IN FLAMES: Interview mit Björn Gelotte
01.01.1970 | 01:00Endlich ist es soweit. IN FLAMES haben sich zwei Jahre nach der sehr erfolgreichen "Clayman"-Scheibe nun den Nachfolger "Reroute To Remain" aus dem Kreuz geleiert. Dieses Album zeigt die Göteborger noch gereifter, aber auch um einiges variabler und vielseitiger. Ich hatte die Gelegenheit, vorab den Gitarristen Björn Gelotte nach allen Regeln der Kunst auszuquetschen. Da sich dieser als sehr sympathischer und bodenständiger Typ entpuppte und nicht nur mit einer Engelsgeduld sondern auch noch sehr auskunftsfreudig den Fragen stellte, entstand ein durchaus lesenswertes Interview.
Stephan:
Wie waren die Reaktionen auf das neue Album bei euch in Schweden? War da irgendwas anders als bei den letzten, sehr erfolgreichen Alben?
Björn:
Also, bis jetzt ist alles ziemlich gut, jeder scheint die Platte zu mögen. Und das ist schon ein gutes Gefühl. Das ist zwar nicht der Hauptgrund, warum man ein Album aufnimmt, aber es ist natürlich schön, wenn die Leute das mögen und schätzen, was man macht.
Stephan:
Was ist eigentlich mit dem Titel "Reroute To Remain" gemeint?
Björn:
Da gibt es verschiedene mögliche Bedeutungen. Eine ist, dass man sich ständig verbessern und in gewisser Weise verändern sollte, um die selbe Person zu bleiben, die man ist. Das bedeutet für uns, dass wir neue Dinge erforschen müssen, einfach um IN FLAMES bleiben zu können. Ich meine, seine Wurzeln trägt man immer bei sich, aber um die Sachen interessant zu gestalten und die selbe Band zu bleiben, muss man sich ständig weiterentwickeln. Und das ist eigentlich genau das, was wir auf dieser Platte machen.
Stephan:
Was waren die bedeutendsten Veränderungen zwischen "Clayman" (letztes Studioalbum, 2000 - d. Verf.) und dem neuen Album?
Björn:
Da gab es viele verschiedene Veränderungen. Zuerst würde ich die Wahl des Studios und des Produzenten nennen. Anstatt Fredrik und sein Fredman-Studio zu nehmen, das wir eigentlich für alle Aufnahmen bisher genutzt haben, wollten wir diesmal einen frischen Input und eine neue Perspektive haben. Wir wollten mit jemandem arbeiten, von dem wir wissen, dass er einen exzellenten Drumsound hinkriegt und wirklich leidenschaftlich mit dieser Musik arbeitet. Fredrik kennt uns in und auswendig und wir ihn genauso, da kommt aus dieser Richtung einfach nichts neues mehr. Wir haben das einfach gebraucht. Auch als er (Daniel Bergstrand im Dug Out Studio - d. Verf.) für Bands wie MESHUGGAH, STUCK MOJO und STRAPPING YOUNG LAD gearbeitet hat, da hat er jedes Mal einen sehr guten Job abgeliefert. Und wir wollten einfach mal ausprobieren, was passiert, wenn wir in ein anderes Studio gehen, ob es sich dann immer noch nach IN FLAMES anhört. Und das tut es absolut. Das ist ein großer Unterschied. Auch wie wir die Songs geschrieben haben, ist ein bisschen anders gewesen. Wir schreiben zwar immer nur so viele Songs, wie für das Album gedacht sind. Wir schreiben keine 30 Songs und suchen uns dann 14 heraus. Aber wir haben diese Songs eigentlich schon seit Ende des letzten Jahres, deshalb haben wir an jedem Songs sehr viel und lange gearbeitet. Zuerst sind wir in ein kleines Haus in den Wäldern gegangen, um dort zu proben. Wir haben das ganze Equipment und die Computer dorthin gebracht. Wir hatten viele Ideen auf Lager, als wir in dieses kleine Häuschen gegangen sind, aber als wir diese dann zusammengesetzt haben, da haben wir das als Gruppe getan. Und ich denke, das spiegelt sich in der Vielseitigkeit des Albums wider. Das macht es viel interessanter und dynamischer. Das ist schon ein großer Unterschied, in der Lage zu sein, die Songs erst viele Male zu hören, bevor man sie aufnimmt.
