Interview mit COLLAPSE UNDER THE EMPIRE: Der Abschluss einer Ära!

03.11.2024 | 14:54

Die Postrocker sind seit eineinhalb Jahrzehnten zu einem der bekanntesten Acts der hiesigen Szene gereift, was sowohl an der Quantität, man schaffte immerhin neben neun Studioalben noch eine Handvoll EPs und Sonderstücke, als auch an der Qualität des Outputs liegt.

Denn von Beginn an konnten die beiden Köpfe hinter COLLAPSE UNDER THE EMPIRE, Chris Burda und Martin Grimm, großartige Instrumentals komponieren, bei denen es viel Spaß machte, die mehr oder weniger kleinen stilistischen Wandlungen von Album zu Album zu verfolgen. Über die Jahre haben wir die beiden Musiker verfolgt, aber zu Wort kamen sie bei uns noch nicht. Zum Anlass der Veröffentlichung des Boxsets "Works" ist die Gelegenheit gekommen, COLLAPSE UNDER THE EMPIRE mal genauer unter die Lupe zu nehmen.

Das Boxset ist wahrlich ein Monster. Es enthält neben einigen Gimmicks jedes bis dato aufgenommene Lied auf zwölf Vinylscheiben, darunter auch das bislang physisch nicht verfügbare Debüt "Systembreakdown", alle EPs inklusive der unveröffentlichten ersten 5-Track EP "Paintball" mit vollständiger Trackliste, ja, in Zeiten digitaler Musik ist das ein Thema, sowie eine Vinylscheibe mit Bonustracks und Non-Album-Singles, die nicht auf den regulären Tonträgern zu finden waren. An dieser Stelle unterbreche ich meinen Redefluss einmal, weil es ein Video der Herstellung des Schatzkistchens gibt, das alles viel besser erklärt und zeigt.

https://www.youtube.com/watch?v=KQWFMc6eEto

Ein Wahnsinn. Deswegen habe ich beschlossen, den beiden einmal auf den Zahn zu fühlen.

Hallo Chris, Martin, wie seid ihr auf diese Idee gekommen?

Chris: "Wir hatten schon 2017, als der Vinyl-Hype so richtig losging, den Traum, unsere Alben und EPs in einer Vinyl-Box zu veröffentlichen. Das Ganze hat jetzt etwas länger gedauert zu realisieren, dafür sind seitdem aber auch einige Alben und eine EP dazugekommen. Ich glaube, es gibt nicht viele Bands, die sich diesen Traum erfüllen konnten. Selbst bei größeren Bands bestimmen die Major- oder mittelgroße Labels, ob sich der Aufwand und die Kosten lohnen. Wir haben uns gesagt, so etwas macht man nur einmal im Leben. Man kann auch in ein paar Jahrzehnten darauf stolz zurückschauen."

Das kann man sicher. Allerdings ist so eine Werkschau üblicherweise etwas, das man retrospektiv, nach der Auflösung einer Band, auf den Markt bringt. Muss ich jetzt fürchten, dass das Imperium jetzt wirklich kollabiert?

Chris: "Keineswegs! Wir sehen die "Works"-Werkschau eher als Abschluss einer über 15-jährigen Zusammenarbeit, die alles zusammenfasst, was wir in den Jahren kreativ aus uns und den Instrumenten rausgeholt haben. Unser Credo war immer, neue Sachen auszuprobieren und vor keiner verrückten Idee Halt zu machen. Wir sind seit Anbeginn eine DIY-Band geblieben, veröffentlichen seit 2012 auf unserem eigenen Label "Finaltune" und kümmern uns um alle Belange, die eine Veröffentlichung erfordert. Von der Aufnahme im eigenen Studio, dem Mix, Mastering und so weiter, selbst die Promotion hatten wir in den Anfangsjahren noch komplett allein gemanagt. Bei den letzten beiden Alben haben wir einen Teil der Aufnahmen und den Mix bei befreundeten Tontechnikern ausgelagert, um den Sound nochmal zu verbessern. Man könnte bei der LP-Box tatsächlich denken, dass es sich auch um den Schlussakkord der Band handeln könnte. Das ist aber nicht der Fall, einige Tracks für ein zehntes Album stehen schon in der Pipeline, wir wollen aber tatsächlich noch eine kleine Pause einlegen, um die Batterien wieder neu aufzuladen."

