HYPOCRISY: Interview mit Mikael Hedlund
01.01.1970 | 01:00Ein neues Studioalbum von HYPOCRISY ist immer ein nachhaltiges Argument für ein Interview. Besonders, da "Catch 22" relativ starke Veränderungen gegenüber dem Vorgängeralbum "Into The Abyss" (1999) aufweist (siehe auch Review). Also stellte sich Bassist Mikael Hedlund meinen Fragen. Trotzdem konnte ich es unhöflicherweise nicht unterlassen, ihn auch mal kurz auf PAIN anzusprechen, obwohl diese Band ja Peter's Baby ist und er damit eigentlich gar nichts zu tun hat.
Stephan:
Mit einer neuen HYPOCRISY-Scheibe hätte ich jetzt überhaupt noch nicht gerechnet. Wo kommt die denn auf einmal her?
Mikael:
Nun, wir versuchen ja eigentlich, jedes Jahr ein Studioalbum aufzunehmen. Wir wollen nicht, dass die Leute zwei oder drei Jahre warten müssen. Ich denke, dass das normal für uns ist.
Stephan:
Und wie lang haben das Songwriting und die Studioaufnahmen gedauert?
Mikael:
Wir schreiben unsere Songs eigentlich das ganze Jahr über, wobei du nun auch nicht jeden Tag rumsitzt und Songs schreibst. Manchmal geht es dir leichter von der Hand und manchmal ist es halt schwieriger.
Stephan:
Ich habe das Album ja deshalb noch nicht erwartet, weil ich dachte, dass Peter (Tägtgren, Sänger & Gitarrist - für die Ahnungslosen, zu denen sich das schändlicherweise noch nicht rumgesprochen haben sollte - Anm. d. Verf.) zuerst einmal die neue Scheibe von PAIN ("Nothing Remains The Same") veröffentlichen wollte, bevor er euch zu einer neuen HYPOCRISY-Scheibe zusammentrommelt. (Zum Zeitpunkt des Interviews war das PAIN-Album auch in Schweden noch nicht draußen - Anm. d.Verf.)
Mikael:
Ach so. Wir haben uns bereits im August oder September dazu entschlossen, ein neues Album zu machen.
Stephan:
Und du weißt nicht zufällig, wann die PAIN-Scheibe rauskommt?
Mikael:
Also, eine Single ("Shut Your Mouth" - d. Verf.) ist hier in Schweden schon veröffentlicht und wird sogar im Fernsehen gezeigt. Das Album wird wohl auch sehr bald releast, ich glaube in einem Monat oder so. Allerdings in Schweden, ich weiß nicht, wie das mit dem Rest von Europa aussieht.
Stephan:
Inwieweit warst du am Songwriting zu "Catch 22" beteiligt?
Mikael:
Es war jeder in der Band sehr stark einbezogen. Das ist eigentlich schon seit dem "The Final Chapter"-Album (1997 - d. Verf.) so der Fall. Wir arbeiten wie ein richtiges Team. Ich habe zwei Songs geschrieben und einen weiteren mit Peter zusammen und auch Lars (Szöke, Drums - d. Verf.) hat zwei Stücke geschrieben. Man kann also schon von echtem Teamwork reden.
Stephan:
Was würdest du als hauptsächlichste Unterschiede von "Catch 22" gegenüber "Into The Abyss" bezeichnen?
Mikael:
Ja, wenn du es mit unserem letzten Album vergleichst, dann sind die Songs sicherlich heavier und mehr Midtempo geworden (Ich weiß jetzt nicht genau, ob sich das nicht eigentlich widerspricht - d. Verf.), es ist mehr riffbasiert und gitarrenbetont. Außerdem haben wir sehr hart am Gesang gearbeitet, um mehr Melodien in diesen Bereich einzubringen.
Stephan:
Ja, Peter growlt nicht mehr so tief wie vorher.
