IN FLAMES: Interview mit Anders Friden
01.01.1970 | 01:00"Soundtrack To Your Escape" heißt die neue Scheibe von IN FLAMES, die ab dem 29. März in den Geschäften zum Kauf bereit stehen wird. Darauf wird der auf dem Vorgänger "Reroute To Remain" eingeschlagene Weg konsequent fortgesetzt und anders als beispielsweise HYPOCRISY mit ihrem back-to-the-roots-Album "The Arrival" erfinden und definieren sich IN FLAMES auf ihrem neuen Langeisen wieder neu. Das soll aber nicht bedeuten, dass man nicht immer noch sofort heraushören würde, dass die Songs aus der Feder von IN FLAMES stammen; aber man hat dem Sound doch einen frischen und modern klingenden Anstrich verpasst. In einem reichlichen Monat kann sich jeder selbst ein Urteil bilden, doch nun wollen wir erstmal hören, was Sänger Anders Friden zu "Soundtrack To Your Escape" zu sagen hat.
Stephan:
Irgendwie finde ich, dass das neue Album einen etwas anderen Charakter hat als die bisherigen IN FLAMES-Werke. Was ist das Neue und das Besondere an diesem Album?
Anders Friden:
Ich weiß nicht, wir versuchen einfach immer ein besseres Album zu machen als zuvor. Wir versuchen nur gute Songs zu schreiben, und dann ist es eure (die Presse - d. Verf.) Aufgabe dem Ganzen eine Beschreibung zu verpassen. Ich glaube, es ist direkter als "Reroute To Remain", welches ein neues Territorium für uns erschlossen hat. Es ist vielleicht ein bisschen schwieriger sich in das Album hineinzufinden als bei den früheren Scheiben. Aber es repräsentiert, wo wir im Jahr 2004 stehen und es ist ein ebenso wichtiges Album wie alle seine Vorgänger.
Stephan:
Würdest du mir zustimmen, dass mit "Reroute To Remain" ein neues Kapitel von IN FLAMES begonnen hat, welches nun mit "Soundtrack To Your Escape" fortgesetzt wird?
Anders:
Hm, es hören mehr Leute IN FLAMES als jemals zuvor, also man kann schon sagen, dass es ("Reroute To Remain" - d. Verf.) uns neue Türen geöffnet hat. Aber das ist nichts, worüber wir groß nachdenken, wir versuchen einfach gute Musik zu machen, auf die wir als Band stolz sein können.
Stephan:
Ich finde, dass sich IN FLAMES im Laufe der Zeit von einer songorientierten zu einer albumorientierten Band gewandelt haben. Was meinst du dazu?
Anders:
Meinst du damit, dass wir uns nun auf das komplette Album konzentrieren?
Stephan:
Ja, ich bin der Meinung, dass ihr zu Anfang einige coole Songs hattet, aber mittlerweile schreibt ihr die ausgewogeneren und reiferen Alben.
Anders:
Es ist so, dass wir niemals 40-50 Songs für ein Album schreiben und dann die besten auswählen. Wir schreiben einen einzelnen Song und versuchen daraus den bestmöglichen IN FLAMES-Song zu machen. Danach gehen wir an den nächsten Song und versuchen den vorangegangenen zu toppen. Und wenn wir das Gefühl haben, dass wir genug gute Songs beisammen haben, dann nehmen wir ein neues Album auf. Vielleicht haben wir deshalb eher ein "Album-Gefühl", wie du gesagt hast. Wir lernen auch viel aus unseren Liveauftritten und entwickeln uns. Das ist unser siebentes Album und es liegen ja immerhin zehn Jahre zwischen "Lunar Strain" und "Soundtrack To Your Escape". Natürlich hat sich unsere Herangehensweise geändert und wir haben viel dazugelernt.
Stephan:
Im Gegensatz zu beispielsweise HYPOCRISY mit ihrem back-to-the-roots-Album "The Arrival" scheint ihr konsequent euren eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Wollt ihr euch auf Gedeih und Verderb nicht selbst kopieren?
Anders:
Ja, denn das fände ich langweilig. Nur deswegen gibt es uns noch, während viele Bands wieder von der Bildfläche verschwinden. Wir suchen nicht nach unseren Wurzeln, denn wir wissen, wer wir sind und wo wir herkommen. Wir bringen unsere Wurzeln mit und fügen nur neue Elemente hinzu um neue Dinge auszuprobieren. Wir würden niemals das gleiche Album zweimal schreiben, weil das einfach keinen Spaß macht. Wir brauchen eine Herausforderung und deshalb schreiben wir Songs, an die wir glauben und die wir für das Richtige halten. Hoffentlich sehen das unsere Fans genauso und wachsen mit uns.
Stephan:
Glaubst du, dass sich eure Fans der ersten Stunde mit der neuen Scheibe schwer tun könnten?
Anders:
Einige ja, einige nicht. Das hängt davon ab, wie aufgeschlossen man ist. Wenn jemand z.B. nur "The Jester Race" mag und die Alben danach nicht, dann wird er wahrscheinlich das Neue auch nicht mögen. Es ist immer die Frage, ob man die Entwicklung einer Band mitträgt oder eben nur ein bestimmtes Album mag.
