In der Gruppentherapie: John Rambo

20.02.2008 | 09:54

Es wird wohl kaum einen Metaller oder Rocker geben, der sich nicht irgendwann in seinem Leben schon mal Sylvester Stallone mit Mähne alias "John Rambo" zu Gemüte geführt hat. Anlässlich des Kinostarts möchte die POWERMETAL.de-Redaktion den gleichnamigen vierten Teil daher einer gründlichen Gruppentherapie unterziehen.

Einleitung

 

Es dürfte wohl kaum einen Metal-Fan geben, der Sylvester Stallone nicht in seiner legendären Rolle als einsamen Vietnam-Veteran John Rambo gesehen hat. Während Stallones zweite ruhmreiche Filmreihe "Rocky" konsequent den amerikanischen Traum erzählt, eine Underdog-Story mit viel Identifikationspotential, waren die "Rambo"-Filme von Beginn an Männerfilme. Wüste und blutige Action vor realen oder pseudo-realen Hintergründen war Programm.

Seinen ersten Auftritt hatte John Rambo im 82er "First Blood" ("Rambo") mit einem Sylvester Stallone im besten Alter für Actionhelden (36). Durch den großen Erfolg des Erstlings beflügelt, flimmerte 1985 "Rambo: First Blood Part II" ("Rambo II") über die Leinwand. Wieder drei Jahre später schloss "Rambo III" ("Rambo III") die Trilogie ab.

Ganze zwanzig Jahre später (und durch den Erfolg des "Rocky"-Revivals "Rocky Balboa" begünstigt) steht der mittlerweile 61-jährige Stallone wieder in seiner männlichsten Rolle vor und auch erstmals hinter der Kamera.

Bei der Wahl des politischen Hintergrunds beweist er dabei Fingerspitzengefühl (Spötter werden ihm Glück unterstellen).

 

[Martin Przegendza]

Geschichtlicher Hintergrund

Die Rambo-Filme waren stets auch ein Versuch, das Action-Gerüst vor einem realistischen Hintergrund aufzubauen. Nahm sich der erste Teil (nach einer Buchvorlage des Literaturprofessors
David Morrell, von dem kürzlich auch die Actionromane "Creepers" und "Level 9" auf Deutsch erschienen) noch vor manchem Antikriegsfilm der Thematik des Vietnam-Heimkehrers an, für den die Gesellschaft keinen Platz mehr übrig hat, hinkten die beiden Folgeteile zunehmend hinterher. Während Teil zwei von in Vietnam verschollenen Soldaten handelte, wollte Teil drei auf die Rebellen im von der Sowjetunion besetzten Afghanistan hinweisen. Dumm nur, dass der sowjetische Rückzug schon in Gang gesetzt wurde, als der vorerst letzte Rambo-Teil über die Leinwand flimmerte - auch wenn er rückwirkend im Zeitalter weltweiten Al-Quaida-Terrors etwas mehr an Brisanz gewinnt.

Diesmal spielt der Geschichtsverlauf Stallone aber gleich auf Anhieb in die Hände: Als er sich ursprünglich auf die Suche nach einem realen Konflikt begab, galt Birma laut UN noch als am wenigsten beachteter Krisenherd weltweit. Die brutale Niederschlagung der birmanischen Mönchsdemonstrationen im September vergangenen Jahres und das damit verbundene weltweite Aufsehen verleihen "John Rambo" sogar eine noch größere Aktualität, als Slys Crew bei Drehbeginn wohl absehen konnte. So werden gleich zu Beginn erstmals in einem Rambo-Film auch Originalbilder und Nachrichtenkommentare genutzt, auch wenn es die einzige Minute bleibt, in der Mönche zu sehen sind, und sich fortan auf die Karen-Rebellen konzentriert wird. Womit es Stallone allerdings sogar gelingt, auf eine tyrannisierte Minderheit hinzuweisen, die selbst in der weltweiten Berichterstattung vergangenes Jahr meist außen vor blieb. Und selbst wenn es sich "nur" um einen Actionfilm handelt, so ist es vielleicht doch der Rambo-Teil mit dem brisantesten Hintergrund.

