In der Gruppentherapie: EXODUS - "The Atrocity Exhibition - Exhibit A"

11.10.2007 | 01:13

Die Bay-Area-Legende EXODUS hat bekanntlich ein neues Langeisen namens "The Atrocity Exhibition - Exhibit A" in petto, das am 26.10.2007 über Nuclear Blast auf die Thrash-hungrige Menschheit losgelassen wird. Mit von der Partie ist auch wieder Ur-Schlagzeuger Tom Hunting, der die Felle wieder souverän vermöbelt. Im Vorfeld dieser Veröffentlichung war Gitarrist und Bandboss Gary Holt um markige Sprüche nicht verlegen. So bezeichnete er das neue Album als "genre-defining" für die Band und für den Thrash Metal generell. Ob der Riffmeister etwas hoch gepokert hat oder ob EXODUS mit "The Atrocity Exhibition - Exhibit A" tatsächlich den Thrash-Hammer des Jahres abfeuern, könnt ihr im Folgenden nachlesen. Insgesamt acht POWERMETAL.de-Schreiberlinge haben die Scheibe fast drei Wochen lang fleißig rotieren lassen. Ihre Beurteilungen sollten ein repräsentatives Bild dieses Werkes entstehen lassen. Viel Spaß beim Schmökern!

 

 

Mit Tom Hunting als Prügelknaben ist ein ex-Ur-EXODude zur Herde zurückgekehrt. Nicht, dass ich Paul Bostaph und sein Geballer auf dem letzten Werk schlecht gefunden hätte, aber wo Paule mit der Dampframme arbeitet, strickt Tom Feinripp-Rhythmen mit der ganz heißen Nadel. Wem es also auf "Shovel Headed Kill Machine" etwas zu monoton zuging, der wird dieses vermeintliche Manko dieses Mal nicht finden. Nun steht und fällt eine EXODUS-Scheibe nicht mit ihrer Drumarbeit, sondern basiert zumeist auf den rattenscharfen Riffkombination von Schreddernase Gary Holt, die sich ja seit einiger Zeit Lee Altus von HEATHEN als "partner in crime" ins Haus geholt hat. Konnte dieser aus Zeitgründen beim letzten Mal noch nichts zum Songwriting beisteuern, so vernehmen wir heuer zumindest auf 'Children Of A Worthless God' ganz eindeutig seine Harmonielehren. Vor allem sind die melodischen Backing-Vocals dieser Nummer ein absolutes Novum im Hause EXODUS. Dies ist das absolute Highlight des Albums. Ansonsten gibt es die typische Vollbedienung, die an einigen Ecken allerdings nicht sofort zünden will ('The Garden Of Bleeding'). Gerade die längeren Kompositionen entfalten ihren Reiz erst nach einigen Spins, dafür krachen 'Funeral Hymn' und 'As It Was, As It Soon Shall Be' mit ihren Midtempo-Druckwellen sofort aufs Kleinhirn ein. Über den Brüll-Gesang von Assi-Rob kann man sich streiten, ich finde, sein verständliches Gerotze passt wie Poppo-aufs-Töpfchen. Insgesamt fällt das neue Werk etwas weniger "modern" als sein Vorgänger aus und macht Appetit auf den bald folgenden zweiten Teil, der durch das Fadeout der letzten Nummer herrlich angedeutet wird.
[Holger Andrae]



Vieles ist neu im Hause der nimmermüden Bay Area-Thrasher von EXODUS und doch bleibt wiederum vieles beim Alten. Nicht gefeit sind die Kalifornier, die niemanden in ihren Reihen besitzen, der seit der Gründung im Jahre 1982 ständig mit von der Partie war, vom "Bäumlein wechsel’ dich" Spiel. Mal abgesehen von Tom Huntings Rückkehr hinter die Kessel steht primär die Frage im Raum, ob die lebende Legende nach dem eher durchschnittlichen "Neubeginn" ("Shovel Headed Kill Machine", dem ersten EXODUS-Release ohne Souza oder Baloff am Gesang) mit dem bis dato weitestgehend unbekannten Kanadier Rob Dukes am Mikro an die Glanztaten neueren Datums (Stichwort: "Tempo Of The Damned") anknüpfen kann?

