In der Gruppentherapie: GRIFTEGÅRD - "Solemn Sacred Severe"

20.09.2009 | 15:26

Die Überraschung des Monats hört zweifellos auf den Namen GRIFTEGÅRD. Mit ihrem Debütalbum stürmen die schwedischen Doomster in einem stark besetzten Monat auf den Thron unseres Soundchecks. Das müssen wir natürlich im Detail beleuchten.

Hauptsongwriter und Gitarrist Ola Blomkvist, der sich bereits als Mitbegründer von I Hate Records einen guten Namen in der Szene gemacht hat, widmet sich inzwischen mit voller Energie seiner Band GRIFTEGÅRD, die natürlich voller Inbrunst dem Doom frönt, und zwar dem Doom in seiner reinsten und schwermütigsten Form. Manchem mag das Schaffen der schwedischen Friedhofswächter - insbesondere bei oberflächlichem Hören - zu elegisch und zäh sein, doch im Gegensatz zu vielen anderen Slo-Mo-Doomköpfen, langweilen mich diese fünf Jungs zu keiner Sekunde. Ihr Songmaterial ist erhaben, die religiösen Bezüge der Texte sind durch eine sakrale Aura eindrucksvoll und mächtig in Szene gesetzt. Der Hörer wähnt sich in einem gotischen Münster. Hier passt alles perfekt zusammen: Die majestätischen Riffs, der klagende bis chorale Gesang, den Thomas Eriksson emotional wie kaum ein Zweiter zelebriert, der bestechende Gitarrensound und das wuchtige Schlagzeug. Dazu gibt es auch großartige Leadmelodien wie bei 'Punishment & Ordeal', das gigantische Kirchenorgel-Stück 'Noah's Hand' und natürlich spannende religiös-philosophische Texte, die ihresgleichen suchen. Allerdings ist "Solemn Sacred Severe", wie der Titel schon sagt, auch ein schweres Album, dessen Anmut sich nur in ihrer ganzen Pracht erschließt, wenn man sich Zeit dafür nimmt, es in Ruhe und intensiv zu hören. Lasst ihr euch fallen und gebt ihr euch ganz der düsteren und würdigen Stimmung hin, dann spürt ihr, wie beängstigend vollkommen GRIFTEGÅRD sich hier präsentiert. Völlig zu Recht ist "Solemn Sacred Severe" also eines unserer zwei Alben des Monats September!

Note: 9,5/10
[Rüdiger Stehle]

Doom Metal funktioniert wie kaum eine zweite Musik über Emotionen. Trauer, Melancholie und Verzweiflung müssen glaubwürdig transportiert werden. GRIFTEGÅRD schaffen dies auf "Solemn Sacred Severe" ganz hervorragend. Wenn Thomas Eriksson 'I Refuse These Ashes' singt, steht die Körperbehaarung stramm, bei 'The Mire' sind gar Tränen im Knopfloch nicht gänzlich undenkbar. Diese kullern aber natürlich standesgemäß in Zeitlupe. Denn erhöhtes Tempo, wie man es von CANDLEMASS und Konsorten gewohnt ist, gibt es hier nicht. Die Songs entwickeln sich langsam und stetig. Für manche mag das so langsam sein, dass sie den Höhepunkt verpassen. Doom-Lunatics hingegen dürfen sich schon mal ganz ohne Eile auf den Weg zum Plattenladen machen.

Note: 8,5/10
[Peter Kubaschk]

