Im Rückspiegel: W.A.S.P.

10.06.2023 | 12:23

Die Europatournee ist gerade vorbei, da klingeln uns diese urtypischen W.A.S.P.-Evergreens wie 'L.O.V.E. Machine', 'Wild Child' oder 'The Idol' noch immer in den Ohren und berühren unser vor Nostalgie triefendes Herz. In diesem Rückspiegel schauen wir einmal auf die Schaffensphase des Herrn Lawless und seiner Hauptband, mit der er vor allem in den 1980er Jahren Berge versetzte. Doch auch in den Folgejahren - bis zum heutigen Tage - stecken hinter nahezu allen W.A.S.P.-Alben tolle, authentische Songs, Feuer und Leidenschaft, die eine oder andere herzzerreißende Geschichte und diese Stimme, die ich persönlich, wie keine Zweite, mit dem Geist der 80er Jahre verbinde.

Herausgekommen sind viele Überraschungen, denn vor allem in der späteren Diskografie hat sich für den einen oder anderen Kollegen doch ein richtiger Gigant an Album ins Herz gespielt. Taucht mit uns ein in die W.A.S.P.'sche Plattensammlung, bei der wir "ReIdolized" bewusst als Neueinspielung der "The Crimson Idol"-Scheibe ausgelassen und uns den regulären Alben gewidmet haben. Wer von Jonathans Geschichte dennoch mehr erfahren möchte, sei auf den Hauptartikel hier hingewiesen. Euch allen eine angenehme Zeitreise - here we go:

Keinen Gesang verbinde ich so stark mit dem wilden Zeitgeist, dem Hang zur Gefahr, dieser ungezähmten Bestie namens Rock'n'Roll wie jene von Blackie Lawless. 'L.O.V.E. Machine' war der erste Song, den ich von W.A.S.P. jemals hörte und von Beginn an hat mich der Sound, der Song, diese Seele gefesselt. Das Debüt der US-Amerikaner feiert im nächsten Jahr sein 40-jähriges Jubiläum und über all die Jahre hat "W.A.S.P." nichts, ich wiederhole: nichts! an Magie verloren. Lawless und Co. setzten einst neue Maßstäbe, ihre Bühnenshows waren Spektakel pur, ihre Provokationen mit 'Animal (Fuck Like A Beast)', nackten Mädels, literweise Kunstblut und sämtlicher Symbolik legendär. Hinzu kamen messerscharfe Kreissägenblätter, unumstößliche Hymnen wie 'I Wanna Be Somebody', 'School Daze' oder 'Hellion' und Blackies Wille, der Welt zu zeigen, wie gesetzlos und kochwasserheiß eine Band aus Los Angeles inmitten der 1980er Jahre die Musikwelt verändern kann. Welch legendäre Riffs Holmes und Piper zum Besten gaben, wie sehr Blackie durch sein schelmisches Grinsen die Massen in seinen Bann ziehen konnte, welchen Glücksgriff Capitol Records mit diesem Album machte - schließlich wurden bis heute eine Millionen Exemplare verkauft. Zu Recht, gehört dieses Monument der musikalischen Engelsstadt doch in jede noch so verflucht gut sortierte Plattensammlung, ist "W.A.S.P." doch vom beginnenden Trommelwirbel bis zum finalen 'The Torture Never Stops'-Versprechen doch schlichtweg großartig.

[Marcel Rapp]