Pause, so so. Davon bin ich nicht allzu begeistert, denn in den letzten Jahren hat sich herauskristallisiert, dass "letzte Touren" eine fünfjährige Abstinenz nach sich ziehen, "Bandpausen" aber tatsächlich unbegrenzt dauern können. Auch die Aussage des "möglichen" zehnten Albums beruhigt mich nur bedingt. Aber bei solchen kreativen Köpfen wie Chris Burda und Martin Grimm dürfte es sowieso unmöglich sein, sie einzuengen, sei es in COLLAPSE UNDER THE EMPIRE oder was immer auch in den nächsten Jahren folgen wird.

Kommen wir nochmal zurück zu "Works". Die Preise für Vinyl sind mittlerweile in beachtliche Höhen geklettert. Musstet ihr ohne Label-Unterstützung das Mammutprojekt finanziell allein stemmen?

Chris: "Die Vinylproduktion war tatsächlich sehr kostspielig, dafür hätte man sich auch ein neues Mittelklasse-Auto im unteren Segment anschaffen können. Die Rohstoffpreise sind leider seit den etlichen Krisen der letzten Jahre dramatisch gestiegen, so dass wir etwa 20% mehr zahlen mussten als noch 2019. Aber wir wollten es jetzt durchziehen, da wir es auch oft bei den Fans angekündigt hatten, sodass wir jetzt den richtigen Zeitpunkt gesehen haben. Die Pre-Order-Phase auf unserer Website fing tatsächlich zwölf Monate vor der Veröffentlichung an. Wir mussten unsere Fans bei einem so riesigen Projekt um Unterstützung bitten. Als dann gleich zu Beginn die ersten 30 Vorbestellungen eingingen, wussten wir, dass wir auf einem guten Weg waren. Immerhin ist die Anschaffung der LP-Box mit 349 € nicht gerade billig. Insgesamt haben wir 200 LP-Boxen produzieren lassen, die Edition ist also super limitiert und wird auf keinen Fall nachgepresst. Die Produktionskosten haben wir glücklicherweise bereits raus. Wer das Interview also liest, sollte sich nicht allzu viel Zeit lassen, bevor die Boxen vielleicht Anfang nächsten Jahres bereits ausverkauft sind. Wir bedanken uns an dieser Stelle bei allen Vorbestellern aus allen Teilen der Welt, die das Geld bei uns über mehrere Monate geparkt hatten, obwohl sie eine lange Zeit noch nichts in der Hand halten konnten. Ohne sie wäre diese aufwendige Veröffentlichung nie möglich gewesen."

Jetzt kommt allerdings ein kleiner Dämpfer in der Euphorie. Ich bin zwar Fan, aber nicht so vinylfixiert und habe mir das CD-Bundle von "Works" über die Website bestellt. Ich war dabei aber enttäuscht, dass es das Booklet, das in der Vinylausgabe beiliegt, nicht auch beim CD-Bundle gibt.

Chris: "Mit der kostspieligen 12-LP-Box hatten wir unser Budget weit überschritten. Aber dafür haben wir unseren Traum erfüllt, aber es wäre natürlich schön gewesen, für das CD-Bundle noch einen Schuber mit Booklet und sämtlichen Extras aus der LP-Box im gleichen "Works"-Design zu produzieren. In unserem Shop steht unter dem CD-Bundle, dass es sich nur um die einzelnen CDs handelt, deswegen haben wir es auch "Bundle" genannt und nicht Box-Set. Vielleicht werden wir nächstes oder übernächstes Jahr noch mit unserem kommenden zehnten Album eine CD-Box anbieten.

