INGRIMM: Interview mit Fenris (Gesang)

24.05.2011 | 07:43

Ein aufschlussreiches und ehrliches Gespräch mit Fenris von INGRIMM über die neue Live CD&DVD, Mittelalter, Musik und Business.


Jakob:
Hi Fenris. Ich habe eure Live-CD rezensiert und bin von Sound und Songs begeistert. Warum habt ihr euch für die Verewigung auf CD für die Celtic-Rock-Show beziehungsweise für die DVD die Bordunrocknächte entschieden? Was war das Besondere an diesen Abenden?

Fenris:

Hallo Jakob. Vielen Dank für die gute Rezension. Dein Vergleich mit Kai Hansen sorgte für einige neue Insiderspäße in den Reihen der INGRIMMigen. Die Auswahl der Shows erfolgte nicht von uns. Wir bekamen lediglich die Mitteilung, dass die beiden Konzerte aufgezeichnet werden würden. Ursprünglich war die visuelle Aufnahme des Celtic-Rock-Festivals ebenso für eine DVD gedacht, aber das Label entschied sich dafür, nur die Audiospur zu verwenden. Lediglich der Track 'Vogelfrei' ist auf unserem aktuellen Album "Böses Blut" als Bonus-Video zu sehen.Auf dem Celtic-Rock-Festival herrschte schon bei unserer Ankunft eine besondere Stimmung. Gerade in diesem Umkreis hatte der INGRIMM-Virus seit unserem ersten Gig dort schlimm gewütet und zahlreiche Leute infiziert, die allesamt dieses Festival stürmten. Mit so vielen Fans vor der Bühne fanden wir ideale Bedingungen vor und das ist auch auf der CD zu hören. Feierlaune pur, Spielfreude ohne Ende, eine tolle Atmosphäre und Begeisterung auf allen Seiten. An diesem Abend passte einfach alles.

Bei den Bordunrocknächten herrschten schon im Vorfeld reichlich Chaos und Verwirrung.  Missverständnisse und widersprüchliche Informationen gaben sich die Klinke in die Hand. Ein Filmteam sei anwesend, teilte mir unser Label mit. Dass es als Material für eine DVD dienen sollte, erfuhr ich erst direkt vor Ort. Bis dahin dachten wir, es handle sich dabei um einen lokalen Sender, der dieses Festival ausstrahlen möchte. Somit machten wir es wie immer, enterten die Bühne und hatten Spaß. Leider blieben auch hier die Probleme nicht aus. Unsere Spielzeit wurde spontan von 90 auf 60 Minuten reduziert, dann hieß es kurz vor dem Auftritt wieder eineinhalb Stunden und auf der Bühne bekam ich gesagt, dass wir unser Set doch wieder kürzen müssen. Nach dem Konzert wurde ich vom verantwortlichen Labelmitarbeiter gefragt, warum wir denn nur so kurz gespielt hätten, es war schließlich mit dem Veranstalter anders vereinbart, was mich kurz zu der Überlegung verleitete, ob ich meine Meinung mit Hilfe von klar verständlichen Argumenten wie Axt oder Schwert untermauern sollte. Diese allgemeine Planlosigkeit war schon sehr anstrengend! Dazu kam noch ein recht mieses Wetter mit kühlen Temperaturen und Nieselregen. Die relativ hohen Eintrittspreise und eine nahe gelegene Konkurrenzveranstaltung taten ihr Übriges, so dass die Zuschauerzahlen keinen Rekord aufstellen konnten. Das fanden wir sehr bedauerlich, denn ansonsten hatten die Organisatoren gute Arbeit geleistet und sowohl das Festivalgelände wie auch der Mittelaltermarkt waren beeindruckend. Auch im Backstagebereich blieben keine Wünsche offen.

Jakob:
Wie kam es zum Entschluss ein Doppelalbum zu veröffentlichen? Viele Bands würden wohl zweimal zur Kasse bitten…

Fenris:
Wir haben kein Interesse daran, unsere Fans abzuzocken, wobei gesagt werden muss, dass die eigentlichen Urheber für ihre CDs und DVDs einen eher geringen Anteil bekommen. Die Entscheidung, in welcher Form das Material erscheinen sollte, oblag dem Label.

