In der Gruppentherapie: INTO ETERNITY - "The Incurable Tragedy"
08.08.2008 | 23:36Es gibt derzeit wohl kaum eine Band, die Death Metal so gekonnt mit progressivem und traditionellem Metal verbindet wie INTO ETERNITY. Die letzten drei Alben der Band wurden allesamt und vollkommen verdient abgefeiert. Und das nicht nur bei uns. Grund genug, um die neue Veröffentlichung "The Incurable Tragedy" in unserer Gruppentherapie unter die Lupe zu nehmen.
Tim Roths DEATH-Huldigung geht weiter. Nach Chuck Schuldiners Riff-Sammlung, auf die der Gitarrist beim Komponieren von "The Incurable Tragedy" scheinbar erneut zurückgreifen konnte, lecken sich weite Teile der Todesbleiszene die dreckigen Finger. 'Tides Of Blood' oder 'One Funeral Hymn For Three' würden zwischen 'Scavenger Of Human Sorrow' und 'Spirit Crusher' auf "The Sound Of Perseverance" nur aufgrund eines INTO ETERNITY-Trademarks, dem Pendeln zwischen Growls und unterschiedlichen klassischen Metal-Vocals, bemerkt werden. Die charakteristischen Gesangslinien sind ebenfalls eindeutig den Kanadiern zuzuordnen. Der Prototyp findet sich in 'Spent Years Of Regret', dem mit 255 Sekunden längsten Song der Platte. Die Prog-Zwirbler fassen sich kurz; nach noch nicht mal vierzig Minuten ist alles gesagt. Ausführlicher waren die Mitteilungen des Vorgängers "The Scattering Of Ashes" auch nicht, aber etwas weniger begeisternd. Der Clean-Gesang ist noch energischer, und die mit fabelhaften Refrains vervollkommneten 'Indignation', 'Diagnosis Terminal' und 'Time Immemorial' beeindrucken – auch weil ihnen ein trostloses Konzept zugrunde liegt. Die von privaten Schicksalsschlägen inspirierten Texte – Roths Vater sowie zwei seiner besten Freunde erlagen vor den Aufnahmen ihrem Krebsleiden – entlarven all das Tough-guy-Gelalle und die Vorschulsatansprosa als armseliges Geschwafel. "Life is nothing to me anymore / Fade away into the dark of the night / Soon'll never feel the sun upon my face / Lift away this burden that plagues me" – Lyrics, die nicht einfach vorbeirauschen.
[Oliver Schneider]
Es ist eigentlich schon komisch, dass eine Band wie INTO ETERNITY noch nicht völlig durch die Decke gegangen ist. Immerhin werden hier alle möglichen Fans harten Stahls angesprochen. Es gibt finstere Growls, klare Power-Metal-Vocals, Halford-Screams, progressive, gerne an DEATH erinnernde Gitarrenarbeit und das alles in kompakter Form veredelt mit höchst eingängigen Refrains. Das war schon auf den letzten drei durch die Bank großartigen bis sensationellen Alben so und ändert sich auch anno 2008 nicht. Dazu muss man nur Galavorstellungen wie 'Diagnosis Terminal' (unglaublich!), 'Indignation', 'Time Immemorial' oder 'A Black Light Ending' hören. Metallerherz, was willst Du eigentlich mehr? Die ganz Pfiffigen werden nun rufen: "ein Konzeptalbum". Gut. Denn auch das gibt es auf "The Incurable Tragedy". Und zwar eines, welches an großen, dunklen Emotionen nicht zu übertreffen ist. Die von Mastermind Tim Roth umgesetzte, sehr persönliche Story handelt von dem Tod dreier geliebter Menschen (sein Vater und zwei seiner engsten Freunde) und wird in mal wütenden, mal todtraurigen (wer bei den drei Teilen des Titelsongs keine Gänsehaut bekommt, ist definitiv Gefühlstod) Sounds kanalisiert. Und wenn nach knapp 39 Minuten der vertonte Herzstillstand einsetzt, weiß jeder, das hier wirklich alles gesagt ist. Ein fantastisches Album, das tatsächlich den Weg in den Schrank eines jeden ernsthaften Metallers finden muss. MUSS.
