HOUSE OF LORDS: Interview mit James Christian
02.04.2008 | 10:54Manchmal steckt echt der Wurm drin. Eines Abends klingelt Ausnahmesänger James Christian aus Florida durch, um mit mir für eine Stunde über das neue Album "Come To My Kingdom" seiner Band HOUSE OF LORDS zu sprechen, mir sehr persönliche Probleme mit ehemaligen Musikern mitzuteilen und mir zwischendurch immer mal wieder seine Frau Robin Beck zu reichen, die von Hausarbeit und Schwierigkeiten bei der Müllentsorgung berichtet. Alles sehr nett, doch streikt mein Aufnahmegerät aufgrund der extrem schlechten Telefonverbindung (VoIP sucks!) und auch jeder Rettungsversuch durch moderne digitale Technik scheitert kläglich. So musste James bei seinem grandiosen Gastspiel in Langen noch einmal herhalten und die meisten Fragen erneut beantworten. Ein seltsames Gefühl, wenn man Fragen (James) und Antworten (ich) bereits vorher kennt. Doch Mr. Christian, mit einer Flasche Rotwein bewaffnet, ist Profi und es noch immer nicht müde, über das bärenstarke Album zu reden.
Chris:
Sind die Songs auf "Come To My Kingdom" alle neu, oder habt ihr auch noch ein paar Überbleibsel von "World Upside Down" verwendet?
James:
Es sind alles brandneue Songs. Kein einziges Stück stammt noch von der Session zu "World Upside Down". Insgesamt haben wir diesmal dreißig Songs geschrieben und letztendlich dreizehn für das Album ausgesucht. Jedes Mal spüren wir, das können wir noch besser machen als beim letzten Mal. So werden wir wahrscheinlich auch die übrig gebliebenen Songs nicht für das nächste Album verwenden. Aber wer weiß, wo diese irgendwann mal landen.
Chris:
Es gibt also keine unveröffentlichten Songs von "World Upside Down" mehr?
James:
Nein, nicht wirklich. Nachdem wir die letzte Tour beendet hatten, konnten wir uns gerade mal einen Monat ausruhen und begannen dann mit den Arbeiten zum neuen Album. Jimi (Bell, Gitarrist - d. Verf.) arbeitet immer ein paar Sachen aus und schickt sie BJ (Zampa, Drums - d. Verf.). Anschließend bekomme ich die noch vagen Ideen zugeschickt. Ich picke mir dann die besten Parts heraus und bearbeite sie, versuche, daraus richtige Songs zu machen. Erst dann starte ich mit den Gesängen. Es funktioniert nur leider natürlich nicht immer so, wie man es sich vorstellt. Wenn du aber am Ende aus fünf Fragmenten wenigstens einen richtigen Song hast, ist das schon ziemlich gut.
Chris:
Beide Scheiben sind sich musikalisch sehr ähnlich. Was würdest du Leuten entgegnen, die "Come To My Kingdom" als reine Kopie des Vorgängers beschreiben würden?
James:
Das ist eben unser Stil. Werden wir unseren Stil auf dem nächsten Album ändern? Das entscheiden letztendlich immer die Songs. Solange es ein natürlicher Prozess ist, kann ein Stück auch ruhig mal etwas anders klingen. Bei "Come To My Kingdom" war es jedoch genau das, was wir musikalisch machen wollten. Wir haben uns nicht hingesetzt und haben Songs geschrieben, die unbedingt wie "World Upside Down" klingen sollten. Letztendlich muss es einfach immer nach HOUSE OF LORDS klingen.
Chris:
Ich persönlich finde jeden einzelnen Song des neuen Album wirklich sehr stark. Wenn ich etwas zu bemängeln habe, dann fehlt mir insgesamt etwas Dynamik...