[Carsten Praeg]


Handlung

John Rambo (Sylvester Stallone) hat das Kämpfen satt. Jahre nach seinem letzten Einsatz in Afghanistan lebt er zurückgezogen in Thailand, im Grenzgebiet zum vom Bürgerkrieg gebeutelten Birma.

Erst eine Gruppe christlicher Missionare reißt ihn aus seinem ruhigen Leben. Rambo wird von ihnen beauftragt, sie auf dem Seeweg in das Kriegsgebiet zu lotsen. Es kommt, wie es kommen muss: Die Gruppe wird vom birmanischen Militär gefangen genommen. Nur ein Mann kann sie retten, einer gegen alle: John Rambo.

[Martin Przegendza]


Die Gewaltorgie

Auch wenn vor allem im zweiten und dritten Teil der Ketchup nur so spritzte - es ist nichts gegen die Blutmassen aus dem neuen Teil. Das klingt eklig und sieht auch so aus, was aber vor allem daran liegt, dass die Gewalt hier verdammt realistisch dargestellt wird. Wenn eine Bombe einen Karen-Rebellen trifft, wird er in tausend blutige Stücke zerfetzt; wenn ein Söldner angeschossen wird, windet er sich noch Minuten später blutüberströmt im Schlamm; und die sadistischen Methoden, mit denen das burmanische Militär seine Opfer hier quält, entsprechen vielleicht nur ansatzweise dem, was in Wirklichkeit passiert ist.

Ebenso braucht es keine kunstvollen Pyroeffekte, durch die sowjetische Hubschrauber düsen. Wenn es kracht, dann kurz, aber umso heftiger. Der Surround-Sound drückt einen in den Kinosessel, als würde wirklich eine Bombe vor der Leinwand hochgehen. Was manche abstoßend finden mögen, unterstreicht letztlich nur den realistischen Hintergrund, vor dem der Film abläuft. Zudem hält sich der in die Jahre gekommene Sylvester Stallone selbst aber merklich zurück. Kein "Aus dem Schlamm springen mit Riesenmesser im Mund", kein "Riesen-Wumme, für die man sonst zwei Mann braucht , in einer Hand"-Halten. Stallone macht nur das, was einem 61-jährigen Kriegsveteran angemessen scheint - und das recht solide.

[Carsten Praeg]

Im Vorfeld der Veröffentlichung des vierten (und wohl endgültig letzten) "Rambo"-Films gab es einige Kontroversen. Hauptdarsteller, Drehbuchautor und Regisseur Sylvester Stallone wollte den heftigsten und blutigsten Actionfilm der Filmgeschichte inszenieren. Dieses Bemühen brachte ihm auch prompt ein NC-17-Rating (Äquivalent der "keine Jugendfreigabe" in Deutschland) der MPAA ("Motion Picture Association of America"- amerikanische FSK) ein - normalerweise der kommerzielle Tod einer solch großen Produktion. Durch geschickte Äußerungen konnte Stallone dem Film aber eine politische Bedeutung zureden, wodurch die MPAA den Film auf das R-Rating ("ab 16") herunterwertete.

Während "John Rambo" also in den Staaten ungekürzt über die Leinwand flimmern darf, musste die deutsche Fassung ordentlich Federn lassen. Anfänglich war von 59 Sekunden die Rede, letztlich wurden wohl doch knapp drei Minuten Film entfernt. Gerade das bluttriefende Finale (Rambo mäht mit Hilfe eines stationären Geschützes alles und jeden nieder) wurde recht arg verstümmelt.