[Peter Kubaschk]
Nicht schlecht, was uns Tim Roth und Konsorten da um die verwöhnten Lauscher pusten! Erwartungsgemäß stellt "The Incurable Tragedy" eine Weiterentwicklung der Vorgängerscheibe "The Scattering Of Ashes" dar, so haben INTO ETERNITY besonders an der Variation der Vocals gearbeitet und wirken dadurch noch abwechslungsreicher und lassen sich noch weniger einem bestimmten Genre zuordnen als bisher. Die Kanadier sind insgesamt sehr engagiert bei der Sache, man hört förmlich heraus, mit wieviel Motivation und Spielfreude man beim Aufnehmen der dreizehn Songs hatte. Den Höhepunkt findet dies im Opener 'Tides Of Blood', in dem Goldkehlchen Stu Block voller Eifer in Ripper-ähnlich hohen Gesangsregionen wildert. Für meinen Geschmack ist das dann doch etwas zu viel des Guten, aber glücklicherweise fällt dies nur bei dieser Nummer wirklich ins Gewicht. Die anderen Songs wissen ausnahmslos zu gefallen und erreichen nur stellenweise solch astronomische Höhen im Gesang. Thematisch ist "The Incurable Tragedy" harter Tobak. Die Scheibe dreht sich textlich um den Tod zweier Freunde und des Vaters von Tim Roth. Dementsprechend realistisch und teilweise drastisch sind die Lyrics. Besonders der Titeltrack, der rein akustisch daherkommt und in drei Teile - für jeden der Verstorbenen einen - gesplittet wurde, ist unheimlich düster und melancholisch. Bei 'The Incurable Tragedy III (December 15, 2006)' habe ich beim ersten Hören tatsächlich eine Gänsehaut bekommen. Der Song endet mit dem Schlagen eines Herzens, welches langsam in das Piepsen eines EKGs übergeht und schließlich der langezogene Piepstons des Herzstillstandes wird. Zusammenfassend lässt sich über "The Incurable Tragedy" sagen, dass INTO ETERNITY perfektioniert haben, was sich auf dem Vorgängeralbum angedeutet hat. Einzig die recht kurze Spielzeit stößt ein wenig sauer auf, allerdings wird man über diese Zeit großartig unterhalten. Ansonsten lässt ich "The Incurable Tragedy" ohne Einschränkungen empfehlen, auch wenn mein persönlicher Favourit der Band immer noch "Buried In Oblivion" bleibt.
[Hagen Kempf]
INTO ETERNITY habe ich seit ihrem selbstbetitelten 99er-Debüt fest ins Herz geschlossen - und der Band stets gewünscht, dass sie den großen Durchbruch schaffen möge. Jedoch werde ich den Eindruck nicht los, dass dieser nicht nur aufgrund des mangelhaft ausgeprägten Massengeschmacks und trend-orientierten Labels bisher nicht zustande kam, sondern dies durchaus auch an der Band selbst liegt.
Der Vorgänger "The Scattering Of Ashes" krankte nicht nur an einer deutlich suboptimalen Produktion, sondern auch an einem Sänger, der mehr polarisiert haben dürfte, als dies bisher in Sachen INTO ETERNITY der Fall war. Nun liegt "The Incurable Tragedy" vor, und so sehr ich den Hut vor dem äußerst persönlichen Konzept des Albums ziehe, so sehr stört es mich, dass es zum direkten Vorgänger kaum Weiterentwicklungen gibt - etwas, das bisher selbstverständlich war. Zwar gibt es mit 'Diagnosis Terminal' oder 'Indignation' wieder absolute Überflieger in Tradition von 'Severe Emotional Distress' oder 'Surrounded By Night' zu belauschen, aber der Rest des Materials ist bis auf die Zwischenteile austauschbar. Schade. Dazu erneut eine Produktion, die viel zu matschig (Drums), mit zu wenig Druck (Gitarren) und recht undifferenziert daherkommt. Doppelt schade. Die Spielzeit fällt mit nicht einmal 40 Minuten arg dünn aus: dreifach schade!