Als schon einige Jahren davor mit der "Heiligen Dreifaltigkeit" des Hard Rocks (PURPLE, SABBATH, ZEPPELIN) sowie diversen anderen Formationen dieser, damals mitunter verächtlich als plumper "Radau" bezeichneten Musikform infizierter Jugendlicher, war ich nahezu permanent auf der Suche nach neuen Bands. Da sich in mir - einem pubertierenden Teenager Mitte der 80er Jahre - zeitgleich auch das Interesse an der holden Weiblichkeit entwickelte, war es wohl ein Leichtes für so manche Formation, Zeitgenossen wie mich allein durch plakativ-provokantes Image auf sich aufmerksam zu machen. Willkommen bei W.A.S.P.! Da ich mit dem Erstlingsalbum dieser US-Truppe (die US of A stellten für mich zu diesem Zeitpunkt ohnehin so etwas wie das Paradies auf Erden dar...was für eine Fülle an Bands! - und worüber die alle auch noch philosophierten: "Sex, Drugs & Rock'n'Roll") bereits vertraut war, und mich schon ein Blick auf die Trackliste des damals brandneuen Drehers dementsprechend hat hellhörig werden lassen, musste "The Last Command" natürlich so schnell wie nur irgendwie möglich gehört werden. Und es sollte auch nicht bei einem Mal bleiben!
Zwar ist aus heutiger Sicht so manche Textzeile mehr als nur "fragwürdig" und als "grenzwertig" einzustufen, doch das war damals klarerweise völlig egal. Hauptsache die Gitarren sägten bretthart und die Rhythmen brachen einem förmlich das Genick (Danke, Mr. Riley, auch wenn ihre L.A. GUNS-Version nicht mit dem Original mithalten können wird). Die Hoffnung, dass sich auch so manches Weibchen an jenem Sound ergötzen würde, war zwar auch vorhanden, tat aber im Endeffekt dann doch nichts zur persönlich aufgebauten Langzeitbeziehung zu diesem Album.
Die wiederum hat auch damit zu tun, dass Blackie verdammt gut in Form war, und sich förmlich die Seele aus dem Leib schrie. Außerdem konnte man zu Songs wie 'Wild Child', 'Ballcrusher' oder 'Fistful Of Diamonds' wunderbar bangen, und auch die Refrains saßen schon nach mehreren Durchläufen. Dauerrotation bei diversen Parties war dem Album also von Anfang an sicher.
Und selbst wenn von so manchem Abend aus jener Zeit nur noch bruchstückhafte Erinnerungen existieren, haben sich die Tracks von "The Last Command" ihren Fixplatz im Langzeitgedächtnis bis heute bewahrt. Ob es sich deswegen um das "beste" W.A.S.P.-Album handelt? Keine Ahnung, für mich ist es jedenfalls die Scheibe aus dem Schaffen des (in späteren Jahren leider auf Grund mehrerer negativer Erfahrungen als enttäuschender Interview-Partner und fragwürdiger Konzert-Absager kaum noch geschätzten) Blackie Lawless, zu der ich die persönlichste Beziehung aufgebaut habe.

[Walter Scheurer]

Wir schreiben das Jahr 1986. Von den Fans geliebt, von der Presse eher belächelt, hat Mastermind Blackie Lawless im vergangenen Jahr die Macht von MTV schätzen gelernt. Und bei den Aufnahmen zum dritten Werk gehen die Herrschaften dann auch folgerichtig noch einen Schritt weiter, um dem 'Blind In Texas'-Erfolg vermeintlich noch einen draufzusetzen. Ob bewusst oder nicht, die Musik wurde zeitgemäß etwas an Ketten gelegt, das Image deutlich entschärft und im wahrsten Sinne des Wortes aufpoliert. Die Shock-Rock-Phase, mit der Blackie und seine Kollegen für Furore gesorgt haben, gehört der Vergangenheit an. Musikalisch werden die Ecken und Kanten abgeschliffen, optisch das schwarze, blutverschmierte Leder-Outfit gegen hochtoupierte Haare und farbenfrohe, enge Spandexhosen getauscht. Tatsächlich verspüre ich auch mehr als 35 Jahre später noch eine innere Zerrissenheit, wenn es um die Beurteilung dieses Werks geht. Einerseits hält mich speziell das Eröffnungstriple mit '95. N.A.S.T.Y.', dem Cover 'I Don't Need No Doctor' (unter anderem auch von Ray Charles und HUMBLE PIE interpretiert) und dem grandiosen Titelstück irgendwie noch immer gefangen, andererseits will der berühmte Funke im weiteren Verlauf nicht mehr großartig überspringen. Ja, mit Songs wie 'I'm Alive', 'Sweet Cheetah', 'King Of Sodom And Gomorrah' oder dem fantastischen Rausschmeißer 'The Rock Rolls On' befinden sich noch weitere typische W.A.S.P.-Nummern auf der Scheibe, doch es wirkt fast so, als wäre der Band ein wenig die kreative Puste ausgegangen. Überraschungen, räudige Ankerhaken oder eben die Rebellion, Provokation und Gefährlichkeit ist ihnen komplett abhanden gekommen. Sehr schade. Und doch mag ich die Scheibe halt irgendwie. "The Last Command" und "Inside The Electric Circus" waren mein Einstieg in die Welt des Gesetzlosen, sodass ich natürlich zu diesem Werk eine besonders emotionale Verbindung spüre. Immer noch eine gute Scheibe, die sich locker und leicht nebenbei durchhören lässt, aber von der Hitdichte her in der Retrospektive eine eher untergeordnete Rolle in ihrer Diskografie spielt. Es sei noch erwähnt, dass Blackie mit dieser Scheibe von vorherigen vier auf sechs Saiten wechselte, er eine Scheibe erstmalig selbst produzierte und W.A.S.P. pünktlich zur Veröffentlichung im Herbst mit IRON MAIDEN ("Somewhere In Time") durch Deutschland tourte – und ich war damals im elektronischen Zirkus mit dabei. Hallelujah!