Mikael:
Ja, wir haben versucht, die Clean-Vocals mit den Growls zu mischen um es interessanter zu gestalten. Wir wollen uns ja auch weiter entwickeln.
Stephan:
Hast du einen Lieblingssong auf der neuen Scheibe?
Mikael:
Also eigentlich mag ich jeden Song auf dem Album. "Edge Of Madness" ist ein sehr cooler Song und auch der Letzte "All Turnes Black" gefällt mir sehr gut. Das ist ein etwas anderer Song, weil Peter ihn mit Clean Vocals singt. Es ist ein sehr depressiver Song geworden und ich mag ihn sehr.
Stephan:
Überwiegen eher Alien-Lyrics oder mehr Splatter-Texte? (Die Lyrics lagen mir leider nicht vor - Anm. d. Verf.)
Mikael:
Nein, um Aliens geht es nicht mehr. Die Texte sind sehr persönlich. Peter hat sie alle geschrieben und ich glaube, dass was ihm da momentan so in den Kopf kommt, ist eher persönlicher Natur.
Stephan:
Ihr seid ja nun keine Band, die zweimal genau dasselbe Album aufnimmt. Sind die manchmal überraschenden Veränderungen Kalkül oder ergibt sich das von ganz allein?
Mikael:
Ja, das ergibt sich ganz von selbst. Bevor wir die Songs schreiben, denken wir nicht darüber nach, wie irgendwas klingen muss, sondern das entsteht ganz natürlich. Man bemerkt so etwas immer erst hinterher, wenn man sich dann das Resultat komplett anhört.
Stephan:
Ist das mehr "Back to the roots"-Geknüppel von "Into The Abyss" erstmal wieder für eine Weile abgehakt?
Mikael:
Keine Ahnung, wir werden sehen. Man weiß nie, was in Zukunft passieren wird. Wenn man sich neues Zeug anhört und von vielen verschiedenen Sachen beeinflußt wird, dann kann man vorher nicht sagen, wie sich das auf unsere Musik abfärbt. Das ist sehr unterschiedlich, das kann man vorher nie wissen.
Stephan:
Für mich weisen Songs wie "Turn The Page" und "Destroyed" einige Parallelen zu Peters Zweitband PAIN auf. Zufall oder Absicht?
Mikael:
Also das ist nichts, worüber wir nachdenken. Ich meine, "Destroyed" hat Lars geschrieben und der hat ja nun nichts mit PAIN zu tun. Wir planen da nichts in dieser Richtung, denn PAIN und HYPOCRISY sind ja zwei völlig verschiedene Bands.
Stephan:
Aber würdest du mir zustimmen, dass euer Sound schon etwas moderner geworden ist?
Mikael:
Ja natürlich, es klingt irgendwie frischer, wie neue HYPOCRISY. Wir haben einen frischen und vor allem sehr klaren Sound auf der Platte und es ist die absolut beste Produktion, die wir jemals hatten.
Stephan:
Ihr seid ja nun schon eine ganze Weile im gleichen Line-up zusammen. Schleicht sich da manchmal im Studio der Gewöhnungseffekt ein und wie geht ihr dagegen vor?
Mikael:
Nein, Peter, Lars und ich, wir arbeiten sehr gut zusammen. Wir haben immer noch genügend Ideen. Ich weiß nicht, was passieren würde, wenn wir jetzt noch jemanden in die Band holen würden, aber so wie es zur Zeit ist, läuft es eigentlich super zusammen. Wir haben ja noch einen zweiten Gitarristen, wenn wir live spielen und ich denke, das ist schon in Ordnung so.
Stephan:
Was machst du eigentlich, wenn Peter gerade mit seiner Zweitband PAIN oder einem seiner Produzentenjobs beschäftigt ist?
Mikael:
Zu Zeit ist es so, wenn nichts bei HYPOCRISY anliegt, dann bin ich der Session-Bassist bei DARK FUNERAL. Wir starten morgen zu einer langen Tour, die fünf Wochen dauern wird. Das ist das, was ich so nebenher mache.
