INFINITE HORIZON: Interview mit Marc Lemmler

05.12.2009 | 12:56

Mit "Dominion" haben die Siegerländer INFINITE HORIZON ein weiteres Kunstwerk des modernen Power Metals auf die Menschheit losgelassen. Im POWERMETAL.de-Interview stellt sich Sänger Marc Lemmler den Fragen über "Dominion" und die kleinen Schritte einer aufstrebenden Band.

Ich habe mir in den letzten Wochen euer neues Album "Dominion" sehr häufig angehört und es gefällt mir richtig gut. Beim Anhören habe ich aber ab und an den Eindruck gehabt, dass nicht jede Idee vollständig ausgereizt wurde. Hattet ihr im Studio zu wenig Zeit für die Details gehabt?

Marc: Das mit der Zeit kann man eigentlich sehen wie man will. Wenn man als Band ein professionelles Studio entert, hat man natürlich auch entsprechende professionelle Kosten einzukalkulieren. Irgendwann wird's dann auch eine Frage des Geldes. Andererseits waren wir perfekt vorbereitet und halten nach wie vor die Songs für richtig gut, so wie sie sind.
Man kann natürlich immer hier und da an den Songs was machen. Allerdings läuft man da auch schnell in Richtung "überproduziert". Andererseits hatten wir nicht so viel Zeit wie in der "Mind Passages"-Ära, da hatten wir uns ja für ein halbes Jahr bei 'nem Kumpel einnisten können. Außerdem sind auf der Scheibe mehr Details zu finden als auf der "Soul Reducer". Der Gesang hat noch nie so gut geklungen und damit meine ich vor allem die Backings, die diesmal perfekt harmonieren, auch wenn nicht so viele Chöre eingebaut worden sind.

Als Beispiel könnte man den doch sehr aufdringlich wirkenden Schlagzeugsound nennen, war der so gewollt oder ist er so geworden?


Marc: Beides. Der Sound ist von uns allen für gut befunden worden, also haben wir ihn so auf die CD gelassen. Natürlich kann man da immer noch was verbessern, aber das ist dann meistens nur noch ein reines Zeit- und Finanzierungsproblem. Wir können als unbekannte Band halt nicht ein Jahr im Studio hocken und am Sound tüfteln. Außerdem, wenn ich mir z.B. den Sound der neuen SLAYER anhöre (schrecklich), gibt es so viele Bands, die das Geld eigentlich haben und nicht zu nutzen scheinen.

Ihr habt jetzt mit "Soul Reducer" und "Dominion" sehr kurz nacheinander zwei Alben herausgebracht. Habt ihr gerade eine Schreibwut?

Marc: Also Schreibwut kann man das jetzt nicht nennen, weil die Songs von der "Soul Reducer" schon einige Jahre zurückliegen (auf Grund des Rechtsstreits mit der alten Plattenfirma). Als die "Soul Reducer" letztes Jahr rauskam, waren die Rohfassungen von "Dominion" aber bereits aufgenommen. Das lag einfach daran, dass zwischen der Entstehung der "Soul Reducer" und "Dominion" fünf Jahre, zwischen den VÖs aber nur ein Jahr liegt. Wir haben bisher immer unabhängig von einer VÖ Songs geschrieben.
Beim nächsten Mal wird es aber anders sein, denn es bestehen zur Zeit keine neuen Songs, nur reine rohe Ideen, die noch keinen Zusammenhang haben.
Dies hat allerdings andere Gründe, vor allem private. Wir sind alle voll berufstätig und hatten neben Hochzeiten auch da viel zu tun. Dann kam noch die Suche nach einem neuen Proberaum dazu und letztens ist unsere PA "explodiert". Wir werden aber noch in diesem Jahr mit neuem Material beginnen können.


Ihr habt auf "Mind Passages" euren Hit 'The Reaper' neu eingespielt, bei "Soul Reducer" folgte euer Livekracher 'The Dark Side Of The Sun' in einer Neuaufnahme. Bei Dominion wäre jetzt ja eigentlich 'You' zu erwarten gewesen, oder wolltet ihr die Tradition beenden eure Hits nochmal einzuspielen?

Marc: Wir haben 'You' sogar aufgenommen, aber es passt rein vom Songwriting her überhaupt nicht zu dem Rest. Außerdem harmonierte 'You' mit dem moderneren Sound am wenigsten. Stattdessen haben wir 'Oblivion' draufgepackt, was bei vielen Leuten leider nicht so gut ankam. Aber wer weiß wie unseren nächsten Songs klingen werden, es gibt auf jeden Fall noch ein paar ältere Stücke, die es verdient hätten neu aufgenommen zu werden (z.B. 'Questions').

Mit dem Bonuslied 'Oblivion' versucht ihr euch an Ambient, wie kam euch die Idee ein so untypisches Lied aufzunehmen?