[Chris Staubach]

Wie sollte es drei Jahre später nach dem musikalisch zwar guten, aber stilistisch im Stillstand befindlichen "Inside The Electric Circus" denn für W.A.S.P. weitergehen? Fraglos ist das Viertwerk "The Headless Children" ein fabelhaftes Album, das den Weg zur "The Crimson Idol"-Glorie ebnete. Allein das Artwork - keine kriegerische Selbstinszenierung im Tigerkäfig, sondern ein Cover mit Nachdenkfaktor - spricht weiterentwickelte Bände und musikalisch beharren Blackie und Co. zwar auf dem Konstrukt des knackigen 80's Hard'n'Heavy Rocks, doch reichern sie diesen mit einem frischen, progressiven Touch an, einem Hauch von Bombast und einer weitaus düsteren, dichteren Atmosphäre. W.A.S.P. hat mit diesem Album in wirklich allen Belangen einen Quantensprung nach vorne gemacht, die Band wirkt reifer, stimmiger, die Songs griffiger, ernstzunehmender, die Produktion noch fetter und Songs wie 'The Heretic (The Lost Child)', das durch die Bank weg drückende 'Thunderhead' oder die komplett kitschfreie 'Forever Free'-Ballade finden auch heute noch ihre gewohnten Rundgänge im Auto. Alles andere als spannungsarm durchforsten auch das THE WHO-Cover 'The Real Me' oder dieses durch und durch perfekte (!) Titelstück ihren Weg durch meine Lauscher und finden Platz inmitten meines Herzens. Mensch, wie gerne wäre ich doch mit meinen erst 35 Lenzen Zeitzeuge dieser herausragenden W.A.S.P.-Phase Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre geworden. So muss ich retrospektiv von diesem und dem nächsten W.A.S.P.-Album zehren, doch zur Hölle, was soll mir das bei diesem Hammeralbum doch egal sein. So hat "The Headless Children" alle Trademarks eines 1A-Sahneschnittenalbums: ein charismatischer Gesang, der Abgesang zum stilistischen Stillstand, ein beeindruckendes Artwork, Songs für die Ewigkeit und den Willen der Band zur Weiterentwicklung, die drei Jahre nach 1989 im fünften Album gipfeln sollte, auch wenn nach der Veröffentlichung Gitarrenkünstler Holmes W.A.S.P. fürs Erste verlassen sollte. Doch mit Bob Kulick sollte zumindest für kurze Zeit ein kongenialer Ersatz zur zweiten Klampfe greifen...

[Marcel Rapp]

Ja, ich finde "The Crimson Idol" noch großartiger und bewegender als "Operation: Mindcrime", wenn wir zwei der wegweisendsten Konzeptalben im Rock- und Metalbereich miteinander vergleichen. Schlichtweg hat mich kein Album emotional so bewegt wie die vertonte Geschichte Jonathans. Von seinen Eltern missverstanden und ungeliebt, den Traum lebend, ein Rockstar zu sein, um als gefeierter Musiker und Idol so tief zu fallen, um zu begreifen, dass die Zuneigung und Anerkennung seiner Eltern sein doch sehnlichster Wunsch war. Gott, mir schnürt es noch immer die Kehle zu, wenn dieser warme Orgelklang in 'The Titanic Overture' die Geschichte einleitet oder das kompromisslose 'Chainsaw Charlie (Murders In The New Morgue)' die Raffgier nicht besser vertonen könnte. Doch welch herzerwärmende, höchst verletzliche und sentimentale Töne 'The Idol' letztendlich von sich gibt, das bricht mir fast schon das Herz. Eine tieftraurige, aber so lohnenswerte Geschichte hinter "The Crimson Idol", das 1992 das fünfte W.A.S.P.-Studioalbum markierte und bis heute unerreicht ist. Ja, selbst die "ReIdolized"-Neuauflage, inklusive des dazugehörigen Films, hat mir nicht solch eine melancholische Gänsehaut bereitet, wie meine Erstbegegnung mit dem Original. Ich sehe es vor meinem geistigen Auge, wie ich rebellisch und zu allen Rock-Schandtaten bereit "The Crimson Idol" auflegte und Blut lechzenden Hard Rock der Marke "W.A.S.P." oder "The Last Command" erwartete. Dann kam aber Jonathan, spielte auf seiner purpurnen Gitarre um die Liebe seiner Eltern, die ihm letzten Endes ein "We have no son" entgegenschmetterten. Das war auch das Ende Jonathans. Zutiefst traurig aber so detailverliebt, sentimental und dabei noch immer unnachahmlich rockig in Form gegossen. Bis heute Platz zwei meiner ewigen Bestenliste: "The Crimson Idol" von W.A.S.P.