Jakob:
Habt ihr alle gut in Geschichte aufgepasst oder wie sammelt ihr eure Themen? Anders gefragt: Wie kommt das Mittelalter in eine Metalband?

Fenris:
Daran bin ich wohl zum großen Teil schuld. Eine Affinität zum Mittelalter ist mir ja nicht ganz abzusprechen. Ich verschlinge alles, was ich dazu in die Finger bekomme. Dieses Interesse war schon in meinen jungen Jahren vorhanden und ist seither geblieben. Vor mir war weder Burg, Schloss noch Ruine sicher. Damit wuchs auch die Neugier, mehr über die Geschichte dieser alten Gemäuer zu erfahren. Daraus resultierte, dass ich mehr über das damalige Leben wissen wollte. Vom Tagelöhner über Handwerker und Bürger bis hin zum Adel wollte ich alles wissen. Schließlich kam ich auch mit mittelalterlicher Musik in Kontakt. Der Klang von Sackpfeifen und Drehleiern übte auf mich eine magische Anziehungskraft aus. Als eine Marktband einen brachialen Trommler suchte, ergriff ich die Gelegenheit und zog einige Jahre mit dieser Gruppe über die Märkte. Aber bald wurde mir klar, dass es mir nicht ausreichte, nur Melodien ohne greifbare Message darzubringen. Da meine Idee von einer Metalband mit historischen Instrumenten dort auf taube Ohren stieß, verließ ich die Band, um mein eigenes Projekt zu beginnen. Ich bin im Mittelalter wie im Metal gleichermaßen fest verwurzelt. Für mich gehören elektrische Gitarren und Dudelsack einfach zusammen, was schließlich zur Gründung INGRIMMs führte.

 

Jakob:

Haben INGRIMM eine musikalische Ausbildung genossen oder seid ihr Autodidakten?

Fenris:
Unser Drummer Klaus ist beruflich Lehrer für Schlagzeug, Percussion und Ensemble, Alex verdient seine Brötchen als Tontechniker, gibt Gitarrenunterricht und hat das M.G.I. (Münchner-Gitarren-Institut) besucht. Der Rest der Bande ist mit Musik groß geworden, hat kein Diplom, dafür aber reichlich Erfahrung. Meiner Meinung nach ist es absolut irrelevant, ob jemand eine fundierte musikalische Ausbildung genossen oder ob er sich seine Fähigkeiten selbst angeeignet hat. Wichtig ist, dass jeder mit vollem Einsatz hinter der Sache steht.

Jakob:
Und noch eine musikspezifische Frage: Wie schreibt ihr eure Songs? Gibt es einen Hauptsongwriter, improvisiert ihr gemeinsam…?

Fenris:

Es hat sich in den Jahren eine Arbeitsweise herauskristallisiert, mit der wir gut arbeiten können. Wir schicken unsere Ideen an Alex, der sie arrangiert und in eine grobe Form bringt. In den Bandproben hören wir uns das Ganze im Kontext an, feilen die Feinheiten heraus und stellen eventuell noch einige Sachen um. Wie guter Wein braucht Musik auch einige Zeit, um zu reifen. So kommt es durchaus vor, dass ein eigentlich fertiger Song noch einmal komplett über den Haufen geworfen wird, weil uns immer noch etwas dazu einfällt. Manchmal müssen wir uns selbst bremsen, um ein Lied nicht zu überladen. Glücklicherweise hat unser Alex da ein gutes Händchen für und schreitet ein, wenn der kreative Wahnsinn Überhand nimmt.

Jakob:
In der CD-Info, die der CD beiliegt, heißt es, dass mit INGRIMM ein "frischer Wind durch die verstaubten Hallen der Metal-Szene" wehe. Mangelt es dem Metal an Innovation?

Fenris:
Leider ja. Es ist dieses verstaubte Schubladendenken von selbsternannten Genrehütern, die automatisch jede Neuerung verdammen und ihr mittlerweile stark ausgedünntes Haupthaar bis in alle Ewigkeit zu den Klängen ihrer Helden aus den Achtzigern und Neunzigern schütteln möchten. Diese Engstirnigkeit bekamen wir in unseren Anfangstagen auch zu spüren, in denen wir noch als IN-EXTREMO-Klon beschimpft wurden. Glücklicherweise sind diese Stimmen inzwischen verstummt. Wir haben uns durch unseren Stil eine eigene Nische geschaffen. Rau, hart und ehrlich, dafür steht der INGRIMM!