James:
Wir könnten Songs schreiben, die längere Soli oder ausufernde Enden haben. Das würde die Monotonie, wie du es ausdrückst, durchbrechen. Wir haben den Songs aber lieber ein gewisses Format gegeben. Und es scheint auch funktioniert zu haben. Schau dir mal beispielsweise 'One Foot In The Dark' an: Der Song geht so schnell vorbei, dass man ihn unbedingt direkt noch einmal hören möchte. Genau so muss es sein. Bei 'The Dream' hat das nicht geklappt, denn da haben wir es in bestimmten Momenten einfach laufen lassen. Insgesamt hast du aber Recht, denn wir haben meistens ein bestimmtes Schema benutzt. Wir brauchen aber auch nicht unbedingt Fünf-Minuten-Songs, wenn wir es auch in drei schaffen.
Chris:
Waren denn diesmal keine wirklich langsamen Balladen oder schnelle Songs im Lostopf?
James:
Ich persönlich hasse diese typischen Half-Time-Songs (singt den typischen Balladenrhythmus vor - d. Verf.). Dabei schlafe ich ein. So etwas habe ich noch nie gemacht und das wird mir auch nicht auf eines meiner Alben kommen. Jimi hat mir ein paar solcher Ideen geschickt, aber ich habe ihm gesagt: "Sorry dude, I can't do it". Ich liebe dagegen Mid-Tempo-Songs. Höre dir beispielsweise mal DEF LEPPARD an. Auf ihren größten Alben sind fast ausschließlich Mid-Tempo-Songs drauf. Und wer hat produziert? Natürlich John "Mutt" Lange, der Beste auf der Welt. Die meisten Leute denken nicht in verschiedenen Geschwindigkeiten, sondern fühlen eher den Groove. Ein Mid-Tempo-Song erreicht irgendwie alle, denn es ist gleichzeitig auch der Puls unseres Herzens, der so um die 120 liegt. Wirklich, das ist eine Wissenschaft für sich.
Chris:
Was mich auf beiden Alben wirklich umgeblasen hat, war die laute und heftige Produktion der Gitarren – zumindest für den Melodic-Rock-Bereich. Jimi erzählte mir einmal, er hätte lange mit dir darüber diskutiert. Bist du mittlerweile vom Ergebnis überzeugt?
James:
Es schadet einem Melodic-Rock-Song nicht, wenn du ihn in ein modernes Soundgewand bettest. Es gibt absolut keinen Grund, warum wir mit tonnenweise Hall auf den Gitarren wie in den Achtzigern klingen sollten. Erinnerst du dich an die Zeit, als noch haufenweise Wasser auf den Toms lag und alles im Hall ertrank? Wenn du das alles weglässt, wird es einfach irgendwie klarer. Bei Jimi geht das auch gar nicht anders. Er ist der eigentliche Star unserer Musik. Du musst ihn nur freilassen. Du hast ja keine Vorstellung davon, zu was er wirklich fähig ist. Wenn er spielt, muss er im Vordergrund stehen und die Keyboards rücken automatisch in den Hintergrund. Einige mögen es, andere wieder nicht. Jimi hat mir Songs geschickt, die perfekt zu METALLICA passen würden. Die Riffs waren so verdammt hart. Ich dachte nur, das können wir nicht machen, damit würden wir viele Leute verschrecken. 'I'm Free' beispielsweise ist ein wirklich aggressiver Song für diese Band und es war verdammt schwierig, ihn auf das letzte Album zu bekommen. Die Plattenfirma meinte nur, er sei zu düster. Zum Glück konnten wir uns durchsetzen. Ich verspreche dir aber, das nächste Album wird noch heftiger. Noch witzeln wir darüber, aber Jimi wird noch deutlicher im Vordergrund stehen.
Chris:
Gehe ich Recht in der Annahme, dass eure Songs grundsätzlich mehr auf Harmonien und Melodien als auf klassischen Riffs basieren?
