HEVEIN: Interview mit Leif Hedström, Max Lilja, Juha Immonen

11.06.2006 | 10:51

LORDI haben den Eurovision Song Contest gewonnen, und finnischer Metal ist seitdem in aller Munde. Vielleicht ein gutes Omen für HEVEIN, die Mitte Juni ihr in Finnland bereits vor ca. einem halben Jahr erschienenes Debüt "Sound Over Matter" auf den deutschen Markt bringen werden. Wobei das Sextett statt auf wilde Kostüme und Hard Rock auf eine fulminante Mischung aus Thrash Metal, (Psychedelic) Rock und klassische Streich-Instrumente setzt und daher Fans von APOCALYPTICA, AMORPHIS, ANATHEMA, SOILWORK und PANTERA - um nur einige Einflüsse zu nennen - gleichermaßen ansprechen dürfte.

Ich traf die beiden Hauptsongschreiber Leif Hedström (Gitarre/Gesang) und Max Lilja (Ex-APOCALYPTICA, Cello) sowie den stimmgewaltigen, aber leider sehr wortkargen Haupt-Sänger Juha Immonen zum Gespräch anlässlich eines Promotion-Aufenthalts bei ihrem deutschen Label Universal in Berlin.

Elke:
Euer Name HEVEIN hat meines Wissens keine wirkliche Bedeutung, richtig?

Leif:
Das stimmt, er klang einfach cool. Als ich begann, über einen Namen für die Band nachzudenken, habe ich gleich über Google überprüft, ob er vielleicht schon vergeben ist, aber alles, was ich finden konnte, waren Sachen über Latex. [Hevein ist eines der Bestandteile von Latex - Anmerkung der Verfasserin]

Elke:
Wenn man sich eure bisherige Geschichte so anschaut, sieht sie schon etwas merkwürdig aus: Die Band wurde bereits 1992 von Leif (git.) und Alpo (dr.) gegründet. Dann passierte offenbar lange Zeit erst einmal nichts. Plötzlich stößt Max als Cellist dazu, ihr findet einen Sänger, Juha, und schwupp habt ihr einen Plattenvertrag. Was habt ihr denn in der ganzen Zeit davor gemacht?

Leif:
Wir haben überwiegend geprobt, die Band aufgebaut, eigene Songs geschrieben, ein paar Cover-Versionen gespielt... Es hat einfach Spaß gemacht, zusammen mit Freunden in einer Band zu sein, aber wir haben es damals überhaupt nicht ernst genommen. Wir machten halt irgendwie weiter, steckten Geld ins Equipment, warben neue Mitglieder an - unser ehemaliger Bassist Tomi war zum Beispiel lange Zeit dabei. Als Max 2002 dazu stieß, brachte uns das einen größeren Schritt voran. Und als wir 2003 endlich einen Sänger gefunden haben, ging es eigentlich erst richtig los. Von da an konnte man von einer wirklichen Band sprechen.

Elke:
Leif hat in einem anderen Interview gesagt, das größte Problem sei gewesen, einen guten Sänger zu finden, weil es davon in Finnland nicht genügend gäbe. Das ist schwer vorstellbar, wenn man sich die vielen Bands anschaut, die dort regelmäßig entstehen.

Leif:
Für uns war es ein Problem. Wir wollten ja nicht nur jemanden, der gut singen kann, sondern einen echten Frontmann. Viele Kandidaten hatten schon Schwierigkeiten damit, vor den anderen während der Proben zu singen, und das sind keine guten Voraussetzungen für einen Fronter. Auch die Sprache war ein Handicap. Wir singen auf Englisch, und da die finnische und die englische Sprache sehr unterschiedlich sind, fällt es unseren Landsmännern naturgemäß schwer, Englisch zu sprechen, ohne sich dabei wie Mika Häkkinen anzuhören. Einige Bewerber klangen einfach furchtbar. Natürlich gibt es viele gute Sänger bei uns, aber echte Fronter sind schwer zu finden.

Elke:
Ich nehme an, diese lange Anlaufphase ist auch dafür verantwortlich, dass "Sound Over Matter" für ein Debüt-Album schon sehr reif klingt.

Leif:
Genau, wir hatten sehr viel Zeit, einen eigenen Sound zu finden, und konnten über ungefähr fünf Demos sämtlichen Mist über Bord zu werfen. Es hilft schon, wenn man sich Zeit lässt und die Dinge erst einmal sorgfältig ausarbeitet. Das ist das Problem vieler finnischer Bands: Sie haben gute Songs, aber sie scheinen nicht wirklich zu wissen, wie sie eigentlich klingen wollen.

