HOW LIKE A WINTER: Interview mit Dust, Bane, Mist

01.01.1970 | 01:00

Einer der Longplayer, die sich im vergangenen Jahr am häufigsten in meinem Schacht drehten, stammt von der italienischen Doom-Truppe HOW LIKE A WINTER. Mit "...Beyond My Grey Wake" haben die Damen und Herren mein düster-melancholisches Herz getroffen und da man über die Band bislang noch nicht viel lesen konnte, nahm ich vor einigen Monaten Kontakt zu ihnen zwecks bohrender Hintergrundfragen auf. Schnell war ein schriftliches Interview abgestimmt, aber danach sollte sich herausstellen, dass Doom-Musiker nicht nur langsame Nummern schreiben, sondern überhaupt sehr langsam schreiben. So dauerte es einige Monate, bis dann die Rückmeldung in meinem Postfach landete. Wer nun denkt, dass es eine solch lyrisch begabte Band mit ebensolchen Antworten aufzuwarten versteht, wird leider etwas enttäuscht sein. Vielleicht habe ich auch einfach die falschen Fragen gestellt?
Lest selbst:

Holger:
Zum Einstieg die obligatorische Frage nach der Bandgeschichte.

Bane:
Die HOW LIKE A WINTER-Storyidee basiert auf dem gleichnamigen Sonett von William Shakespeare. Die Band gründete sich vor ein paar Jahren aus der besonderen Bedeutung und der Magie, die aus diesen Worten hervor ging. Alles, was damit im Zusammenhang stand, wurde gesammelt und nach einiger Zeit nahm die Idee zur Band HOW LIKE A WINTER Gestalt an. Daraus resultiert unsere EP "The Winter's Near", die wir im Jahre 2001 im "Temple Of Noise"-Studio in Rom aufnahmen. Die Grundidee dazu stammt von Dust (voice, piano, orchestra) und Mist (guitars), die nach einiger Zeit in Bane (bass), Agony (violin) und den Schwestern Tragedy und Misery (female voices) die geigneten Weggefährten fanden. Die EP bekam überall sehr positive Reviews und so kam es zum Deal mit dem US-Label "Martyr Music Group" im Jahre 2002. Im September des gleichen Jahres zogen wir erneut ins "Temple Of Noise"-Studio und begannen mit den Aufnahmen zum Longplayer "... Beyond My Grey Wake", der im März 2003 das Licht der Welt erblickte. Und nun sind wir hier... und arbeiten an Songs zum nächsten Album.

Holger:
Gibt es überhaupt eine funktionierende Doom-Metal-Szene in Italien?

Bane:
Ich denke nicht, dass es eine solche Szene in Italien gibt. Natürlich gibt es einige sehr gute Doom-Bands hier, aber das Ganze ist eine reine Underground-Geschichte. Irgendwie ist das ja auch gerade das Faszinierende daran, denn gerade der Underground ist der interessanteste Part der gesamten Metal-Szene.

Holger:
Das ist unbestritten richtig. Gibt es denn zwischen den wenigen Bands so etwas wie ein Zusammengehörigkeitsgefühl? Was sind denn eure heimatlichen Favoriten? THUNDER STORM dürften ja recht angesagt sein, oder?

Bane:
Es ist schwer, so eine Zusammengehörigkeit zu entdecken, wenn alle so weit voneinander entfernt leben. Von THUNDER STORM kenne ich ehrlich gesagt nur zwei oder drei Songs, die mir aber sehr gut gefallen!

Holger:
Das ist natürlich schade. Kommen wir doch mal zum Label Martyr Music zurück. Wie lange läuft denn der Deal und was waren eure Erwartungen an so ein kleines Label?

Bane:
Der Deal geht über zwei Alben und momentan arbeiten wir hart am Nachfolger zu "...Beyond My Grey Wake". Klar, Marty Music ist ein sehr kleines Label, aber es kümmert sich sehr intensiv um uns. Außerdem haben sie auch noch andere sehr gute Bands unter Vertrag, wie CIRCLE OF DEAD CHILDREN, COUNCIL OF THE FALLEN, PENANCE, EM SINFONIA und BROKEN HOPE.