"The Incurable Tragedy" ist zweifelsohne ein starkes Werk, aber insbesondere in Anbetracht des emotional tiefgängigen Konzepts sowie der Querelen hinsichtlich der Besetzung hatte ich schon einen kleinen Quantensprung erwartet, der hier leider ausbleibt. Somit bleibt zu befürchten, dass die hochtalentierte Truppe wieder einmal nicht den Schritt aus der Versenkung schaffen wird. Unendlich schade ...
[Rouven Dorn]
Das fünfte Album einer der besten aktuellen Bands der Metalszene gilt es zu betrachten. Ein Konzeptalbum ist es geworden. Und zwar eines, das sich mit den schweren Schicksalschlägen von Bandleader Tim Roth beschäftigt, welcher in sehr kurzer Zeit drei ihm sehr nahe stehende Menschen verloren hat. Kein Wunder, dass "The Incurable Tragedy" sehr düster und sogar für INTO ETERNITY-Verhältnisse sperrig klingt. Dies mag daran liegen, dass erst 'Diagnosis Terminal' den Hörer bereits beim ersten Durchlauf völlig aus den Socken hebelt. Hier bekommen wir die so lieb gewonnenen melodischen Momente, die sich mit grandiosen Wuthäppchen abwechseln. Filetiertes Gehacktes sozusagen. Dieser Song gewährt mir den Zugang zum Album, so dass ich mich auch emotional auf die Achterbahnfahrt der nachfolgenden Kompositionen einlassen kann. Vor allem der dreiteilige Titelsong geht mit seinen sehr sanften Klängen mächtig unter die Haut, ohne auch nur eine Spur kitschig zu wirken. Das sind wahre Emotionen, die bei mir einen dicken Kloß im Hals produzieren. Aber auch die üblichen Überrollkommandos, die von einschmeichelnder Sanftmütigkeit in urplötzliche Stakkato-Attacken wechseln, liegen qualitativ kaum hinter denen, des bandinternen Jahrhundertwerkes "Burried In Oblivion". Mehr Komplimente kann ich INTO ETERNITY nicht machen, denn besagtes Album ist schon jetzt ein Meilenstein.
[Holger Andrae]
Der Haken bei Konzeptalben ist in der Regel, dass sie ohne Blick ins (mir nicht vorliegende) Textheft erst mal nur bedingt zünden wollen. Was sich auch bei INTO ETERNITYs erstem Konzeptwerk "The Incurable Tragedy" bewahrheitet - vor allem während Stu Blocks wie immer äußerst abwechslungsreichem (und genialen) Kreisch-Grunz-Gesang kann ich die Lyrics nur ansatzweise erahnen. Grob gesagt verarbeit Bandkopf Tim Roth in der Story den tragischen Krebstod dreier geliebter Menschen, nämlich den Brüdern Stephenson sowie seines eigenen Vaters. Mit der damit verbundenen Trauer finden wieder verstärkt akustische Passagen Einzug in den Sound der Band - neben dem Intro 'Prelude To Woe' ist vor allem das 'The Incurable Tragedy'-Trio auch Dank dezenter orchestraler Elemente und ausschließlichem Klargesang (wobei Teil III ein Instrumental ist) ungemein berührend. Einen starken Kontrast zu diesen Moll-Tönen bilden die übrigen sechs Tracks, in denen die Kanadier ihren bereits auf dem Vorgänger zelebrierten, nicht unbedingt eingängigen Stilmix fortführen. Ich würde sogar behaupten, dass "The Incurable Tragedy" insgesamt einige Durchläufe mehr braucht, bis man auch die schroffe Schönheit der progressiven Tracks für sich entdeckt. Doch mit dem wütenden 'Tides Of Blood', dem stärker von clean vocals dominierten 'Spent Years Of Regret', dem vertrackten 'Diagnosis Terminal' (Anspieltipp!) oder dem dramatischen 'One Funeral Hymn For Three' untermauern INTO ETERNITY zweifellos ihren Status als Kanadas wohl bester Extrem-Prog-Export, und ich bin sicher, dass mir die Songs - wie auch schon bei "The Scattering Of Ashes" - live sehr schnell ans Herz wachsen werden. Die Texte besorge ich mir bis dahin natürlich auch.