Die fast schon prognostizierte Ernüchterung folgt auf dem Fuß. Mr. Dukes steuert zwar die Gesangsleistung seines Lebens zum Gelingen bei, doch in den insgesamt neun Songs von "The Atrocity Exhibition: Exhibit A" macht sich über weite Strecken die große, in Thrash-Papier gepackte Langeweile written by Gary Holt breit. Zu vorhersehbar und zu eindimensional versucht die Band den alten Zeitgeist heraufzubeschwören und verfängt sich dabei in minutenlangen Riffpassagen, die aufgrund der Eintönigkeit irgendwann jeglichen Reiz und Groove verlieren. Nein, ich will nicht alles schlecht reden - "Tempo Of The Damned" bleibt dennoch mein EXODUS-Fave der Neuzeit.
[Christian Falk]



Mein lieber Herr Gesangsverein! "Tempo Of The Damned" war ja schon 'ne klasse Scheibe, doch was EXODUS mit "The Atrocity Exhibition - Exhibit A" abliefern ist sozusagen die Krönung ihres Schaffens. Quasi das "Master Of Puppets" der Thrash-Veteranen. Dass Gary Holt ein Meister an der Axt ist weiß jeder Thrash-Fan. Nun hat er mit Lee Altus (ehemals HEATHEN und DIE KRUPPS) einen passenden Sidekick am Start. Das Duo knallt inflationär knackige Riffs und coole Soli aus dem Handgelenk. Rob Dukes hat mittlerweile seinen Stil gefunden und klingt wie eine dreckige Mischung aus Paul Baloff und Steve "Zetro" Souza. Und da ist da noch diese atemberaubende Rhythmussektion. Während Jack Gibson in bester D.D. Vernie-Manier (OVERKILL) jedes Soundloch mit fetten Bassparts zukleistert, ist Tom Hunting der ungekrönte Star auf der Scheibe. Was der Junge trommelt, fillt und prügelt geht auf keine Kuhhaut.

Bleiben da noch die Songs, von denen zwei Drittel zwischen acht bis zehn Minuten lang sind. Dennoch oder gerade deswegen gelingt es dem Quintett die Spannung jederzeit aufrecht zu erhalten. Hier und da werden Erinnerungen an OVERKILL und ANNIHILATOR zu ihren Hochzeiten wach. Und die furztrockene Produktion ist über jeden Zweifel erhaben. Mein Tipp: Zieht euch den Dreher über Kopfhörer rein. Es braucht seine Zeit bis man mit dem Material warm wird, doch wenn der alles entscheidende Knall einsetzt könnt ihr von dem Teil genauso wenig lassen wie von einem deftigen Bauernfrühstück.
[Tolga Karabagli]




Welche Neuigkeiten sind aus dem EXODUS-Camp zu vermelden? Tom Hunting ist zurück und ersetzt Ein-Mann-Trommelarmee Paul Bostaph. Rob Dukes krakeelt noch besser als auf "Shovel Headed Kill Machine". Es gibt weniger Single-Note-Riffs als zuletzt. Und nun zum angenehmen Teil: Sicherheitsgurt anlegen, Helm aufsetzen - die Amis wüten wie die Berserker! Gary Holt und Lee Altus konnten endlich dicht zusammenrücken, weil Altus diesmal den Songwriting-Prozess mitgemacht hat. Und diese Allianz hat nun verheerende Folgen. In den acht- bis zehnminütigen 'Funeral Hymn', 'Children Of A Worthless God', 'Bedlam 123' und 'The Atrocity Exhibition' entfachen die beiden gemeingefährliche Riff-Orkane, die allen Möchtegern-Thrashern die Klampfen verbiegen werden. Dazwischen halten sich zusätzlich kürzere Mitkläffer und -geher versteckt (das schnell runtergeraspelte 'Riot Act' und der Nackenhieb 'As It Was, As It Soon Shall Be'). Das alles ist einmal mehr beeindruckend, drückt wie Presse und explodiert im internen EXODUS-Ranking sogar verdammt weit oben. Die Herren gehen ab wie unter Starkstrom stehende Teenager, kombinieren diese Energie aber mit abgezockter Souveränität und exzellentem Können. Klarer Fall: "The Atrocity Exhibition - Exhibit A" ist das unantastbare Thrash-Album des Jahres. Fröhliche Wohnungsverwüstung!
[Oliver Schneider]