Holger:
Was erwartet ihr denn von einem neuen Label?

Bane:
Sollten wir uns nach einem anderen Partner umschauen, sollte der die Möglichkeit haben, etwas mehr Promotion für uns zu machen. Außerdem sollte der Vertrieb besser funktionieren. Ich weiß, dass es sehr schwierig ist, unser Album zu beziehen.

Holger:
Sehr schwierig ist ja fast noch untertrieben. Über normale Handelswege ist das Album so gut wie gar nicht zu bekommen. Zumindest nicht in Deutschland. Das bringt mich zu der Frage, wo Ihr denn überhaupt eure Hauptmärkte seht?

Mist:
Mmmh ... wahrscheinlich Europa, aber eigentlich wissen wir gar nichts von den Verkäufen bisher... außer, dass das Album in den USA wohl ganz gut angelaufen sein soll.

Holger:
Würdet ihr mir zustimmen, wenn ich behaupten würde, dass HOW LIKE A WINTER irgendwie "britisch" klingen? Kann es sein, dass man hier und da eine kleine Prise MY DYING BRIDE und ANATHEMA heraushören kann?

Mist:
Hahaha, die obligatorische Frage nach diesen beiden Bands. Ich liebe beide Kapellen so sehr, dass ich sie fast täglich anhöre! Aus diesem Grund ist es uns auch nicht peinlich, sie als Inspirationsquelle anzugeben. Es ist schön, wenn man mit solch grandioser Musik verglichen wird. Obwohl ich denke, dass unsere eigenen Kompositionen persönlicher klingen.

Holger:
Da wir gerade schon so schön dabei sind: Wo seht Ihr sonst noch eure musikalischen und lyrischen Einflüsse?

Bane:
Die Band besteht aus sechs Mitgliedern... Du kannst dir also vorstellen, wie viele Einflüsse in unsere Kompositionen mit einfließen ...


Holger:
Hmpf. Etwas genauer hätte ich es schon gerne gehabt, aber in der Kürze liegt die Würze. Übrigens ein Statement, welches man nicht gerade auf eure Songs anwenden kann. Die scheinen ja nun teilweise wirklich beinahe unendlich zu sein. Wie wichtig ist da die Abwechslung innerhalb der Songs?

Bane:
Ich mag keinen Stillstand innerhalb der Songs und versuche möglichst persönliche und individuelle Musik zu kreieren.

Holger:
Von Stillstand kann bei euch ja wohl nicht die Rede sein. Viel eher muss man sich doch wohl die Frage stellen, ob ihr mit eurer anspruchsvollen Musik nicht über den Köpfen den Hörer hinweg komponiert. Habt ihr keine Angst, dass eure langen Songs an den potenziellen Hörern vorbeigehen?

Bane:
Doom-Bands tendieren doch häufig dazu, lange Songs zu schreiben ... Doom Metal hat sich noch nie durch simple Songs ausgezeichnet, also belasten wir uns auch nicht mit solchen Gedanken. Ich muss aber erwähnen, dass unsere Musik – trotz vieler Variationen innerhalb der Songs – immer wieder mit gradlinigen Passagen aufwartet, die den Hörer mitreißen. Außerdem ist es uns ganz wichtig, niemals unsinnige Riffs miteinander zu kombinieren. Unsere Musik is immer sehr harmonisch. Zumindest in unseren Ohren.

Holger:
Nicht nur in euren Ohren, da viele Nummern auch bei mir ziemlich schnell hängen geblieben sind. Ihr habt es oben erstaunlicherweise schon selbst mehrfach gesagt, aber trotzdem muss ich an der Stelle noch mal nachhaken: Seht Ihr Euch selbst wirklich als Doom-Metal-Band oder doch eher als Gothic-Kapelle?

Mist:
Hm, Ich denke, unsere Musik beinhaltet viele Doom-Passagen, aber auch romantische und sehr atmosphärische Parts, die sicherlich auch einer sogenannten Gothic-Band gut zu Gesicht stehen würden. Anyway, ich mag es nicht, unsere Musik in eine Schublade zu stecken. Sie kommt direkt aus unserem Innersten und ist demnach sehr spontan.