Elke:
Von Max wissen wir, dass er bis Anfang 2002 Mitglied bei APOCALYPTICA war. Wie sieht die musikalische Biographie der anderen HEVEIN-Mitglieder aus?

Max:
Ich bin professioneller Musiker, spiele noch in zwei anderen Bands [TEKIJA TUNTEMATON und JO HOPE - Anmerkung der Verfasserin]. Auch unsere Geigerin Aino genoss eine klassische Ausbildung und singt in einer weiteren Band [KIOVA].

Leif:
Unserer Bassist Janne ist ebenfalls in einer zweiten Band aktiv [7TH LABYRINTH], wo derzeit allerdings nicht viel passiert. Die meisten von uns haben normale Jobs, außer Max. Ich würde mich selbst auch nicht als Musiker bezeichnen, es macht mir einfach Spaß, Gitarre zu spielen. Alpo, unser Schlagzeuger, ist ein alter Freund von mir, und wir haben mit PANTERA-Covers angefangen. Er war auch für das Artwork des Albums verantwortlich.

Juha:
(auf Nachfrage) Ich habe auch schon in einigen Bands gesungen, aber mehr sage ich dazu nicht. Das ist jedenfalls die erste Metal-Band.

Elke:
Man könnte vermuten, dass besonders der Zugang von Max, dem einzigen Bandmitglied, das als Musiker eine gewisse Bekanntheit erreicht hat, euch letztendlich half, einen Plattenvertrag zu bekommen.

Max:
Ich denke, es lag mehr an der Musik als an meiner Person. Nach meinem Einstieg erreichten die Songs ein höheres Niveau und klangen besser. Dadurch erzielten wir mehr Aufmerksamkeit.

Leif:
Als Spinefarm, unsere Plattenfirma, das Album in Finnland veröffentlichte, haben sie in keinster Weise darauf hingewiesen, dass Max zur Band gehört. Es schien also auch für sie keine hohe Priorität zu haben, sie mochten einfach unsere Musik.

Elke:
Aber speziell in Deutschland, wo "Sound Over Matter" bei Universal erscheint, gibt es schon eine gewisse Verbindung, da dort auch APOCALYPTICA unter Vertrag stehen. Zufall oder Absicht?

Max:
Das ist Zufall. Universal gehört Spinefarm und sie haben daher das Recht, Spinefarm-Alben in Deutschland zu veröffentlichen; das ist der einzige Zusammenhang.

Elke:
"Sound Over Matter" kam im Herbst 2005 bisher nur in eurem Heimatland heraus. Erst jetzt, im Sommer 2006, veröffentlicht ihr es auch international. Warum?

Leif:
Wir hatten darauf leider keinen Einfluss. Wenn es nach uns gegangen wäre, hätten wir es gerne früher international veröffentlicht. Ich denke, manchmal dauern die Dinge einfach eine Weile. Das ist unser erstes Album und hatte daher keine große Priorität für unser Label. Offenbar halten sie den Zeitpunkt jetzt für günstig.

Max:
Universal Deutschland wollten es eigentlich schon früher veröffentlichen, aber verschoben es dann immer wieder, so dass die Veröffentlichung in anderen Ländern ebenfalls verschoben werden musste. Die anderen Universal-Büros warten auf Deutschland.

Elke:
Wir sind also das erste Land außerhalb von Finnland?

Max:
Von den größeren Ländern schon. In den Staaten kam es glaube ich bereits heraus.

Leif:
Dort erschien es über Candlelight Records, aber es wurde nicht großartig beworben. Wir haben dort kein einziges Interview gegeben.

Elke:
Drei Stücke des Albums wurden ja bereits auf einer EP namens "Break Out Of The Hammers" veröffentlicht (neben dem EP-Titeltrack 'As Far As The Eye Can See' und 'Worth Fighting For'). Wie sieht es bei den anderen Songs aus?

Leif:
'Only Human' stammt von einem Demo aus dem Jahr 2002. Der Rest wurde für dieses Album geschrieben, und einige Songs wurden erst im Studio fertiggestellt. Für mich sind die neueren Stücke auch die besten des Albums.

Elke:
Das Besondere an eurem Sound ist, dass ihr Geige und Cello als gleichwertige Instrumente einsetzt. War das von Anfang an der Plan?