Noch nicht einmal vom Namen her waren sie mir bis vor kurzem ein Begriff, die Doomster GRIFTEGÅRD. Und dann legt diese Formation mit ihrer ersten vollständigen Scheibe "Solemn Sacred Severe" mal eben eines der besten Debütalben im Doom Metal seit Jahren vor. Die Schweden verstehen sich vortrefflich darauf, schwermütige und ergreifende Kompositionen zu formen, die ob ihrer Getragenheit und sakralen Atmosphäre begeistern. Stücke wie der grandiose Opener 'Charles Taze Russell', das getragene, schwermütige 'I Refuse These Ashes' oder das a capella gesungene 'Noah's Hand' mit seinem Orgel-Intro bieten feinsten Doom-Stoff, der Querverweise an CANDLEMASS, SOLITUDE AETURNUS und die Legende BLACK SABBATH aufweist. Und dennoch kreieren die Schweden eine Klangwelt, die eine eigene Note besitzt. Neben der ausgezeichneten instrumentalen Seite begeistert auch die Stimme von Frontmann Thomas Eriksson, dessen klares Organ eine emotionale Tiefe bei mir als Hörer anspricht und die sechs opulenten Kompositionen noch mitreißender wirken lässt. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass 'Solemn Sacred Severe' ein heißer Anwärter auf die Scheibe des Jahres ist. Selbst den ausgezeichneten CANDLEMASS-Output "Darkness Magic Doom" lassen GRIFTEGÅRD mit dieser Scheibe eine Nasenlänge hinter sich. Das ist ganz großes Ohrenkino, verehrte Gemeinde!

Note: 9,0/10
[Martin Loga]

Der Albumtitel ist bereits eine präzise Auskunft, die nicht viele Rückfragen zulässt. GRIFTEGÅRD spielen archetypischen Epic Doom Metal. Das Leben drückt schwer auf die Schultern. Man kann sich mit all dem Ballast der Existenz nur schlurfend fortbewegen und sollte lieber einmal zu viel als zu wenig auf den Boden stieren. Ob das Umherschleichen zwischen religiösen Leitgedanken und philosophischer Naturdefinition, mit dem sich die Band die Freizeit gestaltet, weltfremd oder glaubwürdig und spirituell aufgeladen ist, wird jeder mit sich ausdiskutieren. Qualität haben die Songs der Schweden, egal, wie das Meinungsbild letztlich gerät. Vor allem die ansprechende Atmosphäre und Thomas Erikssons Klage-Vocals ziehen 'Charles Taze Russell', 'The Mire' und 'I Refuse These Ashes' in die gute Abteilung. Dass "Solemn.Sacred.Severe" dennoch nicht als spektakuläres Debüt in die Geschichte eingehen wird, liegt an dem zu unscheinbaren Instrumentalangebot und den fehlenden umlegenden Melodien. Keine Gesangslinie verfolgt bis in den Schlaf, kein Riff kann Eindruck schinden; nachdem die Platte geendet hat, wirbelt man nicht euphorisiert zum Telefon, um jemandem von dem gerade Erlebten zu berichten.

Note: 7,0/10
[Oliver Schneider]

Laufen wir anno 2009 etwa Gefahr, dass sich das Doom-Genre in neue Höhen katapultiert? Nach bereits einigen sehr guten Veröffentlichungen in diesem Jahr - exemplarisch seien hier nur CANDLEMASS und AHAB angeführt - kommt nun mit "Solemn Sacred Severe" der nächste formidable Doom-Brocken angerollt. GRIFTEGÅRD haben bislang noch keine größere Aufmerksamkeit auf sich ziehen können (was gemeinhin daran liegen dürfte, dass wir hier von der ersten Langrille der schwedischen Truppe sprechen), doch das sollte sich nun ändern. Auf diesem Album wird sich Zeit gelassen, etwas schnellere oder ruppigere Ausbrüche werden nicht unter die schwerfälligen Monolithe gemischt (was mir doch ein bisschen fehlt) - emotional, atmosphärisch, bedrückend, für Doom-Verhältnisse aber auch vergleichsweise eingängig sind die Songs auf "Solemn Sacred Severe" jedoch allesamt. Was GRIFTEGARD zum ganz großen Wurf nun noch fehlt, ist, den gelungenen Stücken einen ergreifenden, mitreißenden Touch zu verpassen, der einen das Album wieder und wieder hören lässt. In dieser Hinsicht könnte noch ein Tick mehr passieren, ansonsten ist das schon richtig großer Doom Metal. Aus der Band wird was, da bin ich mir ziemlich sicher.

