In der Gruppentherapie: BLIND GUARDIAN - "At The Edge Of Time"

29.07.2010 | 12:59

Die Krefelder Barden kehren mit "At The Edge Of Time" zurück und beweisen, dass sie es immer noch wie kaum eine zweite Band verstehen Bombast und melodischen Speed Metal zu verbinden.


Ganz ehrlich, große Lust auf BLIND GUARDIAN hatte ich den vergangenen Jahren nur sehr selten. "A Night Of The Opera" hat mich recht bald nach Erscheinen gelangweilt und "A Twist In The Myth" ist gar ohne signifikante Spur an mir vorbeigezogen. Ab und zu wurde mal "Imaginations From The Other Side" aufgelegt und damit war etwaiger Durst nach opuleskem Metal aus Krefeld auch fix gestillt. "At The Edge Of Time" hatte unter diesen Vorraussetzungen einen schweren Stand, belehrt mich aber fix eines besseren. Schon der Opener 'Sacred Worlds' überzeugt mit einer nahezu perfekten Symbiose aus natürlichen Orchestersounds und Melodic Speed. Da dürfen RHAPSODY OF FIRE gleich mal in die Ausbildung gehen, um zu sehen wie man diese Stile verknüpft. Sicher, so richtig neu und originell ist das im Haus BLIND GUARDIAN jetzt nicht mehr, aber dafür verfeinert, auf die Stärken fokussiert und organischer produziert. Dass dabei ein Album entsteht, das vielmehr den Geist von "Imaginations From The Other Side" oder "Nightfall In Middle-Earth" atmet, mögen einige als Rückschritt bewerten. Für mich ist das ein Schritt in die richtige Richtung. Cool.

Note: 8,0/10

[Peter Kubaschk]

Holla die Waldfee, dachte ich im ersten Moment. Booaahh, wie brutal, im zweiten...denn ich habe noch die zerfahrenen Vorgänger im Kopf, die ich völlig überladen und teilweise schon unhörbar fand. So viel ist sicher: "At The Edge Of Time" ist nach "Nightfall In Middle-Earth" wieder das erwartete Pfund geworden, was ich sicherlich wohlwollend honoriere. Ich bin sogar froh, dass BLIND GUARDIAN scheinbar wieder in die Spur zurückfinden. So richtig glücklich werde ich aber mit der neuen Scheibe trotzdem nicht, weil trotz aller Heavyness und dem hörbar gezügelten Bombast leider nicht das Gespür für die grandiosen Melodien zurückgekehrt ist, das die Krefelder in ihren Kinderschuhen en masse aus dem Ärmel prügelten.
Man kann es kurz und knapp formulieren: "At The Edge Of Time" hat deutlich mehr Arsch als die letzten auditiven Hühnerbrüste, lässt mich aber auch nicht kollabieren wie seiner Zeit "Imaginations From The Other Side". Deshalb sage ich welcome back und hoffe, dass sich die Jungs noch mehr erholen werden.

Note: 8,0/10
[Alex Straka]


Es ist kein Geheimnis: Ich mag BLIND GUARDIAN nicht. Mochte sie noch nie. Der Grund ist schnell erklärt. Sobald Hansi Kürsch beginnt zu singen, möchte ich die Skip-Taste betätigen. Während dieser emotionslose Sprechgesang bei knatterndem Speedmetal angenehm im Hintergrund verschwindet, kommt er bei der musikalischen Ausrichtung der Jungs aus Krefeld leider sehr deutlich zur Geltung. Klar, rein instrumental ist das alles auf sehr hohem Niveau angesiedelt, aber was nützen mir die schönsten Melodien, wenn die Klangfarbe der Singstimme unangenehm ist? Eben. Was helfen die coolsten QUEEN-Versatzstücke, wenn der Sänger leider kein zweiter (nicht mal ein zehnter) Freddie Mercury ist? Aha. Da fällt es mir natürlich schwer, mich durch ein ganzes Album durch zu kämpfen. Aber ich habe es wirklich mehrfach geschafft, anders wäre auch so eine hohe Note gar nicht zustande gekommen. So konnte ich aber zum Beispiel feststellen, dass 'Road Of No Release' erfreulich gut ins Ohr geht und auch das Speedbrett 'Tanelorn' ist musikalisch exzellent. Ebenso das ansprechende ' A Voice In The Dark', welches fetzig nach vorne spritzt. Dann haben wir aber solche Fussnägelkräusler wie 'Curse My Name', in denen ich jedes Mal Tränen in den Augen habe. Dass solche Musik trotz allem Hobbit-Pathos toll klingen kann, beweisen Bands wie JAG PANZER (man höre 'The Moors'). Aber das nimmt ja keiner wahr.