[Marcel Rapp]

Wo die alten Metalheads und Rocker unter uns Stein und Bein aufs Frühwerk schwören, da gilt der Mehrheit der Kritiker, aber natürlich auch vielen treuen W.A.S.P.-Fans, Blackies Rockoper "The Crimson Idol" als der Zenit des Bandschaffens, und ja, das Album war ein riesiger Erfolg und gehört zu den großen Klassikern des Genres. Kein Wunder also, dass es der Nachfolger gut drei Jahre später etwas schwer hatte, in Sachen Feedback der Szene, zumal "Still Not Black Enough" in jeder Hinsicht etwas reduzierter wirkte: Scheinbar kein durchgehendes Konzept, bestimmt keine Rockoper und auch keine ganz großen Gesten, doch dafür ist Blackies "Schwarze" ein zutiefst persönliches, emotionales Album, das seine Stärke in den leisen Tönen hat, in den Balladen, in den Songs mit Singer/Songwriter-Attitüde und in der lebendigen, fühlbaren Lyrik. Hatte schon "The Crimson Idol" deutliche autobiographische Züge, so fühlt sich die Scheibe mit dem Raben auf dem Cover oft an, wie der unverhüllte Blick auf die blank ziehende, pechschwarze Seele eines Rastlosen, eines Gequälten. Die Texte bereiten mir Mal um Mal ein Schaudern, eine ergriffene Gänsehaut, und die tiefe Emotionalität, mit der Blackie Lawless diesen Soulstrip interpretiert, setzt dem Ganzen die Krone auf. Er scheint sich nach der Dunkelheit zu sehen, die ihn verzehrt, und all die Verzweiflung, all der Nihilismus werden greifbar, die ihn wohl zu jener Zeit erfüllten. Gegen sich selbst, gegen sein Land, gegen die Welt. Für mich ist auf "Still Not Black Enough" jeder Song ein Juwel, jeder Text edles Geschmeide, und die Stimmung ist so echt, so greifbar, so fesselnd, dass ich stundenlang darin versinken und die Scheibe wieder und wieder am Stück hören kann. Die Raben, die Schwärze, die greifbare Dunkelheit. Auf völlig andere Weise zwar, doch mit ähnlicher Wirkung ist "Still Not Black Enough" gleichermaßen tiefschwarz wie DARKTHRONEs "Transilvanian Hunger" oder JOHNNY CASHs Interpretation von 'Hurt'. Blackies Meisterwerk, und für mich eines der besten Alben aller Zeiten.

[Rüdiger Stehle]