Doch trotz aller Schnitte bleibt "John Rambo" ein hammerharter, unglaublich brutaler Film. Ein Film, den die großen Studios in dieser Form schon jahrzehnte langnicht mehr produziert haben. Die Gewalt ist dabei jedoch nicht übermäßig stilisiert. Stallone hat sich bemüht, ein möglichst realistisches Bild abzugeben, was heißt, dass Menschen von Granaten und großkalibrigen Waffen regelrecht in Stücke gerissen werden. Abstürzende Helikopter oder Kampfjets gibt es nicht (es hätte auch nicht ins Setting gepasst).

Das Ausmaß an Gewalt nimmt im Verlauf jedoch fast erschreckende Züge an. Selbst in der geschnittenen deutschen Fassung gibt es, wenn auch nur kurz, zerplatzende Köpfe, abgetrennte Extremitäten und fußballgroße Einschusslöcher zu sehen. Auch wenn man das noch verschmerzen und unter Old-School-Action abstempeln kann, ist die Gewalt gegen Kinder und Frauen überaus bedenklich. Ausladende Schießereien und Explosionen gehören ja noch zu einem echten "Rambo", zahllose Vergewaltigungen und maßlose Gewalt gegen Kinder hingegen nicht. Es sind diese Szenen, die den gefühlten Grad der Gewalt ins Unermessliche steigen lassen.

[Martin Przegendza]

Stallone hatte im Vorfeld einen Ruf zu verlieren, setzten die ersten Teile der "Rambo"-Serie doch in Sachen Gemetzel und Blutrausch einige bedeutende Akzente im Kino der späten Achtziger, so dass angesichts der Entwicklungen in der heutigen Filmindustrie ein gewaltsames Finale zu erwarten war. Und tatsächlich hat sich der Regisseur und Hauptdarsteller nicht lumpen lassen. "John Rambo" mag zwar unter dem Vorwand des Realismus vermarktet werden und schafft somit Anlass, die Gewaltorgien durch die geradezu authentische Darstellung des ungleichen Gefechts zwischen Bauern und Militär zu rechtfertigen, doch insgesamt ist Stallone doch ein ganzes Stück übers Ziel hinausgeschossen. Wenn in nahezu allen Gefechten Körperteile durchs Bild fliegen, minderjährige Opfer im Blut ersticken und die übelsten Verstümmelungen die Szenerie säumen, keimt unwiderruflich und völlig zu Recht der Vorwurf der Effekthascherei auf.

Der Blutzoll der insgesamt sowieso recht unglaubwürdig inszenierten Mission ist übertrieben hoch, wohingegen der Leichenzähler eine höhere Priorität genießt als die Fortentwicklung der Story. Sollte dies der Sinn eines politisch motivierten Films sein, ja, sollte sich "Rambo" bei seinem finalen Comeback lediglich über Gewalt, nicht aber über eine halbwegs intelligente Background-Story definieren, kann man getrost davon ausgehen, dass der ursprüngliche Geist der prestigereichen Reihe in der langen Zwischenzeit abhanden gekommen ist. Daher ist auch die kontroverse Diskussion über den Schnitt des Films im Grunde genommen uninteressant, beruht sie doch eigentlich darauf, dass man sich insgeheim lediglich am brutalen Vorgehen der One-Man-Army ergötzt. Die wahren Hintergründe der Handlung und somit auch die Tragödie um die Karen, das eigentliche Leitmotiv des Films, sind darin aber sicher nicht inbegriffen.

Letzten Endes hat Stallone versäumt, ein gesundes Mittelmaß zwischen reißerischer Action und dynamischem Storyboard zu finden. Die Darstellung der Gewalt geht auf Kosten des Plots und macht "John Rambo" zumindest diesbezüglich zum Einzelgänger im Rahmen des Vierteilers.