Holger:
Okay, ich werfe euch jetzt mal ein paar Stichworte zu, die Ihr bitte kurz kommentiert!
BLACK SABBATH, CANDLEMASS; SOLITUDE AETURNUS, ST.VITUS, PENTAGRAM, ADRAMELCH, BLACK JESTER, BATTLE RAM, BATTLEROAR ...

BANE:
BLACK SABBATH, PENTAGRAM und CANDLEMASS finde ich natürlich erstklassig! Ich mag auch ST. VITUS, aber die anderen Bands kenne ich leider gar nicht. Von einigen habe ich zwar schon gehört, hatte aber noch keine Gelegenheit mich mit Ihnen näher zu beschäftigen. Ich verspreche Besserung!

Holger:
Ausgerechnet die italienischen Artverwandten sind also nicht bekannt. Schon bezeichnend für den Zusammenhalt der lokalen Szene. Schwenken wir also zu einem anderen Thema: Lyrik. Der Bandname stammt von einem Shakespeare-Sonett und auch die Texte der Songs klingen sehr poetisch. Wie kommt Ihr dazu? Studiert vielleicht einer von euch Philosophie oder Literatur?

Mist:
Nein, keiner von uns studiert Philosophie oder Literatur. Dust, unser Sänger, schreibt die gesamten Texte. Alles, was ich dazu sagen kann, ist, dass er sich selbst immer sehr stark analysiert und es so immer eine persönliche Bedeutung hinter den poetischen Worten gibt.

Holger:
Das ist ja prima, aber wie wäre es denn, wenn du einmal die einzelnen Songs des Albums ein bisschen näher beschreiben würdest?

Mist:
Alles dreht sich um Liebe und Tod. Kannst du dir ein Leben ohne Liebe vorstellen? Das Bewusstsein, dass wir alle eines Tages sterben, gibt uns die Passion zum Leben. Aus diesem Grund können wir es uns nicht leisten, unser Leben sinnlos zu verschwenden.

Holger:
Ihr macht euch so viel Mühe mit den Texten. Glaubt ihr nicht, dass viele Hörer sich gar nicht erst die Arbeit machen, diese dann auch zu lesen?

Bane:
Klar, es lesen nicht alle die Texte. Ich denke, es gibt auch genügend Hörer, die zwar mitsingen – und somit die Worte auch kennen – nicht aber über deren Sinn nachdenken. Ich meine, wir geben den Texten die nötige Aufmerksamkeit, so dass diese rhythmisch und harmonisch im Einklang mit der Musik stehen.

Holger:
Da kann ich dir nur zustimmen. Wie oft summt man einfach einen Song mit, ohne überhaupt den Inhalt zu erfassen. Bedenklich. Da Ihr sehr viel Wert auf eine textliche und musikalische Einheit nehmt und euch beides somit gleich wichtig ist, könnt Ihr euch einen musikalisch guten Song vorstellen, der einen extrem dummen Text hat?

Bane:
Es gibt sehr viele Band mit ordinären Texten. Dieses Problem existiert nicht nur in der Metal-Szene. Mit einfachen Worten kann man allerdings auch leichter eingängige Refrains komponieren.

Holger:
Wohl wahr. Gebt doch bitte mal ein Beispiel für einen Song, der euch inhaltlich, wie auch musikalisch gleichermaßen anspricht.

Mist:
'Becreen'd' , pure Passion...

Holger:
Sehr bescheiden, hier einen eigenen Song zu nennen. Schwenken wir nun einmal zurück zu Shakespeare. Kennt Ihr zufällig den brillanten Film "Theatre Of Blood" ("Theater des Grauens" – der Verf.), in dem Vincent Price – unterstützt von seiner Tochter Diana Rigg – einen ausgemusterten Shakespeare-Darsteller spielt, der seine Kritiker nach dem Vorbild von Shakespeare-Stücken ermordet? Ein herrlicher Horrorfilm!

Mist:
Sorry, aber diesen Film kenne ich leider nicht. Muss ich wohl mal Dust fragen, der sich mit solchen Sachen besser auskennt.

