HEARSE: Interview mit Max & Johan

01.01.1970 | 01:00

HEARSE haben seit jeher das Problem, dass jeder sie mit ARCH ENEMY vergleicht, und dies hauptsächlich, weil deren ex-Shouter Johan Liiva in dieser schwedischen Death-Thrash-Formation tätig ist. Dass diese vergleiche eigentlich völlig unnötig sind, warum sie gelegentlich sogar richtig nervig sind und weshalb HEARSE eine komplett eigenständige Band sind, dass erklären uns Max und Johan in diesem Interview selber und zeigen sich dabei sowohl bei der geäußerten Kritik als auch bei den Fragen zu Johan's ex-Truppe angenehme, auskunftsfreudige Gesprächspartner:


Björn:
Hi Max, alles klar?

Max.
Oh ja, mir geht es ziemlich gut, danke! Ich bin noch ein bisschen müde, weil ich den ganzen Tag im Studio gewesen bin.

Björn:
Es sind ja schon einige Monate ins Land gezogen, seit euer neues Album "Armageddon Mon Amour" veröffentlicht wurde. Wie ist denn die allgemeine Resonanz auf die Platte?

Max:
Meistens genauso wie erwartet, aber ich war ein wenig von den Reaktionen aus den Vereinigten Staaten überrascht. Wir hatten wirklich einiges an gutem Feedback aus dieser Richtung und damit hatten wir nun absolut nicht gerechnet. Aber das ist einfach nur toll. Andererseits denke ich, dass auch die europäischen Reaktionen ganz gut waren, ausgenommen von Schweden, hehe. Hier scheint uns einfach jeder zu hassen.

Björn:
Trotzdem scheinst du ja zufrieden zu sein.

Max:
Definitiv! Ich meine, die meisten Reviews waren echt gut. Natürlich hat es auch einige schlechtere gegeben. Einer meinte sogar, dass die Songs scheiße sind, die Produktion Mist und das Cover dämlich ist. Nun, ich denke mal, man kann nicht jeden zufrieden stellen, haha!

Björn:
Zum wiederholten Male hat eure Plattenfirma das Album mit dem Sticker "feat. Johan Liiva, ex-ARCH ENEMY" versehen. Glaubst du, dass es nötig ist, eure Band auf diesem Wege zu pushen und was hältst du davon?

Max:
Was, das haben sie? Hm, ich habe es noch nicht gesehen, ja bisher habe ich auch noch immer keine Kopie des Albums erhalten. Aber ich würde es bevorzugen, wenn das nicht so wäre, denn dann werden die Leute uns auch weiterhin mit ARCH ENEMY vergleichen und ich denke, dass dieser Vergleich nicht besonders fair ist. Du liest zwar fast in jedem Review, dass wir klingen wie ARCH ENEMY, aber das verstehe ich nicht ganz. Natürlich haben wir auch Gitarren, Drums und Bass, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass die Leute den Namen ARCH ENEMY gar nicht verwenden würden, wenn Johan nicht unser Sänger wäre. Nun fühlt sich das so an, als wenn selbst ein Bossanova-Album von uns wie ARCH ENEMY klingen würde.

Björn:
Würdest du denn jetzt sagen, dass ihr von diesem Vergleich profitiert oder wirkt sich das eher negativ aus?

Max:
Wir mögen vielleicht mehr Alben verkaufen, weil Johan in der Band ist, das kann ich jetzt nicht beurteilen. Aber auf der anderen Seite verkaufen wir eh nicht besonders viele CDs, hehe! Die Leute urteilen ein bisschen härter über uns, da sie von uns erwarten, dass wir wie ARCH ENEMY klingen und manche Idioten denken, dass der verdammte Johan gar nicht bei uns dabei sein sollte. Aber hey, darf man nicht in einer anderen Band mehr spielen, nur weil man früher mal in einer größeren Kapelle aktiv war?

Björn:
Natürlich wohl. Nun, meiner Meinung nach klingt ihr auch nicht wie ARCH ENEMY, obwohl es natürlich immer einige Parallelen gibt. Wo siehst du denn jetzt die größten Unterschiede zwischen diesen beiden Bands?