Note: 8,0/10
[Stephan Voigtländer]

Das Musikgeschäft ist schon faszinierend. Immer wieder kommt eine junge, hungrige Truppe daher und sorgt für offene Münder. Bei mir ist dies in diesem Monat unter anderem GRIFTEGÅRD. Da ich ihre EP nicht kenne, konnten mich die Schweden völlig überraschen. Denn ihr intensiver, schwermütiger Doom Metal vertreibt sogar die sommerlichen Eindrücke, lässt Sonnenstrahlen beim Eintritt ins Zimmer verdunkeln und ergänzt jedes Lächeln unweigerlich durch eine Träne. Klagend und leidend sind wohl die Attribute, die das Album am besten umschreiben. Die schweren Riffs, die Drumschläge, die so schwer und nachaltig fallen wie des Schmiedes Hammer auf den Amboss, verlangsamen die Zeit und fesseln den Hörer, dass er seine Umwelt vergisst und in einen Ozean seiner eigenen Emotionen fällt, um dort leise zu treiben und sich der Melancholie hinzugeben. Es fällt schwer, Vergleiche zu ziehen, aber wenn man sich einen Hybdriden aus den langsamen CANDLEMASS-Stücken und mittelalten MY DYING BRIDE, so etwa aus "Angel End The Dark River"-Phase, vorstellen kann, dann kommt das der Sache wohl ziemlich nahe. Und selbst wenn GRIFTEGÅRD den Metal komplett abstreifen und orchestral werden wie in 'Noah's Hand' bleibt doch die Grundstimmung erhalten. Ich habe selten ein solch unmetallisches Metalstück gehört: echter Doom. Bis zum Ende des Albums nach etwas mehr als 45 Minuten, wobei GRIFTEGÅRD es tatsächlich schaffen, gegen Ende ihre beiden besten Stücke zu bringen und damit sogar noch einen auf die fantastischen Anfangslieder draufzusetzen, bleibt man gefangen in der faszinierenden, einsamen, trübsinnigen Welt der Schweden. Ich brauche jetzt eine Dosis BEACH BOYS, sonst geht heute gar nichts mehr.

Note: 9,0/10
[Frank Jaeger]

Der September erfreut das Herz des Heavy-Metal-Liebhabers mit diversen Veröffentlichungen großer Namen etlicher Subgenres. Ich verweise nur auf MEGADETH, PARADISE LOST, PORCUPINE TREE oder GOTTHARD, die allesamt mit sehr guten neuen Werken in den Startlöchern stehen. Dass trotzdem eine gänzlich unbekannte Band aus Schweden zusammen mit einem der großen Namen die Pole Position einnimmt, dürfte schon überraschend sein. Dass diese Band dann auch noch mit triefend schwerem Doom um die Ecke gewalzt kommt, dürfte umso mehr erstaunen. Ist doch diese Spielweise nicht unbedingt jedermanns Sache. Trotzdem können alle Soundchecker dem Debüt-Langeisen der Schweden GRIFTEGARD etwas abgewinnen. Kein Wunder, fabrizieren die Herrschaften doch genau die richtige Mischung aus epischen Anteilen und schlürfenden Versatzstücken. True Doom also. Geprägt von mahlender Rhythmik, die fesselt. Darüber liegen schwere, aber abwechslungsreiche Gitarren, deren drückende Riff-Last unwillkürlich auf den Hörer übertragen wird. All das können aber auch andere Doomtruppen, werdet ihr jetzt sagen. Stimmt, aber GRIFTEGARD zelebrieren die düstere Kunst bis ins letzte Detail. Da brechen die Eisberge mitten im ultralangen 'Punishment & Ordeal' und beinahe zaghafte Töne erklingen. Plötzlich wirkt alles zerbrechlich und trostlos. Dabei ist es vor allem erstaunlich, wie variabel die Stimme zum Einsatz kommt. Emotionen pur. Spätestens beim sakralen 'Noah's Hand', welches die ultimative Melancholie-Keule des laufenden Jahres – 'The Mire' – einläutet, sollte jedem bewusst werden, welche Qualitäten diese Band hat. Das ist ganz große Kunst.

Note: 8,5 /10
[Holger Andrae]

Redakteur:
Peter Kubaschk

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