HELLOWEEN: Interview mit Markus Grosskopf

26.10.2010 | 11:18

Nach dem umstrittenen Jubiläumsalbum "Unarmed" beweisen HELLOWEEN mit "7 Sinners", dass sie immer noch die unangefochtene Speerspitze des Melodic Speed Metal sind. Wir sprachen mit Markus Grosskopf in einem Berliner Hotel.

Nachdem Markus sich den ganzen Tag über am Telefon mit der Presse herumschlagen durfte, ist so ein Interview von Angesicht zu Angesicht schon eine willkommene Abwechslung. Entsprechend gelöst gibt sich der sympathische Hamburger. Der naheliegenden Vermutung, dass das Brett namens "7 Sinners" eine direkte Reaktion auf die Kritik an "Unarmed" ist, widersprecht Markus allerdings. "Nein, eine bewusste Entscheidung war das eigentlich nicht. 'Where The Sinners Go' und 'Are You Metal?' waren die ersten Songs, die wir fertiggestellt haben und die haben im Prinzip die Richtung ein wenig vorgegeben, aber dass wir jetzt aufgrund der Reaktionen auf "Unarmed" eine härteres Album machen wollten, kann ich so nicht sagen." Dennoch ist die relativ düstere Grundstimmung und das Fehlen einer echten Ballade durchaus auffällig. "Ja, da hast du Recht. Selbst 'The Smile Of The Sun' ist recht schwermütig und düster und sicher nicht das, was man eine typische Ballade nennen könnte." Und obwohl "7 Sinners" durchaus untypisch für HELLOWEEN klingt, ist die Scheibe einwandfrei als HELLOWEEN zu erkennen. Wie kaum eine andere Band des Genres haben es HELLOWEEN immer verstanden, ihre Grenzen auszuloten und dabei ihre typischen Trademarks beizubehalten. Eine Sicht, der Markus nur zustimmen kann und die passende Begründung gleich mitliefert. "Klar, wir wollen einfach nicht ständig die gleiche Scheibe machen und von daher ist es ganz klar, dass wir immer auch Neues ausprobieren. Aber wir verkörpern dabei eben auch immer HELLOWEEN und das hört man den Scheiben dann auch an. Dabei ist es natürlich von Vorteil, dass wir vier Songwriter in der Band haben, die auch alle immer unterschiedliche Schwerpunkte haben. Weiki schreibt halt andere Songs als Andi oder ich. Da weiß man nie, was jeder von uns wieder ausbrütet und genau so schaffen wir es natürlich immer abwechslungsreich zu bleiben und dennoch unsere eigene Note zu behalten." Und auch, wenn mit 'Who's Mr. Madman?' der Nachfolger zu 'Perfect Gentleman' auf dem Album zu finden ist, gibt es auch keine wirklich typische HELLOWEEN-Single zu hören. "Ja, darauf haben wir es diesmal auch nicht angelegt. Am ehesten wäre das vielleicht 'World Of Fantasy', einer der beiden Songs, die ich geschrieben habe und der schon eher fröhlich ist. Aber etwas in der Richtung 'Dr. Stein' kann man eh nicht planen. So etwas kommt oder kommt eben nicht.", erzählt Markus.


Bei Markus selbst funktioniert das auch nur genau so. Externe Inspirationsquellen nutzt er zumindest nicht bewusst. "Ja, das ist ganz komisch. Mich verfolgen manchmal einfach Melodie- oder Textfragmente, wenn ich unterwegs bin und dann muss ich die in mein Telefon summen. Das kann schon mal zu verwirrten Blicken führen, wenn ich mitten in der Stadt auf einmal anfange zu summen oder zu singen.", lacht Markus. "Es ist mir zumindest noch nie aufgefallen, dass ich in einer besonderen Stimmung oder an bestimmten Orten die besten Ideen habe. Sonst würde ich natürlich mich auch ganz gezielt an diesen Ort oder in diese Stimmung begeben. Und es wäre ja blöd, wenn das dann ein Ort wäre, den ich nicht mag und wo mir Daniel( Schlagzeug, PK) kein Jever bringen kann.", lacht der Norddeutsche, dem der Schlagwerker prompt ein kühles Blondes vor die Nase stellt.

Ebenfalls positiv hervorzuheben ist die organische, sehr kraftvolle Produktion. "Ja, die finde ich diesmal auch sehr toll.", bestätigt Markus und findet nur die besten Worte über Produzent Charlie Bauerfeind. "Er weiß einfach genau, was wir wollen und wie wir am besten klingen. Das passt einfach."

Kaum in einen ordentlich Set passen allerdings alle Hits, die HELLOWEEN über die Jahre nun geschrieben haben, entsprechend wird "7 Sinners" auch kein ausufernder Platz auf der kommenden Tour mit STRATOVARIUS gewährt. "Ja, wir werden wohl so drei oder vier Songs spielen, aber mehr wird es wohl nicht werden. Mit jetzt 13 Alben haben wir einfach so viele Songs an Bord, die die Leute hören wollen, dass wir nicht die komplette Platte spielen können. Und wir wollen die Songs ja auch spielen, es ist nicht so, dass uns 'Future World' oder 'Dr. Stein' mal wirklich langweilig werden würden. Wobei es schon eine Erfahrung war, die Songs jetzt mal in einem anderen Gewand und in anderer Umgebung zu spielen.", spielt Markus auf die Akustikgigs in diversen Kaufhäusern an. "Da waren zum Teil genau die Leute, die jetzt auch beim Videodreh zu 'Are You Metal?' dabei waren. Das ist schon lustig gewesen, wenn man bedenkt, wie viele Leute auch über die "Unarmed" gemeckert haben."


Erwartungen an das neue Album hat Markus selbstredend auch. "Natürlich wollen wir immer noch einen Schritt vorwärts machen und nicht nur unseren Status bewahren. Es wäre zum Beispiel eine schöne Sache mal ein größeres Festival zu headlinen, statt nur auf dem Billing zu stehen." Tja, die Konstanz und Klasse der Band werden wohl in diesem ausreichenden Maße nur gewürdigt, wenn sich die Kürbisse mal auflösen oder zusammen mit Herrn Kiske die beiden "Keeper"-Alben intonieren würden. "Ja, das ist vielleicht so, hat ja bei RUNNING WILD auch funktioniert mit dem Abschiedskonzert. Aber Auflösen wäre vor Veröffentlichung der neuen Platte dann doch keine so gute Idee." witzelt Markus. Dennoch fällt auch Markus auf, dass die Kids die alten Helden zwar hören, aber sich doch eher ihre eigenen Helden aufbauen. "Ja, das ist schon so. Sie hören zwar auch HELLOWEEN und entdecken auch unsere alten Alben, aber sie haben halt auch die Musik für ihre eigene Generation, mit der sie aufwachsen. Das ist ja auch ganz normal. Das liegt wohl auch zum Teil am Sound, der früher einfach nicht so wuchtig war und vielen Kids heute vielleicht zu lasch ist. Ich höre so Zeugs ja auch mal sehr gerne, aber zu HELLOWEEN würde eine so moderne Produktion eben nicht passen." Das sollte in Zukunft dann auch bitte so bleiben.

Zu diesem Zeitpunkt gesellt sich auch noch Weiki dazu, aber nur um von den eigentlichen Themen abzulenken, mit auf den Bildern zu sehen zu sein und mit einigen Clownereien und Anekdoten aus der Jugend zu glänzen. Überhaupt beweisen HELLOWEEN einmal mehr, dass sie nicht nur Genrespitze, sondern einfach auch sympathische Jungs sind. Danke dafür.

Redakteur:
Peter Kubaschk

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