James:
Die Melodie kommt immer zuerst. Wenn ein Song fertig ist, schnappe ich mir eine Akustikgitarre und versuche den Song zu singen. Ich muss dabei keine Riffs spielen, nur die Harmonien. Wenn es klappt, weiß ich, dass es ein guter Song sein könnte. Die größten Songs kannst du problemlos auf der Akustikgitarre spielen und sie klingen noch immer großartig. Nach diesem Schema versuche ich Songs zu schreiben. Meine Stücke basieren auf Hooks, Hooks, Hooks. Solange man es nicht übertreibt, ist da nichts Schlimmes dran, denn eine Hookline ist verdammt schwer zu schreiben. Immerhin heißt es nicht umsonst "Hook". Bei 'Your Every Move' habe ich beispielsweise an einem Refrain gearbeitet und wollte eine Melodie darauf ausprobieren. So habe ich sie in Pro-Tools verschoben, nur versehentlich an die falsche Stelle (singt zwei Melodien, die sich am Ende überschneiden – d. Verf.), und die zwei passten zusammen. Ich hatte plötzlich zwei Refrains in einem Song. Das war zwar nicht so beabsichtigt, hat aber funktioniert. Jetzt muss ich die Leute nur noch davon überzeugen, dass ich einfach so kreativ bin. (lacht)
Chris:
Was ist dein Königsreich?
James:
'Come To My Kingdom' handelt von einer fiktiven Frau, die sich Berühmtheit und Glück mehr als alles andere auf der Welt wünscht. Sie verkauft dafür ihre Seele an den Teufel. Das könnte jetzt jede x-beliebige Person sein, auch du als Musiker, wir haben uns einfach eine Frau ausgesucht. Doch nun ist die Zeit gekommen, wo sie dafür bezahlen muss. Nichts ist für die Ewigkeit. Ihre Berühmtheit und das Glück war nur für einen kurzen Augenblick. Der Teufel spricht: "Come to my kingdom, deine Zeit ist vorbei. Es gibt kein Rückkaufrecht, nur Sünde. Du kannst nicht weglaufen, dich nicht verstecken, denn ich werde dich finden." Wir haben versucht, der ganzen Story eine Art Moral zu geben. Verkaufe nicht deine Seele, denn der scheinbar einfachste Weg hat auch immer seinen Preis.
Chris:
Ein weiterer sehr starker Song ist 'I Need To Fly'. Der Mann, der ausbrechen möchte. Singst du da von dir?
James:
'I Need To Fly' basiert auf einem realen Gefühl. Wenn du noch jung bist und deine erste Freundin hast, müsste eigentlich alles perfekt sein. Du liebst sie auch, aber trotzdem glaubst du immer irgendwie, du würdest etwas verpassen. Der Song hat viel mit mir zu tun als ich noch ganz jung war. Ich war eingesperrt in einer kleiner Stadt mit einer Person und wusste aber genau, ich wollte größere und bessere Dinge erleben. Es ist eine alte Geschichte, transportiert in die heutige Zeit.
Chris:
In 'One Foot In The Dark' singst du von der "Rock And Roll Mission". Wie genau sieht diese aus?
James:
'One Foot In The Dark' handelt von Jimi Bell. Der Text, der Riff, einfach alles basiert auf Jimi. Wenn er Riffs schreibt, dann hat das auch immer etwas düsteres an sich. Wir sagen dann immer, dass er dabei jedesmal irgendwie mit einem Bein in der Dunkelheit steht. Die anderen meinten, wir sollten mal darüber einen Song machen. Es geht darum, wie er sich auf der Bühne bewegt, was er tut, wie er spielt und wie er zur Seite geht, wenn ich auf der Bühne in seine Nähe komme. Ich sage immer, sorge dafür, dass du zur Seite gehst, aber behalte immer "one foot in the dark". Es ist eigentlich nur ein kleines Spiel zwischen uns. Jimi, behalte den Fuß immer genau hier (macht einen großen Ausfallschritt – d. Verf.).
Chris:
Wenn du an deine Tochter denkst, wie sieht da deine perfekt Welt aus ('In A Perfect World')?