Ende 1996 kehrt der verlorene Sohn zurück, Chris Holmes ist wieder mit von der Partie. Mit ihm hat unser Blackie den starken Industrial- und Elektro-Vibe der 90er Jahre aufgesaugt und ihn zumindest auf "Kill.Fuck.Die" in den W.A.S.P.-Sound integriert. Mir persönlich gefällt das Album unheimlich gut, da sich die Truppe einerseits auf den bissigen und abwechslungsreichen Metal der Vorjahre bezieht, aber trotzdem ein Gespür für den damaligen Zeitgeist beweist, und dem siebten Album ob der modernen und düsteren Produktion einen noch aggressiveren Touch verleiht. Ein wenig Provokation wurde aus dem Vorjahrzehnt auch übernommen, gehörte doch das Schlachten eines nicht-echten Schweins fest ins Bühnenprogramm. Auf der Platte jedenfalls merkt man schon ab dem ersten Ton sowie den ersten Zeilen des 'Kill Fuck Die'-Openers, dass wir es mit Blackies Spielmannstruppe zu tun haben, die im Folgenden mit dem krachenden Titelstück, 'Killahead' und 'The Horror' auch ach so typische W.A.S.P.-Rocker mit nur etwas harscheren, kühleren Industrial-Mäntelchen und ab und an sogar verzerrten Vocals aus dem Ärmel schüttelt. Ob der fast schon düsteren Aura hätten 'Kill Your Pretty Face' und 'Little Death' auch dem Vorgänger gut gestanden, machen das vorliegende Werk aber zu einer runden, wenngleich auch zornigeren, dunklen Angelegenheit. Das "Kill.Fuck.Die"-Album ist also vollkommen zu Unrecht irgendwo im Nirgendwo der W.A.S.P.-Diskografie zu finden und hätte inmitten des 90er-Jahre-Aufkeimens von MARILYN MANSON, NINE INCH NAILS und GODHEAD sowie der Hochzeit MINISTRYs sicherlich mehr Aufmerksamkeit verdient.
[Marcel Rapp]

Wirklich W.A.S.P.-Fan bin ich zwar erst mit "Unholy Terror" und dem Übersong 'My Charisma' geworden, aber bereits ein Album früher hatte ich Blackie Lawless auf dem Schirm und dem imaginären Einkaufszettel. Das lag zu 100% an dem "Dynamit-Sampler Vol. 16" und dem W.A.S.P.-Beitrag 'Dirty Balls'. Was für ein Song – was für eine Energie und was für ein, aus jugendlicher Sicht, großartiger Text. Im Nachhinein sollten wir uns glücklich schätzen, dass aufgrund der ebenfalls auf dem Sampler vertretenen IN FLAMES, NIGHTWISH und CHILDREN OF BODOM, "Helldorado" erst deutlich später in die Sammlung wanderte. Ich weiß nicht, wie sich unsere Sexualität entwickelte hätte, wenn wir zu früh mit dem vertonten Wahnsinn von 'Don't Cry (Just Suck)' konfrontiert worden wären. Ihr wollt musikalische Grenzüberschreitung par Excellence – der Song mit zu Beginn leichtem AC/DC-Groove gibt euch alles, warum die Band so heißt wie sie heißt. Verdammt wäre ich damit viele Prollrunden im Auto gefahren. Apropos Prollrunden – jeder der neun Tracks (plus Intro) funktioniert hervorragend zum Cruisen und auf dicke Hose machen. Das ist so auf den Punkt eingezimmerter High-Energy-Rock'n'Roll, dass man fast nicht glauben kann, wie die direkten Vorgänger geklungen haben. "All right, I'm gonna fuck or fight…" – mehr braucht man hierzu nicht sagen. Auch wenn "The Headless Children" und vor allem "The Crimson Idol" großartige Alben sind, so ist "Helldorado" vom Sound und der Attitüde her der eigentlich logischere Nachfolger zu "Inside The Electric Circus".

[Stefan Rosenthal]

Was ein geiles Album! Zugegeben, mit "Helldorado" habe ich mich doch schwerer getan, doch das Feeling, das Blackie und Co. auf "Unholy Terror" versprühen, ist W.A.S.P. in Reinkultur - auch wenn es die letzte Platte mit Gitarrero Chris Holmes darstellt. Durch die Bank weg hat das neunte, im April 2001 veröffentlichte Album, erstklassiges Songmaterial, wohl auch ob des wieder ernsteren Themas einen enormen Fokus und eine entsprechend raue, düstere Produktion. Und dazu das kratzige Gesangsorgan des Gesetzlosen? Herrlich! Allein das Anfangstrio könnte prägnanter kaum ausfallen: 'Let It Roar' fetzt als Opener alles nieder, 'Hate To Love You' hat einen Groove, der den Gehörnten bei den Eiern packt und 'Loco-Motive Man' dürfte sich als bester W.A.S.P.-Song seit der "The Crimson Idol"-Götterdämmerung etabliert haben. Inmitten dieses unheiligen Terrors sorgen auch die gefühlvolleren Momente der Marke 'Evermore' und vor allem 'Euphoria' zum Ende hin für einen sehr geschmackvollen Ausklang, der von 'Ravenheart' und letztendlich einem sehr gelungenen 'Wasted White Boys'-Abschluss veredelt wird. Dieser voluminöse Sound, diese Vocals, diese teils im Up-Tempo-regierenden Brecher, die sich mit hochmelodischen Mid-Tempo-Momenten kongenial abwechseln, diese unheilige Atmosphäre, die dem Konzept des religiösen Fanatismus zugute kommt, dieses Gesamtpaket "Unholy Terror" - einfach geil!