Fast alle CDs, Alben und EPs, kann man auf unserer Bandwebsite auch einzeln kaufen, auch das "Non-Album Singles + Bonus Tracks" Album ist zur Veröffentlichung am 09.08.2024 als CD einzeln erschienen. Nur die beiden EP-Compilations I + II sind ausschließlich Bestandteil der LP-Box sowie als Einzel-CD im Bundle erhältlich. Das CD-Bundle richtet sich in erster Linie an neue Hörer, die uns entdecken und vielleicht gleich das komplette Paket zu einem vergünstigten Preis erwerben möchten. Mit 114 Tracks deckt sich die Anzahl der Tracks im CD-Bundle mit der LP-Box."

Das berührt einen Punkt, der mir und einigen anderen Kollegen aus der Redaktion schon seit langem ein Dorn im Auge ist, nämlich Neuauflagen, Toureditionen und Ähnliches, die nicht allzu lang nach Erscheinen mit Bonustracks oder sogar Bonus-Tonträgern erscheinen und den Fan, der das Album schon bei Erscheinen erworben hat, genau dafür bestrafen und die Fangemeinde vor die Frage stellen, ob sie bereit sind, das Album deswegen ein zweites Mal zu kaufen. Das wäre nun in Bezug auf die beiden Tonträger, die es nur in "Works" gibt, zwar nicht direkt vergleichbar, aber zumindest im Ansatz ähnlich. In Bezug auf COLLAPSE UNDER THE EMPIRE wäre für mich die Lösung, die beiden Compilations als Doppel-CD ebenfalls zu pressen und einzeln zu verkaufen. Aber ob sich das lohnt, müssen die CUTIES entscheiden. Zumindest die Informationen aus dem Beiheft könnte man natürlich als PDF zur Verfügung stellen, vielleicht per E-Mail-Anhang, als kleines Dankeschön an die alten Fans.

Eine letzte Frage habe ich aber noch zu "Works". Auf der CD-Ausgabe fehlt doch ein Stück, nämlich 'The Silent Death'.

Chris: "Wir haben das gleiche Stück einmal für die Charity-Single der Organisation "The Shark Project" und als Track auf der Split-EP "Black Moon Empire" mit MOONCAKE von 2011 veröffentlicht. Nur haben wir den Track auf der EP mit den Initialen 'T.S.D.' betitelt. Ehrlich gesagt war das eine spontane Idee, die wir heute auch nicht mehr erklären können. Also der Track ist definitiv auf der LP-Box und dem CD-Bundle vertreten."

"The Shark Project" ist ein gutes Stichwort. COLLAPSE UNDER THE EMPIRE engagiert sich im Tier- und Umweltschutz, man unterstützt Vereine wie beispielsweise "Rettet den Regenwald e.V." und "The Shark Project". Warum habt ihr genau diese Organisationen ausgewählt?

Chris: "Schon relativ früh hatten wir das Bedürfnis, irgendetwas Sinnvolles mit unserer Musik zu machen. Neben unseren ganzen dramatischen Konzeptthemen, die wir über die Jahre in unsere Alben und EPs einfließen haben lassen, dachten wir, warum nicht ein paar Organisationen unterstützen, die sich für sinnvolle Tätigkeiten einsetzen? Unser Beitrag war nicht sehr groß, aber immerhin konnten wir für die beiden genannten Organisationen und 2020 im Zuge der Corona-Krise für das "Rote Kreuz" je Projekt mit unseren Charity-Singles ungefähr 2000 € an Spenden sammeln. Ich wundere mich manchmal, warum andere kleinere Bands wie wir diese Möglichkeiten nicht nutzen. Solche Kampagnen erfordern nicht viel Aufwand. Ein bis zwei E-Mails mit der Organisation reichen meistens schon aus, um beispielsweise über Bandcamp eine Kampagne einzurichten und die PayPal-Adresse der Organisation einzubinden. Danach muss man nur noch seine Fans auf den Social-Media-Kanälen informieren."