James:
Ich bin eine sehr positiv denkende Person. Ich lebe auf dieser Welt für mein Kind. Wenn du gewisse Dinge im Leben durchgemacht hast, wirst du irgendwann irgendwie selbstlos. In dieser Phase bin ich gerade. Ich denke immer nur an sie.
Chris:
Ist für dich die heutige Welt eine perfekte Welt?
James:
Es ist einfach unglaublich. Ich habe eine wundervolle Frau, eine wundervolle Tochter. Jetzt bekomme ich sogar noch einen neuen Hund. Das überrascht mich selbst, denn während ich hier in Europa bin, schaffen die sich zu Hause einen kleinen Welpen an. Als ich das letzte Mal in Europa war, habe ich eine neue Katze bekommen. Da scheint es irgendwie einen Zusammenhang zu geben. Vielleicht vermissen sie mich einfach und versuchen mich, durch ein Haustier zu ersetzen. (lacht)
Chris:
Auf der europäischen Pressung gibt es mit der Akustikversion von 'Another Day From Heaven' einen absoluten Diamanten. Wie kam es dazu?
James:
Ich bin wirklich überrascht, dass dir diese reine Piano- und Gesangsversion gefällt. Ich dachte, die harten Jungs würden sie nicht mögen, da habe ich mich wohl getäuscht. Als wir 'Another Day From Heaven' gemischt haben, dämpften wir die komplette Musik und hörten nur das elektrische Piano und den Gesang. Das war fantastisch. Es klang jedoch, als würde das Piano immer leicht daneben liegen. Ein Freund von mir hat den ganzen Song dann noch einmal mit mir am Gesang eingespielt. Als die Plattenfirma die Version hörte, wollte sie diese unbedingt als Bonussong verwenden.
Chris:
Ist denn der europäische Markt mittlerweile so wichtig geworden, dass ihr sogar einen eigenen Bonussong mit auf das Album nehmt? Normalerweise haben eigentlich immer die Japaner dieses Privileg genossen...
James:
Auf der japanischen Version ist mit 'It Might Have Been Madness' ein anderer Bonussong enthalten. Das ist auch ein fantastischer Song und ich wollte ihn unbedingt auf dem regulären Album haben, aber die Plattenfirma wollte keine vierzehn Songs auf die Scheibe nehmen. Ich habe gerne zwölf oder dreizehn Songs auf einem Album, so sind Bonussongs immer ganz passend. Einige Leute meinen, zehn Stücke wären genug. Das finde ich nicht – "value for your money". Wenn du keine dreizehn Songs magst, spiel eben nur zehn. Die US-Pressung ist übrigens identisch mit der europäischen Version. Die Scheibe sollte dort auch in den nächsten Monaten auf den Markt kommen, wir arbeiten gerade daran.
Für den Sommer haben wir jetzt einige Festivals bestätigt. Wir spielen beispielsweise auf dem "Rocklahoma" vor etwa 100.000 bis 200.000 Leuten. Jetzt ist auch noch ein Festival mit QUEENSRYCHE, SKID ROW und noch zwei bis drei weiteren Bands bestätigt worden. Das ist zwar nicht so groß wie das "Rocklahoma", aber da kommen immer noch 20.000 Leute. Das ist auch nicht wirklich schlecht. Ich wollte uns schon letztes Jahr unbedingt auf dem "Rocklahoma" haben, aber die Veranstalter haben abgelehnt, weil es nicht die Originalmusiker sind. Ich meinte nur, hört euch einfach das Album an und entscheidet dann. Nachdem sie nun auch "Come To My Kingdom" gehört haben, kamen sie einfach nicht mehr darum herum. Auch wir müssen für solche Shows hart arbeiten und bekommen definitiv nichts nachgeschmissen.
Chris:
Du scheinst wirklich sehr stolz auf das neue Album zu sein...