[Björn Backes]



Der Film

Sylvester Stallone will den Kreis schließen, was uns auch immer wieder vor Augen geführt wird. Das fängt bei der Akustikgitarren-Version des berühmten Rambo-Themas an, gefolgt von einem John Rambo, der ein noch zurückgezogeneres Einsiedlerleben führt als zu Beginn des dritten Teils. Er ist noch wortkarger, statt Sprüchen wie "Ich bin Ihr schlimmster Albtraum" oder platten, aber kultigen Dialogen à la "Was ist das?" "Blaues Licht" "Was macht es?" "Es leuchtet blau" gibt er nun Weisheiten wie "Wenn man bedroht wird, ist Töten so einfach wie Atmen" von sich. Der wahre Kreis schließt sich aber, als Sly anders als am Ende des dritten Teils an den Anfang des ersten Teils zurückkehrt: Er sieht wieder einen Sinn darin, in die Heimat zurückzukehren. Allerdings ist der Versuch, das auch bildlich umzusetzen, etwas übertrieben. Wenn man Stallone wie vor 25 Jahren mit Jeans und Armee-Jacke die Straße entlangspazieren sieht, wirkt das doch etwas kitschig. Vor allem birgt es eine wohl ungewollte Komik in sich, da das Gesicht eines in die Jahre gekommenen Stallone inzwischen doppelt so breit ist wie damals. Da war einem das Ende des dritten Teils fast lieber - aber es ist wohl auch ein typisch amerikanisches Filmende.

[Carsten Praeg]

Kontroversen verschaffen Aufmerksamkeit und wecken das Interesse der Massen. Doch nicht immer muss gut sein, was kontrovers ist. Genau so verhält es sich bei "John Rambo"! Der Gewaltaspekt wurde ja schon ausgiebig besprochen. Damit endet aber auch fast schon die Besprechung des Films. Viel mehr als rohe Gewalt, die ein bedenkliches Niveau erreicht, hat "John Rambo" nicht zu bieten. Sicherlich darf man, wo "Rambo" draufsteht, keinen Lynch'schen Plot erwarten. Geradlinigkeit hat zumeist ja auch ihr Gutes. Was Stallone aber hier abliefert, würde ihm im Drehbuchkurs eine dicke Sechs einbringen.

Dabei ist es nicht einmal die schnöde "Ich bringe eine Gruppe Dritte-Welt-Helfer in den Dschungel, überlasse sie sich selbst und hol sie raus, weil sie in Not geraten sind und ich gut dafür bezahlt werde"-Geschichte. Es ist die miese Dramaturgie, die dem Film zu schaffen macht. Einen Spannungsbogen vermisst man so sehr wie Emotionen beim Hauptdarsteller. Der oben beschriebenen Geschichte muss man lediglich wilde Schießereien und Gewaltexzesse hinzufügen, und man hat das Werk "John Rambo".

Bemerkenswert ist auch, dass der Protagonist und Namensgeber des Films keine zwanzig Zeilen Text im Film spricht. Wenn Rambo den Mund aufmacht, kommen lediglich Weisheiten wie "Lebe für nichts, oder stirb für etwas" dabei raus. Das passt zwar zum leicht archaischen Charakter des Films, lässt den Filmhelden jedoch auch zu einer grenzwertigen Figur verkommen. Rambo predigt Gewalt wie ein Priester und lässt sie gerecht im Raum stehen.

Die Tatsache, dass Rambo eine Gruppe christlicher Menschenrechtler aus dem Dschungel holen muss, die letztendlich auch zur Waffe greifen und Gewalt als Lösung suchen, spricht für sich. Anders als man es gewohnt ist, wird hier nicht der Weg von der Waffe weg, als vielmehr zur Waffe hin gesucht.

Sieht man von der bedenklichen Botschaft des Films ab und schaut ihn wortwörtlich als No-Brainer, bleibt ein über große Strecken langweiliger, dramaturgisch schwacher Film mit ausladenden Schießereien und einem Bodycount von 236, dem höchsten der Seriengeschichte!