Jedes Engagement zählt, keine Frage, aber ich befürchte, dass durch die Krisen der Welt Klimathemen in den Hintergrund gedrängt werden. Das Konsumverhalten der Menschen jedenfalls ist so wenig nachhaltig wie selten zuvor, wenn ich an Shein oder Temu denke. Eigentlich müsste die Lösung doch Konsumverzicht sein, oder?

Chris: "Die Trends in der slow fashion haben sich leider noch nicht durchsetzen können. Das hängt sicher mit mangelnder Förderung und Werbung von alternativen Kleider- und Designkonzepten zusammen. Shein und Temu haben auch so großen Erfolg, weil es viele InfluencerInnen gibt, die dem Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad förderlich sind. Das sollte man verbieten. Zumal die billige Kleiderproduktion nur unter verheerenden Arbeitsbedingungen und mit Hilfe von Kinderarbeit funktionieren kann. Wenn ich Klamotten zum Wegwerfpreis bekomme, verliert sich auch die Wertschätzung der Produkte. Früher hat man defekte Kleidung genäht, weil sie teuer in der Anschaffung war. Wenn ich einen Pullover für zwei Euro habe, lohnt sich schon der Aufwand nicht; den kann ich jede Woche bei Temu und Co. neu kaufen. Deutschland schießt sich mit Temu und Co. ins eigene Knie. Dadurch wird die eigene Bekleidungswirtschaft geschwächt.

Reden wir lieber weiter über Musik: Sicherlich würden viele Fans euch gerne mal in Aktion auf der Bühne sehen, aber live macht sich COLLAPSE UNDER THE EMPIRE rar.

Martin: "Chris und ich sind in erster Linie Produzenten und kreative Köpfe. Uns zieht es mehr ins Studio als auf die Bühne, da wir ständig Neues erschaffen wollen. Für unsere Fans haben wir 2016 eine spezielle Live-Show entwickelt, die aber derzeit auf Eis liegt. Der Grund dafür ist die fehlende Bereitschaft von Veranstaltern, eine angemessene Gage für Musiker, Techniker und Crew zu zahlen. Das Problem liegt jedoch nicht allein bei den Veranstaltern, sondern auch am allgemeinen Konsumverhalten in der Musikszene. Früher waren Veranstalter offener und risikofreudiger, wenn es um neue Konzepte und Shows ging. Auf YouTube kann man sich den Track "Giants" von unserem ersten Gig 2016 beim Dunkfestival in Belgien anschauen."

Das machen wir doch einfach mal, hier ist der Clip:

https://www.youtube.com/watch?v=bQQAr10AZZg

Die meisten Bands finanzieren sich heute über Konzerte anstatt über Alben-Veröffentlichungen, ihr jedoch nicht. Aber von C.U.T.E. könnt ihr sicher nicht leben. Was macht ihr sonst?

Martin: "Es ist tatsächlich schwierig, allein von der Musik zu leben. Selbst Freunde, die Anfang der 2000er viel Geld mit Albumverkäufen und Konzerten verdient haben, kämpfen sich heute durch. Ich habe früh erkannt, dass ich nicht primär von Musik leben will. Stattdessen folge ich meiner Leidenschaft für Kreativität und Marketing. 2015 habe ich die Agentur "digitalanders" gegründet, wo ich für Unternehmen Logo- und Webdesigns erstelle und das Marketing übernehme. Christian ist seit Jahren im Vertrieb bei einem Unternehmen in Hamburg tätig."

Euer Sound ist auch nicht ganz einfach auf die Bühne zu bringen, als Zwei-Mann-Projekt geht das schon gar nicht. Ihr habt euch im Laufe der Jahre einen einzigartigen Sound erarbeitet. Was war die ursprüngliche Vision für die Band und wie hat sie sich im Laufe der Zeit entwickelt?

Martin: "Die ursprüngliche Vision für COLLAPSE UNDER THE EMPIRE war es, cineastische, emotionale Klanglandschaften zu schaffen, die ohne Worte Geschichten erzählen können. Wir wollten Musik machen, die sowohl introspektiv als auch episch ist. Im Laufe der Zeit haben wir unseren Sound verfeinert und neue Elemente integriert, wie elektronische Beats und komplexere Arrangements, um die emotionale Tiefe und Dynamik unserer Musik weiter zu verstärken."