James:
Ja. Ich bin mir vollkommen sicher, dass Leute, die melodische Musik mögen, das neue Album lieben werden. Für jeden ist etwas dabei. Es ist ein melodisches Rockalbum mit einer zeitgemäßen Produktion. Was kann es besseres geben? Wenn du ein Melodic-Rock-Fan bist oder auch nur auf gute Songs stehst, dann ist "Come To My Kingdom" ein Album für dich.
Chris:
Euer Album wurde als "Voiceover"-CD an die Presse verschickt. Was denkst du darüber?
James:
Das ist ziemlich bizarr und tut mir echt leid. Es dient einzig und allein dazu, diese Piraterie zu verhindern. Solange es der Plattenfirma hilft, habe ich nichts dagegen. Ich denke, es erfüllt schon seinen Zweck, ist aber total nervig. So ist die Scheibe natürlich schwer durchzuhören. Diese ganze Download-Geschichte trifft ja vor allem die Bands. Wir machen mit CD-Verkäufen kein Geld mehr, wenn es die Songs schon für zehn Cent oder gar kostenlos gibt. Als ich meine Einwilligung gab, konnte ich mir jedoch nicht vorstellen, dass so viele Leute davon genervt sein könnten.
Chris:
Ihr feiert nächstes Jahr euer 20-jähriges Jubiläum (zumindest erschien 1989 das Debütalbum). Können wir da irgendwelche Geschenke erwarten?
James:
Zwanzig Jahre? Oh Mann, musst du das unbedingt sagen? (lacht) Ich weiß nicht, ob es die beste Überraschung der Welt ist, aber wir werden eine Live-DVD mit Aufnahmen der "World Upside Down"- und "Come To My Kingdom"-Tour veröffentlichen. Eine komplette Show, mit Songs vom ersten Album bis "Demon's Down" bis hin zu den beiden neuen Scheiben. Das wurde in Conneticut aufgenommen vor knapp 2.000 Leuten. In unserer Heimatstadt können wir solche Hallen innerhalb eines Herzschlages ausverkaufen. Außerdem wird es noch Material vom "Rocklahoma", einigen anderen Festivals und Tourimpressionen geben.
Leider kann ich nichts aus früheren Tagen veröffentlichen. Ich habe bereits eine komplette DVD "House Of Lords Anthology" fertig. Großartiges Filmmaterial, aber ich konnte mich bisher mit den ehemaligen Musikern noch nicht auf eine Veröffentlichung einigen. Seit dem Split ist es für uns noch nicht wieder ganz so einfach. Wir sind zwar noch Freunde, aber nicht auf Business-Ebene. Irgendwann wird diese DVD erscheinen, momentan ist sie halt noch in der Warteschleife. Es geht auch nicht ums Geld, ihnen ist einfach eine Veröffentlichung in der jetzigen Situation nicht so wichtig. Es ist sehr schade, denn ich weiß genau, einige würden dieses Material wirklich sehr gerne sehen. Zum Beispiel gibt es Material mit Andy Johns oder als wir "Sahara" aufgenommen haben, du würdest dich totlachen. Es gibt Zeug von uns mit den BAILY BROTHERS und mit MTV UK. Das ist total komisch. Ich darf es aber noch nicht mal jemandem vorspielen. Ziemlich verrückt.
Chris:
Ihr wart seit Veröffentlichung von "World Upside Down" ziemlich oft in Europa. Ist HOUSE OF LORDS mittlerweile mehr ein europäisches Ding?
James:
Wir waren in den Staaten mit BANG TANGO unterwegs und das war wirklich sehr erfolgreich. Aber so gerne ich auch in Clubs spiele, wir müssen in den Staaten jetzt das nächste Level erreichen. Unser neues Management hat jetzt damit begonnen, uns auf größere Festivals zu buchen. "Rocklahoma", "Rock In Rio" und das Festival mit QUEENSRYCHE. Gerade verhandeln wir über ein Festival mit Bands wie RATT, DOKKEN und HOUSE OF LORDS. Oder HOUSE OF LORDS und WHITE LION. Das ist unser Ziel für die USA.