[Marcel Rapp]

Offensichtlich sprudelte unser guter Blackie nach der Jahrtausendwende wieder vor Energie und Ideen. Denn nur ein Jahr nach dem "Unholy Terror"-Stampfer stand im Sommer 2002 mit "Dying For The World" gleich das nächste W.A.S.P.-Album in den Regalen. Mit Darell Roberts als Ersatz für den erneut ausgestiegenen Chris Holmes knüpft das Album doch genau dort an, wo der Vorgänger abschloss. Getreu dem Motto "Ein bisschen Dreck ist nie verkehrt", haben wir auf Album Nummer zehn wieder eine sehr nostalgisch anmutende, laute Mixtur aus Heavy Metal und dem Hard Rock der 80er Jahre, der sich von Briefen zumindest inspiriert haben soll, die die Band von Soldaten aus dem Golfkrieg erhalten hatte. Und inmitten dieses durchaus guten Albums gibt es neben ein, zwei Lückenfüllern mit 'Hallowed Ground' eine der besten W.A.S.P.-Nummern, die überhaupt aus Lawless' Federn stammt. Episch, intensiv, melancholisch und an Spannung kaum zu übertreffen! Großes Kino, Blackie! Zumindest ähnlich unter die Haut geht auch 'Trail Of Tears', in dem sich der Gute inhaltlich mit seinen indianischen Vorfahren und deren Zukunft balladesk auseinandersetzt. Dass der Gesetzlose aber auch im zehnten Ansturm noch für so manche Vollgasnummer gut ist, beweisen das düstere 'Shadow Man', das nicht minder starke 'Hell For Eternity' und 'Rubberman', das kurz vor der Akustikversion zu 'Hallowed Ground' nochmals die Rock-Keule schwingt. Stilistisch keine Weiterentwicklung, doch darf man die von W.A.S.P., binnen weniger Monate in der Form wie zum Ende der 1980er Jahre, auch erwarten? So bekommt der Blackie-Maniac doch genau das, was er verlangt, wonach sich sein Herz sehnt und wobei er ein feuchtes Höschen bekommt. Das sollte für so manchen Fan in den Folgejahren doch etwas trockener werden.

[Marcel Rapp]

Ich gestehe gleich zu Beginn: Ich habe so meine Probleme mit Konzeptalben. Und warum darf dann ausgerechnet ich ein paar Zeilen zum ersten Teil vom "Aufstieg und Fall von Jesse" schreiben? Weil es eben auch durchaus Ausnahmen gibt. Und ja, gleich vorweg, "Neon God" ist kein "Operation: Mindcrime". Dieses Jahrhundertwerk sollte aber auch beim besten Willen nicht der Maßstab für irgendein Konzeptalbum sein. Im Frühling 2004 überrascht Mr. Lawless mit der Ankündigung, sein nächstes Album sei eine Art Rock-Oper, die er auf zwei separat veröffentlichte Scheiben verteilt. So erschien "The Rise" im April, während Teil 2 im September nachgeschoben wurde. In meinen eher songorientierten Augen und Ohren kranken viele Konzeptalben, neben einer eventuell schwachen Story, vor allem daran, dass die Musik dem textlichen Konzept untergeordnet ist und nachvollziehbare Songstrukturen mit klarem Höhepunkt über Bord geworfen werden. Daraus resultiert, dass ein Album vielleicht in seiner Gesamtheit funktioniert, einzelne Songs alleine aber eher nicht. Das macht die Beurteilung im Kontext und im Vergleich zum restlichen Schaffen natürlich schwieriger. Zur Einordnung meines Geschwafels sei auch noch angemerkt, dass ich Blackie vor allem in den ruhigeren, balladesken Momenten sehr schätze. Das hilft bei "Neon God", denn auf "The Rise" ist der Vortrag etwas gemäßigter und mit vielen kurzen, eben balladesken Intermezzi angereichert. Diese reichen zwar nicht für die Ewigkeit, verleihen dem Album aber eben den unverwechselbaren Konzept- bzw. Musicaltouch. Auch auffällig ist, dass die Hammond-Orgel sehr im Vordergrund steht, was auf Dauer vielleicht etwas zu viel des Guten ist und durchaus typisch kraftvolle Songs, wie beispielsweise 'Asylum#9', 'Sister Sadie', 'Wishing Well' oder 'The Running Man', verwässert. Für mich ist diese Scheibe ein ordentliches Gesamtkunstwerk mit vereinzelt großartigen Momenten. Trotzdem kann ich jeden verstehen, dem auf "The Neon God – Part 1 - The Rise" die ganz großen Hits fehlen.