Max:
Danke erst mal. Endlich mal jemand, der das bemerkt hat, hehe. Erst einmal denke ich, dass ARCH ENEMY viel mehr im traditionellen Metal verwurzelt sind, während HEARSE von Death Metal und 70er-Hardrock beeinflusst sind. Dann denke ich, dass ARCH ENEMY sich in die selbe Richtung wie IN FLAMES bewegen und sie immer mehr nach amerikanischem Modern Metal klingen. Und diese Musik ist dann auch nicht gerade my cup of tea. Ich möchte mehr Groove in meiner Musik haben. Verstehe mich aber bitte jetzt nicht falsch, ARCH ENEMY ist eine großartige Band, aber ich denke, dass wir nicht wirklich viel gemeinsam haben.

Björn:
Johan, wenn du den Erfolg von ARCH ENEMY in den letzten Jahren betrachtest, bereust du es dann nicht, dass du nicht mehr dabei bist?

Johan:
Natürlich, ich weiß, was du meinst, aber es gibt nun nichts mehr, was ich daran ändern könnte. Es war der richtige Zeitpunkt, wenn ich es heute mal aus einer etwas distanzierteren Perspektive betrachte. Es gibt immer einen Teil von mit, der diese Entscheidung bereut, aber gleichzeitig frage ich mich, was ich zu bereuen habe. Ich hatte meine glorreichen Tage bei ARCH ENEMY und nun wüsste ich keinen Grund, warum der Erfolg bei HEARSE ausbleiben sollte. Aber Gerüchte sagen, dass Max seine Freundin zu Auditions für den Sängerposten bei HEARSE einladen möchte, es könnte also sein, dass ich demnächst wieder ganz neu anfangen müsste. Vielleicht werde ich dann CARNAGE reformieren, oder irgendwie so etwas, haha!

Björn:
Warum bist du denn damals ausgestiegen?

Johan:
Ich denke, das war einfach nur ein natürlicher Vorgang in dem ganzen Prozess. Die anderen wollten die Band auf die nächste Stufe bringen, aber ich war zu dieser Zeit nicht in der Lage, ihnen den benötigten Stoff zu geben. Weißt du, da war keine Inspiration für Texte und auch nicht dieser Antrieb, um es den anderen gleich zu tun. Es spielten eine Menge Dinge zusammen, die mich schließlich diese Entscheidung treffen ließen, doch obwohl es damals sehr hart für mich war, war es auch gleichzeitig ein Gefühl der Befreiung, irgendwo in meiner tiefsten Seele.

Björn:
Und wie ist deine Meinung zu ARCH ENEMY heute?

Johan:
Ich denke, alles ist in Ordnung. Ich habe keine schlechten Gefühle ihnen gegenüber und das ist wichtig zu sagen. Und ich persönlich mag das neue Album, es ist wirklich geschmackvoll!

Björn:
Okay, zurück zu HEARSE und zum neuen Album. Ich muss schon sagen, dass ich ein wenig enttäuscht bin und nach dem starken letzten Output "Dominion Reptilian" etwas mehr erwartet hätte. Es gibt dieses Mal einige Tracks, die nicht so heftig Arsch treten, wie man das gewohnt war, zum Beispiel `Determination´. Die Vocals hingegen finde ich erneut sehr stark.
Wenn du jetzt mit ein wenig Distanz auf "Armageddon Mon Amour" zurückblickst, bist noch immer mit allem zufrieden oder würdest du aus heutiger Sicht noch etwas ändern?

Max:
Nun, es ist schon über ein Jahr her, dass wir es aufgenommen haben, ich bin also schon ein bisschen von dem Ding gelangweilt, hehe. Zu `Determination´, welches viele sogar für den besten Song der gesamten Platte halten: Ich denke mal, wir hatten die SISTERS OF MERCY im Hinterkopf. Wir wollten ein Album machen, das nicht die ganze Zeit lang gleich klang, daher dieser ungewöhnliche Track.

