INDICA: Interview mit Sängerin Jonsu
14.06.2009 | 03:06"Es gibt so viele Dinge in der Musik, die man lernen und sehen und fühlen kann, ich glaube, das wird mich niemals langweilen."
Der Name INDICA ist in Finnland bereits seit Jahren in der Musikszene ein Begriff, aber außerhalb des Heimatlandes kannten die fünf hübschen Mädchen bisher nur wenige. Erst nachdem die Girlband mit den Bombast-Metallern von NIGHTWISH auf Europa-Tour gingen und einige ihrer - sonst auf Finnisch gesungenen - Lieder auf Englisch vorstellten, wurden selbst einige harte Metal-Fans von den zarten Klängen und gutaussehenden Damen in den Bann gezogen. Sängerin Jonsu erzählt im Interview etwas mehr über die Band, deren Vergangenheit und natürlich auch deren Zukunft.
Ricarda:
Was kannst du uns über eure Band erzählen?
Jonsu:
Die Band besteht seit etwa acht Jahren. Ich kenne unsere Bassistin Heini bereits seit langer Zeit, da waren wir beide vielleicht sieben oder acht Jahre alt. Wir haben in dem selben Orchester gespielt, also haben wir alle einen klassischen Hintergrund. Irgendwann haben wir dann angefangen, Musik auf Finnisch zu machen, und 2004 kam dann unser erstes Album heraus. Unser neuestes Album, das vierte INDICA-Album, kam letzten Herbst heraus. Bei diesem Album haben wir mit Tuomas Holopainen von NIGHTWISH zusammengearbeitet, er hat das Album produziert.
Wir haben bereits viel in Finnland getourt und 2007 waren wir dann die Vorband von NIGHTWISH auf ihrer Skandinavien-Tour. Die Reaktionen des Publikums waren sehr gut und viele Leute fragten uns, ob wir nicht einige Lieder auf Englisch aufnehmen könnten. Und das haben wir jetzt getan, das Album ist fertig und wird Anfang nächsten Jahres in die Läden kommen. Außerdem waren wir 2009 wieder NIGHTWISHs Vorband, dieses Mal bei der Europa-Tour.
Ricarda:
Wird es auch außerhalb Finnlands erhältlich sein?
Jonsu:
Ja, ganz sicher! Leute aus dem Musikgeschäft haben uns während der NIGHTWISH-Europa-Tour besucht, um zu gucken, wie wir so sind. Der defintive Veröffentlichungstermin wurde noch nicht festgelegt, es ging erst einmal darum, Leute kennenzulernen und die Europa-Tour zu genießen.
Ricarda:
Wie kamt ihr auf den Bandnamen? Du weißt schon, dass es sich um eine Canabis-Art handelt? (lacht)
Jonsu:
(lacht) Ja, aber darum ging es ganz und gar nicht. Das Wort Indica kann in vielen lateinischen Ausdrücken gefunden werden, es stammt von dem Wort Indigo, also der Farbe. And weil wir aus Finnland sind, haben wir auch die typische finnische Melancholie in uns, aber trotzdem sind wir auch positiv. Der Name schien irgendwie zu passen. Es gibt keine besondere Philosofie dahinter, es fühlte sich einfach richtig an.
Ricarda:
Ja, der Name passt definitiv. Und ich mag euer Logo auch sehr gerne.
Jonsu:
Oh, danke.
Ricarda:
Stand es von Anfang an fest, dass ihr auf Finnisch singen würdet?
Jonsu:
Nein, und bevor wir unser erstes Album aufnahmen, sangen wir sowohl in finnisch als auch in englisch. Wir mussten uns aber für einen Weg entscheiden, und weil wir sehr jung waren, dachten wir, es wäre besser mit finnischen Songs zu starten. Später, als dann Leute von außerhalb Finnlands nach englischen Songs fragten, entschieden wir, dass das der rechte Zeitpunkt sei. Der Arbeitsweg war sehr interessant, wir nahmen einige unserer alten Songs und änderten die Arrangements. Auch hierbei arbeiteten wir mit Tuomas. Wir haben auch einige Orchesterparts mit Pip Williams und Hayden Bendall in London aufgenommen und bekamen somit die Chance mit einer ganzen Reihe von weiteren großartigen Leuten zusammenzuarbeiten, es war alles sehr aufregend für uns. Und die Songs erfuhren eine Art Wiedergeburt.
Ricarda:
Du bist der Songwriter der Band?
