlich geniale 'Horror Detox'. Der Sound von PESTILENCE bewegt sich anno 2009 in kompromisslosen Gefilden, auf "Resurrection Macabre" regiert ausnahmslos der Knüppel. Als Fundament verlegen die Herren um Sänger Patrick Mameli immer wieder einen engmaschigen Doublebassteppich und würzen diesen sowohl mit rasiermesserscharfem Hochgeschwindigkeitsriffing als auch mit technisch ausgerichteter Gitarrenarbeit sowie recht coolen Soli. Im Gegensatz zu den Kollegen gefallen mir allerdings die etwas klassischeren Bonustracks nicht so gut wie der Rest der Platte, was wohl den Schluss zulässt, dass "Resurrection Macabre" eher eine Platte für Fans moderneren Todesbleis ist, als für die Anhänger der Holländer aus den Neunzigern. Zusammenfassend funktionieren die neuen PESTILENCE bei mir recht gut, "Resurrection Macabre" ist eine starke Platte, die bei mir wohl immer wieder mal eine Rotation im Player machen wird.
[Hagen Kempf]
Mehr dazu auch im Einzelreview.
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle