IVORY TOWER: Interview mit der Band

29.03.2024 | 13:16

Mit "Heavy Rain" meldet sich IVORY TOWER zurück. Dass das neue Album recht wenig mit dem gleichnamigen Game zu tun hat, steht außer Frage. Trotzdem ist dieses Bollwerk an fabelhafter, kraftvoller Musik unheimlich bedeutungsschwer, musikalisch so vielschichtig und facettenreich. Natürlich wurden die Holstein-Kiel-Fans hellhörig, als sich Marcel Rapp als Interviewpartner ankündigte. Dass es sich dabei "nur" um den POWERMETAL.de-Kollegen handelte, trübte allerdings auch nicht ihre Stimmung im Vorfeld. So sprechen wir mit Gitarrist Sven "Bö. G.", Bassist Björn und Neu-Sänger Francis über "Heavy Rain", die Bedeutung hinter der Scheibe, dem Neuankömmling am Mikrophon und haben ein sehr lesenswertes Interview für euch kredenzt.

Hallo Jungs und schöne Grüße in den hohen Norden. Ich bin Marcel Rapp – nein, nicht Chef-Trainer von Holstein Kiel, sondern Chef-Redakteur von POWERMETAL.de, haha.
Bö. G.: Das ist ja supercool! Mit dir wäre Holstein bestimmt auch super aufgestellt! Björn und ich sind tatsächlich glühende Holstein-Fans und sind auch gelegentlich im Stadion!

Hoffentlich auch bald in Liga 1. Wie geht es euch? Wie ist die Stimmung bei IVORY TOWER?
Björn: Die Stimmung ist ziemlich gut! Die Vorabrezensionen lassen sich gut lesen, wir kommen magazinübergreifend ganz gut weg mit dem neuen Album! Die Produktion hat uns aber auch viel Blut, Schweiß und Tränen gekostet und war nachher mit der Hilfe unserer Fans und Unterstützer durch Crowdfunding finanzierbar! Danke nochmal an die Supporter!

Seit eurer letzten "Stronger"-Scheibe sind fünf Jährchen ins Land gezogen. In der Zwischenzeit habt ihr mit Francis einen neuen Sänger gefunden. Wie kam die Kollaboration zustande und weshalb hat Dirk die Band verlassen?
Björn: Zum einen brachte der Corona-Clash erstmal alles zum Erliegen. Unser alter Sänger hat sich zum anderen da leider ein bisschen verloren und seine eigenen Probleme gehabt, wobei dann der Kontakt abriss. Das Album war musikalisch schon fertig geschrieben, vorproduziert und wir warteten eigentlich nur noch auf die Vocals. Das kam dann bedauerlicherweise nicht mehr zustande!
Bö. G.: Wo lernst du heutzutage und besonders unter Coronarestriktionen neue Leute kennen? Im Netz! Also sind wir in die ganzen Musizierenden-Foren und Gesangs-Foren und haben dort Incognito gesucht! Wir haben zum Teil unsere unveröffentlichten Songs, die jetzt auf dem Album sind, an die jeweiligen Sänger und Sängerinnen verschickt, das war echt krass! Ja, wir waren da sehr offen und haben uns auch die Female-Fronted-Tür offen gehalten! Wir bekamen die Songs besungen wieder, teilweise nur mit einem Handy aufgenommen, teilweise im eigenen Schlafzimmerstudio produziert! Es waren einige in der Challenge, wobei noch nicht so der Aha-Effekt bei uns eingetreten war! Keine der eingesandten Gesangsproben hat uns so richtig und vollends mitgenommen...
Irgendwann sind wir dann auf Francis gestoßen. Wir waren schon mal von seiner Vita beeindruckt und hatten ihm dann einen Song zugesandt und bekamen den gleich am nächsten Tag besungen, fett produziert mit bestimmt zehn Chorstimmen und einem catchy Chorus zurück, sehr beeindruckend. Aber ein(e) Schwa(l)be macht noch keinen Frühling, oder wie heißt das? Hehe. Also haben wir ihm noch eine zweite Nummer runtergeschickt. Die kam dann den übernächsten Tag komplett mit Lyrics, Hammerrefrain und Chorstimmen zurück. Da wussten wir dann endgültig: Das ist unser Mann, den brauchen wir! Und dann sind wir uns einig geworden - an dieser Stelle auch nochmal 1000 Dank an Karen für die Überzeugungsarbeit!

Mit neuen Vocals an der Front: Welche Möglichkeiten haben sich dadurch für euch offenbart? Ein Wechsel am Gesang ist immer riskant, aber die IVORY TOWER-Trademarks strahlen nach wie vor kräftig durch.
Bö. G.: Klar, bei gesangsorientierter Musik ist die Sängerposition immer das wichtigste Element, nun hatte unser alter Sänger auch nur ein Album eingesungen. Das war zwar ohne Zweifel hervorragend, allerdings dann auch nicht so richtungsweisend, da Andre Fischer bei uns die ersten 4 Scheiben intoniert hatte.
Björn: Francis bietet gesanglich natürlich eine ganz andere Range, allerdings waren die Songs ja schon fertiggeschrieben! Von daher hatte das auf das musikalische Geschehen noch nicht so den großen Einfluss!
Bö. G.: Ganz anders jetzt bei ganz neuen Nummern, die wir für das Album "Heavy Rain" schon geschrieben hatten. Da kann man natürlich ganz anders arbeiten, vor allem da Francis auch ein eigenes Studio hat und vor allem damit auch umgehen und viele frische Ideen beisteuern kann!

"Heavy Rain" heißt eure neue Scheibe, die nunmehr siebte. Mit welcher Zielsetzung seid ihr an die Arbeiten herangetreten – auch im Vergleich zu "Stronger"?
Bö. G.: Zielsetzung beim Songwriting war, die Nummern etwas kompakter zu machen, nicht mehr so verspielt zu gestalten und straighter zu sein, allerdings ohne die Prog-Einflüsse völlig zu vernachlässigen. Das ist uns auch ganz gut gelungen, glaube ich. Den Weg sind wir ja auch schon bei der "Stronger" gegangen, wollten den aber noch weiter fortführen. Phase zwei war dann, als wir den Mix im Fascination Street Studio begonnen haben und dann mit Jens Bogren und Alexander Backlund die Diskussion und Anforderungen an streamingplattformenadäquaten Metal hatten. Da haben wir dann auch nochmal einiges geändert und Wahnsinn, was die Jungs nochmal mit unserem Rohmaterial angestellt haben!

Was unterscheidet "Heavy Rain" musikalisch vom Vorgänger eurer Meinung nach? Nicht nur Francis macht die Songs erdiger, griffiger und kraftvoller, wie ich finde.
Bö. G.: Ja, das stimmt, die Refrains sind auch noch melodischer und "dicker" geworden! Ich habe extrem viel Zeit mit dem Arrangieren und der Instrumentierung zugebracht, um alles perfekt auf den Punkt zu bringen! Die Dichte der Songs im Vergleich zur "Stronger" ist auch massiv gestiegen, ebenso musste Torsten, unser Drummer, hart arbeiten auf Grund der vielen schnellen Doublebasspassagen! Das macht alleine schon viel aus, hehe.

Und steckt hinter "Heavy Rain" eine Art konzeptioneller roter Faden, eine Geschichte, die uns das Album vermittelt? Das Album hat sicherlich nichts mit dem gleichnamigen Videospiel zu tun oder?
Francis: Nein, mit dem Videospiel hat es rein gar nichts zu tun. Viel mehr geht es um die Covid-Zeit und alle die merkwürdigen Eindrücke, die auf uns geprasselt sind wie eben ein heftiger Regen. Im Prinzip geht es im Album darum, mal inne zu halten und die kleinen Details im Leben wieder in eine Wichtigkeit zu rücken, die uns all die Jahre abhandengekommen ist.

Mich erinnert das famose Titelstück ein wenig an GAMMA RAY und HELLOWEEN. Die Bands sind geografisch auch nicht weit von euch entfernt. Aber wie weit bin ich denn eurer Meinung nach von meiner Einschätzung entfernt?
Francis: Die geographische Lage ist die einzige Gemeinsamkeit zwischen den genannten Bands. Am Ende kann man doch alles irgendwie mit irgendwas vergleichen oder Ähnlichkeiten finden. Ich persönlich habe mich kaum mit GAMMA RAY oder HELLOWEEN beschäftigt und kenne nicht viel von ihnen. Ok, die 80er-Hits von HELLOWEEN sind auch mir bekannt aber dann hört es schon auf. Über GAMMA RAY weiß ich nur, dass da Ralf Scheepers gesungen hat, ein Weggefährte von mir aus frühen Zeiten. Unsere Wege kreuzten sich immer mal wieder. Aber natürlich kann man stilistische Ähnlichkeiten nicht leugnen, da man eben musikalisch ziemlich nah beieinander ist.
Bö. G.: Ich liebe Helloween und hab die schon immer gefeiert! Wobei wir natürlich schon musikalisch weit weg sind von den Happy-Pumpkins! Und klar, Hamburg ist natürlich gleich um die Ecke! Da muss Marcel Rapp auch eine starke Mannschaft aufstellen wenn es gegen Pauli oder HSV geht, haha.