[Chris Staubach]

Konzeptalben sind Konzeptalben sind eben eine recht zwiespältige Sache, doch Blackie hat mit dem Überalbum "The Crimson Idol" schon bewiesen, dass er dem engen Konzept einer Geschichte mit genialer Musik entgegenwirken und sich daraus ein Gesamtkunstwerk entwickeln kann, das in jeder Minute einer "Operation: Mindcrime" oder "The Wall" das Wasser reichen kann. Für ein weiteres Konzeptalbum hat sich der Gesetzlose einen Zweiteiler ausgesucht und allen voran darf man nicht erwarten, dass W.A.S.P. mit der "The Neon God"-Geschichte dem 1992er Album den Rang ablaufen möchte. Im Grunde brennt es dem Hauptmann unter den Fingernägeln, wenn sich in ihm eine Geschichte festgesetzt hat, die er loswerden möchte. "The Neon God" ist in seiner Gesamtheit kein Überalbum, kein hell funkelnder Stern inmitten der W.A.S.P.-Diskografie, doch trotzdem - und hier spreche ich vor allem vom "The Demise"-Teil dieser Rockoper - eine Platte, die ihre hellen Momente hat. Das liegt einerseits an der etwas wuchtigeren und volleren Produktion, an diesem schlicht und ergreifend besseren Sound als auf "The Rise", andererseits auch an der gelungenen Fortführung der Geschichte um Jesse Slane, die mit 'Never Say Die' recht mächtig eingeläutet wird. Dieser nimmt als Neon-God nun endgültig die Sektenzügel in die Hand, bekommt letztendlich jedoch Zweifel und droht damit, aus dem Weg geräumt zu werden. Dadurch wirkt der zweite Teil etwas härter, die Gitarren präsenter, das Tempo angezogener und das finale 'The Last Redemption' darf gerne als Höhepunkt beider gemeinsamer Alben als Referenz gezogen werden. Dazwischen sorgen 'Resurrection' und 'Tear Down The Walls' für Wucht, 'All My Life' und 'Clockwork Mary' für die gewisse Emotionalität und "The Neon God - Part 2: The Demise" in der W.A.S.P.-Historie für ein durchaus gutes Opus.

[Marcel Rapp]

"Dominator"! Dieses Album dominiert, in meinen Ohren, nicht nur die gesamte W.A.S.P.-Diskografie, sondern ist, was diese Musikrichtung angeht, mein Magnus Opus. Wie bei den meisten Lieblingsalben ist die Musik allein hier auch nur ein Puzzleteil von vielen Parametern, welche zu einem solchen Status führen. Bei mir geht dem Album ein in allen Bereichen frustrierendes Jahr 2006 voran. Ob beruflich oder privat – irgendwie wurde alles vor die Wand gefahren was möglich war. Desillusioniert, mit der eigenen Wut und Energie überfordert und nach 6 Jahren wieder im Single-Dasein angekommen, sollte ich feststellen, dass meine Prog-Rock-Bubble nicht der richtige Arschtritt war, den ich in dieser Phase meines Lebens brauchte. Doch dann kam "Dominator" und 'Mercy' knallte mich mit voller Wucht aus meiner Lethargie. Ihr wollt eine musikalisch genau sezierte Analyse, warum dieses Album so großartig ist? Das kann ich nicht. Ich weiß nur, dass ich von einer Gänsehaut und Flashbacks überrumpelt werde, sobald bei 'Take Me Up' nach knapp einer Minute diese Dynamik einsetzt, für die wir alle Rockmusik doch so lieben. Für mich der größte W.A.S.P.-Song überhaupt und zusammen mit 'Heaven's Hung In Black' und 'Teacher' der Track, welcher mich nachhaltig am meisten beeinflusst hat. Retrospektiv muss ich mir eingestehen, dass dieses Album einen großen Anteil daran hat, dass das Thema "Beziehung" (im traditionellen Sinne) für mich fast 10 Jahre keine Rolle mehr spielte. Vollkommen schwerelos in einer Welt aus "Sex, Drugs and Rock'n'Roll". Ich kann die Partys nicht mehr zählen, wo ich sturzbetrunken das finale Solo von 'Heaven's Hung In Black' auf der Luftgitarre nachgespielt habe, nur um dann bei der Melodie-Explosion von 'Heaven's Blessed' auf Möbel zu klettern, die dafür nicht konstruiert wurden. "It's all right, all right, it's all right, all right". Ja, dieses Album war mein 'Teacher', vielleicht kein guter, eher ein finsterer Dämon, der mir allerlei Bösartigkeiten ins Ohr geflüstert hat, aber nun mal der essenziellste Ratgeber, den ich 2007 hatte und ein unwiderruflicher Teil meiner Entwicklung. Für alle anderen Hörer gibt es bessere und wichtigere W.A.S.P.-Alben, aber das ändert nichts daran, dass dieser Langspieler trotzdem eine hervorragende Platte ist und zusätzlich für mich der ultimative Soundtrack für eine bestimmte Epoche in meinem Leben.