Stephan:
Im Frühling spielt ihr ja dann die No Mercy-Festivals mit VADER und IMMORTAL. Mit welchen Erwartungen geht ihr in diese Tour?
Mikael:
Ich denke, das wird eine sehr coole Tour werden. Es ist immer sehr aufregend, die Reaktionen der Leute zu sehen, wenn du ein neues Album draußen hast. Man weiß nie, ob sie es mögen werden oder nicht. Wir werden das im April dann sehen.
Stephan:
Ist das die einzige Tour, mit der ihr das neue Album promotet?
Mikael:
Nach den No Mercy-Festivals machen wir noch eine separate Tour mit IMMORTAL über drei Wochen durch ganz Europa. Und danach gibt's vielleicht noch eine Amerikatour.
Stephan:
Sind irgendwelche Sommerfestivals geplant?
Mikael:
So weit ich das im Moment weiß, werden wir in Wacken (YES! - d. Verf.) und das Summer Breeze Festival (YES! - d. Verf.) spielen.
Stephan:
Wird ja jetzt sicherlich schwierig eine Setlist zusammenzustellen, die allen Fans gefällt. Welche Songs sind denn auf jeden Fall gesetzt?
Mikael:
(lacht) Ja, das muss man irgendwie gut mischen, da wir ja Songs von jedem Album spielen wollen. Einige schnelle Songs, einige von den getrageneren, wir hoffen da eine gute Mischung hinzubekommen.
Stephan:
Und kannst du mir ein paar Songtitel nennen?
Mikael:
Das weiß ich eigentlich noch nicht, da wir darüber bis jetzt noch nicht gesprochen haben. Es werden wohl sehr viele Songs von der Compilation (er meint die letztjährige Best-of "Ten Years Of Chaos And Confusion" - d. Verf.) sein und dann wahrscheinlich noch vier oder fünf Songs vom neuen Album.
Stephan:
Wie ist denn eure Best of-Scheibe "Ten Years..." angekommen?
Mikael:
Naja, ich weiß nicht, es ist ja kein Studioalbum und somit sehr schwierig, etwas zu den Reaktionen zu sagen. Ich denke, ... (Im Hintergrund fängt nervigerweise sein Phone an zu klingen und hört auch für eine ganze Weile nicht damit auf... - Anm. d. Verf.) Also ich denke, für die HYPOCRISY-Fans war das sicher eine schöne Sache und sie haben es auch sehr gemocht, dass eben Songs von unserem ersten Demo darauf sind sowie alle Videoclips und jede Menge Fotos. Ich denke, das ist schon eine coole Sache geworden.
Stephan:
Über die Songs haben ja die Fans abgestimmt. Welche Veränderungen an der Songauswahl hättest du denn persönlich vorgenommen?
Mikael:
Ich denke eigentlich, dass es eine sehr gute Zusammenstellung ist und ich hätte daran auch kaum etwas verändert. Natürlich gibt es ziemlich viele Songs, die man alle darauf haben will. Aber es war schon eine gute Wahl, die die Fans da getroffen haben.
Stephan:
Ihr habt in reichlich 10 Jahren jetzt 8 Alben, 2 EPs, eine Livescheibe und eine Best-of rausgebracht. Habt ihr immer noch genug neue Ideen für weitere 10 Jahre?
Mikael:
Ja, ich denke eigentlich schon. (lacht) Also zur Zeit läuft es einfach perfekt. Deshalb sehen wir der Zukunft eigentlich sehr optimistisch entgegen, aber man weiß natürlich nie, was da alles passieren wird, schon gar nicht in den nächsten zehn Jahren.
Stephan:
Wenn du die für die Band sehr erfolgreichen letzten Jahre mal Revue passieren läßt, was ist dir da positiv wie negativ besonders in Erinnerung geblieben?