Marc: Wir wollten einfach mal was anderes auf dem Album haben. Der Schmiddi (Schlagzeug) hat diesen ganzen Song geschrieben und eingespielt und wir fanden ihn alle durch die Bank klasse, also musste er auf's Album. Wie du schon sagst geht es in Richtung Ambient Rock, er ist also weder eine Ballade noch ein regulärer INFINITE HORIZON-Song (deshalb Bonustrack). Der Song passt aber dennoch zu uns, weil wir bisher immer versucht haben andere Wege zu gehen. Bei 'Oblivion' war der Weg halt außerhalb des Metals.

Bisher habe ich euch gerne mit SAVATAGE verglichen. Bei 'Dominion' kommt mir aber auch der Name ANGEL DUST in den Sinn. Welche Bands würdest du als eure Haupteinflüsse bezeichnen und warum?

Marc: Wir sind sechs Bandmitglieder und jeder hat seinen eigenen persönlichen Einfluss. Da sind einfach alle Hard'n'Heavy-Genres vertreten. SAVATAGE und ANGEL DUST sind da auf jeden Fall ein Teil der großen Schnittmenge. Und wenn du dann noch melodischen Power Metal mit Keyboards machst, kommst du an diesen Bands nun mal nicht vorbei. :-)

Ihr habt zur Freude des Fragestellers den Prog-Anteil auf 'Dominion' stark zurückgefahren und eher einen modern klingenden Power Metal fabriziert. Andererseits werdet ihr weiterhin als Prog-Band vermarktet. Wie würdest du euren Stil heute bezeichnen und warum sollten euch Prog-Fans weiterhin die Treue halten?

Marc: Prog wird natürlich auch immer ein Teil von uns sein. Nur hat sich der Begriff bei uns bandintern etwas geändert. Wir haben den Begriff "progressive" in unseren Stil aufgenommen, weil wir hier mehr Freiraum haben uns musikalisch auszutoben. Wir machen keinen reinen Power- oder Melodic Metal. Progressive heißt ja auch fortschrittlich. Wir versuchen einfach unser Ding zu machen, uns von der Masse abzuheben. Wir wollen nicht so klingen, wie alle anderen. Es wäre dann ja kein Fortschritt mehr, da man vorhandene Stile kopieren würde. Für uns ist Prog somit nicht immer ein ungerader Takt oder ein sehr kompliziert zusammengepuzzeltes Songkonstrukt, sondern eine Weiterführung/-entwicklung des eigenen Stils. Und das sehen andere Bands denk ich ähnlich, z.B. die ersten NEVERMORE-Scheiben liefen auch unter Prog, dabei klangen sie einfach nur anders und sie haben ihren Stil weitergeführt, indem sie weitere Genres (Thrash) in ihren musikalischen Verbund mit aufnahmen.

Woraus schöpfst du die Inspiration für deine Texte?

Marc: Aus allen Themen, die mich bewegen, das ist ziemlich verschieden, je nachdem was mir gerade in den Sinn kommt oder mich gerade ankotzt und ich es für lohnenswert halte, es zu Papier zu bringen. Bei "Dominion" ist alles ein bisschen gemischt, allerdings versuche ich immer den Bezug zur Realität herzustellen, wie z.B. bei '28 Days'. Die Story ist aus dem Film "Donnie Darko", ich nehme die Atmosphäre des Films textlich auf und versuche eine der zentralen Fragen des Films ("Was würdest du tun, wenn du weißt, dass die Welt in 28 Tagen untergeht?") an mich selbst und den Hörer zu stellen. So war es auch schon auf der "Mind Passages", die Konzeptgeschichte verschob sich von Part zu Part in die Wirklichkeit, bis am Schluss die Hauptperson aus seinem Albtraum erwacht und im Radio den Song vom Anfang hört, ein sich schließender Kreis also.

Was gab den Ausschlag für 'Code Of Decadence'? Hast du dich da wirklich von Dan Browns Fiktion "Illuminati" leiten lassen?

Marc: Es geht nicht um Dan Browns fiktive Story an sich, sondern um eine Aussage des Camerlengos (der zwar eigentlich im Roman der Böse ist, aber hier etwas Interessantes von sich gibt). Es geht darum, dass die Wissenschaft versucht alles Menschliche zu analysieren und zu erklären, bis das Menschliche selbst nicht mehr menschlich, sondern ein rein chemischer Vorgang ist, wie z.B. Liebe, Hass oder Freude und Traurigkeit. Es ist zwar alles ein chemischer Vorgang, aber nur im Bereich des Körpers und nicht des Geistes. Soll ein schöner Sonnenuntergang wirklich nur noch eine Bündelung von durch Dreck in der Atmosphäre farblich gebrochenen Lichtstrahlen sein oder soll er vielleicht doch ein paar Gefühle zulassen dürfen. Ich fand die These ziemlich interessant. Das Menschliche braucht seinen Platz, es darf nicht alles steril sein, das wäre das Ende jeder künstlerischen und menschlichen Entfaltung.