Chris:
In einem früheren Interview hast du mir mal gesagt, es sei für dich nach all den Erfolgen und den großen Shows in der Vergangenheit unvorstellbar, wieder durch kleine Klubs zu tingeln und jeden Abend vor 100 bis 200 Leuten zu spielen. War es so schwer, wie du es dir vorgestellt hattest?
James:
Weißt du was? Nein. Weißt du auch warum? Wenn du ein Herzblutmusiker bist, dann ist es dir egal, ob du vor zwei, fünf oder fünftausend Leuten spielst. Du solltest stolz genug sein, auf die Bühne gehen zu dürfen. Wenn du das nur machst, weil da draußen viele Leute warten, dann stimmt etwas nicht. Ich gehe da raus, um zu singen. Das bedeutet mir etwas. Genau so hat bei mir alles begonnen, und auch bei Jimi und BJ. Fünf, sechs Nächte in der Woche haben wir in Klubs gespielt. Wir hatten damals eine gute Zeit. Kleine Klubs sind auch viel persönlicher.
Chris:
Viele Bands, die in den Achtzigern erfolgreich waren, haben heute das Problem, dass die Fans immer nur die alten Nummern hören wollen. Wie sieht das bei euch aus?
Chris:
Es muss ausgeglichen sein. Es gibt großartige Songs wie 'Pleasure Palace', 'Slip Of The Tongue' oder 'Love Don't Lie'. Die sind einfach zeitlos und gehen immer. Das gilt aber auch für 'These Are The Times' oder 'Come To My Kingdom'. Wie bei allem im Leben musst du die richtige Mischung finden.
Chris:
Was ist eigentlich aus der Idee einer gemeinsamen Tour mit deiner Frau, Robin Beck, geworden?
James:
Robin wollte noch etwas warten. Sie hat nun das 20-jährige Jubiläum von "Trouble Or Nothing" vor Augen und wird diese mit vier Bonussongs noch einmal veröffentlichen. Aber anstatt sie nur noch einmal neu zu verpacken, wird sie die ganze Scheibe noch einmal neu einspielen und einsingen. Sie wird diese im November zum Jubiläum veröffentlichen und anschließend auch auf Tour gehen.
Chris:
Warum ist Chris McCarville jetzt eigentlich nicht mit auf Tour in Europa?
James:
Letztendlich war es eine rein finanzielle Angelegenheit. Ehrlich, Chris hat sehr gut gearbeitet und hat viel mit uns getourt. Dann hat aber seine Frau ihren Job verloren und er musste für alles aufkommen. Er hat sozusagen das große Los gezogen. Ich habe nur ein kleines Budget zur Verfügung und kann keine Unsummen zahlen, und das reichte ihm nicht. Er hätte es aber wirklich gerne gemacht.
Chris:
Wer ist der neue Mann am Bass?
James:
Der neue Mann heißt Matt McKenna und kommt aus Kalifornien. Er ist dort eine Art Sessionbassist und außerdem ein sehr großer Fan von HOUSE OF LORDS. Wir haben in etwa vierzehn Tagen ungefähr fünfzehn Bassisten getestet. Matt kam auf eigene Kosten aus Kalifornien, nur um mit Jimi und BJ zu spielen. Zu dieser Zeit hatte ich gerade in Florida zu tun, war also nicht dabei. Sie riefen mich aber sofort an und meinten, sie hätten den passenden Mann gefunden. Ohne dass ich ihn gehört hatte, wurde er das neue Bandmitglied. Und jetzt ist er hier. Lasst uns alle die Daumen drücken, dass es funktioniert. Es ist so verdammt schwierig, eine Band zusammenzuhalten. Es ist wie eine Ehe. Ich habe schon in so vielen verschiedenen Formationen von HOUSE OF LORDS gespielt. Mann, ich bin der Einzige, der noch übrig ist.