[Stefan Rosenthal]

Schon die Titelnummer ist ein Ohrwurm vor dem Herrn. Doch auch ohne 'Babylon's Burning' wäre der 2009 erschienene "Dominator"-Nachfolger ein tolles, wenngleich auch recht kurzes 14. W.A.S.P.-Album geworden. Starkes Artwork, superbe Produktion, mit 'Crazy', 'Live To Die Another Day', inklusive Bomben-Refrains, und dem rockigen 'Thunder Red', hat einmal mehr erstklassiges Blackie-Material auf dem Album Platz genommen und die beiden Coverversionen - 'Burn' von DEEP PURPLE und CHUCK BERRY'S 'Promised Land' - sind auch alles andere als fehl am Platz. Doch irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, als wenn dem Album ein, zwei weitere Eigenkompositionen noch besser gestanden hätten. Versteht mich nicht falsch, 'Godless Run' ist eine majestätische Halbballade und besagter Titeltrack ein wunderbarer "Babylon"-Türöffner, doch nach dem abschließenden, zweiten Cover lässt Herr Lawless den Fan noch etwas hungrig zurück. Dennoch sollte man vor allem in der heutigen Zeit dankbar für das sein, was man bekommt. Und das ist W.A.S.P. in sehr guter Verfassung, mit einem tollen Album, einem schönen 80's-Touch und dem einen oder anderen Hit mehr im Repertoire. Aber inwiefern CHUCK BERRY und so manch anderer fraglos guter Song ins Konzept der apokalyptischen Reiter passt, müsste man Herrn Lawless am besten selbst fragen. An "Dominator" kommt "Babylon" also nicht heran, ein schlechtes Album hat W.A.S.P. aber auch 2009 nicht abgeliefert.

[Marcel Rapp]

Die W.A.S.P.-Diskographie dominiert in meinen Ohren - "Golgotha". Ja, das meine ich ganz im Ernst. Das Album trug mich durch eine Woche im Krankenbett und lief damals unheimlich oft, und wann immer ich Lust habe, die Wespe zu hören, zücke ich nahezu automatisch dieses Album. Zwar waren auch die direkten Vorgänger echt stark (ähnlich wie bei STRYPER oder SATAN mag ich die neuere Phase tatsächlich mehr als die glorreichen Klassiker), aber die Energie hier, gebündelt mit einer Wahnsinnsproduktion, holt mich einfach total ab. Dabei ist die Hitdichte auch unheimlich hoch. Der Opener bietet packenden Heavy Metal mit genialem Gesang und einem wunderbaren Gitarrensolo; auch 'Shotgun' ist ein hardrockender Ohrwurm vor dem Herrn. Insgesamt ist die christliche Prägung von Blackie bei diesem Album deutlicher zu spüren, als auf früheren Scheiben, was mir natürlich in die Karten spielt. Mit 'Miss You' gibt es eine wundersam schöne Ballade. Der Titelsong ist dann der erhoffte emotionale Abschluss eines Albums ohne Füllmaterial, das für mich zu den Highlights des Jahres 2015 zählt - und mein Karrierehöhepunkt bei W.A.S.P. ist.

[Jonathan Walzer]

Ich hoffe ihr hattet bei der Zeitreise ähnlich viel Freude wie wir. Vielen Dank, dass ihr Teil dieser wart!

Redakteur:
Marcel Rapp

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