Björn:
Eine andere Sache, die ich zu kritisieren habe, sind diese verwirrenden Gitarrenparts in Songs wie zum Beispiel `Crops And Waste´. Was ist da genau passiert?

Max:
Verwirrende Gitarrenparts? Hm, ich bin mir nicht ganz sicher, was du meinst. Wenn du alle Gitarren, die nicht direkt nach Metal klingen, als verwirrend einstufst, dann hast du vielleicht Recht. Wir gehen nicht mit einer bestimmten Intention an das Songwriting heran, deshalb verstehe ich diese Kritik nicht so ganz. Und außerdem denke ich nicht "Metal", wenn ich neue Songs schreibe. Ich spiele lediglich das, was mir in den Sinn kommt und da gibt es für mich eigentlich gar nix Verwirrendes!

Björn:
Okay, einverstanden. Es gibt ja auch einiges, was mir auf der neuen Scheibe gefällt. Da wären zum Beispiel Kompositionen wie `Turncoat´ und `Tools´. Was sind denn deine Lieblingstracks auf "Armageddon Mon Amour"?

Max:
Num, ich hasse `Tools´, hehe! Es gibt einige Passagen in dem Song, die ich sicher beibehalten würde, aber es gibt auch einige Parts, die ich am liebsten wegwerfen würde. Meine Favoriten hingegen sind `Mountain Of The Solar Eclipse´ und `Ticket To Devasation´.

Björn:
Wenn du nun eure beiden Alben miteinander vergleichst: Welches magst du lieber und wo siehst du die Hauptunterschiede?

Max:
Ich bevorzuge definitiv das Neuere. Dort haben wir es geschafft, viel mehr von dieser Energie festzuhalten, die wir von Anfang an anstrebten. Außerdem sind wir in Sachen Produktion viel nähr an das herangekommen, was wir erreichen wollten. Ich wollte einen organischen, natürlichen und herrlich rauen Sound und meiner Meinung ist auch genau das herausgekommen.

Björn:
Letzte Frage zu "Armageddon Mon Amour": Wer hatte die Idee, einen Coversong von KIM WILDE aufzunehmen? Ich finde die Nummer wirklich cool, aber ungewöhnlich ist das Ganze schon...

Max:
Als Erstes muss ich uns mal outen, wir sind alle KIM WILDE-Fans! Besonders ihre ersten beiden Alben sind unglaublich. Sie haben diese punkige Attitüde, die nicht weit weg von dem ist, was BLONDIE in den Siebzigern gebracht hat. Die meisten anderen Metalbands tendieren ja eher dazu, andere Metalsongs zu covern, und um ehrlich zu sein: Wer braucht das denn? In 99 Prozent aller Fälle klingen die Cover genauso wie die Originale, nur eben schlechter. Daher denke ich schon, dass es mehr bringt, einen Song aus einem anderen Genre zu übernehmen und ihn in sein eigenes Soundgewand zu packen.

Björn:
Werdet ihr denn in Zukunft noch mehr derartiger Coversongs einspielen?

Max:
Es ist bis jetzt noch nichts geplant, aber nichts ist unmöglich. Als Johan und ich 1991 FURBOWL gründeten, war unser erster Plan, `It's A Sin´ von den PET SHOP BOYS zu covern. Wir waren aber zu schlechte Musiker, weshalb wir diese Idee nie richtig verwirklichen konnten, hehe! Aber es gibt auf jeden Fall eine ganze Menge guter Songs, die im Metalgewand wundervoll klingen würden.

Björn:
Ich habe gelesen, dass ihr im September einige Benelux-Shows mit DISMEMBER spielen werdet. Was erwartet ihr von diesen Shows?

Max:
Wir erwarten nicht wirklich viel außer eine Menge Spaß zu haben. Wir haben bisher noch nie live gespielt, deshalb wird das sicherlich sehr cool werden.

Björn:
Wie lange werdet ihr denn spielen und welche Songs werden in die Setlist kommen?

Max:
Wir haben nur eine halbe Stunde Zeit, und das ist ja nicht wirklich lange. Aber was soll's, wir werden einfach nur versuchen ordentlich Arsch zu treten! Es werden wohl jeweils zur Hälfte Songs unseres ersten und unseres zweiten Albums zum Zuge kommen. Vielleicht sogar ein ganz neues Stück. Wir werden sehen.