Chris:
Eine in Fankreisen heiß diskutierte Frage ist, wie viel live ist live bei einer Show von HOUSE OF LORDS?
James:
Ich würde sagen, 80/20. Eigentlich ist das einfach. Viele Backgroundgesänge und Keyboards sind Samples. Natürlich musst du auf die Bühne gehen und deinen Job erledigen, aber es ist auch immer wichtig, dass es groß und dick klingt. Ich bräuchte alleine fünf Backgroundsänger und müsste einen Keyboarder mit tonnenweise Keyboards mitnehmen, um die ganzen Parts spielen zu können. Das ist nicht möglich.
Chris:
Wie sieht es mit dem Hauptgesang aus?
James:
Nur wenn zwei Parts sich überschneiden, läuft eine Line im Hintergrund mit. Das würde ansonsten wirklich seltsam klingen. Die anderen Jungs singen auch alle im Background. Nicht immer perfekt, das kann ich auf meinem Monitor deutlich hören, aber mit etwas Hilfe, dem zusätzlichen Herz meiner wundervollen Frau im Rücken, passt es wieder. (lacht) Diese Höhen schneiden wie ein Rasiermesser alle Ecken und Kanten ab. Du müsstest uns mal ohne Backgroundsamples hören, dann wüsstest du, was ich meine.
Chris:
Bei eurer ersten Show in Europa auf dem "Rock Of Ages" hattet ihr noch arge Probleme in dieser Hinsicht.
James:
Wir hatten keinen verdammten Soundmenschen. Wir sind zur Show gekommen und haben einfach den Soundmann vor Ort genommen und meinten, er solle einfach sein Bestes geben. Und ja, es war grausam. Er kam mit unseren Samples überhaupt nicht zurecht. Wir fühlten uns die meiste Zeit total verloren auf der Bühne.
Chris:
Hast du eigentlich Robins Stimme auch gesampelt?
James:
Sie ist die Einzige, die all diese Parts singen kann. Sie ist so fantastisch. Sie hat diese Parts einfach so eingesungen, aus vollem Herzen. Ich meinte nur, Robin, das ist so verdammt hoch. Wie sollen wir das je live machen? Wir können es nicht. Wir müssen dich einfach mit auf Tour nehmen. Jetzt gehörst du zu HOUSE OF LORDS. Ich musste die Stimme nur richtig in den Mix einbetten und schon hat es alle Ecken und Kanten abgeschnitten.
Chris:
Was ist es für ein Gefühl, jeden Abend ihre Stimme zu hören, obwohl sie gar nicht da ist?
James:
Ich liebe es. Da fühle ich mich wie zu Hause. Beim Soundcheck spiele ich immer "Save Up All Your Tears".
Chris:
Das Geld, das du bei einem solchen Trip durch Europa machst, reicht das zum Leben oder gerade mal für ein romantisches Abendessen mit Robin?
James:
Das ist natürlich ein Problem. Ich brauche das Geld aber nicht, um davon leben zu können. Ich kann all diese Dinge hier machen, weil ich noch ein eigenes Business habe. Ich produziere viel. Sobald wir wieder zu Hause sind, werde ich für die Fußball-Europameisterschaft den Song 'The Final Countdown' einsingen. Sie wollen ihn in jeder Werbung benutzen und haben mir viel Geld angeboten, damit ich diesen Song von EUROPE singe. Ich bekomme diese Art von Angeboten andauernd. Letztens rief mich jemand an und wollte, dass ich ein Album für einen italienischen Künstler einsinge. Ich habe das komplette Album in drei Wochen eingesungen. Wie du siehst, Daddy ist ziemlich beschäftigt. Trotzdem versuche ich aber immer, meine Marktpräsenz in dieser Hinsicht nicht zu übertreiben, im Gegensatz zu einigen anderen Sängern.
Chris:
Bei euren Shows machst du grundsätzlich sehr wenige Ansagen. Ich persönlich vermisse das ein wenig. Fühlst du dich unwohl dabei?