Mikael:
Hmm... Positiv war sicherlich, dass wir mit HYPOCRISY immer sehr gut bei den Leuten angekommen sind und dass es auch von den Medien immer gutes Feedback gegeben hat, da hatten wir eigentlich nie Probleme. Tja und Negatives? Da fällt mir jetzt eigentlich gar nichts ein.
Stephan:
Es war also alles in Butter.
Mikael:
(lacht) Von einem größeren Desaster sind wir glücklicherweise verschont geblieben.
Stephan:
Gab es irgendwann mal eine Zeit, wo euch Kreativität und Frische so ein bisschen abhanden gekommen sind?
Mikael:
Ich muss sagen, es ist eigentlich die ganze Zeit über sehr gut gelaufen, wir waren immer sehr kreativ, wenn wir ein neues Album geschrieben haben. Damit hatten wir nie ein Problem.
Stephan:
Welches war euer bisher erfolgreichstes Album?
Mikael:
Ich würde mal sagen, das "Abducted"-Album (1996 - d. Verf.). Das war für uns wie ein neuer Anfang und die Zusammenarbeit zwischen uns funktionierte immer besser.
Stephan:
Und von den Verkaufzahlen her gesehen?
Mikael:
Puh, ich denke das müssten "Abducted" und "Hypocrisy" sein.
Stephan:
Meinst du, dass "Catch 22" die schlagen kann?
Mikael:
Ja, das glaube ich eigentlich schon. Das Album hat sicherlich das Potenzial, dieses Niveau zu erreichen. Es ist mal etwas Neues von uns und vielleicht gefällt es ja einigen anderen Leuten auch so gut.
Stephan:
Ich persönlich finde ja, dass "Hypocrisy" und "Into The Abyss" etwas besser sind als die Neue. Stehe ich mit dieser Meinung alleine da?
Mikael:
Beziehst du das auf die Songs?
Stephan:
Ja.
Mikael:
Also ich denke, dass die neue Scheibe stärker ist, aber das ist nur meine persönlich Meinung.
Stephan:
Was erwartest du noch von der Zukunft für die Band?
Mikael:
Im Moment konzentrieren wir uns richtig auf die Band, weil wir das erste Mal die Chance haben, eine Tour um die ganze Welt zu machen. Jedes Jahr haben wir so dreiwöchige Touren gemacht, aber das ist absolut nichts dagegen. Diesmal können wir richtig viel touren, und darüber sind wir sehr froh.
Stephan:
In welchem Land würdest du am liebsten mal auf der Bühne stehen?
Mikael:
Also wenn wir auf die kommende Tour blicken, da haben wir geplant im November in Japan zu spielen. Ich war noch nie dort und habe gehört, dass es cool sein soll dort aufzutreten.
Stephan:
Welche Bands findest du neben HYPOCRISY so richtig geil?
Mikael:
Ich höre mir eigentlich alle Arten von Musik an. Ich mag auch PINK FLOYD und DEPECHE MODE, ich bin da eigentlich schon ziemlich offen. Ich finde es auch sehr wichtig, Einflüsse von anderen Musikarten zu bekommen. Man kann ja nicht die ganze Zeit nur Black und Death Metal hören, das wird ja dann doch langweilig.
Stephan:
Letzte Frage: Gibt's zum Jahresende ein neues HYPOCRISY-Album?
Mikael:
Ja, wir werden wahrscheinlich Ende dieses Jahres eine neue Scheibe aufnehmen.
Stephan:
Sehr schön. Dann danke ich dir herzlich für das Interview. Hast du noch irgendwelche letzten Worte?
Mikael:
Ja, wir freuen uns auf die jetzt kommende Tour und werden 100 Prozent für die Band geben.
Stephan:
Alles klar. Nochmal vielen Dank und mach's gut.
Mikael:
Bye.
- Redakteur:
- Stephan Voigtländer