Stephan:
Siehst du euch nach wie vorher als typische Melodic-Death-Metal-Band oder klingt ihr mittlerweile zu modern für dieses Genre?
Anders:
Kann man denn nicht Melodic Death Metal spielen und modern klingen? Gibt es da eine Art Richtlinie?
Stephan:
Die gibt es natürlich nicht, aber ich denke, dass diese Genre gerade auch durch eure früheren Alben geprägt wurde und jetzt macht ihr ja schon ein bisschen andere Musik...
Anders:
Ich weiß nicht, ob wir so modern klingen. Ich meine, wir spielen Metal und hoffen, dass es den Leute gefällt. Etwas anderes spielt keine Rolle.
Stephan:
Wie sehr nehmt ihr Rücksicht auf die Meinungen von Fans und Presse, wenn es an das Schreiben eines neuen Albums geht?
Anders:
Überhaupt nicht.
Stephan:
Wie sind die Songwriting-Anteile bei den neuen Songs verteilt?
Anders:
Wir waren zusammen in einem Haus und hatten eine zweiwöchige Pre-Production. Da haben wir sehr viel gejammt. Jesper (Strömblad - d. Verf.) und Björn (Gelotte - d. Verf.) kamen mit vielen Riffs an, manchmal haben wir auch einfach beschrieben, in welche Richtung es gehen sollte und haben dann einfach losgejammt. Es war jeder sehr stark in den gesamten Prozess involviert.
Stephan:
Ihr seid schon immer sehr schnell mit einem neuen Album aus der Hüfte gekommen. Fällt euch das Schreiben von guten Songs tatsächlich so leicht, wie man zwangsläufig vermuten muss?
Anders:
Nein, das ist nicht leicht. Aber wir kennen die Formel, wie man einen guten IN FLAMES-Song schreibt und wir sind sehr zielstrebig beim Songwriting. Wir können das auf Tour nicht tun, das ist unmöglich. Wir müssen uns für eine bestimmte Zeit zusammen setzen und uns total darauf konzentrieren. Aber dann ist es kein Problem.
Stephan:
Gibt es eigentlich Überschneidungen zwischen den IN FLAMES-Aktivitäten und deiner anderen Band PASSENGER?
Anders:
Nein. IN FLAMES beansprucht mehr Zeit als alles andere in meinem Leben. Da bleibt nicht viel Zeit übrig, aber ich versuche das hier und da noch hineinzuquetschen.
Stephan:
Bist du in PASSENGER um mit dieser Band Dinge zu realisieren, für die bei IN FLAMES kein Platz ist?
Anders:
Nein, ich habe einfach nur eine gute Zeit mit ein paar Freunden. Unser Gitarrist Niklas (Engelin - d. Verf.) und ich kennen uns schon seit langer Zeit, er war 1997 ein Sessionmitglied bei IN FLAMES und hat uns damals z.B. auf unserer Japantour begleitet.
Wir wollen einfach nur von Zeit zu Zeit etwas gemeinsam machen. Anstelle jeden Abend einen saufen zu gehen, sind wir halt im Studio und nehmen ein paar Songs auf. Es war nicht geplant, dass wir ein Album herausbringen, aber es entwickelte sich so gut, dass es halt jemand veröffentlichen wollte. Ich kann bei IN FLAMES auf jeden Fall das machen, was ich möchte, da limitiere ich mich selbst nicht.
Stephan:
Wie ist eigentlich euer Status in den USA?
Anders:
Es wird immer besser, es besuchen mehr Leute unsere Shows und wir verkaufen mehr Alben. Ich glaube, wir haben uns einen starken Namen gemacht und inzwischen einen ziemlich guten Ruf.
Stephan:
Aber nicht so gut wie in Europa, oder?
Anders:
Nein, das ist schon noch ein neuer Markt für uns. Aber auf der letzten Amerika-Tour hatten wir einen Durchschnitt von 1000 Besuchern pro Show, das ist wohl schon ziemlich gut.
Stephan:
Welche Sommerfestivals sind denn für euch schon bestätigt?
Anders:
Ich weiß das jetzt nicht so genau, aber das wird bestimmt bald bekannt gegeben.
Stephan:
Habt ihr die neuen Songs schon live ausprobiert?
Anders:
Wir haben letzten Freitag einen gespielt. Wir haben bei einer Radioshow in Schweden gespielt und da unsere Single 'The Quiet Place' aufgeführt. Und da gab es schon tolle Reaktionen.
Stephan:
Wo siehst du IN FLAMES in zehn Jahren?
Anders:
Mit vielen grauen Haaren...
Stephan:
Noch irgendwelche letzten Worte?
Anders:
Kauft euch "Soundtrack To Your Escape", es ist das einzige Album, das ihr euch in diesem Jahr kaufen und anhören müsst. Sehr bescheiden... (lacht)
Stephan:
Okay, vielen Dank.
- Redakteur:
- Stephan Voigtländer