Holger:
Mach das bloß mal, der Film ist wirklich erstklassig! Bleiben wir aber bei den großen Namen. Wie wäre es, wenn ihr unseren Lesern mal ein paar Buchtipps mit auf den Weg gebt?

Mist:
Ooh... Ich mag so viele Autoren ... Bulgakov, Jerome K. Jerome ("Three Men In A Boat" ist eines meiner absoluten Favoriten), Tolkien ("The Lord Of The Rings" natürlich!), Neruda, Hesse, Poe, Stephen King, Eoin Colfer (Ich liebe seine Artemis-Sage), Pat O. Shea ("The Hounds Of The Morrigan"), Helgason ...

Holger:
Ok,ok, ich denke, das reicht erst einmal. Bevor wir uns hier zu weit vom eigentlichen Thema entfernen, kommen wir mal zurück zur Band. Denkt Ihr nicht, dass HOW LIKE A WINTER ein ziemlich langer Bandname ist, den man sich nicht gut merken kann?

Bane:
Nein, denke ich eigentlich nicht. Der Name spiegelt genau das wieder, was die Band darstellen möchte. Es gibt keinen passenderen Namen für uns.

Mist:
Ich denke das natürlich auch nicht. Der Charme dieser Worte hat unsere Herzen erwärmt, seit wir sie das erste Mal vernahmen.

Holger:
Auch wenn ich immer noch denke, dass HOW LIKE A WINTER ziemlich schwer zu merken ist, kann man dem Bandnamen seine Faszination nicht absprechen. Man möchte mehr wissen über die Band, die sich mit solch einem Namen kleidet. Und wenn man dann ein klein wenig tiefer blickt, stößt man auf eure Pseudonyme. Warum habt Ihr diese ausgewählt und was sollen sie aussagen?

Mist:
Sie unterstreichen den dramatischen Aspekt des Bandnamens ganz hervorragend. Alles ist ein Teil eines riesengroßen Dramas ... und wir sind die Darsteller ...

Holger:
Aha. Kann es denn außerdem sein, dass es ein paar religiöse Tendenzen in euren Texten gibt?

Mist:
Wenn du dich auf den Song 'Crucifige' beziehst (Tue ich in der Tat – der Verf.), kann ich dir bedingt zustimmen. Dust ist fasziniert von dem Charakter Jesus Christus, aber nicht als Heiliger, sondern als Mann. Die Gospel-Passage am Ende des Songs beinhaltet die GROSSE FRAGE: War Jesus nur ein normaler Mann oder irgendetwas anderes? Da ich an Gott glaube, habe ich darauf natürlich eine sehr persönliche Antwort parat.

Holger:
Verstehe. Bei all der Dramatik in eurer Musik und in euren Texten kann ich mir nun auch eine sehr theatralische Bühnenshow vorstellen. Beschreibt also bitte, was man von einer HOW LIKE A WINTER-Show
erwarten darf.

Bane:
Wir haben zwar alle schon live gespielt, aber noch nicht gemeinsam als HOW LIKE A WINTER. Da wir noch immer keinen festen Drummer gefunden haben, mussten wir bislang unsere Schlagzeugpassagen für die Aufnahmen immer programmieren. Momentan suchen wir sehr intensiv nach einem festen Drummer, da wir sehr gerne auftreten wollen und auch sehr häufig danach gefragt werden.

Mist:
Da wir in der Vergangenheit niemals einen festen Schlagzeuger hatten, sind wir leider noch nie live aufgetreten. Aber du hast Recht, wir würden sehr gerne eine Bühnenshow im Theaterstil aufziehen. Das wäre wunderbar und wir hoffen, wir werden in Kürze die Chance haben, das auch umzusetzen.

Holger:
Welch schöne Aussichten! Ich wünsche euch viel Glück dabei und uns allen, dass Ihr noch lange solch großartige Musik fabrizieren werdet !

Bane:
Vielen Dank. Herzlichen Dank für das Interview.

Hier endet unser Smalltalk, der an der ein oder anderen Stelle sicherlich etwas ergiebiger hätte ausfallen können. Nun ja, beim nächsten Mal. Ich werde die Jungs auf alle Fälle im Auge behalten.

Redakteur:
Holger Andrae

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