Jonsu:
Ja.
Ricarda:
Wie war es für dich, die Lieder zu übersetzen? War das nicht sehr komisch?
Jonsu:
Nein, eigentlich war es nur eine riesige Herausforderung, weil für mich Texte bei Liedern sehr wichtig sind, und ich fühlte, dass wir mit den finnischen Texten bereits unsere eigene kleine Welt erschaffen hatten. Ich wusste, dass wir die Songs nicht einfach übersetzen können, denn dann wären sie einfach nur schlechtere Versionen der Originale. Ich arbeitete mit einem kanadischen Dichter zusammen, und gemeinsam arbeiteten wir eine Menge an den Texten und kreierten neue Geschichten, von daher würde ich nicht sagen, dass diese Songs Übersetzungen sind. Aber natürlich war es mir auch wichtig, die gleiche Inspiration und die gleiche Atmosphäre aufrecht zu erhalten. Mit dem Endresultat bin ich sehr zufrieden. Es gibt viele tolle Sachen in beiden Sprachen, Englisch und Finnisch. Finnisch ist irgendwie schärfer, von daher ist Englisch ein wenig einfacher zu singen, weil es besser fließt.
Ricarda:
Wie stark ist der Rest der Band an der Entstehung von Songs beteiligt?
Jonsu:
Nun ja, ich schreibe zwar die Songs, aber wir arrangieren sie zusammen, und natürlich können die anderen Mädels jederzeit ihre ehrliche Meinung äußern. Ich bin kein Diktator, der sagt, wie ich es gerne hätte, und genauso muss es dann gemacht werden. Manchmal sagen mir die Mädels, dass sie einen Song scheiße finden und er nicht auf das Album soll (lacht). Und Tuomas hatte natürlich auch eine wichtige Rolle in der Entstehung des Albums.
Ricarda:
Ja, ich finde, man kann seinen Einfluss eigentlich ziemlich gut hören, die Instrumentierung ist irgendwie dunkler...
Jonsu:
Hm, ja, vielleicht, auch wenn ich persönlich nicht denke, dass das Album irgendwie härter und dunkler als die Vorgänger sind. Aber ich finde definitiv, dass das Album ein breiteres Spektrum hat.
Ricarda:
Zumindest in euren ersten Alben gab es immer eine gewisse märchenhafte Atmosphäre in den Songs und den Texten. Auch eure Bühnenoutfits haben meistens etwas Feenhaftes. Habt ihr ein Image für die Band festgelegt, als ihr sie gegründet habt?
Jonsu:
Nein, eigentlich nicht. Unser Bühnenverhalten und die Outfits waren schon immer von der Musik inspiriert. Eigentlich schreibe ich ja über ganz normale Alltagsdinge, aber ich mag es, den Situationen eine andere Farbe zu verleihen. Auch wenn ich zum Beispiel nur über die komischen Sachen, die im Gehirn eines Menschen vorgehen, schreibe, so verpacke ich diese Dinge sehr gerne in Geschichten. Ich mag es nicht wirklich, gradlinige Texte zu schreiben, ich stehe mehr auf Metaphern.
Ricarda:
Damit jeder seine eigene Interpretation haben kann?
Jonsu:
Ja, das ist ein Grund. Ich fühle mich sowieso eher als ein Geschichtenerzähler, auch wenn meine Geschichten über alltägliche Dinge sind.
Ricarda:
Entwertft ihr eure Kostüme selbst?
Jonsu:
Wir sammeln Klamotten, wo auch immer wir hingehen. Einige Kleider sind sogar aus dem Schrank unserer Großeltern (lacht). Wirklich von überall her. Aber wir arbeiten auch mit der finnischen Designerin Anne-Mari Pahkalo zusammen.
Ricarda:
Lass uns noch einmal über das neue Album reden. Wenn es veröffentlicht ist, plant ihr dann auch eine Headliner-Tour?
Jonsu:
Ich denke, wir werden dann auch touren. Wir werden uns mit all den Sachen beschäftigen, wenn der Veröffentlichungstermin des Albums feststeht, im Moment ist es noch etwas zu früh.
Ricarda:
Wie war es für euch mit so einer bekannten Band wie NIGHTWISH zu touren? Wart ihr sehr nervös?