Note: 6,0/10
[Holger Andrae]

Mit großen Augen und noch größeren Ohren saß ich in den letzten Wochen vor den Boxen, um mich dem hinzugeben, was da aus dem offensichtlichen Fantasy-Städtchen Krefeld in den bunt schillernden Metal-Zirkus herüberschwappt. BLIND GUARDIAN sind doch mit Sicherheit eine der wichtigsten deutschen Bands, da muss man nur mal im Ausland herumfragen, wie die bekannteste deutsche Metalband (nach RAMMSTEIN) heißt, und wird querbeet einiges Grinsen ernten, zusammen mit einem nicht ganz akzentfreien BLIND GUARDIAN. "At The Edge Of Time" lautet der Kampfschrei und stellt einen Donnerschlag dar, den ich so nicht erwartet hatte. Nach dem unglaublich episch durchkomponiertem "A Night At The Opera", das mich am ehesten auf der Ebene der Audiophilie im Sinne der Produktion angesprochen hat, und dem Groove-Prog-Metal-Album "A Twist In The Myth" - beides durchweg interessante, aber keinswegs geniale Alben - ist 2010 das Jahr der Wächter, welches bei mir jeglichen Zweifel hinwegreißt. Starke Riffs, Metal und durchaus traditionell, verbinden sich mit kongenialen Orchester-Arrangements auf einem Niveau, das im symphonischen Metal selten erreicht wird. Die Liebe zu feingliedrig arrangierten Melodiekonstrukten stellt das drei-Gitarren-Experiment IRON MAIDEN mit Leichtigkeit in den Schatten und versprüht nahezu sofort die klassische GUARDIAN-Atmosphäre. Man möchte fast meinen, dass die Herren um Hansi Kürsch jegliche Glamour- und "wir wollen mehr als wir sind"-Hybris abgelegt haben, um ein spannendes und durchweg gefälliges Metal-Album zu erschaffen, das mit Analogien zum eigenen Backkatalog keineswegs geizt.

Note: 9,0/10
[Julian Rohrer]


Ich bin es. Ich gebe es zu. Mir gefällt die "A Night At The Opera" total gut, das ist eine der besten BLIND GUARDIAN-Scheiben aller Zeiten! Und ich finde BLIND GUARDIAN auch seit der "Somewhere Far Beyond" erst so richtig genial. Ich schlage damit völlig aus der Art, auch das ist mir bewusst. Aber das muss ich vorausschicken, damit ihr meine Benotung richtig einordnen könnt. Denn "At The Edge Of Time" ist für mich eine Rückkehr zu den großen Tugenden der Band, weg von dem groovigen, aber wenig begeisternden Vorgänger, aber auch nicht zurück zum totalen Bombast mit sieben Trillionen Spuren, mindestens. Und auch nicht zu der rohen Frühzeit. Statt dessen besinnen sich Hansi und Co. auf ihre Stärken, nämlich hymnische, mitreißende, durchaus opulente Epen über Fantasy und Heroen zu intonieren. Als solches funktioniert das neue Album ausgezeichnet und würde toll in die Phase vor "A Night At The Opera" und nach "Tales From The Twilight World" passen, wenn sie nicht 2010 erst erschienen wäre. Auf jeden Fall macht das Album eine Menge Spaß, wird aber die Nörgler, denen es weiterhin zu bombastisch ist, natürlich nicht mundtot machen. Aber wen interessiert das schon? Ich jedenfalls reite jetzt weiter nach Tanelorn, zu den zwei Flüssen und erkunde Westeros. Mit Wonne!

Note: 8,5/10
[Frank Jaeger]

Redakteur:
Peter Kubaschk

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