Das erste was beim Blick auf die neue Exodus auffällt, ist, dass die Bay-Area-Thrasher sich in nicht unbedingt genretypischer Manier auf vornehmlich ziemlich lange Stücke konzentrieren. Zählt man das Intro und den Opener zusammen, so kommt kein Stück unter fünf Minuten ins Ziel, die meisten sind rund acht Minuten lang und eines knackt gar die Zehn-Minuten-Marke. Doch halten wir uns nicht mit Zahlen auf, sondern konzentrieren wir uns auf die Musik, und die hat es einmal mehr in sich. Das Intro ist überraschend flüssig und melodisch. Auch wenn ich damit sicher recht alleine bin, würde ich fast sagen, dass es auch fast auf einer Scheibe einer gewissen Piratencombo aus der Hansestadt Hamburg stehen könnte.

Dass diese Assoziation mit dem hektisch riffenden Kracher 'Riot Act' zu Staub zerfällt ist natürlich vorprogrammiert, doch auch dieses Stück kann mit etlichen außergewöhnlich melodischen Leadpassagen fesseln, wenngleich es im Allgemeinen ordentlich hackt und prügelt. Viel interessanter finde ich aber die längeren Elaborate, welche mit unglaublich vielen spannenden Details und Facetten begeistern, die in dieser Masse noch selten auf einer EXODUS-Scheibe aufgetaucht sind. Gerade die Gitarrenarbeit von Altus und Holt ist wirklich immer erste Sahne und auch das eine oder andere Bass-Lick von Jack Gibson (man höre das grandiose 'Funeral Hymn') ist richtig cool. 'Children Of A Worthless God' kommt mit etlichen cleanen Vocals ums Eck und kann auch so Akzente setzen, welche für EXODUS nicht eben Standard sind. Von den herrlich fetten Riffs im Mittelstück fangen wir erst gar nicht an groß zu schwärmen. Positiv ist auch zu bemerken, dass die Rückkehr des wahren EXODUS-Schlagwerkers Tom Hunting die Band wieder etwas organischer und authentischer wirken lässt als noch auf dem Vorgänger. Das geht jetzt nicht gegen Herrn Bostaph, aber ich finde, dass jetzt spürbar wieder "der Richtige" in den Kesseln rührt. Bei all den positiven Worten und Eindrücken, ist es schwer überhaupt etwas Negatives an der Scheibe zu finden und so ist es auch nicht als Kritik zu verstehen, sondern eher als schlichte Feststellung, wenn ich sage, dass Sänger Rob Dukes nicht ganz die stimmliche Ausstrahlung seiner beiden Vorgänger hat. Das fällt nicht wirklich schwer ins Gewicht und schmälert den Hörgenuss von "The Atrocity Exhibition" in keiner Weise, aber es ist klar, dass der Mann eben nicht die Charakterstimme hat, die sowohl Zetro als auch Paul Baloff auszeichnete. Sei's drum, manche Stiefel sind halt schwer mit anderen Füßen zu füllen. Dennoch ist die Scheibe durchwegs klasse und absolut zu empfehlen.
[Rüdiger Stehle]



Jawoll!!! Kaum sitzt Tom Hunting wieder an den Kesseln, schon knallen EXODUS wieder wie Hölle und frönen Gott sei Dank einmal mehr dem technisch ausgefeilten, leicht überdrehten Thrash, der zumindest mir als Musiker immer wieder die Kinnlade entgleiten lässt. Nix gegen Paul Bostaph (Schlagzeug auf "Shovel Headed Kill Machine", 2005), aber gegen diese Urgewalt namens Hunting ist er ein Waisenknabe.