Jonsu:
Ja, natürlich! Es war sehr aufregend, und ich war wirklich total nervös, weil ja niemand außerhalb Finnland unsere Band so richtig kannte. Außerdem hatten NIGHTWISH sonst immer härtere Vorbands, also hatten wir ein wenig Angst, wie das Publikum auf uns reagieren würde, aber zum Glück waren die Reaktionen positiv. Das überraschte mich sehr. Aber während der Tour merkten wir, dass die Bandkombination eigentlich echt gut funktioniert, von daher zögerten wir keine Minuten, als sie uns einluden, auch in Europa mit ihnen zu touren.
Ricarda:
Das Billing auf der Europa-Tour war dann ja sogar noch kontrastreicher: Erst ihr und dann PAIN (lacht). Langweilig wurde es nicht.
Jonsu:
Ja, genau! Es ist toll, so verschiedene Bands an einem Abend zu haben. And wir hatten wirklich viel Spaß mit all den Leuten auf der Tour, sie sind alle so nett. Ich war ein wenig nervös zuvor, weil wir im gleichen Bus wie PAIN wohnten (lacht). Wir wussten wirklich nicht, was in den drei Wochen passieren würde, und wie wir uns alle verstehen würden, aber es war toll, und die Jungs sind alle superlieb. Ich vermise das Busleben sogar.
Ricarda:
Im gleichen Bus wie PAIN? Ihr Armen! (lacht)
Jonsu:
Ja, wir schliefen tatsächlich im gleichen Bus. Aber sie waren wirlich sehr lieb zu uns, einer brachte mir sogar Frühstück ans Bett, es war so niedlich. Sie sind alle richtig nette Jungs, und wir waren glücklich, mit ihnen reisen zu können. Manchmal bekamen wir Hotelzimmer, aber zum Ende hin beschlossen wir, dass wir gar keine Hotelnächte mehr wollten (lacht). Das klingt wahrscheinlich wirklich merkwürdig, aber der Bus war echt unser Zuhause. Als ich dann in mein normales Leben zurückkehrte, hatte ich sogar eine Art Heimweh nach dem Bus... (lacht).
Ricarda:
Was bedeutet Musik für dich persönlich?
Jonsu:
Musik war schon immer das Wichtigste in meinem Leben und auch meine Hauptleidenschaft. Wann immer es mir schlecht ging, gab es so viele Künstler, die mich mit ihrer Musik aufgeheitert haben, und es ist toll, dass ich nun vielleicht das Gleiche für jemand anderen tun kann. Es gibt so viele Dinge in der Musik, die man lernen und sehen und fühlen kann, ich glaube, das wird mich niemals langweilen.
Ricarda:
Gibt es ein Thema, über das du nie einen Song schreiben würdest? Könntest du dir zum Beispiel vorstellen, einen politischen Song zu schreiben oder siehst du dich eher als eine Art Entertainer und nicht als jemand, der Meinugen beeinflussen will?
Jonsu:
Das Wichtigste für mich ist es, ehrlich zu sein. Und auch Meinungen auszudrücken. Ich denke, das ist sogar sehr wichtig. Von daher dreht es sich natürlich auch immer irgendwie darum, wie man die Welt verändern möchte. Von daher gibt es glaube ich kein Thema, über das ich nie schreiben würde. Ich denke zwar nicht, dass INDICA eine politische Band ist, aber wir lassen uns defintiv nicht durch irgendetwas eingrenzen.
Ricarda:
Wie oft probt ihr mit INDICA?
Jonsu:
Wir proben sooft es möglich ist, aber während wir touren, gibt es leider für Proben keine Zeit. Dafür proben wir vorher umso mehr.
Ricarda:
Du spielst Klavier und Violine. Noch weitere Instrumente?
Jonsu:
Ich spiele Klavier, Violine und Gitarre - diese Instrumente spiele ich auch meistens während unserer Konzerte. Außerdem habe ich ein neues Instrument - Thermine - über das ich mich sehr freue.
Ricarda:
Ihr covert 'Wuthering Heights' von KATE BUSH. Warum gerade diesen Song?
Jonsu:
Ich denke, sie ist eine wirklich großartige Künstlerin, und wir dachten, dass es bei der Europa-Tour, wo die meisten Leute unsere Musik noch nie gehört hatten, schön wäre, einen Song zu präsentieren, den das Publikum auf alle Fälle kennt.
Ricarda:
Gibt es andere Lieder, die du gerne covern würdest? Oder die ihr vielleicht sogar schon gecovert habt?