[Elke Huber]
Auch auf die Gefahr hin, dass ich zum nächsten redaktionsinternen Grillabend nicht mehr eingeladen werde: bei mir verursachen die vierzig Minuten des neuen Albums "The Incurable Tragedy" von INTO ETERNITY auch nach dem x-ten Durchlauf jedes Mal noch Kopfschmerzen und Herz-Rhythmus-Störungen. (Gut, Grillabende kannste jetzt vergessen. - PK) Spielerisch liefern Tim Roth und Konsorten hier eine Weltklasseleistung ab, schaffen es aber zu keiner Zeit, die Musik homogen oder harmonisch klingen zu lassen. Ein abrupter Wechsel folgt dem Nächsten. Eine chaotische Aneinanderreihung von Parts, bei dem man praktisch die nicht hörbaren Pro-Tools-Schnitte fühlen kann. Die Jungs zocken sich mächtig durch das Album, haben etliche rhythmische Spielereien im Gepäck und wissen vor allem beim dreigeteilten Titelsong im balladesken Bereich zu überzeugen. Der große Schwachpunkt ist der Gesang. Der ständige Wechsel zwischen Gekeife, bei dem Sänger Stu Block ziemlich schwächelt, und Gebrüll ist zunächst recht amüsant, auf Dauer aber ziemlich eintönig und daher nervig. Da die Metalschreie auch nur bedingt zünden wollen, bleiben im Gesangsbereich lediglich die modern gesungenen Refrains als Lichtblick übrig – hier seien vor allem 'Indignation', 'Diagnosis Terminal' und der erste Teil des Titelsongs genannt. Letztendlich lassen mich INTO ETERNITY verwirrt und durchaus ratlos zurück, denn die Musik zündet bei mir einfach nicht. Grundsätzlich komme ich mit modernem Extreme Metal schon klar, aber irgendwie ist das mittlerweile fünfte Album der Kanadier nicht flüssig und hat auch keinen besonderen Höhepunkt. Es soll mir aber auch jetzt bitte keiner mehr kommen, der meint, progressive Musik sei kommerziell nicht vermarktbar, denn zumindest in unserer Redaktion stehe ich mehr als alleine mit meiner Meinung da.
[Chris Staubach]
Die kreativen Kanadier verarbeiten auf ihrem neuen Werk tragische Verluste im Bekanntenkreis und zaubern dabei das erste Konzeptalbum ihrer Geschichte. Und auch wenn der traurige Hintergrund zu "The Incurable Tragedy" eher balladesk-tragische Nummern vermuten lässt, so steigern sich INTO ETERNITY in sehr thrashiges Material und Mastermind Tim Roth beweist mehr denn je, dass er ein wahrer Zauberer an der Gitarre ist. Sänger Stu Block steuert auch dieses Mal seine hohe Gesangslinien bei und läuft bei manch hohen Passagen Gefahr, Fans, die sich weniger mit dieser Art Gesang anfreunden können, mit der Zeit auf die Nerven zu gehen. Und auch wenn "The Incurable Tragedy" wieder ein typisches INTO ETERNITY-Progwerk ist, so verlaufen sich die Kanadier oft in sehr sperrige Prog-Parts, die sich erst nach mehreren Hördurchgängen offenbaren und lassen die typischen Ohrwürmer etwas außen vor. Zwischen den wilden Gitarrenläufen findet man aber auch immer wieder fragile und emotionale Parts wie das Intro zu 'Time Memorial' oder den dramatischen Titeltrack 'The Incurable Tragedy' . Insgesamt bleibt unterm Strich wieder ein gutes INTO ETERNITY-Album, welches gewohnte Elemente mit viel Gefrickel verbindet und etwas Zeit braucht, um sich im Ohr zu entfalten. Neues findet man hier allerdings nicht und das ist fast ein bisschen enttäuschend.
[Caroline Traitler]
- Redakteur:
- Peter Kubaschk