Björn:
Diese Minitour ist wieder einmal ein dickes Package mit fünf Bands. Hältst du ein solch opulentes Billing für sinnvoll oder ist das schon zu viel des Guten?

Max:
Als ich noch jünger war, dachte ich immer, es sei großartig, dass so viele Bands auf dem Billing stehen. Ich ging damals sehr oft zu Punkshows mit zehn Bands und das gefiel mir sehr gut. Heutzutage bevorzuge ich eher Konzerte mit bis zu drei Bands. Ich befürchte, ich werde alt, hehe!

Björn:
Werden dies denn erst einmal die einzigen Shows zum neuen Album sein, oder wird da in Zukunft noch mehr folgen?

Max:
Wir haben noch nichts geplant und ich denke, es werden auch nicht mehr Gigs zu "Armageddon Mon Amour" folgen. Vielleicht werden wir wieder einige Shows für das dritte Album spielen, aber das wird sich dann noch herausstellen. Es hängt davon ab, wie wir bei den kommenden Gigs abschneiden werden. Vielleicht sind wir live ja die totalen Lutscher, hehe!

Björn:
Wäre es denn in diesem Kontext nicht interessant, mit ARCH ENEMY zu touren?

Max:
Sicher, warum nicht? Ich würde nichts dagegen haben, mit ihnen durch Japan zu touren. Ich muss nämlich schon zugeben, dass ich ein wenig neidisch werde, wenn Johan von seinen Japan-Tourneen mit ARCH ENEMY erzählt.

Björn:
Was wird denn in der Karriere von HEARSE als nächstes passieren?

Max:
Karriere? Haben wir eine? Momentan nehmen wir das dritte Album auf, also denke ich, dass dessen Release der nächste große Schritt sein wird. Dann natürlich die Gigs in Holland und Belgien. Anschließend werden wir hoffentlich noch einige Jahre Spaß miteinander haben.

Björn:
Wann können wir denn den neuen Stoff erwarten?

Max:
Wenn ich dies entscheiden dürfte, dann sollte die Scheibe genau ein Jahr nach "Armageddon Mon Amour" erscheinen. Wir befinden uns gerade mitten im Aufnahmeprozess. Ich sitze übrigens gerade im Studio und während ich dir antworte, höre ich Johan's Lungenergüssen zu. Meiner Meinung nach ist ein Jahr zwischen zwei Alben die perfekte Zeit.

Björn:
Wie lauten denn deine persönlichen Ziele für die Zukunft?

Max:
Hm, meine persönlichen Ziele? Als erstes möchte ich natürlich die neue Platte fertig stellen. Ich werde nämlich ein bisschen müde davon im Studio zu sitzen, während draußen die Sonne scheint. Danach möchte ich einfach nur den Rest des Sommers genießen und einige Zeit mit meinem Sohn verbringen. Andererseits ist es natürlich mein Ziel, eine gute Zeit mit der Musik, die ich liebe, zu haben.

Björn:
Okay, dabei wünsche ich dir viel Vergnügen. Mehr von meinen kritischen Fragen habe ich nicht, aber vielleicht hast du ja noch etwas zu sagen?

Max:
Ach was, kein Problem! Ich finde es großartig, wenn die Leute ihre ehrliche Musik zu der Musik äußern. Aber ich hoffe mal, dass wir dich mit dem neuen Album werden überzeugen können und natürlich mit den Live-Konzerten. Und an alle: Hört euch "Armageddon Mon Amour" noch einmal an. Es ist nämlich wirklich ein ziemlich cooles Album, auch dann, wenn ihr nur auf all diese sicheren Metal-Klischees aus seid!
Alles klar, dir Björn vielen Dank für deine Unterstützung. Wir sehen uns in Belgien, alles Gute!

Björn:
Ja, wir sehen uns im September in Vosselaar, versprochen! Ebenfalls alles Gute!

Redakteur:
Björn Backes

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