Stephan:
Und wie kommt es, dass Anders (Friden - d. Verf.) jetzt um einiges vielseitiger singt und viel öfter Clean Vocals verwendet?
Björn:
Ich denke, dass er, genauso wie wir an Gitarre, Bass und Schlagzeug, sich permanent entwickelt und als Musiker verbessern will. Wir wollten das eigentliche Konzept, das wir haben, erweitern. Deshalb haben wir viele von den typischen Gitarrenmelodien auf den Gesang umgelegt und damit ein bisschen experimentiert. Und es hat funktioniert. Wir sind mit dem Ergebnis wirklich sehr zufrieden.
Stephan:
"Reroute To Remain" ist wieder einmal 100 % IN FLAMES, aber mit, wie von dir angesprochen, etwas mehr Vielseitigkeit. Ist das Experimentieren mit unterschiedlichen Elementen etwas, dass ihr auf zukünftigen Alben noch verstärkter angehen werdet?
Björn:
Experimente sind immer eines unserer Trademarks gewesen, genauso wie Melodien und Aggressivität. Wir hatten nie Angst davor, so etwas zu machen und ich bin mir sicher, dass wir damit nicht aufhören werden. Ich meine, wir lernen eine Menge dazu bei jedem Album, das wir aufnehmen. Man versucht das, was auf dem letzten Album gut war, auch auf das neue zu bringen und auf ein anderes Level zu transportieren. Das ist genau das, was wir machen und ich sehe eigentlich jedes Mal etwas mehr Experimente. Manche Sachen lässt man auch weg, weil man sie einmal gemacht hat und nicht noch mal wiederholen möchte. Da gibt es nun sicherlich viele verschiedene Sichtweisen, aber ich denke nicht, dass wir irgendwann mal eine langweilige Platte machen werden. (lacht)
Stephan:
Mit 14 Songs stehen auf "Reroute..." die meisten Songs, die ihr jemals auf einem Album hattet. Hattet ihr einfach mehr Ideen als zuvor, mehr Zeit für das Songwriting oder was ist der Grund dafür?
Björn:
Dafür gibt es verschiedene Gründe. Wir haben seit zwei Jahren kein Studioalbum herausgebracht, was für uns eine sehr lange Zeit ist. Und da wir mehr Zeit für das Album hatten, hatten wir natürlich auch mehr Zeit, Ideen zu sammeln und auf Papier zu bringen. Für uns war das ganz natürlich und es war ein gutes Gefühl, als wir am Ende merkten, dass es eine Menge Songs werden. Viele Leute werden erfreut sein, so viele Songs zu hören. Und damit hat man natürlich auch mehr Platz für die experimentelle Seite, die ich angesprochen habe. Das macht das Album sehr dynamisch und vielschichtig, was für uns sehr wichtig ist.
Stephan:
Inwieweit verarbeitet ihr auch Einflüsse, die nicht aus dem Metal-Bereich kommen?
Björn:
Ich denke, heutzutage ist es schwierig, nur von Metal beeinflusst zu werden. Wir waren in letzter Zeit sehr viel auf Tour und sind auch oft Dinge "on the road", durch die man inspiriert wird, die aber nichts mit Musik zu tun haben. Man schaut sich einen Film an oder liest ein Buch oder was auch immer, und daraus zieht man dann seine Inspiration. Und es gibt so viel, das uns beeinflusst. Ich meine, IN FLAMES hat seinen eigenen Sound, und den haben wir durch viele Touren und viele Alben ausgebaut und weiterentwickelt. Das ist etwas, dass ganz natürlich kommt und über das man nicht nachdenkt. Denn wenn man anfängt, darüber nachzudenken, dann wäre das wie wenn man über seinen eigenen Erfolg nachdenkt. Du würdest über nichts anderes mehr nachdenken und keine Zeit mehr für die eigentliche Arbeit haben, nämlich ein anständiges Album zu machen. Für uns ist das ein ganz natürlicher Prozess, das nächste Album zu machen, mit allem was uns auch immer dabei beeinflusst.
Stephan:
Was kannst du mir über das Video erzählen, das ihr für den Song "Cloud Connected" gemacht habt?
Björn:
Es war ein langer Tag, als wir das aufgenommen haben. Wir haben dafür 22 Stunden oder so gebraucht und da waren jede Menge Kameras. Ich denke, es wird ein cooles Video werden. Es hat ein originelles Konzept, aber ich kann dir dazu jetzt nicht so viel sagen. Es wird auf jeden Fall ein Performance-Video sein. Es gibt also nicht so viel Handlung mit Schauspielern oder so etwas.
Stephan:
Obwohl ihr einen fast perfekten Sound auf der Scheibe habt, würdest du euch eher als Live-Band bezeichnen?
Björn:
Ja, mit Sicherheit. Ich meine, der Hauptzweck, warum wir all diese Scheiben gemacht haben und wie wir die Songs gemacht haben, war immer der, sie live zu spielen. Wir haben nicht als Live-Band angefangen, aber wir haben herausgefunden, dass dies ist etwas, was wir mögen und was wichtig ist, um die Musik zu verbreiten. Das Line-up, das wir jetzt seit den letzten drei Alben haben, ist absolut auf das Touren ausgerichtet. Wir bekommen da jede Menge Inspiration, außerdem lernt man vieles, auch über sich selbst. Das ist für uns schon sehr wichtig.
Stephan:
In Amerika werdet ihr zusammen mit SLAYER und SOULFLY auf Tour gehen. An welcher Position werdet ihr spielen?
Björn:
Ich glaube, da ist noch eine Band dazu gekommen, DOWNTHESUN oder irgend so etwas. (Exakt, wie ich mit meiner großartigen Spürnase inzwischen recherchieren konnte. - Anm. d. Verf.) Ich bin nicht ganz sicher, aber ich glaube, DOWNTHESUN werden anfangen, danach werden wir an der Reihe sein und dann kommen SOULFLY und zum Schluss SLAYER. Für uns ist das einfach eine tolle Gelegenheit und da spielt es keine Rolle, wann wir auftreten. Einfach aus dem Grund, weil wir so die Möglichkeit haben, ein Publikum zu erreichen, das wir alleine niemals erreichen würden.
Stephan:
Und was erwartest du von dieser "Monster-Tour"?
Björn:
Ich habe eigentlich gar keine Zeit darüber nachzudenken, was man davon erwarten kann. Wir waren schon mit vielen großen Bands unterwegs und wir wissen, wie wir mit einer großen Bühne und einem großen Publikum fertig werden. Wir werden eine gute Zeit haben und es wird aufregend sein, mit Bands von dieser Größe zusammen zu sein.
Stephan:
Wie viele Touren habt ihr eigentlich bisher in Amerika absolviert, die aktuelle mit eingeschlossen?
Björn:
Ich glaube, das ist jetzt die fünfte Tour, also das sind schon ein paar.
Stephan:
Was war die beeindruckendste bisher?
Björn:
Sie waren alle auf ihre Art besonders. Es war auch sehr beeindruckend, mit SLIPKNOT in Groß Britannien zu spielen, denn das ist eine große Maschinerie, die da am laufen ist. Und es ist großartig zu sehen, wie die Dinge auf diesem Level funktionieren. Aber genauso interessant ist es in Japan zu touren, wo wir nur vier oder fünf Shows gespielt haben, und diesen Teil der Welt zu erleben. Aber auch in Europa zu spielen ist sehr angenehm. Die Clubs sind alle sehr gut ausgestattet und die Leute um dich herum sind sehr professionell und wissen genau, was zu tun ist. Aber wenn man z.B. nach Amerika kommt, da herrscht eine total andere Sichtweise, es ist mehr "back to the basics". Ein bisschen wie Punk Rock. Die Leute sind da, weil sie es machen wollen und nicht weil sie einen Job zu erledigen haben. Alles hat seine guten und seine schlechten Seiten, aber live aufzutreten ist immer interessant für uns.
Stephan:
Eine andere großartige Tour neben der SLAYER-Geschichte, und günstigerweise hier in Europa, ist die Tour mit PAIN und SOILWORK.
Björn:
Ja, das wird bestimmt sehr aufregend.
Stephan:
Warum macht ihr es uns eigentlich die Entscheidung so leicht, auf welches Konzert man gehen soll?
Björn:
(lacht) Lass es mich so sagen, wir bekommen Angebote von Bands, die zur selben Zeit wie wir auf Tour gehen wollen. Und wir suchen uns dann aus, mit welchen Bands wir touren wollen. Dabei wollen wir es natürlich für uns so interessant wie möglich machen. Wir wollen sehen, was die Bands live bringen und ob die Leute dieses Package mögen. Das ist der Grund, warum wir das machen. Wenn die Leute das dann auch noch für eine gute Sache halten, dann ist das wunderbar.
Stephan:
Wie lange werdet ihr spielen und wie lange die beiden anderen Bands?
Björn:
Ich weiß nicht genau, wir werden headlinen, das weiß ich bisher. Wir werden vielleicht ungefähr eine Stunde und 15 Minuten spielen, so in dieser Richtung. Wir haben es noch nie gemocht, viel Gequatsche dazwischen zu haben. Wir werden ein Full-Set spielen und dann von der Bühne gehen. Es hängt alles auch davon ab, wie viel neue und alte Sachen wir spielen wollen. Das wechselt bei uns immer, wenn wir auf Tour sind. Ich bin mir absolut sicher, dass diese Tour fantastisch wird, weil wir mit so großartigen Leuten unterwegs sind. Es wird bestimmt auch jede Menge Überraschungen geben. Manche Shows werden vielleicht anderthalb Stunden lang sein und andere bloß eine Stunde, aber es werden sehr intensive Minuten sein. (Find ich trotzdem irgendwie gemein... - Anm. d. Verf. ;-))
Stephan:
Und was denkst du, wie viele neue Songs werdet ihr spielen?
Björn:
Ich denke, die neuen Songs werden sich abwechseln, weil wir auch etwas von den älteren Sachen spielen wollen, dabei aber immer auch die neue Platte einbeziehen und vorstellen wollen. Bis jetzt haben wir neun oder zehn von den neuen Songs vorbereitet, aber natürlich haben wir nicht die Zeit, nur diese zu spielen. Ich denke, wir werden das von Show zu Show unterschiedlich machen, vielleicht vier, fünf oder sechs bei der einen Show und bei der nächsten dann sechs andere Songs.
Stephan:
Ich kann mir vorstellen, dass es sehr schwierig ist, ein Live-Set zusammenzustellen...
Björn:
Heutzutage ist es das, weil wir viele Alben in der Hinterhand haben und viele Songs, die wir sehr gerne spielen. Und mit jeder Platte wird das natürlich schwieriger. Aber ist schon eine tolle Sache, dass man immer noch Songs spielen will, die man schon zweihundert Mal zuvor gespielt hat. Denn das bedeutet ja, dass die Songs gut sind.
Stephan:
Wenn ihr die Setlist verändert, dann können die Leute ja zu zwei IN FLAMES-Shows gehen, um so viele Songs wie möglich zu hören.
Björn:
Das wäre klasse. Hoffentlich kann so etwas wirklich passieren. Wir machen ja viele Shows in Deutschland und spielen überhaupt in jedem Land verschiedene Shows. Dadurch haben die Leute natürlich schon die Möglichkeit, sich mehrere Shows anzuschauen. Und damit es interessant bleibt, werfen wir dann vielleicht zwei, drei neue Songs dazu. Die Hauptsache ist, dass es für uns interessant ist.
Stephan:
Wie waren eigentlich die Festivals, die ihr in Budapest, Wien und Athen gespielt habt?
Björn:
Athen hat gar nicht stattgefunden. Das gesamte Festival wurde abgesagt von der Regierung oder so. Ich weiß es auch nicht genau, da wir nie eine ordentliche Erklärung dafür erhalten haben. Deshalb sind wir gar nicht in Griechenland gewesen. Die beiden anderen haben wir gespielt und es war für uns eine sehr coole Erfahrung. In Österreich, das war doch mit SLAYER und ILL-NINO?
Stephan:
Genau.
Björn:
Ja, und RAMMSTEIN sollten spielen, haben dann aber abgesagt. Ich glaube, der Keyboarder hatte Salmonellen, er war wohl sehr krank. Aber da kannst du mich nicht beim Wort nehmen. Für uns war es ein tolles Erlebnis, wieder einmal mit SLAYER aufzutreten und sie spielen zu sehen. Und den Leuten hat unser Auftritt wirklich gefallen. Zuvor haben wir in Budapest gespielt, das war ein Outdoor-Festival und es war wirklich gutes Wetter und tolle Leute da.
Stephan:
Habt ihr da auch schon etwas von den neuen Sachen gespielt und wie waren die Reaktionen darauf?
Björn:
Wir haben da noch nichts Neues gespielt, wir haben überhaupt erst zweimal einen Song vom neuen Album gespielt, nämlich "System". Und das war in Kanada.
Stephan:
Werdet ihr noch weitere Festivals in diesem Sommer spielen?
Björn:
Da nicht mehr sehr viel Zeit vor der SLAYER-Tour ist, werden wir nur noch ein Festival spielen. Die erste Show, die wir in den USA machen, wird ein Festival sein. Das gehört also noch nicht zu der SLAYER-Tour. Ich glaube, das ist das einzige Festival, das wir spielen werden. Aber in Europa wird es in diesem Jahr keine Festivals mit uns mehr geben. Aber für das nächste Jahr haben wir uns vorgenommen, bei so vielen Festivals wie möglich dabei zu sein.
Stephan:
Wenn wir schon dabei sind - es gab einige Leute, die die zu schwache Produktion auf "The Tokyo Showdown" kritisiert haben, z.B. dass deine Gitarre viel zu leise und kaum zu hören gewesen wäre. Wie siehst du das?
Björn:
Ich denke, die Leute können sagen was sie wollen, es ist immer noch ein Live-Album. Es ist nicht dazu gedacht, dass ein perfekter Sound darauf ist. Es ist ein Live-Erlebnis und wenn man auf ein Konzert geht, dann ist der Sound mal so und mal so. Und man hat es auch als ein Live-Album anzusehen und nicht als ein Studioalbum. Ich denke, es ist eine gute Mischung. Es ist sicherlich nicht für diejenigen, die zum ersten Mal IN FLAMES hören, die sollten "The Tokyo Showdown" sicherlich nicht kaufen. Aber wenn man auf einem Konzert war, und noch einmal das erleben will, was man gehört und gesehen hat, dann sollte man es sich wirklich zulegen. Auf diese Weise sollte man es genießen.
Stephan:
Aber ich denke schon, dass der Sound bei den Gigs in Deutschland auf dieser Tour um einiges besser war, als bei dieser Show in Tokio.
Björn:
Aber das hängt alles davon ab, wie man es aufnimmt. Das war nichts, was wir geplant haben. Als wir dort angekommen sind, haben sie uns gefragt, ob wir das Konzert aufnehmen wollen, weil das ganze, dazu nötige Equipment vorhanden war. Und da haben wir gesagt: "Ja, natürlich". Das ist vielleicht der Grund, warum man das Publikum nicht so richtig hören kann, weil es nicht richtig vorbereitet war, wir haben das nicht geplant. Aber es hat so gut geklappt, dass wir das meiste davon verwenden konnten. Es gab eigentlich nur einen Song, den wir nicht verwenden konnten, weil er auf dem Tape zerstört war.
Stephan:
Eine sehr interessante Sache in eurer History ist, dass du bei IN FLAMES als Drummer angefangen hast und dann vor den Aufnahmen zu "Colony" an die Gitarre gewechselt bist. Was kannst du mir darüber erzählen?
Björn:
Wir hatten jede Menge Wechsel im Line-up zwischen "Whoracle" und "Colony". Glenn (Ljungström, - d. Verf.) und Johan (Larsson, - d. Verf.) hörten auf. Glenn hatte uns schon lange vorher darüber informiert, da er das ständige Touren nicht mehr mitmachen konnte, was für uns aber immer wichtiger wurde. Johan ist, glaube ich, in die USA umgezogen, aber ich weiß das nicht mehr genau, jedenfalls ist er auch ausgestiegen. Zu dieser Zeit hatten wir zuerst einen Session-Gitarristen, Niklas Engelin von GARDENIAN, und mit Peter (Iwers - d. Verf.) einen richtigen Bassisten, der ja immer noch bei uns ist. Niklas war mit ganzem Herzen bei GARDENIAN und er konnte sich nicht richtig entscheiden. Für uns war es schwer, die Zeit einzuteilen, weil wir für das Touren und das Aufnehmen der Platten so viel Zeit benötigten, so dass man da eigentlich keine zwei Bands zur gleichen Zeit haben kann. Da war es für uns nur ein natürlicher Schritt, entweder einen neuen Gitarristen zu finden oder jemanden, der die Drums übernehmen würde. Seit ich zu der Band gestoßen bin (vor "The Jester Race", 1995 - d. Verf.), habe ich mit Jesper (Strömblad, g. - d. Verf.) zusammen die Musik geschrieben. Ich kannte die Songs also alle und so war es ein Leichtes für mich, die Gitarre zu spielen. Und seit "Colony" haben wir nun das selbe Line-up, wir sind ein echtes Team und eine Einheit.
Stephan:
Und welche Instrumente hast du in deinen Bands gespielt, bevor du zu IN FLAMES gekommen bist?
Björn:
Ich habe in vielen Bands zur selben Zeit gespielt, es war einfach "just for fun". Und da hab ich eigentlich alles gespielt, mal Drums, mal Bass oder Gitarre. Ich war da so etwas ähnliches wie ein Lehrer. Wenn Leute eine Band gründeten, dann wollten sie jemanden haben, der sie führen konnte und ihnen an den Instrumenten etwas beibringen konnte. Und das habe ich dann gemacht. Das ist vielleicht der Grund, warum ich eigentlich alles mehr oder weniger spielen kann. Und das hilft dir dann natürlich auch, wenn du Musik schreibst.
Stephan:
Eine andere interessante Story ist, dass Anders als Sänger von DARK TRANQUILLITY angefangen hat und deren jetziger Sänger Mikael Stanne die Vocals auf dem ersten IN FLAMES-Album "Lunar Strain" eingesungen hat.
Björn:
Ja, das ist eine lustige Sache. Als IN FLAMES "Lunar Strain" aufgenommen haben, da war es eher ein Projekt. Es war eigentlich keine richtige Band. Das merkt man auf der darauf folgenden EP "Subterranean" auch ganz deutlich. Ich weiß nicht, wer es war, der an Mikael Stanne herangetreten ist, aber wir brauchten einfach einen Sänger, weil wir keinen hatten. Einfach jemanden, der die Vocals auf dieser Scheibe übernimmt, aber er war niemals ein Teil von IN FLAMES. Das selbe gilt für die "Subterranean"-Mini-CD. Dieser Typ namens Henke Forss, er ist von DAWN und noch ein paar anderen Bands, sollte auch bloß für diese eine Platte den Gesang übernehmen. Wir hatten zu der Zeit kein konstantes Line-up. Und Jesper hat auf "Lunar Strain" auch die Drums gespielt. Daniel Erlandsson (ARCH ENEMY, EUCHARIST - d. Verf.) und Anders Jivarp von DARK TRANQUILLITY haben auf "Subterranean" Drums gespielt. Das ist schon eine ziemlich sonderbare Sache mit den ganzen verschiedenen Mitgliedern. Und Anders hat auf dem Album "Skydancer" (Debütalbum von DARK TRANQUILLITY - d. Verf.) gesungen, er war also ganz zu Beginn mal in dieser Band. Danach hatte er noch eine andere Band - CEREMONIAL OATH - und daher kannte Jesper ihn, so weit ich weiß. Später hat er sich dann an ihn erinnert und so kam Anders nur ein paar Monate nach mir in die Band. Wir sind also eigentlich gleich lang dabei. Das ist fast wie ein Baum mit den ganzen verschiedenen Bandmitgliedern, aber es ein ziemlich verrückt aussehender Baum. (lacht)
Stephan:
Es gibt Leute, die sagen, dass DARK TRANQUILLITY IN FLAMES als die Nummer eins Melodic Death Metal-Band abgelöst haben. Glaubst du, das entspricht der Wahrheit und ist das überhaupt etwas, was für dich von Bedeutung ist?
Björn:
Ich habe noch niemanden gehört, der das gesagt hat und ich wusste auch nicht, dass es da einen Wettbewerb gibt. (lacht) Für mich ist das nichts, was von Bedeutung ist. Wir sind in einer Position, in der wir immer sein wollten und wir machen genau die Musik und die Experimente, die wir machen wollen. Niemand kann uns sagen, was wir machen sollen und die Leute können denken, was sie wollen, darauf brauchen wir nicht zu hören. Solange wir in dieser Position sind, können sie sagen was sie wollen. Wenn sie sagen, dass DARK TRANQUILLITY die Nummer eins sind, dann ist das okay für mich. Da gibt es keinen Wettbewerb, das sind unsere Freunde.
Stephan:
Von welchem Moment an hast du gewusst, dass IN FLAMES eine sehr große und erfolgreiche Metal-Band werden würden?
Björn:
Über solche Sachen denkt man nicht nach, da man so etwas eh nicht planen kann. Wenn den Leuten gefällt was du machst UND du selber damit zufrieden bist, dann sind die Dinge halt gut für dich gelaufen. Wenn man über solche Sachen nachdenken würde, hätte man keine Zeit mehr, ein gutes Album zu schreiben. Ich meine, in diesem Fall würde man an nichts anderes mehr denken. Man sollte sich schon auf die Musik konzentrieren und alles andere passiert von ganz allein. Und man ist zwar glücklich, wenn es so gut läuft, aber das ist nicht Hauptgrund, warum man das macht.
Stephan:
Und welche Ziele willst du mit der Band noch verwirklichen?
Björn:
Da gibt es mehrere kleinere Ziele. Natürlich wollen wir die größte Band der Welt sein, und es schaffen, dass jeder IN FLAMES kennt. Aber man muss kleine Schritte machen und wir experimentieren mit jeder Platte ein bisschen und versuchen ein etwas größeres Publikum anzusprechen. Neben der Sache, dass es für uns selbst interessant sein muss, ist es ein Hauptziel, dass so viele Menschen wie möglich die Gelegenheit haben, eines unserer Alben oder ein Live-Konzert zu erleben und dann für sich selbst entscheiden können, ob sie es mögen. Ich bin davon überzeugt, dass zu unserer Musik viele Leute Zugang finden könnten, die nie die Gelegenheit haben, sie sich anzuhören.
Stephan:
Wie motiviert man sich eigentlich jeden Tag aufs neue?
Björn:
Es ist einfach so, dass ich denke, ich habe den besten Job auf der Welt. Es ist mein Hobby und absolut das, was ich mein Leben lang tun möchte. Und es ist das, wovon wir leben können und darüber sind wir alle sehr glücklich. Deshalb ist es wirklich nicht schwer die Motivation zu bekommen, wenn es eigentlich bloß positive Seiten hat.
Stephan:
Die Kategorie Melodic Death wurde von eurer Band, und vielleicht noch DARK TRANQUILLITY ins Leben gerufen. Denkst du, dass ihr mit eurer Musik einen neuen Stil geschaffen habt?
Björn:
Es ist sehr schwierig, von außen darauf zu blicken und festzustellen, ob man da etwas kreiert hat. Wir sind immer bloß unseren Instinkten und unserer Vision gefolgt. Wenn das zu einem Musikstil oder -genre geworden ist, dann ist das eine erstaunliche Sache. Aber das berührt eher andere Leute als uns selbst, z.B. andere Bands, die so klingen wollen. Wenn man als Band anfängt, ist es großartig, jemanden zu haben, mit dem man sich vergleichen kann. Aber wenn man sich als Band entwickelt, dann entwickelt man seine eigene Identität und dann denkt man über so etwas nicht nach. Meistens ist es so, dass die Presse etwas haben will, womit sie Bands vergleichen kann, die z.B. aus der selben Stadt kommen und dann nennen sie es "Gothenburg New Way Of Melodic Death Metal" oder so etwas. Aber das sind alles bloß Etiketten, um einfacher erklären zu können, was es ist. Ich sehe Millionen von Unterschieden zwischen Bands wie uns, DARK TRANQUILLITY oder AT THE GATES bzw. heute ja THE HAUNTED. Diese Bands sind so unterschiedlich, dass man sie eigentlich nicht unter ein Dach stecken kann. Aber die Leute versuchen es trotzdem und nennen es Melodic Death Metal.
Stephan:
Und ist es befriedigend für euch, dass eure Band ein Einfluss für eine steigende Zahl von jungen Bands darstellt?
Björn:
Ja, das ist sehr schmeichelhaft, denn wir sind der Meinung, dass wir die beste Musik der Welt machen. Und wenn Leute das nehmen und versuchen, damit etwas zu machen; solange sie es nicht bloß kopieren ohne nachzudenken, sondern ihre Köpfe benutzen; dann denke ich, ist es das beste, was uns passieren kann.
Stephan:
Okay, dann hab vielen Dank für das interessante Interview.
- Redakteur:
- Stephan Voigtländer