[Martin Przegendza]

 

Entgegen allen Erwartungen gelang es Stallone kürzlich tatsächlich, seine wohl bekannteste Kinofigur Rocky noch einmal in adäquatem Rahmen auf die Leinwand zu bringen. Dieser Erfolg hat ihn sicherlich auch endgültig inspiriert, das lange propagierte Rambo-Projekt anzugehen, quasi nach dem Motto "Jetzt will ich es aber wissen!" Dabei hätte die Hollywood-Action-Ikone es im Grunde genommen mit etwas realistischer Weitsicht besser wissen müssen. Die Zeit des Protagonisten ist mit dem Ende von "Rambo III" im Großen und Ganzen abgelaufen, wenngleich das offene Ende und seine endgültige Heimkehr in die Staaten noch ein wenig Interpretationsspielraum ließen, der aber nicht zwingend gefüllt werden musste. Daher konnte Sly Stallone mit der Produktion des modernen Finales eigentlich nur auf der Verliererstraße landen, zumal die Ideen um die Filmfigur Rambo längst ausgeschöpft schienen.

Es verwundert dementsprechend kaum, dass sich der Regisseur bei der Wiederbelebung des Einzelkämpfers beinahe ständig selbst zitiert, sich dies aber auch in einigen Rückblenden offenkundig eingesteht. Das Anfangsszenario ist somit schon eine leicht modifizierte Kopie seiner Ruhephase vor dem Afghanistan-Einsatz, wohingegen die Sympathie für die entführte Sarah deutliche Parallelen zur zweiten Vietnam-Mission aufweist, die Stallone keinesfalls leugnen kann. Auch die Art des Einsatzes ist bekannt: ein orkanartiger Angriff mit anschließender Infiltration eines Militärlagers. All dies sind vertraute Passagen früherer "Rambo"-Auflagen, lediglich mit dem Unterschied, dass der Mann in der Hauptrolle heuer noch schneller auf den Punkt kommt. Und genau dies erweist sich beim Aufbau der Dramaturgie als fatal. Dort nämlich, wo sonst Freiräume für den Fortschritt der Story bereitstanden, fließen nun Hektik, Gewalt und unmotivierte Dialoge ineinander und besiegeln schließlich die Gewissheit, dass die Rückkehr von John Rambo in die genau gegenteilige Richtung schießt wie das Ring-Comeback von Rocky Balboa. Auch wenn "John Rambo" keine völlig sinnentleerte Schlachterei ist, so tendiert der gealterte Inszenator in eben dieses Filmsegment und trägt den ruhmreichen Action-Helden mit Schande ins Grab.

[Björn Backes]

 

Fazit

Lässt man den realen Hintergrund einmal beiseite, bleibt zunächst in der Tat nicht viel mehr übrig als "John Rambo? Hilfe? Peng, danke!" Dabei bleibt der vierte Rambo-Film in der Anzahl der Handlungsstränge sogar noch weit hinter den vorigen drei Teilen zurück. Wären diese einem ähnlich kargen Muster gefolgt, der Abspann wäre bereits nach 30 Minuten fällig gewesen. Da werden Erinnerungen wach an die weit plumperen "Missing in Action"-Filme von Chuck Norris. Allerdings verpasste der spätere Texas-Ranger dem bereits ausgelutschten Thema Vietnam lediglich einen unnötigen "guter Ami gegen böse Kommunisten"-Aufguss, während Sylvester Stallone - und das muss man ihm lassen - zum Abschluss doch noch ein glückliches Händchen in Sachen Aktualität beweist. Mann kann es Glück nennen oder Sly reines Kalkül vorwerfen, um eine Jugendfreigabe zu bekommen. Doch die Bilder birmanischer Verfolgungen brennen sich ein. Das macht "John Rambo" zwar nicht zu einem besseren Actionfilm, aber doch zu einem, der eine Weile in Erinnerung bleibt.