Leif:
Das lag in unserer Absicht. Ein derart vielseitiges Instrument wie das Cello kann man sowohl im Hintergrund als auch als Solo-Instrument einsetzen.

Max:
Es wäre auch sinnlos, eine Violinistin und einen Cellisten in der Band zu haben und nicht alle Facetten dieser beiden Instrumente zu nutzen.

Elke:
Max, du kommst von einer Band, die anfangs ausschließlich mit Celli spielte. War das ausschlaggebend dafür, diesem Instrument auch bei HEVEIN eine größere Rolle zukommen zu lassen?

Max:
Vielleicht. Erfahrungen sind durchaus nützlich. Ich denke, wir hatten einfach eine klare Vision. Unser Sound sollte mehr oder weniger wie ein einziges Instrument klingen. Das Ergebnis klingt cool, aber in Zukunft werden wir den vielleicht wieder etwas aufsplitten, um einen neuen Sound zu kreieren.

Leif:
Die Violine und das Cello sollen dann etwas mehr in den Vordergrund gerückt werden, ohne dabei unseren Sound großartig zu verändern.

Max:
Jedem Instrument könnte dabei mehr Persönlichkeit zugestanden werden, auch dem Schlagzeug.

Elke:
Ihr vereint außerdem sehr unterschiedliche Stilarten, von Thrash Metal bis Psychedelic Rock, von klassischen bis zu sehr harten Elementen. Gehört das auch zum Konzept, möglichst viel in einen Song zu packen?

Leif:
Vielleicht nicht unbedingt "möglichst viel", aber doch genug, damit es interessant bleibt. Wir hören alle sehr unterschiedliche Arten von Musik, von daher finden sich auch sehr unterschiedliche Elemente von weich bis hart unserer Musik wieder. Wir fänden es langweilig, immer nur das gleiche zu spielen.

Max:
Man sollte keine Angst davor haben, zu experimentieren. Wenn das das Ergebnis ist, wird es schon in Ordnung sein.

Elke:
Besonders Leif als einer der Hauptsongschreiber nennt in seinem Profil auf der Webseite sehr viele Bands als Inspiration, die ebenfalls mit sehr unterschiedlichen Stilelementen arbeiten. Inwieweit zeigt ihr euch davon beeinflusst?

Leif:
Natürlich schreibt man, wenn man sich eine bestimmte Art von Musik reingezogen hat, an dem Tag etwas, dass sich mehr nach dieser Band anhört. Was mich aber immer wieder erstaunt, ist dass selbst wenn ich versuche, Musik zu schreiben, die wie die Musik einer anderen Band klingt, wie zum Beispiel SOILWORK - nachdem wir alle Elemente hinzugefügt haben, also den Gesang, die Violine und das Cello, klingt es am Ende doch nicht nach SOILWORK, sondern nach uns. Möglicherweise erinnern ein paar Riffs oder das Grundgerüst eines Songs an eine anderen Band, aber am Ende drücken wir dem ganzen immer unseren eigenen Stempel auf. Wir schaffen es gar nicht, andere einfach nur zu kopieren, egal wie sehr wir es versuchen. Natürlich werde ich von den Bands, die ich in meinem Profil aufgelistet habe, musikalisch beeinflusst, aber mehr in dem Sinne, wie sich Musik anfühlen soll.

Elke:
Wie hat man in Finnland auf euer Debüt reagiert?

Leif:
Überwiegend positiv. Es wurde nicht großartig beworben und wir haben auch nicht viele Interviews gegeben - man ließ die Sache einfach laufen. Dafür lief es bisher sehr gut. Wir hatten ein paar Mal Werbung im Fernsehen [das dazugehörige Video kann man auch auf der offiziellen Homepage http://www.hevein.com sehen - Anmerkung der Verfasserin], was natürlich hilfreich war.

Elke:
Wie fallen die Reviews in den deutschen Magazinen aus?

Leif:
Sie wurden gerade erst bemustert, weil Spinefarm vorher keine Promos rausgeschickt hat - Universal wollten das selbst anleiern. Ich weiß, dass wir in der nächsten Ausgabe des Metal Hammers ein gutes Review bekommen.

Elke:
Ihr habt bereits das Artwork erwähnt, das von eurem Schlagzeuger entworfen wurde. Wo findet man solche Gebäude und Ruinen?