Jonsu:
Wir haben noch nicht so arg viele Cover gespielt, aber wir denken darüber nach, eine neue Coverversion für den Sommer vorzubereiten. Es ist immer sehr lustig, ein Cover bei Festivals zu spielen, also mal schauen.
Ricarda:
Du hattest außerdem noch eine andere Zusammenarbeit mit NIGHTWISH, du sangst auf dem Song 'Erämaan Viimeinen'...
Jonsu:
Ja, das war das erste Mal, dass ich Tuomas traf und ihn besser kennenlernte. Er rief bei unserer Plattenfirma an und fragte, ob ich auf dem Lied singen könnte. Ich wollte es zumindest versuchen, und so nahmen die Dinge ihren Lauf. Es ist ein sehr schöner Song.
Ricarda:
Werdet ihr ihn auch einmal live präsentieren?
Jonsu:
Keine Ahnung, darüber haben wir bisher noch gar nicht so richtig gesprochen.
Ricarda:
Was liegt in der nahen Zukunft von INDICA?
Jonsu:
Wir haben gerade eine Reise in den Kosovo beendet, wo wir den Friedenstruppen geholfen haben. Das war eine tolle Erfahrung. Außerdem waren wir in Japan, haben dort ein Konzert gespielt und sehr viel Promotion gemacht. Jetzt bereiten wir uns auf den Festival-Sommer vor. Und wie gesagt steht die Albumveröffentlichung für 2010 an. Außerdem freue ich mich sehr auf unsere nächste Tour, ich liebe es durch die wechselnden Landschaften zu fahren.
Ricarda:
Ihr spielt ja auch sehr bald in Deutschland, nicht wahr?
Jonsu:
Ja, genau. INDICA werden auf dem Bochum Total Festival in Bochum spielen. Unser Konzert findet am Sonntag, den 5. Juli statt. Wir werden so gegen 18 Uhr spielen. Allerdings ist das unser einziges Konzert außerhalb Finnlands, aber immerhin kann ich in Finnland wieder ein wenig das Tourbus-Leben genießen.
Ricarda:
Das ist sehr cool, vor allem weil viele Leute sich im Bus ja langweilen oder die Reiserei total nervig finden.
Jonsu:
Daheim werde ich schneller genervt (lacht). Nein, nur Spaß. Mir gefällt es auch zu Hause, aber im Bus fühle ich oft eine Art Balance, alles fließt vor sich hin.
Ricarda:
Magst du es, Videos zu drehen? Ihr habt ja zum Beispiel ein sehr interessantes Video für eure Single 'Pahinta Tänään' gedreht, das von dem Film "Eyes Wide Shut" inspiriert wurde...
Jonsu:
Ja, das war die Idee des Regisseurs. Wir haben mit Jesse Hietanen einen tollen finnischen Regisseur, der unsere vier letzten Videos gedreht hat, es war wirklich toll, mit ihm zu arbeiten. Das Video, das du erwähnst, war wirklich sehr schön, und ich mag auch den Kontrast zwischen den Videos: Zuerst kam 'Pahinta Tänään', das ja doch sehr düster war, und danach folgte 'Valoissa', was sehr süß und leicht war. Für dieses Video wollten wir eine sehr warmherzige Atmosphäre, und so wurde es mit einem 8mm Film gedreht, es hat echt viel Spaß gemacht. Ich denke, INDICA ist eine sehr visuelle Band, also sind die Videos sehr wichtig. Aber natürlich gibt es auch andere Dinge in den Live-Shows, die man nicht auf das Album oder in ein Video packen kann.
Ricarda:
Ja, ich erinnere mich, dass ihr bei einigen Shows nette Dokorationen hattet, wie zum Beispiel eine Schaukel...
Jonsu:
Ja, die gesamte Europa-Tour haben wir immer überlegt, ob wir die Schaukel irgendwie einbauen können (lacht). Das ist aber leider nicht passiert.
Ricarda:
Gut, dann die letzte Frage, die zwar sehr albern ist, aber die auch zugleich meine Lieblingsfrage ist: Wen wolltest du heiraten, als du klein warst?
Jonsu:
Hm, lass mich mal überlegen... Oh ja, ich erinnere mich: Ich wollte unbedingt Peter Pan heiraten! Aber ich glaube, das wird nicht passieren, das Leben kann so hart sein (lacht).
Ricarda:
Gut, das wäre dann alles. Danke für deine Zeit.
Jonsu:
Kein Problem. Danke dir.
- Redakteur:
- Ricarda Schwoebel