[Carsten Praeg]

Viele habe sich nach der Ankündigung eines neuen "Rocky"-Films gefragt, ob der mittlerweile 60-jährige Sylvester Stallone noch in der körperlichen (und geistigen) Verfassung ist, ein letztes Mal in seine Paraderolle zu schlüpfen. Allen Spöttern zum Trotz zeigte Sly, dass er noch das Zeug dazu hat, einen großen Film abzuliefern.

Nach dieser Leistung und dem großen Erfolg von "Rocky Balboa" war es also nicht weiter überraschend, dass ein neuer "Rambo" angekündigt wurde. Man könnte aus der Analogie schließen, dass auch dieses Revival gut gegangen ist. Doch leider ist "Rambo" ungleich "Rocky".

Sicherlich ist es bemerkenswert und mutig, die frühen Achtziger im Jahr 2008 noch einmal auf die Leinwand zu bringen und einen geradlinigen (man könnte auch sagen: dummen) No-Brainer zu drehen. Weiterhin spricht es für Slys Mut, eine Gewaltorgie zu zelebrieren, die jedem guten Geschmack trotzt. Bis hierhin bewegen wir uns noch im Rahmen der Geschmackssache.

Fatal sind aber die filmischen Schwächen. Niemand, wirklich niemand erwartet eine kluge Geschichte und herausragende Schauspielleistungen bei einem "Rambo"-Film. Die miese Dramaturgie, viele Längen, eine bedenkliche Botschaft und einige unfreiwillig komische Momente machen aber "John Rambo" mehr schlecht als recht.

Was bleibt, ist ein brutaler Film, der einige wüste Schießereien, viel Gemetzel und absolut null Handlung bietet. Wer Geballer sehen will, das nur schlecht von einer grotesken Rahmenhandlung verbunden wird, darf sich auf einen Kinobesuch freuen. Alle anderen seien gewarnt.

[Martin Przegendza]

Der vierte Teil ist anders als die bisherige Trilogie. Das war angesichts der deutlichen Abstände zwischen den Produktionsdaten gar nicht anders zu erwarten. Und dennoch überwog vor der Zurschaustellung des Materials noch die Hoffnung, Stallone hätte sich nach dem Rocky-Finale als Schauspieler und Regisseur noch einmal berappeln können und zumindest auch sein zweites cineastisches Steckenpferd würdevoll von der Leinwand verabschiedet. Statt diese Chance zu nutzen und seinen mittlerweile recht zwiespältigen Ruf wieder aufzupolieren, ist Stallone schlichtweg den Weg des geringsten Widerstands gegangen und hat genau das umgesetzt, was in Laienkreisen zum Thema "Rambo" immer geflüstert wurde. Stallone lässt sein filmisches Alter Ego zum abgestumpften Muskel- und Ballerprotz verkommen, nimmt ihm seine Glaubwürdigkeit als Filmfigur und bereitet ihm ein Setting, welches eher abstößt als anzieht.

Die paradoxe Handlung sowie einige völlig farblose Charaktere unterstreichen schließlich den Eindruck des Schnellschusses, der "John Rambo" abschließend zweifellos geworden ist, dokumentieren aber auch die unverhältnismäßige Schwerpunktverteilung, die der recht kurze Film in seiner Endversion aufweist. Statt Hintergründe aufzudecken und Fakten bewusst zu machen, beschränkt man sich lediglich auf einen einleitenden Trailer über die Missstände in Fernost, die nur Aufhänger, aber sicher nicht grundlegendes Thema des Streifens sind und somit die eigentliche Motivation Stallones (oder wenigstens das, wohinter er sich versteckt) ad absurdum führen. Waffengewalt und kompromisslose Brutalität sind die wahren Symbole des letzten Teils, und auch wenn zumindest die Endsequenz sowie die Rückbesinnung auf die Titelmusik des Debüts eine kurze nostalgische Gänsehaut heraufbeschwören, so ist Episode vier eine herbe Enttäuschung. Sly, hättest du es doch nur bei deinem Einsatz gegen das russische Militär bewenden lassen!

[Björn Backes]

Redakteur:
Carsten Praeg

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