Das klingt nach einem Prozess, der möglicherweise nie komplett abgeschlossen ist. Gehört ihr zu den Musikern, die ihre Stücke immer wieder überarbeiten, um sie zu perfektionieren, oder könnt ihr gut loslassen?

Martin: "Vor jeder Albumveröffentlichung durchlaufen wir eine intensive Phase, die wir "Heiße Phase" nennen. In dieser Zeit überarbeiten wir unsere Songs einige Male und optimieren jedes Detail. Manchmal werfen wir ganze Passagen heraus, wenn sie am nächsten Tag nicht mehr gut klingen. Unser Ziel ist es, dass jeder C.U.T.E-Song einen langfristigen Hörspaß bietet, sodass unsere Fans immer wieder neue Facetten entdecken und das Gesamtwerk besser verstehen, je häufiger sie es hören. Diese "Heiße Phase" beginnt etwa sechs Monate vor dem Release – wir sind dann im Tunnel. Nach dieser Phase müssen wir abrupt loslassen, da das Album in die Pressung geht und die Promotion-Arbeit beginnt."

Ja, stimmt, ich empfinde eure Alben auch häufig eher als Gesamtkunstwerk, bei denen die Lieder zusammenhängen. Losgelöste, einzelne Stücke sind immer gut, aber wecken nicht die gleichen emotionalen Reaktionen.

Wie seid ihr an diesen Punkt gekommen, welche Künstler oder Ereignisse waren die größten Inspirationen und Einflüsse?

Martin: "Meine musikalischen Wurzeln liegen in der Rockmusik der 90er Jahre, insbesondere im Grunge. Bands wie SILVERCHAIR und NIRVANA haben mich stark geprägt; ich liebte ihre Melodiebögen, die Einfachheit und den Groove ihrer Musik. Danach verliebte ich mich in den Nu-Metal, mit Bands wie KORN, MUDVAYNE, SLIPKNOT, 4 LYNN, LIMP BIZKIT und LINKIN PARK. Diese Phase hat mir komplexere Melodien und beeindruckendes Drumming nähergebracht. Zu Beginn von COLLAPSE UNDER THE EMPIRE hört man diese Einflüsse deutlich."

Chris: "Ich bin ein Kind der 80er und bin mit Bands wie DEPECHE MODE, THE CURE, NEW ORDER, U2 und TALK TALK groß geworden. Gerade die elektronischen Elemente sind ein starkes Element in unserer Musik. Die Verbindung von Rock und Elektro ist im Postrock eher untypisch. Später haben wir uns von Filmmusik à la Hans Zimmer, Clint Mansell und Bands wie MOGWAI oder SIGUR RÓS inspirieren lassen. Diese vielfältigen Einflüsse haben uns dahin geführt, wo wir heute stehen."

Wenn man das Internet durchforstet, stellt man fest, dass seit über 15 Jahren von euch keine Bewegtbilder auf YouTube oder ähnlichen Plattformen existieren. Nur animierte Musikvideos zu den Singles und ein paar Promofotos sind auffindbar. Euer bislang einziges Konzert auf dem Dunkfestival ist auch das einzige Video, welches existiert. Auch hier seid ihr kaum zu erkennen. Ohne Videopräsenz hat es eine Band heutzutage sehr schwer zu überleben.

War das nicht vorhandene Erscheinungsbild der Band von Anfang an so gewollt?

Chris: "Wir beide sind keine Typen, die gerne im Vordergrund stehen. Das ist auch der Grund, warum wir nie das Bedürfnis hatten, uns filmen zu lassen. Wir wollten von Anfang an nur unsere Musik sprechen lassen und haben den Fokus auf die Musik, das jeweilige Albumkonzept und die Promotion gelegt. Mittlerweile sind wir sogar etwas stolz darauf, dass wir es im Internet-Zeitalter über fünfzehn Jahre geschafft haben, visuell nicht präsent zu sein. Bei der Überflutung an Medien heißt unser Motto weiterhin Entschlackung. Gerne hätten wir auch auf die Promofotos verzichtet... aber leider benötigt man diese für die Album-Promotion.