Jakob:
Das Mittelalter wird von vielen Bands als ästhetisches Ausdrucksmittel verwendet. Sind es die ausdrucksstarken Metaphern oder was fasziniert euch daran?

Fenris:
Wir setzen nicht auf das Blendwerk großer Worte oder bombastischer Bühnenshows. Für uns ist es eine Möglichkeit, unserer Kreativität Ausdruck zu verleihen. Wir zwingen uns nicht dazu, nur mittelalterliche Themen zu verarbeiten, was einem Scheuklappendenken gleichkäme. Faszinierend finde ich vielmehr, dass sehr viele der damaligen Begebenheiten hervorragend in die moderne Zeit passen. Wie man so schön sagt: Die Geschichte wiederholt sich.

Jakob:
Könnt ihr von eurer Musik leben oder habt ihr noch andere Jobs?

Fenris:
Da wir nicht gerade dem aktuellen Mainstream entsprechen, sind wir noch ein ganzes Stück davon entfernt, uns einen Ferrari in die Garage zu stellen. Scherz beiseite, wenn wir mit der Musik unseren Lebensunterhalt bestreiten müssten, dann sollten wir wohl besser eine Showband gründen. Wir haben alle noch relativ normale Jobs nebenher und spielen in einer Metalband, weil es uns verdammt nochmal Spaß macht.  Jeder von uns hat sein Leben auf die Band ausgerichtet, weil wir fest an den Erfolg glauben. Noch können wir nicht von der Musik leben, aber wir arbeiten daran.

Jakob:
Was ist Voraussetzung damit eine Band wie INGRIMM (in Deutschland) relativ erfolgreich wird? Also z.B. einen humanen Vertrag und gute Publicity bekommt, Konzerte spielen und CDs veröffentlichen kann sowie nach einer Tour keine/geringe Verluste macht?

Fenris:
Wenn Du willst, dass etwas getan wird, dann tu es selbst. Es wäre fatal, sich allein auf ein Label oder Agenturen zu verlassen. Wenn ein Projekt erfolgreich sein soll, so muss dieser Antrieb aus der Band kommen. Natürlich benötigt man die Unterstützung und die Erfahrung seiner Partner, also die der Plattenfirma und des Bookers, da sie über die nötigen Kontakte und das Know-How verfügen. Aber eine Band hat mit wachsender Größe wesentlich mehr Aufgaben zu erledigen als nur Musik zu machen. Ein guter Labeldeal ist wünschenswert und wenn die Promotion ordentlich funktioniert - umso besser. Eine Tour muss schon sehr gut besucht sein, um der Band keine Verluste zu bescheren, was aber eher die Ausnahme ist. Ergo braucht man jede Unterstützung, die man bekommen kann, aber nichts entbindet die Künstler von der Pflicht, ihr Baby selbst voranzutreiben. Vor den Erfolg wurde nun mal der Schweiß gesetzt. Mir fällt dazu ein Zitat von Max Cavalera ein: "Es ist der härteste Job der Welt, aber gleichzeitig der schönste, den man sich vorstellen kann!"

Jakob:
Wie sehen die Zukunftspläne von INGRIMM aus? Was wollt ihr noch erreichen?

Fenris:
Da sind noch eine Menge Ziele offen. Es gilt, den INGRIMM über die Grenzen Deutschlands hinauszutragen und es sind noch viele weitere Alben zu produzieren. Metal aus good old Germany erfreut sich immer größerer Beliebtheit, daher wollen wir auch im Ausland einige Bühnen zu Kleinholz verarbeiten. Natürlich werden wir uns weiter entwickeln und für jede Schandtat bereit sein, ohne jedoch unseren Stil zu verleugnen. Getreu dem Motto: Mit Wut im Bauch und INGRIMM im Herzen.

 

Jakob:
Vielen Dank für deine Zeit und viel Erfolg des Weiteren!

Fenris:
Gerne! Vielen Dank für das Interview. Metal on!

Redakteur:
Jakob Ehmke

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