Wenn der Marcel Rapp von POWERMETAL.de schon eine erstklassige Mannschaft hat, wird es der Marcel Rapp von Holstein Kiel auch schaffen, hehe. Erzählt mir gerne von eurem Gedankengang beim Artwork – für mich etwas düster, kantig, trotzdem detailverliebt und mystisch. So wie die Musik von IVORY TOWER?
Francis: Das Album entstand in der Covid-Phase. Es waren dystopische, depressive und seltsame Zeiten. Also alles andere als erfreulich. Die Lyrics schlagen in diese Kerbe und das soll auch das Cover ausdrücken. Monotone Farben mit wenig Aussicht auf Heiterkeit. Der Turm soll jedoch einen Anker ausdrücken an den man festhalten kann, der immer da ist und Schutz bietet und natürlich unser IVORY TOWER ist in den wir uns zurückziehen und der unser Shelter ist!

'60 Seconds' lässt mich nicht mehr los – was hat der Song zu sagen, was beinhalten diese thematischen 60 Sekunden?
Francis: Es geht darum, wie viel man in ziemlich kurzer Zeit im Leben erreichen kann. Die 60 Sekunden sind eben stellevertretend für einen sehr kurzen Zeitabschnitt. Und in diesem kurzen Zeitabschnitt kann man vieles erreichen, wenn man es will. Seine Liebe fürs Leben finden, Freunde kennenlernen, sehen wie Leben entsteht oder wieder zerrinnt usw... Es ist erstaunlich, was sich alles auf der Welt in gerade mal 60 Sekunden verändert.

Es ist eure zweite Albumveröffentlichung bei Massacre Records. Welche Möglichkeiten ergeben sich für euch bei diesem namhaften Label, was macht die Arbeit mit Massacre so besonders?
Björn: Ja, wir sind da sehr zufrieden! Die kümmern sich professionell um unsere Belange um die Albumveröffentlichung herum. Mittlerweile ist da auch noch eine Promoagentur dazugeschaltet, alles super also. Klar kann man immer mehr verlangen und ein höheres Promobudget einfordern, aber wenn man das realistisch betrachtet, passt da alles großartig für uns. Es ist halt wie immer beim Mucken und letztendlich auch im Leben: Ohne Eigeninitiative passiert halt nix!

Für mich ist "Heavy Rain" noch mehr Power- als Prog Metal, das Album stellt ein richtiges Highlight im kraftmetallischen Sektor dar. Würdet ihr euch selbst noch als Prog-Band sehen oder habt ihr euch in all den Jahren auch von eurer Sicht aus zum Power Metal entwickelt?
Bö. G.: Erst mal Danke für die Blumen! Und ja, da gebe ich Dir vollumfänglich Recht! Das ist tatsächlich jetzt mehr Power Metal! Das hat sich über die Jahre so entwickelt auf unseren Tingeltangel-Touren durch Clubs, wo halt Leute waren, die Laufkundschaft waren oder wegen der anderen Bands da waren. Die konnten dann immer nicht so viel mit unserer Musik anfangen, denen war das denn zu viel. Und es war bei solchen Events auch mit der "Stronger"-Scheibe spürbar, dass das etwas straightere Konzept, trotzdem auf hohem Niveau agierend, besser verdaubar war für die Leute, die dann das erste Mal auf uns getroffen sind! Geht gleich ins Blut und in den Nacken! Hoher Mosh-Intensitätsfaktor! 'The Destination' ist da der einzige Ausbrecher auf dem Album, hehe.

Wie hoch stehen denn die Chancen, euch mit dem Album im Gepäck in diesem Jahr live zu sehen? Oder was hält 2024 für euch als Band noch bereit?
Bö. G.: Ja, wir hätten tierisch Bock das neue Album live zu präsentieren! Allerdings sollte eine Tour auch einen gewissen Rahmen haben. Die kleinen Booker, die uns immer mal unterstützen, haben da leider keinen Zugriff drauf und für die größeren Booking-Agenturen sind wir leider zu klein und somit uninteressant! Ja es ist ein Teufelskreis! Wir haben allerdings schon Buchungen für Festivals im Sommer, über Deutschland verteilt, wo wir auf jeden Fall am Start sind und richtig abliefern werden!
Sollten hier Booker und Veranstalter mitlesen: Leute, meldet Euch gerne über unsere Band-Mail, wir sind offen für viele Tour-Ideen!

Jungs, ich danke euch, dass ihr meinen Fragen Rede und Antwort standet. Ich wünsche euch mit "Heavy Rain" nur das Beste. Was möchtet ihr euren Fans und unseren Lesern noch mit auf den Weg geben?
Alle: Ja danke! Leute, lasst Euch nicht unterkriegen, kauft und lauscht der "Heavy Rain"-Scheibe, besucht und folgt uns auf Social Media und wir sehen uns hoffentlich demnächst live und haben dann ein kühles Pils zusammen!
P.S.: wir stehen nämlich extrem auf die regionalen Biere in den Gegenden in denen wir spielen dürfen, hehe.

Fotocredits: Rainer Hentschke

60 Seconds

https://www.youtube.com/watch?v=xnHsgAgOqHg

Redakteur:
Marcel Rapp

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