Weiterhin scheint sich Gary Holt im Zuge des "Exhibit A"-Songwritings die halluzinogenen Wundermittelchen eingepfiffen zu haben, denen er schon zu seinen Glanzzeiten ("Bonded By Blood", "Pleasures Of The Flesh") Zugang ins Nervensystem genehmigte. Spaß beiseite: Der Klampfenorkan mit Namen Holt/Altus gleicht auf "The Atrocity Exibition - Exhibit A" einem endlosen Funkenschlag an zündenden Ideen, wobei sich in der Umsetzung die komplette Axtriege per Nonstop-Stakkatoriffing kollektiv ins Nirwana schreddert. Puhh, so viel Dampf hatten die Genre-Urgesteine jedenfalls verdammt lange nicht mehr.

Angefangen beim im Refrain schön NWoBHM-lastigen 'Riot Act', das mit seinen Riffs locker Stahlbeton schneiden könnte, über den extrem vielfältigen Titelsong, der sich endlos steigert, bis dem Hörer schlichtweg der Atem stockt, bis zum gewaltigen Rausschmeißer 'Bedlam 123', der alle Trademarks der Band auf den Punkt bringt, finde ich keinen Makel an der Scheibe, der ich bereits jetzt prophezeie, dass sie der mannigfaltigen Schuld an unzähligen Wirbelbrüchen in der Metalgemeide bezichtigt werden wird. Wer wird ernsthaft einem Killer wie 'Funeral Hymn' standhalten können?

Fazit: Sound, Songwriting, Spiellust und Tightness, alles auf oberstem Level. Deswegen von meiner Seite die Höchstnote.
[Alex Straka]



Holy shit, die neue EXODUS ballert aber extremst auf die Fresse! Zunächst war das für mich Weichei fast ein bisschen zu viel rohe Gewalt. Mir fehlte anfangs ein bisschen die Raffinesse und Vielseitigkeit, die die frühen EXODUS-Alben so einzigartig machten und auch das exzellente Comeback-Album "Tempo Of The Damned" auszeichneten. Aber ich habe an dieser Platte meine Lauschlappen gestählt und mit der Zeit hat sich mir "The Atrocity Exhibition-Exhibit A" dann erschlossen. Dieses Album ist definitiv ein tödlich wütendes, bretthartes Thrash-Ungetüm vor dem Herrn. Dass Gary Holt und Lee Altus ein mörderisches Gitarren-Duo sind, war schon im vergangenen Jahr auf "Shovel Headed Kill Machine" zu hören, doch nun laufen die beiden zur gnadenlosen Hochform auf. Ohne Pause feuern sie alles zersägende Monster-Riffs und wahnsinnige Soli auf den Hörer ab, diese Platte ist eine einzige, mächtige Gitarrenwand. Am geilsten kommt das Ganze immer dann, wenn neben aller Brutalität auch mal eine coole Melodie aus dem Hut gezaubert wird, die die Verweildauer der Songs im Gedächtnis dramatisch erhöht. Hier kommt dann auch mein subjektiver Kritikpunkt, denn es dürfte ruhig mehr solcher Momente geben. Trotz aller Gewöhnung habe ich immer noch Probleme den kompositorischen roten Faden in dem Geknatter nicht zu verlieren. Außerdem wurden einige Passagen doch allzu sehr in die Länge gezogen. Nach zwei Drittel eines auf vielleicht fünf Minuten ausgelegten Songs einen dreiminütigen, wenig Neues bringenden Instrumentalpart einzubauen, macht für mich wenig Sinn, selbst wenn die Instrumentalisten derartige Könner sind. Diese kleinen Makel können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass EXODUS mit "The Atrocity Exhibition - Exhibit A" ein Hammeralbum gelungen ist, das beinharte Thrash-Maniacs sofort in ihr persönliches Heiligtum aufnehmen werden.
[Martin van der Laan]

Hinweis:  Eine weitere ausführliche Einzelrezension zu "The Atrocity Exhibition -Exhibit A" ist hier zu finden: http://www.powermetal.de/cdreview/review-10589.html

 

 

Redakteur:
Martin Loga

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