Leif:
Das Foto auf dem Cover ist eine Computer-Collage von Gebäuden in Helsinki. Das Bild auf der Rückseite des Booklets stammt glaube ich aus der Bibliothek. Man kann diese ganzen Orte in Helsinki finden, aber sie sehen in Wirklichkeit ziemlich anders aus.

Elke:
Und wer ist das kleine Mädchen in dem Video zu 'Last Drop Of Innocence'?

Leif:
Sie ist die Tochter von einem alten Freund von Alpo, den man auch im Video sehen kann. Er war einfach der einzige Freund von uns, der eine Tochter in diesem Alter hatte.

Elke:
Das bisher einzige Konzert außerhalb Finnlands fand ausgerechnet in Russland statt. Warum dort?

Max:
Heutzutage ist es für eine finnische Band nicht ungewöhnlich, ein Konzert in Russland zu spielen. Sie sind unsere Nachbarn.

Leif:
Es war mehr ein Showcase als ein normales Konzert mit mehr Pressevertretern als gewöhnlich.

Elke:
Wie sieht es mit Plänen für eine Europatour aus?

Max:
Es gibt bereits einige Überlegungen, denn viele Leute glauben, dass das Album gut ankommen wird. Wir sind für die Sommer-Festivals natürlich zu spät dran, aber wir hoffen auf eine Tour im Herbst.

Leif:
Es hängt natürlich davon ab, wie das Album überall ankommt. Wenn es hier gut läuft, bringen Universal es vielleicht auch in Übersee heraus, z. B. in Lateinamerika.

Elke:
Habt ihr euch am Wochenende eigentlich den Eurovision Song Contest angeschaut?

Max:
Ja, habe ich. Es ist ein sehr merkwürdiger Wettbewerb.

Leif:
Ich nicht, aber ich weiß, wer gewonnen hat. (Gelächter)

Elke:
LORDIs Sieg war in der deutschen Presse bereits ein großes Thema. Wie war das bei euch in Finnland?

Max:
Natürlich noch größer. In einer der heutigen Tageszeitungen war ein Bild der Band zusammen mit dem finnischen Premierminister, der die Pommesgabel zeigt.

Leif:
Ich glaube, in seiner Heimatstadt soll ein Platz nach ihnen benannt werden und solche Sachen.

Elke:
Wie kommt es, dass eine finnische Metal-Band das Land in einem solchen Wettbewerb vertritt? Wird Metal bei euch mehr anerkannt?

Leif:
Wenn eine Metal-Band in Finnland ein Album herausbringt, steht es gewöhnlicherweise in den finnischen Top 100. CHILDREN OF BODOM erreichen normalerweise Position eins. Es kommt schon vor, dass in den Top 10 sechs oder sieben Metal-Bands vertreten sind. Das ist verrückt, aber großartig.

Max:
Metal ist einfach überall. Jemand hat mir mal erzählt, er sei in eine Art Trend-Bar in Helsinki gegangen und hätte dort CHILDREN OF BODOM gehört. Das würde anderswo nie passieren.

Elke:
Juha, deine Stimme erinnert mich ein klein wenig die von Ex-AMORPHIS-Sänger Pasi Koskinen. Sie haben ja kürzlich einen neuen Sänger gesucht - hast du dich beworben?

Juha:
Ich habe ungefähr eine Sekunde lang darüber nachgedacht und mich dagegen entschieden. Ich bin mir auch nicht sicher, ob du nicht auf Leifs Stimme anspielst, da er die meisten klaren Gesangspassagen auf dem Album übernommen hat. [Nach einer kurzen Diskussion stellt Max fest, dass ich nicht die erste sei, die diese Ähnlichkeit festgestellt habe. - Anmerkung der Verfasserin] Außerdem bin sehr glücklich mit der Band, in der ich jetzt bin.

Elke:
Letzte Frage: Wenn HEVEIN eine Pizza wären, mit was wäre sie belegt?

Max:
Ich bin zwar kein Pizza-Esser mehr, aber früher hatte ich eine Lieblings-Sorte, Pollo Mexicana. Also: Scharfes Hühnchen, Zwiebeln, Paprika, Pilze, Ananas - Leif, du magst doch Ananas oder? -, Palapenos natürlich wegen der Schärfe, Tomaten. Vielleicht noch was verrücktes - Bratwurst?

Leif:
Känguruh-Fleisch!

Max:
Ja, er ist halber Australier. Vielleicht noch ein paar Emu-Eier (allgemeines Gelächter). Das reicht glaube ich.

Redakteur:
Elke Huber

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