James:
Wenn ich rede, dann meist nur um einen neuen Song anzukündigen oder wenn es sich gerade anbietet. Ich möchte lieber die Musik für sich sprechen lassen. Lieber spiele ich zwanzig Songs als achtzehn, nur weil ich so viel reden musste. Das haben wir bei HOUSE OF LORDS schon immer so gemacht. Teilweise sind wir direkt immer von einem in den nächsten Song gegangen. Fünf Songs am Stück, dann ein kurzes Break und noch einmal drei weitere Nummern. Manchmal habe ich nur zwei oder drei Mal überhaupt etwas gesagt. Ich bin halt kein David Lee Roth, der auf die Bühne geht und aus dem Stehgreif wie ein Komödiant das Publikum unterhält. Ich rede nicht so viel. Manche sind da sehr gut drin, aber ich möchte lieber singen statt reden.
Chris:
Im Mai und Juni kommen KISS nach Europa. Hast du deinen alten Kumpel, Gene Simmons, schon angerufen und wegen einem Slot gefragt?
James:
Ich wünschte, wir könnten diese Tour mitfahren, aber wir werden nicht. Ich habe ihn noch nicht mal angerufen deswegen. Gene hat in der Vergangenheit sehr viel für uns getan. Wir waren auf Tour mit den SCORPIONS und haben ein paar Shows mit OZZY gespielt. Das hätten wir alles nicht machen können, wenn Gene Simmons uns nicht geholfen hätte. Er hat viele Kontakte spielen lassen, aber heute hat er viel zu viel mit seinen eigenen Sachen zu tun. Vielleicht würde er sogar ein gutes Wort für uns einlegen, wenn ich ihn heute anrufen würde, aber wir sind nicht mehr auf seinem Label. Er dürfte also nicht mehr so sehr daran interessiert sein, uns zu helfen. Vielleicht kennt er noch nicht mal mehr unsere Namen.
Chris:
Sehr populär sind im Moment auch diese ganzen Realityshows mit Rockstars. Wäre das nicht etwas für Robin und dich?
James:
Das wäre wirklich langweilig, weil wir eigentlich ständig nur im Studio arbeiten. Das ist eigentlich alles, was wir tun.
Chris:
Wie wäre es mit, "Robin Beck cleans the House Of Lords"?
James:
(lacht) Robin ist bei der Hausarbeit wirklich eine Fanatikerin. Wenn sich jemand zu Besuch ankündigt, muss sie das komplette Haus von jemandem putzen und aufräumen lassen. Und sie ist überall dabei. Sie muss das einfach tun. Ich bin dagegen die ganze Zeit im Studio. Meine kleine Tochter übt momentan die ganze Zeit Gitarrespielen, weil sie eine Sängerin und Gitarristin werden möchte. Eine großartige Sängerin ist sie schon, ganz nebenbei. Absolut natürliche Stimme. Das hat sie wohl von Mama und Papa geerbt. (lacht) Sie schaut mir und Robin auch die ganze Zeit im Studio zu. Ich kann mir also nicht wirklich vorstellen, dass es jemanden interessieren könnte, wie wir zwanzig Mal die gleiche Melodie aufnehmen öder ständig über Songs oder die Art zu singen diskutieren. Wenn ich mir das zwanzig Minuten anschauen müsste, würde ich selbst sofort den Kanal wechseln.
Chris:
So, vielen Dank für das Interview. Jetzt wird es Zeit für ein paar abschließende Worte an deine deutschen Fans...
James:
Wir sind noch für eine Weile in Europa, kommt und besucht uns auf den Konzerten. Wir kommen im Mai nach Europa zurück und spielen noch in Spanien, Skandinavien, England und vielen Ländern mehr. Die ganzen Informationen findet ihr auf meiner Website. Ich denke, "Come To My Kingdom" ist ein wirklich starkes Album geworden, checkt es einfach mal an.
- Redakteur:
- Chris Staubach