Als ihr vor zwölf Jahren INFINITE HORIZON gegründet habt, war das mehr ein Spaß-Projekt oder war euch schon 1997 klar, wohin ihr wolltet?

Marc: Zunächst war es natürlich Spaß, allerdings haben wir von Anfang an eigene Songs geschrieben. Es gab in der Region ein paar Bands (u.a. ACCU§ER, MILLENIUM'S END) die zeigten, dass auch im Siegerland gute Musik gemacht werden kann und wir wollten halt auch mal in den Genuss kommen auf der Bühne zu stehen. Den ersten Gig gaben wir dann im Mai 1997 mit MILLENIUM'S END als Headliner, die sich danach zu unserem Glück auflösten. Denn nur ein halbes Jahr später waren Armin (Sänger von MILLENIUM'S END, schnallte sich dann den Bass um) und Thomas (bis heute unser Lead-Gitarrist) bei uns in der Band, ich legte den Bass beiseite und schnappte mir das Mikro (unser erster Sänger meinte, auf Grund der neuen musikalischen Qualität, er wäre zu schlecht und hörte auf - Alex schrieb später übrigens den Text von 'Questions'). So lief es dann immer weiter, aber in gewollt kleinen Schritten, was sich bis heute bewährt hat: Einen Schritt nach dem anderen und die Ziele wachsen mit den Ansprüchen.

Auf dem Metalfest habt ihr auf 'I'm Alive' verzichtet, meines Erachtens der stärkste Song auf "Dominion". Wird man ihn zukünftig live erleben können?


Marc: Wir hatten in den Wochen zuvor relativ wenig geprobt. Ein neuer Proberaum musste gefunden werden und bei Thomas war es zeitlich und job-mäßig alles zu knapp (er arbeitet ja in der Schweiz). Da 'I'm Alive' ein Song ist, der 100%ig präzise gespielt sein muss, haben wir ihn weggelassen. Das wird sich allerdings bei kommenden Konzerten natürlich ändern. Als Opener wird er aber wohl nicht gespielt, weil er für mich am anstrengensten zu singen ist.

Euer starkes Demo "The Prophecy" (1999) ist ja seit Jahren vergriffen. Wird es dieses irgendwann mal als Bonusbeilage oder so geben?

Marc: Ich weiß nicht, ob das sein muss. Den besten Song haben wir ja mit 'The Reaper' schon mal auf die "Mind Passages" gepackt, der Rest ist eigentlich nur unterer Durchschnitt. Wenn natürlich ein paar Fans das Ding gerne hätten, wäre das wirklich eine nette Idee für 'ne Bonusbeilage.

Ein leidiges Thema sind natürlich gerade bei einer Band, die noch nicht zu den ganz Großen gehört, die illegalen Downloads. Mittlerweile machen ja alleine die Tauschbörsen über 50% des deutschen Internetverkehrs aus, andere Raubkopiemöglichkeiten wie mittels One-Klick-Hoster oder Usenet sind hier noch gar nicht eingerechnet. Spürt ihr als Band die Auswirkungen und welche Lösungsansätze siehst du?

Marc: Gerade der Underground (also auch wir) spürt das besonders. Die großen Bands spüren das natürlich auch, federn aber diese dadurch entstandenen Verkaufseinbrüche mit Merchandise und Ticketpreisen wieder ab. Das kann keine Underground-Band. Wenn du bei uns anfängst, mehr als nen Fünfer für den Eintritt bei 2-3 Bands zu nehmen, läufst du Gefahr, dass keine Sau kommt. Genauso bei T-Shirts, man muss immer weit unter den gängigen Shirtpreisen bleiben um halbwegs welche zu verkaufen. Natürlich ist das Internet eine gute Werbeplattform, aber was bringt das, wenn eine Identifikation mit der Band nicht möglich ist, weil man nur einen Song runterlädt. Auch hier haben die Großen den Vorteil, weil sie schon vorher einen Namen hatten.
Die einzige Lösung wäre ein Verbot mit härteren Strafen. Download von Songs nur noch als Paket für einen vernünftigen Preis. Aber das wird nie eintreten. Die Welt ist zu kurzlebig geworden, scheißegal wer den Song singt, schreibt oder spielt, es zählt der Konsum.
Beste Beispiele sind AEROSMITHs Überlegungen, nur noch Songs für den Download zu schreiben und ein Album maximal als Guitar-Hero-Version rauszubringen oder das Vorgehen mancher US-Labels, die mit dem Künstler maximal einen Song aufnehmen und schauen, ob es funktioniert. Wenn ja, wird das ganze 2-3 Mal wiederholt, sollte danach noch mehr Erfolg möglich sein, schickt man den Künstler vielleicht für ein Album ins Studio. Das ist eine schlimme Situation. Ich für meinen Teil habe noch nie einen Song runtergeladen, kaufe weiterhin komplette Alben und habe seit neuestem 'nen Plattenspieler.

Redakteur:
Georg Weihrauch

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