Der ganzen Instagram & Co.-Gesellschaft kann ich nichts abgewinnen, mich widert mittlerweile die Selbstverliebtheit der Generation Internet an. Inzwischen sind es ja nicht nur die jungen Leute, die vollkommen dem Narzissmus und ihrer eigenen Schönheit erliegen. Das Problem ist nur, dass die meisten Leute damit nicht mehr klarkommen, wenn das eigene Schönheitsideal nicht mehr mithalten kann. Nicht umsonst steigen die Depressionsfälle vor allem bei jungen Leuten weltweit immer weiter an."

Wie siehst du die Zukunft von COLLAPSE UNDER THE EMPIRE? Gibt es spezielle Projekte oder Ziele, die du in den kommenden Jahren erreichen möchtest?

Martin: "Die Zukunft der Musikproduktion wird stark von Künstlicher Intelligenz beeinflusst werden und das wird die Musikbranche nachhaltig verändern. Ähnlich wie damals, als die ersten hochwertigen digitalen Plugins auf den Markt kamen, müssen auch wir uns an die neuen Entwicklungen anpassen. Es ist wichtig, dass wir nicht stehen bleiben, sondern uns weiterentwickeln. Unser Zwölf-LP-Box-Set "Works" markiert für uns den Abschluss einer Ära – fünfzehn Jahre Musikproduktion und digitale Audioproduktion. Dieses Projekt ist für uns eine Art Rückblick und gleichzeitig ein Meilenstein. In Zukunft möchten wir weiterhin innovativ bleiben und die neuen Möglichkeiten der Technologie nutzen, um unsere Musik auf das nächste Level zu heben."

Chris: "Ich sehe der Entwicklung sehr skeptisch entgegen. Die Kreativität wird darunter massiv leiden. Fortschritt ist ok... aber eine so revolutionäre Technik, die erst am Anfang steht, wird Millionen von Jobs zerstören, aber natürlich auch neue erschaffen. Die Musikindustrie und viele prominente Künstler und Bands wehren sich ja schon mit allen Kräften gegen diese Entwicklungen, meiner Meinung nach zu Recht. Es kann nicht sein, dass die verschiedenen Künstlichen Intelligenzen massenweise mit geschütztem Musik-Material gefüttert werden und daraus am Ende jeder Mensch einen Song inklusive Songtext geliefert bekommt, die er im schlimmsten Fall auch noch sein Eigen nennen darf. Aber natürlich ist die Entwicklung jetzt nicht mehr aufzuhalten, auch wenn es strengere Regeln geben wird. Am Ende wird so oder so die Kreativität limitiert, sodass der Mensch nur die Maschinen bedienen muss."

Dieser Umbruch ist bereits in vollem Gange. Ich als alter Metaller der Achtziger blicke, trotzdem ich keine Berührungsängste mit elektronischen Sounds und Spielereien habe, eher mit Sorge auf die KI-Revolution. Sogar Metal Archives, eine Website, die ich häufig besuche, sah sich gezwungen, ein Statement abzugeben, dass KI-generierter Metal nicht akzeptiert würde. Schon 1991 beklagte METAL CHURCH den verlorenen Faktor Mensch in der damaligen Musik. Wir stehen am Anfang einer viel größeren, extremeren Entwicklung. Martin Grimm macht mir diesbezüglich keine große Hoffnung. Aber das ist ein Thema, mit dem wir uns auseinandersetzen werden, wenn COLLAPSE UNDER THE EMPIRE das zehnte Album fertiggestellt haben wird.

Wann immer das auch sein wird.

 

Fotos: Copyright COLLAPSE UNDER THE EMPIRE

Redakteur:
Frank Jaeger

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